Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Kommunen müssen entlastet werden. Dies gilt allerdings insbesondere – ich möchte
das hinzufügen – im Wirkungsbereich der Bayerischen Staatsregierung. Darauf kommen wir in der Abfolge der Tagesordnung später noch zurück.
Frau Kollegin, einen Augenblick bitte. Kann ich die Umweltpolitiker bitten, die hiesige Umwelt sauber zu halten und ihre Diskussion draußen fortzusetzen? – Bitte schön, Frau Kollegin.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der CSU-Fraktion, mit Ihrem Antrag rennen Sie bei uns offene Türen ein. Nicht nur unsere Kommunalpolitikerinnen und -politiker und die Mitglieder der Landtagsfraktionen in den unterschiedlichen Bundesländern, sondern auch die Mitglieder unserer Bundestagsfraktion haben sich immer konsequent dafür eingesetzt, dass die versprochenen 2,5 Millionen Entlastungssumme für die Kommunen, die im Rahmen der Zusammenlegung der Sozialhilfe mit der Arbeitslosenhilfe für die Kommunen entstehen sollten, auch wirklich eingehalten werden.
Wichtiges Ziel war, neben der Gewerbesteuerreform die Kommunen auch im Zusammenhang mit den Regelungen bei der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zu entlasten. Der Vorschlag, die Erstattungsquote von 29,1 % an den Kosten für Unterkunft und Heizung auf null zu senken, liegt uns fern, bekommt und bekam von uns niemals eine Zustimmung; er stammt auch nicht von uns.
Wir GRÜNEN stehen klar für eine Entlastung der Kommunen als Voraussetzung für die erforderliche Handlungsfähigkeit vor Ort.
Es gab – darauf zielt Ihr Antrag vermutlich ab – einen meines Erachtens nicht mehr aktuellen Vorschlag eines Mitglieds der Fraktion, mit der Sie zurzeit in Koalitionsverhandlungen stehen, der dies beabsichtigte. Wir hoffen, dass Sie sich mit Ihrem zukünftigen Partner nicht nur über die zu besetzenden Ministerposten und die Kanzlerin einig werden, sondern sich auch auf ein kommunalfreundliches Regierungsprogramm einigen können. Darauf sind wir sehr gespannt.
Das Anliegen dieses Antrags ist zwar berechtigt, müsste aber an anderer Stelle vertreten werden. Es gibt bei der Diskussion über den Antrag wie auch bei der Verteilung der Mittel keine sinnvollen länderspezifi schen Lösungen, sondern nur eine sinnvolle Bundeslösung. Auf Bundesebene gilt es daher, im Zusammenhang mit der im Vermittlungsausschuss nicht optimal konstruierten Revisionsklausel neue Lösungen für Nachbesserungen zu fi nden.
Meine Kollegin Simone Strohmayr hat bereits angesprochen, dass es bei der Datenlage noch einen erheblichen Klärungsbedarf gibt. Die Kommunalerhebung des Städtetags hat – ohne die Belastungen und Entlastungen beim Personal und der Verwaltung – eine Differenz zu den Daten des Bundeswirtschaftsministeriums von immerhin 1,7 Milliarden Euro ergeben. Die Frage lautet, woher diese Differenz kommt.
Frau Kollegin Kamm, ich muss Sie leider noch einmal unterbrechen. Ich ermahne jetzt den Umweltbereich zum zweiten Mal. Es geht nicht an, draußen für eine saubere Umwelt zu kämpfen und dann hier innen durch Gespräche Lärm zu machen. Wir haben draußen genug Platz. Das gebietet allein der Respekt vor der Rednerin.
Wie gesagt, besteht bei der Revisionsklausel und bei der Datenlage Klärungsbedarf. Dieser Klärungsbedarf wurde bereits dadurch verursacht, dass der Umfang der Betreuungsmaßnahmen und Beratungsmaßnahmen nicht korrekt erfasst worden ist. Klärungsbedarf besteht ferner bei den Be- und Entlastungen der Kommunen in der Verwaltung und bei der Berechnung der Entlastung der Kommunen bei der Sozialhilfe.
Die Revisionsformel, die im Vermittlungsausschuss in der Form, wie wir sie haben, festgelegt worden ist, geht leider davon aus, dass alle Bedarfsgemeinschaften, die vorher keine Arbeitslosenhilfe oder kein Arbeitslosengeld bezogen haben, vorher Sozialhilfe bezogen haben. Dies ist mitnichten der Fall. Den Kommunen wird aufgrund bestimmter Vorstellungen des Bundeswirtschaftsministeriums eine Entlastung angerechnet, die so nicht gegeben ist. Hier gibt es Handlungs- und Nachbesserungsbedarf. Nachbesserungsbedarf besteht auch bei der Entwicklung und Berechnung der Unterkunftskosten. Das Bundeswirtschaftsministerium rechnet hier einschließlich der Heizkosten mit unrealistisch niedrigen 280 Euro im Durchschnitt. Hier brauchen wir realistischere Berechnungsgrundlagen.
Meine Kolleginnen und Kollegen, damit komme ich wieder auf die Landesebene zurück. Auch für die Weitergabe des Wohngelds an die Kommunen brauchen wir realistischere Berechnungsgrundlagen. Bundesweit sind die Länder durch die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe immerhin um 2,6 Milliarden Euro beim Wohngeld entlastet worden. Der Freistaat Bayern wurde um 300 Millionen Euro entlastet. Jetzt gilt es, diese Entlastungen korrekt an die Kommunen weiterzugeben. Hier besteht Handlungsbedarf. Meine Kolleginnen und Kollegen von der CSU, ich hoffe dabei auf Ihre Unterstützung.
Viel Handlungsbedarf besteht auch bei den anstehenden neuen Zuständigkeitsregelungen für die Sozialhilfe im Bereich der Ausländerhilfe. Hier müssen auf Landesebene ebenfalls Lösungen gesucht werden, durch die nicht einzelne Gebietskörperschaften über Gebühr belastet werden. Da Sie diesen Antrag gestellt haben und für dieses Ziel eintreten, hoffe ich, dass Sie sich auch dafür einsetzen werden. Das brauchen die Kommunen Bayerns.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Hartz IV beschäftigt uns zurzeit deutschlandweit. Dies ist auch für die Kommunen ein sehr wichtiges Thema, weil die Be- und Entlastungen sehr unterschiedlich sind. Wenn ich die Situation in Bayern ansehe, stelle ich fest, dass vorrangig die großen Städte wie München, Nürnberg und Augsburg entlastet werden. Die Mehrheit der Landkreise wird jedoch sehr stark belastet.
Frau Kollegin Dr. Strohmayr, Sie unterliegen einem Irrtum, wenn Sie denken, das Gesetz unterläge der Diskontinuität. Der Bundesrat kennt keine Diskontinuität. Die Bundesregierung hat dieses Gesetz in den Bundesrat gegeben. Das ist ganz normal. Jetzt wird der Bundesrat Stellung nehmen. Dann wird dieses Gesetz in den neuen Bundestag eingebracht, zusammen mit der Stellungnahme des Bundesrates. Soviel zur Rechtslage. Die CSU hat erkannt, dass die Sozialhilfe und die Arbeitslosenhilfe zusammengelegt werden müssen. Ich möchte Ihnen sagen: Wir haben bereits vor Jahren Gesetzesanträge in den Bundesrat unter dem Stichwort „fördern und fordern“ eingebracht. Diese sind leider Gottes abgelehnt worden. Die CSU hatte diese Erkenntnis schon, bevor die SPD aufgewacht ist.
Frau Kollegin Kamm, das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sagt ganz klar, dass die Kommunen entlastet werden müssten. Diese Entlastung muss bei den Kommunen ankommen. Am Schluss haben Sie noch einmal den Bereich der Ausländer, Aussiedler und Spätaussiedler angesprochen. Inzwischen werden viele Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden geführt. Nur der Städtetag sieht noch Probleme. Alle sagen jedoch, dass es mit einer großen Bürokratie verbunden wäre, die Ausländer, Aussiedler und Spätaussiedler herauszufi ltern und getrennt zu erfassen. Vor diesem Hintergrund meine ich, dass wir die Zuständigkeiten dafür auf die Landkreise und die kreisfreien Städte legen müssen. Gleichzeitig müssen wir überlegen, wie wir die Be- und Entlastungswirkungen über ein System des interkommunalen Ausgleichs regeln können. Hier sind wir inzwischen auf einem guten Weg.
Bei Hartz IV sind wir inzwischen an Fehleinschätzungen des Bundes gewöhnt. Ich meine damit natürlich die alte Bundesregierung. Das darf man nicht unter den Teppich kehren.
(Unruhe – Glocke des Präsidenten – Dr. Heinz Kaiser (SPD): Frau Stewens, der Wahlkampf ist doch vorbei!)
Herr Kollege Dr. Kaiser, hier geht es um die Belastung der Kommunen. Die Hartz-IV-Reformen führen wohl insgesamt zu einer Mehrbelastung von 11,4 Milliarden Euro und nicht zu Einsparungen. Das hat mit Wahlkampf überhaupt nichts zu tun.
Frau Staatsministerin, Sie stimmen doch sicher mit mir darin überein, dass die Regelungen zur Revision im Zusammenhang mit Hartz IV im Vermittlungsausschuss getroffen worden sind, also auch unter Beteiligung der CDU/CSU?
Frau Kollegin Kamm, sicherlich ist richtig, dass der Kompromiss bei Hartz IV auch unter Beteiligung der Union geschlossen worden ist. Deshalb wollen wir die Probleme nicht unter den Tisch kehren, sondern müssen gemeinsam zur Lösung dieser Probleme beitragen. Das ist überhaupt keine Frage.
Dem Bund sind Berechnungsfehler unterlaufen. Deswegen ist es wichtig, dass die Bundeskalkulationen nicht auf einer unseriösen Grundlage fortgeführt werden. Wo liegen die Probleme? – Der Gesetzentwurf des Bundes beruht auf der Annahme, dass die Kommunen im Jahre 2005 um 2,8 Milliarden Euro und im Jahr 2006 sogar um 3,6 Milliarden Euro entlastet werden. In Wirklichkeit werden die Kommunen be- statt entlastet, wenn der Bundeszuschuss zu den Unterkunfts- und Heizkosten in Höhe von 29,1 % auf null reduziert wird. Das ist ein Problem.
Dieses Problem wird die Kolleginnen und Kollegen in den Kommunen, in den Kreistagen und in den Stadträten vor allem jetzt, bei der Aufstellung der Nachtragshaushalte, sehr beschäftigen.
Die bundesweite Kommunalerhebung hat ergeben, dass die Absenkung des Bundeszuschusses auf null nicht möglich ist, sondern dass dieser Bundeszuschuss eigentlich auf 34,4 % erhöht werden müsste, wenn die versprochene Entlastung bei den Kommunen ankommen soll.
Nein. Ich habe nur eine begrenzte Redezeit. Ich bin zwar sonst für Fragen sehr offen, aber jetzt möchte ich keine Frage mehr zulassen.
Wo liegen denn im Moment die Fehler bei der Berechnung? Wir haben ungefähr zusätzlich 50 % ALG-II-Empfänger, die zuvor nicht Arbeitslosengeld I oder Sozialhilfe bezogen haben. Sie haben sich für den Bezug von Arbeitslosengeld II gemeldet vor dem Hintergrund der besseren Möglichkeiten, die dabei angeboten werden; ich
denke an die Vermögensfreibeträge, an die Zuverdienstmöglichkeiten oder auch den Verzicht auf den Rückgriff auf Familienangehörige. Diese 50 % zusätzlichen ALG-IIBezieher werden vom Bund weitgehend als hypothetische Sozialhilfeempfänger und daher im Berechnungstableau als Entlastung der Kommunen angerechnet. Dieser Berechnungsfehler des Bundes zieht sich weiter bei der Entlastung der Länder beim Wohngeld. Deswegen brauchen wir neue Berechnungen. Es ist unseriös, dass die neuen Anträge fast vollständig in die Entlastung der Kommunen einbezogen werden. Ich verstehe überhaupt nicht, warum Sie damit so große Schwierigkeiten haben.
(Joachim Wahnschaffe (SPD): Die Schwierigkeiten haben doch Sie! Sie sagen doch, Sie hätten keine gesicherten Daten!)
Frau Kollegin Kamm, bei der Entlastung beim Wohngeld kann es immer nur – und das war auch Geschäftsgrundlage – um die saldierte Entlastung gehen. Das heißt, das, was die alten Länder bei der Mehrwertsteuer an die neuen Länder transferiert haben – dabei ging es insgesamt um 850 Millionen Euro –, wird den alten Ländern bei der Wohngeldentlastung gleichzeitig abgezogen. Sie haben für Bayern die 300 Millionen Euro als mögliche Länderausgaben beim Wohngeld genannt. Da das Wohngeld je zur Hälfte vom Bund und vom Land bezahlt wird, spart der Freistaat circa 150 Millionen Euro. Wir müssen aber zugleich 150 Millionen Euro in den Ausgleich Ost geben, und dann haben wir ein Plus und ein Minus von je 150 Millionen, sodass wir im Moment nach den Berechnungen der Obersten Baubehörde bei der Entlastung beim Wohngeld plus/minus Null herausbringen. Wenn Bayern entlastet wird, kann ich Ihnen zusagen, dass jeder Cent und jeder Euro an die Kommunen weitergegeben wird.
Worum geht es jetzt? – Letztendlich geht es um die Berechnungsgrundlagen für die Revisionen in der Anlage zu § 46 SGB II. Ich bin der festen Überzeugung, dass diese Grundlagen realitätsnäher defi niert werden müssen, nämlich nach der tatsächlichen Be- und Entlastungswirkung für unsere Kommunen. Ich bin eigentlich davon ausgegangen, dass die SPD, auch wenn sie hier im Hause die Opposition stellt, ein Interesse daran hat, dass die Entlastung auch wirklich bei den Kommunen ankommt.
(Beifall bei der CSU – Christa Steiger (SPD): Das haben wir, und wir lassen uns auch nichts anderes unterstellen! Auch nicht mit so einer Rede!)
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, in dem Fall muss ich mich besonders an die CSU-Fraktion wenden. Wir hatten jetzt gerade bei der Rede der Frau Ministerin einen Lärmpegel, der nicht sein muss. Ich bitte daher um mehr Ruhe.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Der schon kaum erklärbare Antrag der CSU wird noch diffuser durch den Beitrag, den die Frau Staatsministerin hier soeben abgeliefert hat.