Nach unserer Einschätzung wird es bei dem Datum 15.12.2005 bleiben, weil dann der Vogelzug für dieses Jahr abgeschlossen sein wird. Ob im Frühjahr 2006 ein erneutes Stallhaltungsgebot zu erlassen ist, hängt von einer neuen Risikoanalyse ab. Zahlreiche Experten sagen uns, dass in diesem Winter in den Winterquartieren der Vögel, also insbesondere in Afrika, ein Austausch des Erregers stattfi nden könnte. In Afrika treffen sich die Vögel aus den unterschiedlichsten Zugrichtungen und haben dort ihre Winterquartiere. Im Frühjahr wird man deshalb eine neue Risikoanalyse machen und neu entscheiden müssen. Dann wird auch entschieden, welche Vorsorgemaßnahmen geeignet und zu treffen sind.
Keine weiteren Zusatzfragen. Die nächste Fragestellerin ist Frau Kollegin Sonnenholzner. Bitte schön, Frau Kollegin.
Herr Staats minister, warum hat Bayern im Sommer 2002 über den Bundesrat das von der Bundesregierung vorgelegte Verbraucherinformationsgesetz blockiert und verhindert und ist sie angesichts des „Ekelfl eisch-Skandals“ bereit, ein eigenes Verbraucherinformationsgesetz für den Lebensmittelbereich vorzulegen, wie dies vier andere Bundesländer bereits haben, zumal die Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit Aufgabe der Bundesländer ist?
Frau Präsidentin, Frau Kollegin Sonnenholzner, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das im Jahr 2002 geplante Verbraucherinformationsgesetz war nicht ausgereift genug. Es hätte die Rechte der Verbraucher nicht wirklich gestärkt und wäre für den Bürger extrem umständlich gewesen. Der Bürger hätte von Unternehmen und Betrieben keine Auskunft verlangen können, sondern nur von den Behörden. Diese wiederum hätten viele für den Verbraucher interessante Fragen nicht beantworten können, da sie – im Gegensatz zu den Unternehmen – nicht über alle Informationen verfügen. Betriebsgeheimnisse wären von der Informationspfl icht ohnehin ausgenommen gewesen. Der damit verbundene bürokratische Aufwand wäre in keinem Verhältnis zum Nutzen für den einzelnen Bürger gestanden.
Im aktuellen Fall hätte das von der Bundesregierung vorgelegte Gesetz für die Verbraucher keinen zusätzlichen Schutz bewirkt, da es einen Anspruch auf Information während eines laufenden staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens ausdrücklich ausschloss. Gerade im jetzt diskutierten Fall hätte der Gesetzentwurf dem Bürger nichts gebracht. Einen derartigen Ausschluss des Informationsanspruchs enthalten im Übrigen auch die Verbraucherinformationsgesetze der Länder Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein.
Darüber hinaus kann auch ein Verbraucherinformationsgesetz Straftaten nicht vereiteln. Die Lebensmittelsicherheit zu gewährleisten, ist die selbstverständliche Pfl icht der herstellenden und verarbeitenden Betriebe selbst. Nach EU-Recht sind die Lebensmittelunternehmer sogar verpfl ichtet, bei Verstößen gegen die Lebensmittelsicherheit die Behörden zu informieren und mit diesen zusammenzuarbeiten.
Herr Staats minister, warum hat die Staatsregierung dann nicht in der Zwischenzeit ein in ihren Augen ausgereiftes und handhabbares Verbraucherinformationsgesetz vorgelegt?
Bei den bislang gegebenen politischen Mehrheitsverhältnissen in Berlin war das aussichtslos. Das Thema wird jetzt, unter neuer politischer Konstellation, in Berlin zu diskutieren sein.
Wieso ist das Vorhaben aussichtslos, wenn es doch offensichtlich in vier anderen Bundesländern schon funktioniert? Warum war es aussichtslos, wenn es nach Ihren Angaben jetzt nicht mehr aussichtslos ist? Letzteres würde uns im Übrigen freuen.
Es war deshalb aussichtslos, weil die politischen Vorstellungen von Rot-Grün, die sie in ihrem Gesetzentwurf vorlegten, andere waren. Wie schon gesagt, in den anderen Bundesländern, ich habe sie bereits genannt, sehen die dortigen Gesetze auch einen Ausschluss des Informationsrechts vor, wenn staatsanwaltliche Ermittlungen laufen. In dem jetzt in Bayern konkret diskutierten Fall würden die gesetzlichen Regelungen den Verbrauchern keine zusätzlichen Informationsansprüche bringen. Deshalb gilt es, sich erneut zusammen zu setzen und – auch aufgrund der Erkenntnisse dieses Lebensmittelskandals – die Verbraucherinformation zu diskutieren. Im Übrigen müssen auch alle anderen Rückschlüsse gezogen werden, die weit über die Verbraucherinformation hinausgehen. Dazu werde ich später, bei den Dringlichkeitsanträgen, noch Stellung nehmen.
Herr Staats minister, für mich ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Verbraucherinnen und Verbraucher beispielsweise in NordrheinWestfalen mehr Recht auf Information haben sollen als die in Bayern, auch wenn das Gesetz im konkreten Fall vielleicht nicht gegriffen hätte.
Frau Kollegin Sonnenholzner, Sie sehen an dem konkreten Fall, in dem Transporte von K-3-Materialien oder daraus hergestellte Lebensmittel in nahezu alle Länder Deutschlands gegangen sind – auch in das von Ihnen angesprochene Nordrhein-Westfalen –, dass auch die dortigen Behörden nicht mehr Informationen geben können. Bayern hat als erstes Land gestern einen konkreten Tatbestand veröffentlichen können, weil die nach dem Lebensmittel- und Futtermittelgesetz dafür notwendigen Rechtsgrundlagen vorhanden waren.
Alle Verwaltungen sind an die Rechtsgrundlagen gebunden. Wie Sie sicher wissen, ist die hier einschlägige Rechtsgrundlage, nämlich das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch, unter der Verantwortung der Vorgängerregierung in Berlin geschaffen worden. Das ist der rechtliche Maßstab. Auch die Verbraucherinformationsge
setze der Länder können daran nichts ändern. Es gilt, ein insgesamt schlüssiges System zu fi nden, das mehr Transparenz vermittelt und damit mehr Verbraucherinformationen ermöglicht, die ich sehr befürworte. Aber das Ganze muss im Konnex stehen mit den vorhandenen Rechtsgrundlagen, insbesondere mit dem Lebensmittel- und Futtermittelrecht. Außerdem muss es ein Verfahren sein, das dem Verbraucher unter dem Strich etwas bringt. Es darf sich nicht nur um einen Anspruch auf dem Papier oder eine bürokratische Anfrage an eine Behörde handeln.
Herr Staatsminister, welche Gründe sieht die Staatsregierung dafür, dass die Kontrollmechanismen zum Schutz des Verbrauchers im „Ekelfl eisch-Skandal“ kläglich versagt haben, und wie sind in dieser Frage die Kürzungen im Staatshaushalt und das ständige Herumgeschiebe der Zuständigkeiten in und zwischen den einzelnen Ressorts zu bewerten?
Frau Kollegin, ich möchte mir Ihre Wortwahl in keiner Weise zu eigen machen, sondern vielmehr schon jetzt – ich werde später in der Debatte im Hohen Hause im Detail darauf eingehen – darauf hinweisen, dass die Verantwortung für die Lebensmittelsicherheit und die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben ganz eindeutig beim Betrieb liegt. Nach den Vorschriften der Europäischen Union muss dieser unter anderem ein Eigenkontrollsystem betreiben und für den Handel mit Material der Kategorie 3 ein Handelspapier ausstellen, das den Transport begleitet. Diese Papiere müssen vom Betrieb aufbewahrt werden. Das sehen die einschlägigen Bestimmungen expressis verbis vor.
Ich will auch jetzt schon darauf hinweisen – auch wenn wir das Thema heute bei den Mündlichen Anfragen und später in der Debatte zu den Dringlichkeitsanträgen behandeln –, dass ich sehr wohl für weitergehende Bestimmungen der Europäischen Union eintrete. Das macht dieser Vorgang deutlich. Das alles ändert aber nichts an der Verpfl ichtung des Unternehmers, die Gesetze wie auch in allen anderen Fällen in diesem Land einzuhalten.
Den Überwachungsbehörden obliegt eine stichprobenartige Überwachung des Betriebes einschließlich der betrieblichen Eigenkontrollen. Dabei werden auch die für den Transport notwendigen Handelspapiere stichprobenartig überprüft. Es gibt also – wenn Sie so wollen – eine Kontrolle der Kontrolle. Der betroffene Betrieb in Deggendorf wurde im letzten halben Jahr siebenmal überprüft. Eine lückenlose Kontrolle, die von vornherein jegliches kriminelles Handeln unterbindet, ist naturgemäß nicht möglich.
Zuständigkeitsverschiebungen haben in der amtlichen Überwachung nicht stattgefunden; die Zuständigkeit liegt bei den Kreisverwaltungsbehörden.
Herr Staatsminister, stimmen Sie mir zu, dass die Kontrollmechanismen – die Kontrolle der Kontrolle, wie Sie es nennen – dann wohl nicht ausreichen?
Sehr verehrte Frau Kollegin, da stimme ich Ihnen ausdrücklich nicht zu. Wir erfüllen mit den Kontrollen in unserem Land alle Anforderungen, die die Europäische Union sowie europäisches und nationales Recht stellen, in vollem Umfang. Gegen kriminelles Handeln, gegen ein Handeln mit hoher krimineller Energie wie in diesem Fall, gibt es letztlich keine hundertprozentige Handhabe. Das heißt, dass wir auch in diesem Fall überlegen müssen, ob wir die grundlegenden Vorschriften ändern müssen, zum Beispiel Kennzeichnung der Materialien und Kennzeichnung der Transportwege. Die Verwaltung kann nur gemäß den bestehenden Vorschriften kontrollieren. Das ist eine Frage der Qualität der Bestimmungen im Umgang mit Materialien der Kategorie 3. Auch darauf werde ich später im Detail eingehen. Jedenfalls ist der Hebel hier anzusetzen, um zu einer Verbesserung zu kommen.
Herr Staats minister, ich bin etwas verwundert. Sie sagen, dass dieser Betrieb in diesem Jahr siebenmal kontrolliert wurde.
Sie haben auch gesagt, es gebe die Aufgabe, die Warenbegleitpapiere zu kontrollieren. Gleichzeitig behaupten Sie, die Kontrollen würden ausreichen - -
Herr Minister, glauben Sie wirklich, wenn Sie einen Betrieb siebenmal in einem halben Jahr kontrollieren und nichts feststellen, dass dann die Kontrollen ausreichen?
Herr Kollege Sprinkart, es liegt an der Abfolge von Mündlichen Anfragen und späterer ausführlicher Darlegung des gesamten Sachverhalts, dass die Information
schwierig ist. Wenn ich Ihnen später den Sachverhalt im Detail darlege, werden Sie sehen, dass ein großer Teil der umdeklarierten Materialien den Betrieb in Deggendorf überhaupt nicht erreicht hat; denn die Umdeklaration erfolgte nicht im Betrieb, sondern auf der Straße im Lkw. Ein Veterinär, der den Betrieb kontrolliert, kann das kontaminierte Material überhaupt nicht vorfi nden, weil es im Betrieb nicht vorhanden ist. Näheres dazu später.
Herr Staatsminister, verstehe ich Sie richtig, dass Sie doch einen Handlungsbedarf sehen, und zwar nicht im Rahmen der Kontrolle, sondern zum Beispiel bei der Deklaration? Sehen Sie dort einen Handlungsbedarf?
Wir müssen aus diesem Lebensmittelskandal Konsequenzen ziehen. Insbesondere müssen wir den Umgang mit Materialien der Kategorie 3 verbessern im Sinne von besserer Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit sowie der Verhinderung der Rückführung in den Lebensmittelkreislaufs. Hier gilt es – wir werden dazu morgen eine Expertenrunde einberufen –, der Europäischen Union Vorschläge zu unterbreiten; denn es handelt sich um 100 % europäische Rechtsvorgaben. Selbst wenn wir von Landesseite her etwas verändern wollten, könnten wir es nicht. Deshalb bin ich dafür, dass wir von Bayern aus eine Initiative in der Europäischen Union starten, um zu Verbesserungen zu kommen.
Herr Minister, welcher Wert kann angesichts des „Ekelfl eisch-Skandals“ der bayerischen Praxis der Eigenkontrolle der Betriebe noch zugemessen werden, bzw. welche Schlüsse sind aus dem Skandal in diesem Bereich zu ziehen?
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Lück, zunächst will ich darauf hinweisen, dass es bei den Eigenkontrollen nicht um eine bayerische Praxis geht. Die betriebliche Eigenkontrolle beruht auf Vorschriften der Europäischen Union, nämlich auf der Verordnung EG Nr. 1774/2002. Der vorliegende Einzelfall, der von hoher krimineller Energie zeugt, kann das ansonsten bewährte System der Eigenverantwortung nicht infrage stellen.
Ich habe bei der vorhergehenden Frage schon gesagt, es ist ganz klar, dass jeder Unternehmer in jeder Branche die Verantwortung für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen trägt. Ob es sich um europäische, nationale oder
bayerische Gesetze handelt, jeder Unternehmer hat alle öffentlich-rechtlichen Vorschriften einzuhalten. So fi ndet eine Kontrolle seines Handelns durch den Unternehmer selbst statt. Gleichwohl haben wir den Vorgang zum Anlass genommen, alle Betriebe, die mit tierischen Nebenprodukten der Kategorie 3 handeln, in einer Sonderaktion landesweit zu überprüfen. Festgestellte Mängel werden beanstandet und deren umgehende Beseitigung angeordnet. Alle Betriebe sind gehalten, ihr betriebliches Eigenkontrollsystem zu überprüfen und gegebenenfalls zu verbessern.
Darüber hinaus hat das Ministerium für Donnerstag, den 20. Oktober, also morgen, ein Treffen mit Wissenschaftlern und Experten anberaumt, in dem wir – wie es auch Frau Kollegin Werner-Muggendorfer angesprochen hat – Initiativen erörtern wollen, um die europäischen Vorschriften zu verbessern, damit den Umgang mit K-3Material klarer zu regeln und eine Rückführung von Schlachtabfällen in den Lebensmittelkreislauf zu erschweren und möglichst unmöglich zu machen.