Protocol of the Session on November 10, 2005

blick auf einen schnellen, unbürokratischen und niederschwelligen Zugang zu Frühfördermaßnahmen, der Kostenentwicklung und Finanzierung der geplanten MDKBegutachtung und was sie endlich fachlich wie dienstaufsichtlich zu tun gedenkt, das bewährte, bedarfsgerechte und fl ächendeckende System der Frühförderung in Bayern zu sichern.

Frau Staatsministerin.

Herr Präsident! Frau Kollegin Steiger, zunächst zwei Vorbemerkungen: Erstens. Die Staatsregierung ist nicht Vereinbarungspartner bei der Rahmenvereinbarung zur Frühförderung. Daher besitzen wir keine exakten Kenntnisse über den Stand der Verhandlungen. Wir können uns auch nur darauf stützen, was dem Sozialministerium von den Kostenträgern und den Leistungsanbietern mitgeteilt wird, wobei natürlich Hintergrundgespräche geführt werden.

Zweitens. Die Kostenträger, also die Sozialhilfeträger und die Krankenkassen, haben dafür zu sorgen, dass eine entsprechende Infrastruktur zur ordnungsgemäßen Leistungserbringung der Frühförderung vorhanden ist. Der Staat kann dazu keine hoheitlichen Vorgaben machen. Er ist lediglich auf die Rechtsaufsicht beschränkt. Den unterschwelligen Vorwurf, den ich heraushöre, die Staatsregierung sei im Hinblick auf die Frühförderung untätig geblieben, möchte ich mit aller Entschiedenheit zurückweisen. In zahlreichen Gesprächen mit den Vereinbarungspartnern habe ich immer auf die Bedeutung der Frühförderung und ihrer fachlichen Notwendigkeit hingewiesen und die Verantwortung der Vereinbarungspartner für den raschen Abschluss eines Rahmenvertrages angemahnt.

Frau Kollegin Steiger, die Frühförderung liegt mir sehr am Herzen. Das nächste Gespräch wird am 22.11.2005 stattfi nden, zu dem ich eingeladen habe. Ich betone aber nochmals, dass ich natürlich keinen Zwang ausüben kann. Insbesondere gibt das SGB IX, in dem die Frühförderung geregelt ist, keine Handhabe, den Vereinbarungspartnern eine Frist zum Abschluss der Vereinbarung zu setzen und nach deren erfolglosen Ablauf die Vereinbarung durch eine Rechtsverordnung zu ersetzen. Im Grunde genommen bin ich auf den Goodwill der Kostenträger und der Leistungsanbieter angewiesen. Ob der MDK – und da kommen wir zu einem ganz wichtigen Bereich –, an der Begutachtung zu beteiligen ist, entscheiden letztlich auch die Kostenträger. Nach § 21 des SGB X bedienen sich die Behörden der Beweismittel, die sie nach pfl ichtgemäßem Ermessen für die Begutachtung des Sachverhalts für erforderlich halten. Ein Eingreifen der Rechtsaufsicht wäre nur möglich, wenn der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt oder Schikane ausgeübt würde. Dafür gibt es im Moment keine Anhaltspunkte.

Ich habe allerdings im Hinblick auf die Niedrigschwelligkeit des Angebots darauf hingewiesen, dass der MDK meines Erachtens nicht notwendig generell eingeschaltet werden sollte, sondern dass es ausreichend ist, wenn der MDK nur in Zweifelsfällen beteiligt wird. Vorher empfi ehlt sich zudem jeweils eine Klärung zwischen Kostenträger

und Frühförderstelle. Die Kosten des MDK tragen die Krankenkassen. Diese haben gegebenenfalls auch dafür zu sorgen, dass beim MDK das notwendige Know-how zur Verfügung steht.

In der öffentlichen Diskussion habe ich gespürt, dass man gegenüber dem MDK auf große Vorbehalte stößt. Zur Begutachtung von strittigen Fällen kann man durchaus auch die Gesundheitsämter vor Ort einschalten, wenn sie dazu fachlich in der Lage sind. Dazu brauche ich jeweils auch die kommunalen Spitzenverbände, die dieses beurteilen müssen. Das heißt, es muss nicht unbedingt der MDK sein. Ursprünglich haben die Kostenträger gesagt, alle Fälle sollten durch den MDK beurteilt werden. Ich meine, wir müssen sehr genau aufpassen, Frau Kollegin Steiger, dass wir keine Bürokratie aufbauen, die ein Stück weit die Niedrigschwelligkeit in der Frühförderung gefährdet. Das möchte ich auf gar keinen Fall. Vor diesem Hintergrund habe ich alle zu einem Gespräch am 22.11.2005 eingeladen und hoffe, dass wir gemeinsam weiterkommen.

Gerade auch in der Arbeitsgruppe „Gesundheit“ in der Koalitionsrunde ist das Thema Frühförderung angesprochen worden. Ich habe mich erkundigt, wie andere Länder das handhaben, die Rahmenvereinbarungen abgeschlossen haben. Baden-Württemberg hat eine Rahmenvereinbarung abgeschlossen, hat aber genau diesen Knackpunkt ausgelassen. Ich habe mir deren Rahmenvereinbarung zuschicken lassen und gestern noch durchgelesen. Genau dieser Bereich wurde völlig außen vor gelassen, sodass Sie hier auch mit den Komplexpauschalen nicht weiterkommen werden.

Ich darf zunächst einmal zur Orientierung sagen: Um 12.15 Uhr ist das Ende der Fragestunde. Die Fragen zu den anderen Ressorts kommen mit Sicherheit nicht mehr auf die Tagesordnung. Eine Zusatzfrage, Frau Kollegin Steiger?

Wir sind uns sicherlich einig, dass die Begutachtung durch den MDK Kosten und Bürokratie verursachen würde. Das ist überhaupt keine Frage. Es spricht auch grundsätzlich nichts gegen den Einsatz einer neutralen Begutachtung. Meine Frage ist: Wie werden dann die Zweifelsfälle defi niert? Dabei handelt es sich um eine strittige Geschichte. Wie könnte der MDK, der doch keine Heilpädagogen beschäftigt, die Aufgabe leisten? Wie können die Gesundheitsämter diese Aufgabe leisten, nachdem sie in die Landratsämter eingegliedert worden sind und ebenfalls keine Heilpädagogen, die entsprechend begutachten könnten, vorhanden sind?

Frau Staatsministerin, bitte.

Die Krankenkassen haben zugesichert, dass sie für die Fachlichkeit der MDKs zu sorgen haben. Sie haben gleichzeitig zugesichert, dass sie die Kosten tragen werden. Die Zweifelsfälle müssten von den Ärzten defi niert werden. Über all diese Fragen müssen wir am 22.11. sprechen. Wenn wir die niedrigschwelligen Angebote und die Qualität der Frühförderung in Bayern weiter halten wollen, dann müssen wir in Betracht ziehen, ob eventuell

die Gesundheitsämter, in denen ich Heilpädagogen habe, für die Begutachtung in Zweifelsfällen in Frage kämen.

Eine weitere Zusatzfrage?

Wie sehen Sie im Vorfeld des 22.11. die Chancen, dass es noch in diesem Jahr zu einem Abschluss der Rahmenvereinbarungen in Bayern kommt?

Frau Staatsministerin, bitte.

Frau Kollegin Steiger, ich vermute, dass es in diesem Jahr nicht mehr zu einem Abschluss der Rahmenvereinbarung kommen wird. Ich werde darauf drängen, dass wir zumindest zu Beginn des nächsten Jahres zu einem Abschluss der Rahmenvereinbarung kommen werden. Sie wissen jedoch, ich kann zu einem Abschluss nicht zwingen, aber ich werde darauf drängen. Ich kann nur in einer moderierenden Art und Weise eingreifen, ich meine aber, dass die Finanzierung, die bis jetzt gegolten hat – wir haben zwei Jahre lang eine Übergangsfi nanzierung gehabt – noch ein paar Monate in das Jahr 2006 hineingezogen werden kann. Ich habe auch von den Kostenträgern und Leistungsanbietern entsprechende Signale bekommen, sich eine derartige Lösung vorstellen zu können.

Damit ist diese Frage geklärt. Eine weitere Fragestellung ist in den verbleibenden eineinhalb Minuten sicher nicht mehr sachgerecht durchzuführen. Es tut mir Leid, Frau Kollegin Narnhammer.

(Christa Steiger (SPD): Ich habe extra auf meine dritte Zusatzfrage verzichtet!)

Das ist in den verbleibenden eineinhalb Minuten aber nicht praktikabel. Sie bekommen aber, wie in allen anderen Fällen auch, die Antwort gerne schriftlich.

Damit ist die Fragestunde abgeschlossen. Die Sitzung wird um 13.15 Uhr mit den Dringlichkeitsanträgen fortgesetzt.

(Unterbrechung von 12.14 bis 13.16 Uhr)

Kolleginnen und Kollegen, die Mittagspause ist beendet, und ich darf die Sitzung wieder aufnehmen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:

Beratung der zum Plenum eingereichten Dringlichkeitsanträge

Dringlichkeitsantrag der Abg. Joachim Herrmann, Thomas Kreuzer, Dr. Jakob Kreidl u. a. u. Frakt. (CSU) Grundwerte und Regeln des Zusammenlebens sind für alle verbindlich (Drs. 15/4220)

Dringlichkeitsantrag der Abg. Franz Maget, Dr. Linus Förster, Hans-Ulrich Pfaffmann u. a. u. Frakt. (SPD) Aus Jugendkrawallen lernen (Drs. 15/4224)

Dringlichkeitsantrag der Abg. Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Ulrike Gote u. a. u. Frakt. (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Integration jetzt! Sofortprogramm für mehr Chancen für Jugendliche mit Migrationshintergrund (Drs. 15/ 4231)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache und darf Herrn Kollegen Kreuzer das Wort geben. – Bitte sehr, Herr Stellvertretender Fraktionsvorsitzender.

Frau Präsidentin, Hohes Haus! Die Vorgänge in Frankreich, eine derartige Welle der Gewalt, nicht aus einem Moment heraus, sondern über Tage andauernd, haben uns mit Sicherheit alle nachdenklich gemacht, ja erschüttert. Nicht nur angegriffene Polizeibeamte – dies erschüttert uns selbstverständlich auch, aber sie stellen das Symbol der Staatsmacht dar –, nein auch brennende Schulen, Kindergärten und Krankenhäuser zeigen die Dimension dieser Gewaltwelle, die einen auf den ersten Blick erstaunt.

Selbstverständlich muss sich jeder, der politische Verantwortung trägt, Gedanken darüber machen, ob dies in unserem Land auch geschehen kann und welche Maßnahmen wir ergreifen können, um solche Entwicklungen zu verhindern, Entwicklungen, die unerträglich sind für die betroffenen Menschen, die mit Leib und Leben bedroht sind, die aber auch denjenigen, die Aktionen starten, gar nichts bringen und die in keiner Weise weiterführen.

Diesbezüglich gibt es verschiedene Ansätze. Ich sage gleich zu Beginn: Kollege Sibler wird zu diesem Thema ebenfalls reden, und er wird über die Integrationsbemühungen und die Möglichkeiten der Integration sprechen. Das ist ein ganz wichtiges Thema in diesem Zusammenhang, eines der entscheidenden. Ich sage das, weil ich hierzu nichts sagen werde, sondern andere Bereiche aufgreife, aber natürlich auch im Auge habe, dass dies ein Kernproblem in diesem Bereich ist.

Ich will drei Dinge ansprechen, die ich für notwendig halte, meine Damen und Herren.

Erstens. Wir brauchen eine strikte Zuwanderungsbegrenzung in diesem Land,

(Unruhe bei der SPD und bei den GRÜNEN)

weil die Integrationsfähigkeit natürlich auch mit der Zahl der Menschen zu tun hat, die zuwandern. Integrationsfähigkeit kann überfordert werden. Bei zuviel Zuwanderung bekommen wir Parallelgesellschaften. Die Multikulti-Idee der Parallelgesellschaft ist gescheitert, meine Damen und Herren. Deshalb müssen wir unseren Kurs – nur so viel Zuwanderung, wie ein Land verträgt und Integrationskraft hat – unbedingt aufrechterhalten und verstärken.

Die Franzosen haben aus ihrer kolonialen Vergangenheit heraus große Probleme. Wir sollten uns diese Probleme nicht durch eine uferlose Ausweitung der Europäischen Union schaffen. Das was heute das Problem von Frankreich mit Algerien und anderen Staaten ist, kann morgen unser Problem bei einer Aufnahme der Türkei in die Europäische Union und bei einer grenzenlosen Möglichkeit der Zuwanderung sein.

(Beifall bei der CSU – Zurufe von der SPD)

Ich bitte, dies bei diesem Thema ohne ideologische Scheuklappen zu sehen, wobei ich weiß, dass Sie, meine Damen und Herren, bei diesem Thema dazu nicht in der Lage sind.

Zweitens. Einbürgerung, wie Sie in Ihrem Antrag fordern, ist keine Lösung. Dies zeigen die Krawalle in Frankreich. Der französische Innenminister hat Abschiebemaßnahmen für an den Krawallen Beteiligte angekündigt, aber gleichzeitig gesagt, das betreffe nur ungefähr 20 % der Beteiligten; die anderen 80 % seien französische Staatsbürger. Das zeigt eindeutig, dass Ihr Weg der doppelten Staatsbürgerschaft und der Einbürgerung falsch ist und das Problem der Integration und der Chancen für die Betroffenen in keiner Weise löst.

Gehen Sie also davon weg. Sie haben nur mehr Probleme als insgesamt.

(Beifall bei der CSU – Zurufe von der SPD)

Im Antrag der GRÜNEN ist namentlich erwähnt, dass die Einbürgerung erleichtert und die doppelte Staatsangehörigkeit ermöglicht werden sollten. Die vorgenannten Vorgänge sind jedoch ein schlagendes Beispiel dafür, dass dies zu überhaupt nichts führt.

Drittens. Wir dürfen in unserem Staat nirgendwo rechtsfreie Räume dulden. Die Polizei und die Sicherheitsbehörden müssen überall in der Lage sein, die Sicherheitslage zu kontrollieren. Es darf nicht vorkommen, dass in gewisse Stadtviertel überhaupt keine Polizei mehr geht, um Schwierigkeiten zu verhindern,

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Dann schickt halt einmal eure Polizei hinein!)

sondern wir müssen die Sicherheitslage insgesamt aufrechterhalten. Dies tun wir in Bayern, da mache ich mir keine Sorgen. Über andere Städte in der Bundesrepublik Deutschland will ich mir kein Urteil erlauben.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Das ist eine gute Idee!)

Ich will nur sagen, dass wir alle – und das wissen wir – über Jahre und Jahrzehnte rechtsfreie Räume, zum Beispiel in Hamburg in der Hafenstraße, mit entsprechenden Folgen für die betroffene Bevölkerung gehabt haben. Dies ist nicht unsere Politik; diese Politik hat fatale Folgen.

Wir haben beispielsweise Parallelereignisse in Frankreich und in New Orleans – ich weiß nicht, ob Ihnen dies aufge

fallen ist –; denn wir haben die gleiche Struktur und Banden, die bewaffnet, gewaltbereit und kriminell sind, die dort geduldet und in normalen Situationen nicht kontrolliert werden und die, wenn irgendetwas passiert – in New Orleans war es ein Naturereignis, in Frankreich ist es ein Aufschaukeln der Situation –, jederzeit in der Lage sind zu verhindern, dass Recht und Ordnung wieder hergestellt werden.