Protocol of the Session on January 31, 2006

(Engelbert Kupka (CSU): Das ist eine Unterstellung!)

Ich habe nichts unterstellt! Ich habe einen Brief Ihres Ministeriums vom 20. Dezember vorgelesen. Daraus kann man Schlüsse ziehen. Ich sage noch einmal, Herr Kupka: Ich habe erwartet, dass der Minister in seinem Bericht zu diesen Vorwürfen etwas sagt. Das habe ich ihm unterstellt. Wenn man genau betrachtet und wenn richtig ist, was in dem Schreiben steht – ich zweifl e daran, dass es jetzt für solche Schlawiner einen rechtsfreien Raum gibt –, dann bekommt das Ganze etwas mehr als ein Hautgout, etwas mehr als ein G‘schmäckle. Da stinkt es gewaltig im Karton – das kann ich Ihnen sagen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich komme zum Fazit: Ich habe nichts dagegen, wenn Sie mir inhaltlich zustimmen. Herr Kollege Herrmann, ich kenne eine Äußerung von Ihnen, dass dem Ministerium nichts vorzuwerfen sei. Bei nüchterner Betrachtung der Informationen, die Sie jetzt haben, wenn Sie aufmerksam Zeitung gelesen haben, müssten Sie diesen Satz schleunigst zurücknehmen. Sie müssten darüber nachdenken, wie Sie das Vertrauen bei den Bürgern und den Verbrauchern wieder zurückgewinnen wollen. Wir sitzen hier in einem Boot. Mich interessiert, wie Sie darauf reagieren werden.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die inhaltlichen Punkte habe ich bereits angesprochen. Wir werden Ihnen in den nächsten Tagen einen Fragenkatalog zuleiten. Wir gehen davon aus, dass dieser Fragenkatalog zeitnah – eine Woche wäre eine gute Zeit – beantwortet wird. Wir werden detailliert fragen und die Antworten auf unsere Fragen prüfen. Wenn wir zu dem Ergebnis kommen sollten, dass unsere Fragen weder lückenlos noch lügenlos beantwortet worden sind, werden wir uns die Anwendung des Instruments eines Untersuchungsausschusses offen halten. Für die anderen Fragen, die noch im Raum stehen, bin ich nicht zuständig. Das müssen Sie mit sich selbst ausmachen. Zu dem, was der Herr Ministerpräsident und andere zu diesen Vorfällen zu sagen haben, möchte ich mich heute gar nicht äußern. Diese Diskussion wird jedoch sicher in Zukunft weitergehen.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Kaul.

Verehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Nachdem bekannt geworden war, was Herr Staatsminister Dr. Schnappauf uns heute an Wissen dargestellt hat, hat er auch mich telefonisch informiert. Bei diesem Gespräch habe ich seine Betroffenheit über so viel kriminelle und menschenverachtende Energie – dieses Wort hat er am Telefon verwendet – gespürt.

(Herbert Müller (SPD): Das sehe ich auch so!)

Herr Kollege Müller, ich hoffe, dass Sie bei allem Zorn auf das Ministerium auch Zorn auf das empfi nden, was in der Firma passiert ist. Das Interessante an Ihren Ausführungen war – es wird interessant sein, das nachzulesen –, dass Sie sich in Ihrer Rede diesem Skandal und denjenigen, die seit den Zeiten, die der Minister genannt hat, Lebensmittel in den Kreislauf gebracht haben, die offensichtlich nicht mehr zum Verzehr geeignet waren, nur zu einem Bruchteil gewidmet haben. Ich halte es für zu vordergründig, dass Sie sich nur mit dem Herrn Minister und seinem Verhalten befasst haben.

(Karin Radermacher (SPD): Das ist doch unsere Aufgabe!)

Herr Kollege Müller, wir werden uns darüber im Ausschuss noch ausführlich unterhalten. Ich hoffe, dass wir dann wieder zum Kernthema kommen werden, nämlich die

bayerische Bevölkerung davor zu bewahren, dass so etwas noch einmal passiert.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Ich frage: Warum ist in der Vergangenheit nichts geschehen?)

Wir waren, wie Sie, nicht nur zornig, sondern uns sind auch eine Menge Fragen durch den Kopf gegangen. Natürlicherweise stellen sich sofort Fragen nach den Kontrollmechanismen und deren Wirksamkeit. Diese Fragen habe ich in Ihrem Beitrag vermisst. Was mich als Ausschussvorsitzenden besonders zornig gemacht und was Fragen hervorgerufen hat, war die zeitliche Nähe zu dem Ekelfl eisch-Skandal im letzten Herbst. Schon damals wurde eine kriminelle Energie sichtbar, die uns alle in diesem Raum – seien wir ehrlich – überrascht hat.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Sie sind oft überrascht!)

Wir haben damals viele Fragen gestellt. Mit diesen Fragen werden wir uns im Umweltausschuss Anfang Februar noch beschäftigen.

Auf die Fragen zur Klärung der betrügerischen Vorgänge bei der Firma Berger-Wild wird Herr Dr. Marcel Huber noch im Detail eingehen. Werte Kolleginnen und Kollegen, mich beschäftigen Fragen zu den gesetzlichen Vorgaben im Lebensmittelrecht, die so etwas überhaupt zulassen. Wir haben ein Gefl echt von EU-Vorgaben, von Bundesvorgaben und auch von Ländervorgaben. Hinzu kommen noch Ausführungsverordnungen der Behörden. Wir mussten uns im Umweltausschuss immer wieder mit Umgehungen von Verordnungen und Gesetzen beschäftigen.

Herr Kollege Müller, ich denke hier insbesondere an manche Vorgänge in der Abfallwirtschaft. Sie wissen, dass wir diese Vorgänge mit Erfolg aufgearbeitet haben. Das reicht bis zur vor kurzem neu organisierten Sondermüllbeseitigung. Ich glaube, dass dies zu einer Stabilität auf diesem Markt geführt hat. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir sind immer wieder bei der Aufarbeitung dieser Vorkommnisse auf Lücken in der Gesetzgebung, bei den Verordnungen sowie bei der Zusammenarbeit der Behörden gestoßen. Aus der Komplexität der gesetzlichen Vorgaben entsteht Unübersichtlichkeit. Aus Unübersichtlichkeit kann Unsicherheit entstehen. Auf jeden Fall – das muss dem Gesetzgeber klar sein – ist daraus immer kriminelle Energie entstanden, weil Leute versucht haben, diese Gesetzesgemengelage und die Kontrollmechanismen zu umgehen.

Wir sollten uns nach der Aufarbeitung dieses Wildfl eischSkandals auch den Fragen der Praktikabilität von Gesetzen und Verordnungen widmen. Herr Kollege Müller, wir werden diese kriminelle Energie einzelner Mitmenschen sicherlich nicht grundsätzlich verhindern können; da bin ich mit Ihnen einer Meinung. Wir können aber unter Aufbietung unserer Kreativität versuchen, diese Kontrollmechanismen so zu installieren, dass die Schlupfl öcher für zukünftiges kriminelles Handeln schon von vornherein nicht mehr als attraktiv erscheinen.

Meine werten Kolleginnen und Kollegen, der Mensch ist vernunftbegabt. Aus dieser Vernunft entsteht immer wieder Gutes. Es gibt aber leider stets auch Menschen, die das Böse entdecken. Deshalb hat die Vernunft manchmal in ihrer alltäglichen Konkurrenz zu Gewohnheit, Gedankenlosigkeit und zur Lust am Unvernünftigen schlechte Karten. Es liegt an uns, diese Karten neu zu mischen. Gerade im Wissen darum sollten wir die Unternehmen, die Behörden und die Verbraucher so vernetzen, dass sie sich abstimmen und zusammen solche Vorgänge wie bei Berger-Wild verhindern und ächten.

Lassen Sie mich hier die Frage nach der Eigenüberwachung aufwerfen. Herr Kollege Wörner, ich weiß, dass das Ihr Lieblingsthema ist. Ich spreche es trotzdem an, weil wir mit der Eigenüberwachung schon gute Erfahrungen gemacht haben. Denken Sie an unsere Erfahrungen, die wir mit der Eigenüberwachung bei den wilden Ablagerungen gemacht haben. Wir haben mit dem Industrieverband Kies eine Eigenüberwachung vereinbart. Wir haben auch mit dem Verband der Chemischen Industrie und mit der Abfallwirtschaft Eigenüberwachungen vereinbart.

Herr Kollege Wörner, Sie werden zugeben: Seit es diese Instrumente der Eigenüberwachung gibt, um die schwarzen Schafe in ihrem eigenen Bereich festzustellen, haben wir wesentlich weniger Arbeit im Umweltausschuss. Ich glaube, es müssen mehr Fragen nach der Zuverlässigkeit von Lebensmittel produzierenden Unternehmern gestellt werden, Herr Kollege Müller. In unserer arbeitsteiligen Industriegesellschaft wurde die Produktion von Lebensmitteln völlig aus der privaten Hand gegeben. Mit unseren Gesetzen wiederum wollen wir für die Verbraucher, also für uns selbst, nahrhafte Lebensmittel und eine gesunde Entwicklung gewährleisten; wir wollen die dafür notwendige Lebensmittelherstellung garantieren. Herr Kollege Müller, so verständlich Ihre Erregung in diesem Einzelfall auch ist, so ist doch diese Erregung nicht gerechtfertigt, wenn Sie das gesamte System unserer Lebensmittelversorgung im Auge haben. Die Entwicklung zeigt, dass wir sehr wohl in der Lage sind, unser Volk, auch unsere bayerischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, gesund und vernünftig zu versorgen.

(Zuruf des Abgeordneten Joachim Wahnschaffe (SPD))

Einzelne kriminelle Energien machen uns dabei immer wieder einen Strich durch die Rechnung. Deshalb muss unser Augenmerk vor allem auf die Zuverlässigkeit der Kontrollen gelenkt werden. Werte Kolleginnen und Kollegen, für mich ist es ein Unterschied, ob ein Unternehmer Lebensmittel herstellt oder beispielsweise Werkzeuge für die Baubranche. Wir werden uns im Umweltausschuss, wie auch beim so genannten Ekelfl eisch-Skandal, den Fragen der Strafbewehrung stellen müssen. Herr Kollege Müller, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie dieses Thema angeschnitten haben, wenn auch unter einem anderen Gesichtspunkt. Nach meiner Auffassung kann es nicht sein, dass Verstöße gegen das Lebensmittelrecht weniger scharf geahndet werden als beispielsweise Verstöße gegen nicht eingehaltene Bauvorschriften oder Bebauungsgrenzen.

Kolleginnen und Kollegen, ich werte diese Regierungserklärung als Einstieg in die parlamentarische Aufarbeitung dieser Betrügereien durch Europas größten Wildfl eischlieferanten, der dummerweise ausgerechnet hier in Bayern sein Unwesen treibt. Dazu wird der Verbraucherausschuss bereits am Donnerstag den Dringlichkeitsantrag der SPD beraten. Auch meine Fraktion hat einen Dringlichkeitsantrag zu diesem Thema eingebracht, und soweit ich weiß, hat das auch die Fraktion der GRÜNEN getan. Wir werden die Aktivitäten des Verbraucherschutzministeriums – für dessen Information wir bereits heute, im Vorfeld unserer Diskussion am Donnerstag dankbar sind – aktiv begleiten.

Lassen Sie mich feststellen: Wie alle anderen Länder, ist auch der Freistaat für die Kontrollen nach dem Lebensmittelrecht zuständig. Das haben nicht der Bund und auch nicht der Staatssekretär im Verbraucherschutzministerium zu tun, diese Endkontrolle haben wir vorzunehmen. Daher sind wir auch für die Unversehrtheit unserer Mitbürger verantwortlich und für die Gewährleistung eines vielseitigen, frischen und nahrhaften Lebensmittelangebots.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, im letzten LänderRanking zum Verbraucherschutz aus dem Jahr 2004 – seither wurde kein neues gemacht – liegt Bayern, unser Freistaat, an erster Stelle aller Bundesländer. Leider geht diese Tatsache in der schnelllebigen heutigen Zeit viel zu schnell unter. Wir haben die höchste Punktzahl im Verbraucherschutz-Ranking.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Ich stelle der Opposition gerne die Unterlagen zur Verfügung. Dabei ist interessant, dass ausgerechnet das Handling unseres Verbraucherschutzministeriums eine Höchstpunktzahl bekommen hat.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Weil die genauso schlampig prüfen wie Sie!)

Wir lassen uns diese gute Position im Ranking, das die Bundesländer vergleicht, die ebenfalls für den Verbraucherschutz im eigenen Land zuständig sind, durch einzelne kriminell Handelnde nicht kaputtmachen.

Lassen Sie mich zum Schluss kommen: Mit Rücktrittsforderungen, Herr Kollege Müller, die Sie schon gestellt haben, bevor wir noch die Details durchleuchtet haben, oder mit Rücktrittsforderungen, wie sie die GRÜNEN an den Minister gerichtet haben, werden wir der Sache nicht gerecht. Darüber würden sich nur die Damen und Herren der Firma freuen, über die wir heute reden; vielleicht auch einige GRÜNE.

(Beifall bei der CSU)

Als Nächster hat sich Herr Kollege Sprinkart zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Herr Kaul, ich habe nach diesem Fall keinen

Anruf vom Minister bekommen. Ich muss ehrlich sagen, ich hätte auch nicht damit gerechnet, dass er mich informiert. Ich hätte allerdings schon damit gerechnet, dass er uns heute und hier umfassend informiert.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Für morgen haben wir eine Reihe von Fragen gestellt, beispielsweise: Was wurde bei den Sonderkontrollen in den Verarbeitungsbetrieben kontrolliert? – Angeblich hat der Minister doch jeden Metzger in ganz Bayern gefi lzt. Es wäre ein Wunder, wenn er diese Betriebe nicht kontrolliert hätte. Ich frage: Wer hat sie kontrolliert, was wurde dabei gefunden? – Dazu habe ich keinen Ton gehört. Der Minister hat sich ein bisschen über das Lagerhaus ausgelassen und über das Kühlhaus, und das war es auch schon. Herr Minister Schnappauf, so sieht offene Informationspolitik fürwahr nicht aus.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Was das, was Sie heute abgegeben haben, könnte ich folgendes Bild verwenden: Wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, dann kommen Sie daher und rufen: Rettet das Kind! Rettet das Kind! – Das ist nachgesprungen, aber das ist keine vorausschauende Verbraucherschutzpolitik!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Dieser Wildfl eischskandal hat nach unserer Meinung mehrere Dimensionen: die Kontrolle vor Ort, das Verhalten der zuständigen Behörden, die Parallelen zu Deggendorf, das Thema „Bayern voran“, die Verantwortung des Ministers und schließlich die Konsequenzen, die man daraus zieht.

Trotz täglicher Kontrolle vor Ort und mehrerer so genannter Razzien war es die Kripo, die das Ganze ins Rollen brachte, und zwar viel zu spät. Dann wurden plötzlich Ekel erregende hygienische Zustände bei der Firma Berger festgestellt. Hier gibt es auch eine Parallele zu Deggendorf. Dort wussten auch die Wasserschutzpolizei, die Staatsanwaltschaft und die Nachbarn von unhaltbaren Zuständen. Nur der zuständige Veterinär fand, dass mit kleinen Abstrichen eigentlich alles in Ordnung war.

(Heidi Lück (SPD): Das haben wir doch schon mal gehabt!)

Es stellt sich die Frage: Wie war das alles möglich? – Ich will nicht über die Abhängigkeit der zuständigen amtlichen Tierärzte spekulieren. Das wird uns beschäftigen, wenn wir über Lösungsansätze sprechen. Es muss klar sein: Die Rolle der beiden Veterinäre stellt nur einen Teilaspekt, wenn auch einen wichtigen Aspekt, des Problems dar. Der Wildfl eischskandal hat ganz andere Dimensionen. Ich sage das, weil ich die Sorge habe, dass einige glauben, wenn man die amtlichen Veterinäre abschlachtet, dann wäre der Fall erledigt, nach dem Motto: Wir bringen ein Bauernopfer, dann ist die ganze Sache geregelt.

(Zuruf von den GRÜNEN: Ja, genau!)

Wenn ich das richtig sehe, haben die Kontrolleure, die täglich in den Betrieben sind, auch die Razzien und die Sonderkontrollen durchgeführt. Auch dazu hätte ich gerne etwas von Ihnen gehört, Herr Staatsminister. Ich habe mich erkundigt: In aller Regel war das so. Das geschah nach dem Motto: Guten Morgen, heute kommen wir zur Razzia!

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN)

Wie gesagt, nach meinen Informationen lief das landauf landab im Wesentlichen so ab. Wenn das wirklich so war, Herr Minister, dann waren Ihre Razzien ein Muster ohne Wert. Wir können darüber rätseln, ob das Absicht oder Dummheit war. Für Absicht spricht, dass damit der kleine Metzger gepackt wurde. Das ist nämlich weit ungefährlicher, als wenn man die Großen schnappt. Das haben Sie auch schon beim Deggendorfer Skandal gezeigt.