Protocol of the Session on January 31, 2006

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zum Schluss: Ich habe heute mit durchaus großem Interesse und einem kleinen bisschen Freude gelesen, dass Sie unsere Vorschläge bezüglich einer eigenen Anlaufstelle für Informanten aufgegriffen haben. Nachdem Sie unseren Antrag abgelehnt haben, schlagen Sie dieses Instrument nun selber vor. Herr Schnappauf, in diesen Punkten könnten Sie mehr von uns lernen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Als Nächste hat Frau Staatsministerin Merk das Wort.

Herr Präsident, Hohes Haus! Herr Abgeordneter Sprinkart, ich weiß nicht, woher Sie Ihre Informationen über die Tätigkeit der Staatsanwaltschaft haben. Ich möchte Ihnen aber klar sagen: Sie sind nicht richtig. In Anbetracht eines laufenden Ermittlungsverfahrens kann ich aber jetzt sagen, dass die Staatsanwaltschaft unverzüglich nach Kenntnis recht vager Anhaltspunkte im August 2004 ein Ermittlungsverfahren eröffnet hat. Ermittlungsaufträge wurden erteilt. Staatsanwaltschaft und Polizei haben ermittelt, und die örtlichen Veterinärbehörden wurden entsprechend eingebunden. Das, was Sie gesagt haben, ist schlichtweg nicht in Ordnung.

(Susann Biedefeld (SPD): Sie wussten nichts davon!)

Es ist die Aufgabe der Staatsanwaltschaft, das Ermittlungsverfahren durchzuführen. Ich habe eben gesagt:

Aufgrund sehr vager Anhaltspunkte, die verifi ziert wurden, fand die Information statt.

(Zurufe von der SPD: War das alles? – Was ist dann passiert?)

Wollen Sie noch antworten, Frau Ministerin?

Sie haben bislang noch keine konkreten Fragen an uns gerichtet. Wenn Sie solche Fragen an uns richten werden, werden wir Ihnen diese Fragen beantworten, soweit das Ermittlungsverfahren dies zulässt.

(Susann Biedefeld (SPD): Ist das Ihre Informationspolitik?)

Das hat mit Informationspolitik nichts zu tun, sondern mit der Tätigkeit der Staatsanwaltschaft.

(Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)

Die Frau Staatsministerin hatte das Wort. Herr Kollege, ganz ruhig bleiben. Als Nächster hat Herr Kollege Dr. Huber das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst auf die beiden Statements der Kollegen Müller und Sprinkart eingehen: Herr Kollege Sprinkart, dass der Herr Minister lernfähig ist und gute Vorschläge aufgreift, sollte Sie ehren und sollte nicht der Erheiterung dienen. Dass Sie das schon einmal gesagt haben, ehrt Sie, und es ist doch gar nicht so schlecht, dass es jetzt vom Minister aufgegriffen wird.

(Ludwig Wörner (SPD): Sie bräuchten bloß nicht unsere Anträge ablehnen!)

Herr Kollege Wörner, ich wollte gerade etwas zu dem Thema „Anträge ablehnen“ sagen: Ich war zunächst einmal begeistert, als ich den Antrag des Herrn Kollegen Müller auf der Drucksache 15/4626 in die Hände bekommen habe, den wir am Donnerstag behandeln wollen. Ich habe mir gedacht, er geht nüchtern an das Problem heran und stellt die richtigen Fragen. Nachdem, was Sie jetzt hier aber vorgebracht haben, bin ich zutiefst enttäuscht. Ich hatte fast schon vor, diesen Antrag zu unterstützen. Wenn ich aber weiß, welche Intention dahinter steckt, dann muss ich sagen, dass der Antrag nur Schall und Rauch ist. Das, was Sie, Herr Kollege Müller, hier vorgebracht haben – die Beziehungen von Herrn Berger zur CSU oder zum Landrat und was alles dahinter stecken könnte – gehört zum heutigen Zeitpunkt in die Rubrik „reine Mutmaßungen“. Wenn Sie genau zugehört hätten, hätten Sie feststellen können, dass unser Minister gesagt hat, er werde alle Vorkommnisse, die in diesem Zusammenhang stehen, genau beleuchten.

Dazu gehört auch diese Ebene. Solange nichts bewiesen ist, brauchen wir daraus keinen Elefanten zu machen.

Herr Kollege Müller, Ihre Rücktrittsforderung wird gänzlich zum Theaterdonner, wenn man sich Ihre Ausführungen zu dem – ich möchte sagen – abenteuerlichen Konstrukt, das Sie hier vorgestellt haben, anhört. Sie vermuten, dass die Behörden deswegen erst zum 01.01.2006 einschreiten, weil der Gesetzgeber die Regelungslücke im Lebensmittelrecht zum 01.01.2006 eröffnet. Man muss sich darüber im Klaren sein: Diese Lücke hat nicht die Bayerische Staatsregierung aufgetan. Vielmehr ist der Bund mit der Schnürung seines Hygienepakets noch nicht fertig. Das ist der erste Punkt.

Zweitens. Wenn es darum geht, einen Herrn Berger zu schützen, muss man feststellen: Das Ganze hilft ihm überhaupt nicht, weil man mit Straftatbeständen wie Betrug oder Körperverletzung – wenn es sich um gefährdende Verderbnis handelt – leicht eine Verurteilung herbeiführen und den Betrieb zusperren kann. Dazu brauchen wir das Gesetz nicht, womit Ihr Verdacht ad absurdum geführt ist.

Meine Damen und Herren, eigentlich wollte ich davon sprechen, wie unsere Position in diesem Fall ist. Wir sind uns sicher einig, dass es beunruhigend ist, wenn innerhalb eines halben Jahres zwei Betrugsskandale auftreten, in denen es zu einem Handel mit nicht genusstauglichem Fleisch gekommen ist. Die Tatsache an sich, dass es zum Verkauf von verdorbenem Fleisch kommt, ist nicht ganz ungewöhnlich. Das hat es schon im alten Rom gegeben; das gibt es überall auf der Welt: Herr Müller, Ihnen wollte ich noch sagen: Wie in früheren Zeiten auf dem Markt die Hasen ohne Kühlung auszulegen, ist auch nicht unbedingt in unserem Sinne. Besonders betroffen macht uns aber die Tatsache, dass diese Dinge bei uns geschehen sind, nachdem wir uns auf ein funktionierendes, ausgebautes System verlassen haben, das schon über 50 Jahre alt ist. Das System hat 50 Jahre lang gut funktioniert.

(Ludwig Wörner (SPD): Dann haben wir eine Reform gemacht!)

Jetzt passen Sie auf: Die Konsequenz aus dem Fall in Deggendorf war, dass man gesagt hat, hier haben Betrüger im internationalen Handel mit Fleisch und Fleischprodukten ihre Nischen gefunden. An dem Fall in Passau ärgert uns so sehr, dass wir die Frage aufwerfen müssen, ob unsere bewährten Routinekontrollen wirklich so zuverlässig sind, wie wir es uns jahrelang eingebildet haben. Das Thema wollen wir nüchtern und zielstrebig angehen. In diesem Zusammenhang hilft uns der Refl ex, den Sie hier wieder gezeigt haben mit der Forderung nach mehr Kontrollen und dem Rücktritt von Ministern, überhaupt nicht. Viel zielführender ist es, an die Sache heranzugehen, wie ich es Ihnen gleich darlegen werde. Wir brauchen eine exakte Analyse des Geschehens, wie sie der Minister angekündigt hat, aber auch ein Hinterfragen – wie auch Sie es getan haben –, ob das System, wie wir es zur Zeit haben, nicht einer Revision bedarf. Nicht zuletzt sind alle Ebenen mit einzubeziehen und alle heranzuziehen, die rechtswidrig gehandelt haben.

Ich möchte mit der untersten Ebene, der untersten Stufe der Lebensmittelkontrolle, beginnen. Da sind die amtlichen Tierärzte. Wir haben in Bayern 700 praktische Tier

ärzte, die niedergelassen sind und im Auftrag des Landratsamts als Amtlicher Tierarzt Tätigkeiten verrichten, die den Bereich der Lebensmittel betreffen. Diese Tierärzte sind direkt vor Ort beim Metzger tätig. Sie haben auch Zugang zu den Zerlegebetrieben. Sie machen beim Metzger Lebend- und Fleischbeschau und führen bei Zerlegebetrieben wie Berger die täglichen Kontrollen in der Verarbeitung durch, wobei sie darauf hinwirken, dass die Vorgaben der Lebensmittelgesetze eingehalten werden.

Dieser Job – und das muss man sich einmal vor Augen führen – ist nicht besonders beliebt. Er ist sehr ungemütlich; das Ganze passiert immer mitten in der Nacht; es ist kalt; es riecht nicht gut; es ist blutig, und es herrscht dort immer ein rauer Ton. Man muss sich darüber im Klaren sein, was in solchen Betrieben los ist.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Was ist mit den Metzgern?)

Jetzt passen Sie einmal auf, das sind Akademiker, meistens promovierte Tierärzte. Diese Leute tun es sich jeden Tag an, diese Dinge mit ihrem Sachverstand zu prüfen. Sie bilden damit die Basis unserer Lebensmittelabsicherung. Ich wehre mich hier gegen eine Pauschalverurteilung.

(Unruhe)

Das ist eine Pauschalverurteilung, die Sie hier vornehmen.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Ein akademischer Schnösel sind Sie!)

Danke schön.

(Engelbert Kupka (CSU): Herr Präsident, ist das ein unparlamentarischer Ausdruck, „akademischer Schnösel“?)

Es kommt immer darauf an, wer es sagt. Wenn der verlängerte politische Arm der „Biermösl-Blosn“ dort drüben „Schnösel“ zu mir sagt, dann akzeptiere ich das. Also lassen wir das.

Ich wende mich gegen die Pauschalverurteilung der Tierärzte, die sich diesen unangenehmen Job antun, gebe aber zu – hier möchte ich insistieren –, dass diesen Leuten genau auf die Finger geschaut werden muss. Im vorliegenden Fall sind die beiden Tierärzte in Passau bereits am 24. Januar von ihren Aufgaben entbunden worden. Wir stellen ganz klar die Frage: Haben diese Leute pfl ichtgemäß gearbeitet? Haben sie weggeschaut? Waren sie womöglich sogar in Abhängigkeit? Haben sie geschlampt? – Das alles will der Minister im Detail klären und die Betroffenen notfalls einer strafrechtlichen Verfolgung zuführen. Das haben wir heute gehört.

Die Amtstierärzte – 310 an der Zahl in Bayern – sind Beamte der Veterinärämter. Sie sind zuständig für die Tierseuchenbekämpfung und den Tierschutz und führen die staatliche Kontrolle betreffend die Fleischhygiene durch. Sie nehmen im Grunde die Aufgabe der früheren Veteri

närpolizei wahr. Auch sie müssen sich der unangenehmen Frage stellen, ob ihre Überprüfungen und Kontrollen wirklich so geartet waren, dass Dinge aufgeklärt und die Verstöße in der jetzt bekannten Schwere festgestellt werden konnten. Es ist zu fragen, wie es mit der Aufsicht der amtlichen Tierärzte bestellt ist. Auch hier bitte ich darum: Warten wir ab, bis die Untersuchungen abgeschlossen sind, und führen wir keine Vorverurteilungen durch. Warten wir die laufenden Untersuchungen ab, und warten wir darauf, dass die Konsequenzen gezogen werden.

Ich komme zur nächsten Stufe. Weitere Ermittlungsbehörden sind der Zoll, die Kripo, die Staatsanwaltschaft und auch die Bezirksregierungen. Wenn das stimmt – ich sage das konditional –, was durch die Presse geistert, dass frühzeitig Kenntnisse vorhanden waren – –

(Zuruf von der SPD: Das hat doch die Ministerin schon bestätigt!)

Momentan steht Aussage gegen Aussage. Die Staatsanwaltschaft sagt etwas anderes als der Landrat, jedenfalls soweit ich es der Presse entnehmen konnte. Auch hier möchte ich darum bitten, dass erwiesen wird, was tatsächlich Sache ist. Dann verurteilen wir denjenigen, der tatsächlich etwas ausgefressen hat, aber nicht pauschal.

(Zurufe von der SPD)

Wir werden das klären. Wir warten die Untersuchungen ab, und dann reden wir weiter.

Ich möchte noch deutlich herausstreichen: Ich bin der Ansicht, dass bei einer Strafverfolgung – ob das die Zollbehörde oder die Staatsanwaltschaft ist – Hinweise auf verbraucherschutz- und gesundheitsrelevante Dinge absolute Priorität haben. Ich selbst kann es nicht akzeptieren, wenn möglicherweise wegen Verschleierung von anderen Straftaten eine Verfolgung von Dingen, die für den Verbraucherschutz wichtig sind, nicht zeitnah stattfi ndet. Ob das wirklich der Fall war, müssen die Untersuchungen ergeben.

Die Ministerien müssen sich überlegen, ob hier korrekt und konsequent gearbeitet worden ist. Wir haben heute von Herrn Minister Dr. Schnappauf gehört, dass er genau daran arbeitet.

Ich möchte nun zum Ende kommen. – Das Gesetz, das wir heute vorliegen haben, hat sich 50 Jahre bewährt. Wir haben jetzt Hinweise darauf, dass es wohl nicht ausreicht, um Dinge, wie sie in Passau passiert sind, tatsächlich zu vermeiden. Wir müssen an die Sache ganz nüchtern herangehen und aufgrund der Analyse Korrekturen anbringen. Hinsichtlich dieser Korrekturen möchte ich vier Forderungen stellen, die mir besonders wichtig sind.

Erstens. Wenn wir Konsequenzen ziehen, müssen wir ganz besonders darauf aufpassen, dass wir die Vernetzung der verschiedenen Ebenen und der verschiedenen Institutionen und Instanzen ganz deutlich herausarbeiten.

Das ist auch die Konsequenz, die wir aus Deggendorf gezogen haben. Aber ein solches Netz kann man nicht schon innerhalb eines Vierteljahres aufbauen. Ich bin mir ganz sicher, dass das Ministerium schon heftig daran arbeitet, und ich bin mir auch sicher, dass dies zum Erfolg führen wird. Aber es ist unmöglich, dass dies schon in so kurzer Zeit Früchte trägt, noch dazu, da die Machenschaften womöglich schon älter sind.

Zweitens geht es um die Priorisierung des gesundheitlichen Verbraucherschutzes bei jeglicher Strafverfolgung, um sicherzustellen, dass es zeitnah, also unverzüglich, ohne schuldhaftes Zögern, zur Übermittlung an die Lebensmittelüberwachungsbehörden kommt, wenn Verdachtsmomente zu Straftatbeständen vorhanden sind.

Drittens müssen wir uns Sicherungsmaßnahmen überlegen, die verhindern sollen, dass es zu einer zu großen Nähe zwischen Kontrolleuren und Kontrollierten kommt. In manchen Bereichen gibt es das Vier-Augen-Prinzip. Die Rotation ist, glaube ich, von Adi Sprinkart nicht patentrechtlich geschützt. Über die Rotation muss man wirklich nachdenken. Der Minister hat sie vorhin selber vorgeschlagen. Auch gebietsfremde Kontrollen, dass also Beamte bei kritischen Fällen in Nachbarlandkreise fahren, halte ich für sinnvoll.

Die schnellstmögliche Information der Verbraucher auf der Basis eines bundesweit geltenden Verbraucherinformationsgesetzes, von dem wir von Minister Schnappauf schon gehört haben und das wir baldmöglichst ersehnen, ist für mich ebenfalls ein ganz wesentlicher Punkt.