Jetzt bin ich wieder beim Konzern Electrolux: Es ist interessant – wir müssen das an dieser Stelle festhalten –, dass Electrolux insgesamt, wir müssen uns dabei nur die Konzernbilanzen ansehen, dicke Gewinne einfährt. Im letzten Jahr waren das beispielsweise immerhin 325 Millionen Euro bei einem Umsatz von etwa 13 Milliarden Euro. Gerechnet in schwedischen Kronen handelt es sich nach dem aktuellen Wechselkurs um das 9,1-fache. Vor dem Hintergrund dieser Zahlen und vor allem vor dem Hintergrund dieses Gewinns muss die Frage erlaubt sein, ob der Kahlschlag – die Hälfte der Werke in Westeuropa sollen in einem sehr kurzen Zeitraum dicht gemacht werden – in dieser Geschwindigkeit sein muss. Wir meinen ganz dezidiert: nein. Deswegen nochmals unsere Unterstützung für beide Anträge.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, die Debatte zeigt, dass es gut und richtig war, dass wir seitens der SPD dieses Thema in dieses Haus hineinbringen.
Nein, kein Alleinvertretungsanspruch, Herr Pschierer. Nur waren wir ausweislich der Tagesordnung die einzigen, die das Thema vertreten wollten. Sie haben unser Vorgehen als Initiative aufgefasst, um nachzuziehen.
Sie haben, Herr Söder, vieles gesagt, was richtig war. Sie haben vieles gesagt, was heute nicht nötig gewesen wäre und Sie haben vieles gesagt, worüber man streiten könnte. Im Kern haben Sie gesagt: Das Ansinnen der SPD, dem wir uns vonseiten der CSU angeschlossen haben, geht in die richtige Richtung. Ein Unterschied besteht in der Frage der Missbilligung – ich führe aus, was ich damit meine.
Es ist wichtig, dass wir, die wir die Verhältnisse ebenso gut kennen wie Sie, eine deutliche Formulierung fi nden sollten. Sie haben etwas angesprochen, was nicht Gegenstand der Diskussion in diesem Haus und auch nicht Gegenstand unseres Antrags war, nämlich die Frage eines Boykotts. Auch der Wirtschaftsminister hat dieses Thema angesprochen. Ich denke, Sie haben uns ein solches Vorgehen nicht unterstellt. Das wäre auch der falsche Weg. Sie haben die Diskussion darüber in den Zusammenhang mit der Frage gestellt, ob wir klare Worte fi nden sollen. Wir sind der Meinung, wir sollten zu diesem Fall klare Worte fi nden.
Ich möchte, da die Kollegin Weikert insbesondere zu den Nürnberger Vorkommnissen alles Erforderliche gesagt hat, zwei grundsätzliche Aspekte streifen:
Den ersten kann ich nur kurz ansprechen: Herr Minister Huber, wir werden sobald die für das Frühjahr 2005 angekündigte, aber im Frühjahr 2006 möglicherweise kommende Regierungserklärung zum Thema Cluster vorliegt, uns mit dieser Frage näher auseinandersetzen können. Sie verweisen in Ihrem Antrag unter Ziffer 3 darauf, dass Nürnberg gerade durch die Cluster-Strategie neue Chancen eröffnet werden sollen. Frau Kollegin Kronawitter hat in diesen Tagen völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass gerade die AEG-Entscheidung dazu zwingt, im Umfeld die Cluster-Strategie, die sonst zu einem weiteren Abwandern der traditionellen Industrie führt, kritisch zu hinterfragen.
So sehr, wie wir neue Industrien und Hightech-Industrie fördern müssen, so sehr müssen wir die traditionellen Industrien im Auge behalten. Deshalb unterstützen wir auch ihren Antrag in diesem Punkt. Es muss natürlich eine Umstrukturierung in Nürnberg erfolgen. Ich möchte aber Forderungen, die in diesen Tagen erhoben werden, traditionelle Industrien, die in der Metropolregion Nürnberg stark sind – Verkehrstechnik oder Energietechnik – in den Blick zu nehmen, ausdrücklich unterstützen. In Bezug auf Hightech dürfen wir nicht nur dem schönen Schein bei der Cluster-Strategie folgen, sondern müssen auch Handfestes im Blick behalten, weil man mit Letzterem in Bayern und in Franken Geld verdient hat und weiterhin Geld verdienen kann.
Wichtiger noch ist mir – darin liegt die einzige Differenz in unseren beiden Anträgen – zu sagen: Lassen Sie uns die neue Qualität ansehen, die die Diskussion um Standortschließungen und Produktionsverlagerungen durch den Fall AEG und durch den Fall Electrolux gewinnt. Wir haben eine Schließung trotz weitestgehender Angebote der Belegschaft und der Gewerkschaft zur Kostenreduzierung. Das Zitat des Wirtschaftsreferenten Fleck, den wir in diesem Punkt nur unterstützen können, sei an dieser Stelle mitgeteilt: „Bei dem Volumen an dramatischem Lohnverzicht, das IG-Metall und Betriebsrat angeboten haben, ist der Schließungsbescheid schlichtweg unangemessen.“ – Das sagt der CSU-Wirtschaftsreferent der Stadt Nürnberg, Herr Fleck. Er spricht von einem „dramatischen Lohnverzicht.“
Wenn wir dann noch hören, dass ein Teil der Produktion von Nürnberg nach Norditalien verlegt wird, dann zeigt sich – das muss ich ganz ehrlich sagen – die mangelnde Glaubwürdigkeit der Behauptungen von Electrolux.
Die mangelnde Glaubwürdigkeit des Kostenarguments in diesem Fall wird uns auch in anderen Fallkonstellationen dazu bringen, genauer hinzusehen, ob dieses gebetsmühlenartige Verweisen auf angeblich zu hohe Kosten nicht in Wirklichkeit, jedenfalls im einen oder anderen Fall, vieles verdecken soll.
Vor diesem Hintergrund drängt sich uns der Eindruck auf, dass die Nürnberger AEG-Belegschaft in Wahrheit für ganz andere Umstände büßen muss. Die Nürnberger AEG-Belegschaft – Menschen auch in Ihrem Stimmkreis, Herr Söder – müssen für gravierende Fehler in der Konzernstrategie büßen. Sie müssen für gravierende Fehler bei der Standortplanung, bei der Kapazitätsplanung und der Werksplanung von Electrolux büßen.
Sie müssen für gravierende Fehler bei der Absatzplanung und der Markenstrategie von Electrolux büßen. Das ist der wahre Kern. Deshalb ist es richtig, dass wir in unserem Antrag in Ziffer 3 sagen – das richtet sich in die Zukunft, Herr Söder; das hätten Sie auch so sehen können, wenn Sie es gewollt hätten –, dass in Zukunft Schluss damit sein muss, dass die öffentliche Hand, dass die Europäische Union mit ihrer Förderpolitik die Hand für Nullsummenspiele bei der Verlagerung von Arbeitsplätzen in Europa reicht, die keinen Mehrwert bringen. Dass eine
solche Förderpolitik keinen Mehrwert erbringt – das hat Kollegin Weikert angesprochen –, ist auch ein Merkposten beim Koalitionsvertrag. Ich verstehe deshalb nicht, weshalb Sie Schwierigkeiten haben, dem zuzustimmen. Sie hätten es erklären können, aber Sie haben es nicht getan. In diesem Punkt stößt Ihre Haltung auf blankes Unverständnis bei der SPD-Fraktion.
Ich habe hier schon viele Äußerungen in dem Sinne gehört: Es ist ja schon geschehen, jetzt geht Herr Huber hin und begleitet Sozialplanverhandlungen. Herr Huber soll laut Herrn Söder Sozialpläne mit aufstellen. Es geht im Moment um Sozialtarifverhandlungen; das ist etwas anderes.
Was war denn bisher der Fall? – Der Konzern hat den Vertretern von Stadt, Land und Bund schlichtweg die kalte Schulter gezeigt. Vertreter der demokratischen Gemeinwesen wurden wie kleine Bittsteller abgetan – Vertreter der Gemeinwesen, auf die nun die Bewältigung der Folgen der Unternehmensentscheidung zukommt. Das ist eine Qualität, über die wir in diesem Hause, Herr Söder, sehr wohl deutlich reden können und müssen.
Weil wir als demokratischer Gesetzgeber nicht alles mit uns machen lassen können – letzte Woche ging es um die Regionalisierungsmittel –, gibt es mit uns keine Leisetreterei.
Wir können und werden Ihrem Antrag natürlich zustimmen, aber wir bitten Sie, darüber nachzudenken, ob es etwas anderes als eine Missbilligung geben kann. Man sollte hier nicht so viel Angst haben. Mit Menschen, die solche Entscheidungen treffen, muss man in der gleichen Sprache reden; denn sonst wird die Demokratie gegen das Spiel der Konzerne immer der Verlierer sein.
Wir sollten deshalb in den Vermittlungsbemühungen nicht nachlassen. Wir sollten nicht nur zu Abwicklungsgesprächen fahren, sondern noch einmal mit einem kraftvollen Votum des Landtags im Rücken einen neuen Versuch unternehmen. Wir wollen ein kräftiges Signal an die Konzerne in Europa und darüber hinaus, dass sich unser Staat und unsere Gesellschaft nicht zu bloßen Statisten in Monopolyspielen degradieren lassen. Wir werden einem Monopolyspiel nicht tatenlos zusehen. Das sollten wir auch klar und deutlich sagen.
Deshalb haben wir einen Antrag gestellt, der schärfer ist als der Antrag, den Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der CSU, nachgezogen haben. Ich erkenne ausdrücklich an, dass wir eine gemeinsame Position einnehmen in der Bewertung. Ich habe Ihnen auch gesagt, wo wir pointierter sind. Wir sagen deutlich, dass der demokratische Gesetzgeber, der für die Rahmenbedingungen mit verantwortlich ist, nicht so mit sich und seinen Vertretern umspringen lassen kann.
Wir haben gestern intensive Gespräche darüber geführt, ob es möglich wäre, über einen gemeinsamen Antrag in
einer einheitlichen Form abstimmen zu lassen. Das ist wohl an internen Abstimmungsproblemen bei Ihnen gescheitert. Das ist schade; das ist eine verpasste Chance. Wir taktieren nicht. Wir haben eine klare Position und bitten deshalb um Zustimmung zu unserem pointierten Antrag. Wir werden aber Ihren Antrag mittragen, der für das Interesse des Standorts Nürnberg und der Menschen in Nürnberg ein Minus darstellt.
Für die Staatsregierung hat sich Herr Staatsminister Huber zu Wort gemeldet. Bitte, Herr Staatsminister.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Für uns alle ist es ein außerordentlich bedauerlicher und schmerzlicher Vorgang, dass Electrolux das AEG-Werk in Nürnberg zum Ende des Jahres 2007 schließen will. Daran gibt es nichts zu deuteln, und das will auch kein Mensch beschönigen. Ich persönlich halte die ökonomische Begründung des Konzerns für fragwürdig und auch für falsch.
In Teilen der Wirtschaft gibt es den Trend, nach Osten zu gehen im Glauben, dort sei alles besser und sei alles Gold. Man übersieht dabei, dass beispielsweise die Produktion von hochwertigen Gütern dort durchaus problematisch ist und dass es auch dort zur Veränderung der Lohnkosten kommen wird. Durch die Verlagerung wird nur ein kurzfristiger Effekt eintreten; langfristig kann das aber gar nicht im Interesse der wirtschaftlichen Entwicklung in Europa sein.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dennoch muss man der Versuchung widerstehen, klassenkämpferische Töne anzuschlagen. Ich will versuchen, das ganz polemikfrei vorzutragen. Eines ist klar: Bayern ist Standort von Tausenden von Unternehmen, auch von ausländischen Unternehmen. Wir werben in der ganzen Welt um ausländische Investoren. Wenn uns dann eine Entscheidung nicht gefällt und wir sie anhand moralischer Kategorien verurteilen, ist das für die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Bayern außerordentlich problematisch.
Überlassen Sie doch die klassenkämpferischen Töne gewissen Ecken der Politik, zu denen Sie als SPD nicht gehören sollten.
Meine Damen und Herren, es nützt uns auch nichts, wenn man mit solchen Tönen über mögliche Partner herfällt.
Das wärmt möglicherweise kurzfristig das klassenkämpferische Herz, ist aber langfristig zum Nachteil Bayerns.
Electrolux plant die Schließung von 13 von insgesamt 27 Werken in so genannten Hochlohnländern. Die Behauptung, man hätte eine Kostenlücke von 50 Millionen Euro, konnte auch gegenüber der Delegation, die im Sommer dieses Jahres in Stockholm war, leider nicht begründet werden. Dies wird behauptet. Ich möchte durchaus unterstreichen, was Kollege Söder gesagt hat. Ich sehe keinen Anlass, weder aufseiten des Bundes – Bundeswirtschaftsminister Clement war tätig –, weder aufseiten des Landes – das Wirtschaftsministerium war vielfältig eingebunden; Kollege Spitzner war auch in Stockholm –, noch aufseiten der Stadt, irgendwelche Vorwürfe zu erheben.
Ich halte es auch für falsch, dass im Moment von bestimmter Seite zum Boykott von AEG-Geräten aufgerufen wird. Das gefährdet nur weitere Arbeitsplätze in Bayern. Wir müssen sehen, dass die Politik bei der Bewältigung dieser schwierigen Situation in Nürnberg nur begrenzte Möglichkeiten hat. Es wäre falsch, hier den Eindruck zu erwecken, wir könnten durch Parlamentsbeschluss oder dadurch, dass wir irgendeinen Hebel umlegen, einfach die Erhaltung eines Werkes festlegen oder einem Standort bestimmte Vorteile verschaffen.
Das heißt aber nicht, das wir tatenlos sind. Beim morgigen Besuch, den ich zusammen mit dem Wirtschaftsreferenten Fleck beim AEG-Werk vorhabe, will ich mit der dortigen Betriebsleitung und der Gewerkschaft IG Metall sprechen. Der Besuch hat den Sinn, die bestehenden Möglichkeiten auszuloten, und zwar sowohl innerhalb des Betriebs als auch mit anderen Partnern, beispielsweise mit der Agentur für Arbeit. Es wird unsere Aufgabe sein herauszufi nden, ob es Chancen für eine Beschäftigungsgesellschaft gibt, ob mit Qualifi zierungsmaßnahmen versucht werden kann, innerhalb der Übergangszeit von zwei Jahren möglichst vielen der dort Beschäftigten eine Chance auf dem Arbeitsmarkt in Nürnberg zu geben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es geht sicherlich auch darum, insgesamt die Qualität des Standortes Nürnberg weiter zu steigern. Mich wundert sehr, dass mein Vorredner den Eindruck erweckt hat, dass die Schaffung moderner Cluster und die Unterstützung vorhandener Industrie Gegensätze wären.
Wir haben doch nicht die Möglichkeit zu wählen, ob wir dieses oder jenes fördern. Ich sage: Wir müssen alle Möglichkeiten nutzen, um Arbeitsplätze zu sichern und zu erhalten.