Protocol of the Session on January 31, 2006

Wie gesagt, nach meinen Informationen lief das landauf landab im Wesentlichen so ab. Wenn das wirklich so war, Herr Minister, dann waren Ihre Razzien ein Muster ohne Wert. Wir können darüber rätseln, ob das Absicht oder Dummheit war. Für Absicht spricht, dass damit der kleine Metzger gepackt wurde. Das ist nämlich weit ungefährlicher, als wenn man die Großen schnappt. Das haben Sie auch schon beim Deggendorfer Skandal gezeigt.

(Alexander König (CSU): Dicker Hund!)

Das Veterinäramt Passau wurde am 1. März 2005 über die wesentlichen Inhalte dieser 22 500 E-Mails informiert. Es war also über all das informiert, was jetzt ans Tageslicht kommt. In einem Interview mit dem „Münchner Merkur“ rechtfertigen Sie die Verzögerungen im Januar damit, dass das Veterinäramt die Unterlagen der Kripo habe auswerten müssen.

Die Leute hätten dafür ein Dreivierteljahr Zeit gehabt. Dann lese ich von einem Mitarbeiter, die Lager seien bei zu erwartenden Kontrollen von brisanter Ware geleert worden. Da stellt sich die Frage, ob die Kontrollen angekündigt wurden. Wir haben aber jetzt von Ihnen gehört, der Kontrolleur kam nur, wenn er bestellt wurde. Es tut mir Leid, so schauen funktionierende Kontrollen beim besten Willen nicht aus.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zum Verhalten der zuständigen Behörden: Die Regierung von Niederbayern wurde bereits im Juli 2004 wieder einmal vom Zoll auf Betrügereien hingewiesen, der dieses Mal wirklich korrekt gehandelt hat. Die Regierung von Niederbayern hat – angeblich, um die Ermittlungen nicht zu gefährden – nicht gehandelt, obwohl es schon damals um den Verkauf von Fleisch mit abgelaufenem Verfallsdatum und damit um Gesundheitsgefährdung ging. Sie, Herr Schnappauf, und auch die Justizministerin sind beim Deggendorfer Schlachtskandal über die Zollverwaltung hergefallen, als diese mit der gleichen Begründung Verzögerungen erklärte. Damals ging es nur um einige Monate. Bei Ihnen ging es um eineinhalb Jahre. Das Veterinäramt Passau wusste seit März 2005 etwas und hat auch nicht gehandelt.

Ich halte fest: Die Regierung von Niederbayern wusste seit Juli 2004 von den lebensmittelrechtlich relevanten Problemen. Die Staatsanwaltschaft und das Veterinäramt wussten seit Anfang 2005 sehr konkret von den Verstößen, die sogar die Verbrauchergesundheit gefährdeten. Beide Behörden haben nicht oder erst ein Dreivierteljahr später gehandelt. Das kann ich schon fast nicht mehr mit

Ignoranz erklären. Da frage ich mich, wie einfl ussreich dieser Berger gewesen sein muss.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Auch hier gibt es eine Parallele, allerdings mit zwei wichtigen Unterschieden. Hier geht es um Lebensmittel, und hier kann man nicht mehr wie im Fall Deggendorf sagen, man sei sich der Tragweite der Anschuldigungen nicht bewusst gewesen. Dass die Regierung von Niederbayern eineinhalb Jahre nichts unternommen hat, um den Verbraucher zu schützen und der Firma Berger das Handwerk zu legen, ist aus meiner Sicht der eigentliche Skandal. Herr Schnappauf, damit sind wir schon direkt vor Ihrer Haustür. Dass Sie der Regierung die Aufklärung des Skandals entzogen haben, zeigt, dass Sie, Herr Schnappauf, es wohl auch so sehen und wohl schnell gemerkt haben, dass Sie damit den Bock zum Gärtner gemacht hätten. Angesichts dieser Entwicklung stellt sich die Frage, ob das Vorgehen bei den Veterinärkontrollen damals bei der Deggendorfer Frost GmbH wirklich ein Versehen gewesen ist.

Zur Staatsanwaltschaft: Über deren Aufgaben hat uns Frau Ministerin Merck am 27. Oktober im Rechtsausschuss belehrt. Ich zitiere:

Staatsministerin Dr. Beate Merck (Justizministe- rium) bittet zu berücksichtigen, dass sich die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft allein darauf beziehen, ob ein strafbares Handeln vorliege. Aufgabe der Staatsanwaltschaft sei es nicht, Verbraucherschutz auszuüben.

Ein eigenwilliges Verständnis ist das, aber lassen wir es einmal so stehen. Allein dadurch, dass aus Wildlamm Gamsrücken geworden ist, ist meines Erachtens der Tatbestand des Betrugs erfüllt. Das wäre eigentlich Grund genug, sofort zu handeln und nicht ein Dreivierteljahr später.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Noch eine Parallele zu Deggendorf: Auch dort deckten nicht Veterinäre den Skandal auf, sondern der Zoll. Der große Unterschied besteht darin, für K-3-Material gab es und gibt es kein Kontrollsystem; für Lebensmittel gibt es das sehr wohl. Sowohl in Deggendorf als auch im Fall Berger gab es die Kultur des konsequenten Wegsehens bei den Veterinärbehörden. Allein dafür, dass offensichtlich Ihre Behörde gewissermaßen wie der Hund zum Jagen getragen werden muss, sollten Sie sich schämen, Herr Schnappauf.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Jetzt steht der Beobachter der Szene da und fragt sich, warum drei bayerische Behörden bei Verstößen, die auch geeignet waren oder geeignet sind, die Verbraucherinnen und Verbraucher zu gefährden, so lange nicht einschreiten. Nicht einmal die Chance der Razzien im letzten Herbst

wurde genutzt. Es wäre ein Leichtes gewesen, völlig unverdächtig genauer hinzuschauen.

Ich weiß nicht, meine Damen und Herren von der Regierungsfraktion, ob Sie sich über Folgendes auch Gedanken machen. Die Firma Berger ist der größte Wildverarbeiter. Karl Berger – Herr Kaul, damit wäre ich bei den Verursachern – ist Parteifreund, Jagdfreund und ein einfl ussreicher Mann. Ein Erklärungsversuch bestünde doch darin, dass es da große Schutzengel gibt. Dann wäre es nämlich auch logisch, dass sich keine nachgeordnete Behörde traut, ihn zu packen, oder erst dann, wenn es gar nicht mehr anders geht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wie brisant die Angelegenheit ist, zeigen die Äußerungen Ihrer Berliner Parteifreunde Müller und Seehofer. Sie machen Defi zite im bayerischen Kontrollsystem aus. Gerd Müller spricht von Fleischfi lz und davon, eine Kungelei zwischen Behörden und Unternehmen dürfe es nicht geben. Die gibt es aber. Darüber hinaus will der Bundesminister wissen, was eigentlich kontrolliert wird. Um ehrlich zu sein, meine Damen und Herren, es wäre nett, wenn Sie uns darüber auch informieren würden. Ich würde auch gerne wissen, was Sie kontrollieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie haben uns heute zumindest eine Ahnung davon gegeben, was Sie kontrollieren. In den Kühlhäusern kontrollieren Sie ganz offensichtlich die Einhaltung der Hygienevorschriften. Nach meinem Verständnis haben Sie diese Kontrollen aber gemacht, um zu lange gelagertes Fleisch, dessen Haltbarkeitsdatum abgelaufen ist, zu suchen. Wenn Sie aber, wie Sie vorhin gesagt haben, im Kühlhaus nur nach der Hygiene schauen, werden Sie das nicht fi nden.

In der Tat gibt es bayerische Systemfehler. Die bayerische Fleischmafi a gefährdet mit unschöner Regelmäßigkeit die Gesundheit der Verbraucherinnen und Verbraucher. Jedes Mal treten Lücken bei Kontrollen und Pannen im Krisenmanagement der Staatsregierung auf. Jedes Mal versagen die Ministerin bzw. die Minister: Stamm bei BSE und Schweinemastskandal, Sinner bei Südfl eisch und BSE-Test-Skandal, Schnappauf beim Ekelfl eischskandal und jetzt schon wieder. Offenbar sind das spezielle bayerische Strukturprobleme. Die Kontrollstrukturen sind von der EU vorgegeben und damit sicher nicht schlechter als anderswo. Bei der Umsetzung der Kontrollen hapert es in Bayern aber anscheinend, weil es eine besonders stillschweigende Kumpanei zwischen Fleischmafi a und staatlichen Behörden gibt. Es besteht eine besondere Bereitschaft, der Wirtschaftlichkeit den Vorzug gegenüber dem Verbraucherschutz zu geben. Insofern klangen Ihre Worte zum Verbraucherschutz, Herr Minister, wie Hohn.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Besonderer Langmut besteht bei Verstößen; große Bereitschaft, kriminelle Machenschaften klein zu reden, ist gegeben. Das gilt von unten bis hinauf zum so genannten Verbraucherschutzministerium. Fleischlobbyisten stehen

mit maßgeblichen Politikern der CSU auf gutem Fuß. Sie sind mit dem Landrat auf du und du und die wichtigsten Arbeitgeber in der Region. Das wissen auch die staatlichen Beamten.

Seehofer hat als Konsequenz aus dem Gammelfl eischskandal gefordert, dass es bei Verstößen gegen das Lebensmittelrecht keine Toleranz mehr geben dürfte. In Bayern gibt es offensichtlich besonders viel Toleranz. Das war schon beim letzten Ekelfl eischskandal so und ist jetzt wieder so.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, das Motto „Bayern vorn“ hat etwas für sich. Es muss aber nicht gerade auf diesem Gebiet gelten.

Jetzt komme ich zu Ihnen, Herr Minister, zum Meister des Aktionismus, der uns immer weismachen will, alles, aber auch wirklich alles im Griff zu haben, und der natürlich für nichts verantwortlich ist. Im Fall Deggendorf haben Sie zunächst aufgetischt, die Umdeklarierung des K-3-Materials sei auf der Straße erfolgt, daher habe der zuständige Veterinär überhaupt nichts merken und entdecken können. Als Sie das nicht mehr halten konnten, haben Sie uns irgendetwas von doppelter Buchführung aufgetischt. Hauptsache, Ihre Behörde ist aus dem Schussfeld!

Ich habe versucht, aus Ihren Pressemitteilungen herauszufi nden, wie viele Sonderuntersuchungen Sie wirklich gemacht haben. Zwei oder drei? – Zwei waren es ganz sicher, nämlich eine Anfang November und eine Ende November, Anfang Dezember. Wenn das stimmt, was ich vermute, hat gewissermaßen der Hauskontrolleur die Razzien landesweit durchgeführt. Das ist der Lebensmittelkontrolleur, der täglich bei den großen Lebensmittelunternehmen einläuft. Damit aber verkommen Ihre Razzien zumindest bei den großen Betrieben zu einer Nullnummer. Herr Staatsminister, das muss ich Ihnen ganz klar sagen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich bin mir dabei nicht im Klaren darüber, ob das nicht so sein sollte, denn in der Tat war das Ergebnis der Razzien bescheiden. Einige kleine Metzger hat man aufgegriffen, die großen sind davongekommen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das passt ins System. Wir müssen uns vor Augen führen: Ende November hatte Minister Schnappauf eine Razzia angeordnet, bei der so ziemlich alles kontrolliert wurde, was mit Fleisch zu tun hatte. Ich habe beim Metzger um die Ecke gefragt. Dort wurde mir gesagt, er sei innerhalb einer Woche zweimal kontrolliert worden. Also: Bei dieser Kontrolle wussten sowohl Staatsanwaltschaft als auch das Veterinäramt in Passau von den Zuständen in den Betrieben von Berger. Die Kontrollen werden angeordnet, um genau das zu untersuchen, weswegen Berger verdächtigt wird. Es ist unglaublich: Nichts, auch gar nichts kam dabei heraus. Das heißt, selbst zu diesem sehr späten Zeitpunkt wollte man Berger ganz offensichtlich noch nicht ans Leder. Das, Herr Minister, können Sie mir

nicht mit dem Versagen kleiner Beamter oder einzelner amtlicher Tierärzte erklären. Das hat System, Herr Minister.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Fisch stinkt vom Kopf her. Ich wäre jetzt bei der Überleitung zur Regierung von Niederbayern, aber diese ist nicht der Kopf – keine Sorge –, es handelt sich bestenfalls um den Hals. Ich gehe davon aus, dass in der Regierung von Niederbayern intelligente Leute sitzen, die sich der Tragweite eines Hinweises, wie er im Juli 2004 vom Hauptzollamt kam, sehr wohl bewusst waren. So, wie ich die Bezirksregierungen kenne, bin ich mir nicht sicher, ob bei einem so brisanten Fall, der eine derart einfl ussreiche Persönlichkeit betrifft, nicht doch beim Ministerium nachgefragt wurde, was man tun soll. Wenn dem so wäre, Herr Minister, dann stünden wir bei Ihnen im Wohnzimmer. Ich bin mir ganz sicher, dass wir das herausbekommen werden.

Herr Minister Schnappauf, um es deutlich zu sagen: Nach der derzeitigen Lage tragen Sie in mindestens zwei Fällen die ganz persönliche Verantwortung. Die Regierung von Niederbayern war frühzeitig mit der Problematik und der gesamten Reichweite der Vorkommnisse vertraut. Entweder wurde Ihr Haus darüber informiert – dann tragen Sie die Verantwortung dafür, dass nicht unverzüglich gehandelt wurde – oder die Regierung hat Sie nicht informiert – dann haben Sie Ihren Laden nicht im Griff.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es ist unverantwortlich – nein, es ist unglaublich –, wie Sie die Öffentlichkeit mit Ihren Razzien, die sich zunehmend als Nullnummer entpuppen, hinter das Licht geführt haben.

(Ludwig Wörner (SPD): Das ist klar, wenn man sie vorher ankündigt!)

Kommen wir zu den Lösungsansätzen: Ihre Task Force würde ich unter das Stichwort des Aktionismus einordnen – klingt furchterregend, bringt nichts bis wenig. In diesem Punkt würde ich es wie Ihr Fraktionsvorsitzenden Herrmann halten: Aufklärung statt politischen Aktionismus. Etwas anderes gilt bezüglich der Rotation der Kontrolleure: Dieser Vorschlag ist bereits im Zusammenhang mit dem Deggendorfer Skandal von mir gemacht und bei der Pressekonferenz am 23.11. vorgestellt worden. Auf unsere Initiative hin gibt es eine Anhörung zur Verbesserung der Kontrollen im Futter- und Lebensmittelbereich. Lassen Sie uns nach diesem Gespräch mit Fachleuten diese Gedanken vorantreiben, statt auch hier in Aktionismus zu verfallen. Zur Stärkung der Unabhängigkeit der Kontrolleure gehört mehr, als eine Rotation vorzusehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das hat auch etwas mit dem Selbstverständnis dieses Hauses zu tun. Mit Interesse habe ich von der Überlegung gelesen, Lebensmittelkontrollen zur staatlichen Aufgabe zu machen. Bei uns rennen Sie damit offene Türen ein. Auch zu diesem Punkt wurde auf unsere Initiative

beschlossen, einen Bericht anzufordern. Entscheidend ist aber: Sie haben die Lebensmittelkontrolle privatisiert, nicht wir.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir sollten, wenn wir über Lösungsmöglichkeiten und Lösungsansätze sprechen, auch die Zollverwaltung einbeziehen, weil sich im Zusammenhang mit der Kontrolle von Wild die Veterinärbehörden in der Bundesrepublik in einer schwachen Position befi nden, da circa 80 % des Fleisches importiert werden.

Herr Minister Schnappauf, dass Sie bei der Verstaatlichung der Lebensmittelkontrolle jetzt plötzlich eine Kehrtwende machen, zeigt für mich, wie eng die Schlinge um Ihren Hals liegt. Es erstaunt mich, wenn der große Privatisierer plötzlich wieder viele Aufgaben denjenigen übertragen will, die dafür da sind, nämlich den staatlichen Behörden. Sie haben 1995 die Eingliederung der Veterinärämter in die Landratsämter beschlossen und 1998 sogar die Privatisierung der Fleischbeschau sowie der Hygienekontrolle, und zwar gegen unseren Widerstand und gegen den Widerstand von Teilen Ihres eigenen Hauses. Es war zu lesen, es gebe keine negativen Auswirkungen auf die Sicherheit der Verbraucher. Wie man sich doch irren kann – auch bei der Staatsregierung und der CSU.

(Beifall bei den GRÜNEN)