Protocol of the Session on September 29, 2005

Sehr geehrte Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Biedefeld, 90 Minuten reichen für dieses Thema nicht aus. Die CSU-Fraktion beschäftigt sich nicht erst heute oder gestern, sondern ständig mit diesem Thema. Erst vor kurzer Zeit haben wir in Wunsiedel einen ganztägigen Kongress zu diesem Thema abgehalten. Frau Kollegin Lück, natürlich kann man diese Probleme in einer Aktuellen Stunde nicht umfassend abhandeln. Verstehen Sie diese Initiative eher als ein Signal und als Beginn einer noch stärkeren Auseinandersetzung mit dieser Thematik.

(Beifall bei der CSU)

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, die Landwirtschaft hat sich in der Vergangenheit als äußerst fl exibel und kreativ erwiesen. Alle Erwartungen und Zielsetzungen sowohl der Gesellschaft als auch der Politik wurden nachhaltig erfüllt. Ich erinnere daran, dass zunächst die Ernährung sichergestellt werden musste. Dann musste der Erhalt der Kulturlandschaft gesichert werden. Schließlich musste eine fl ächendeckende Bewirtschaftung aufrechterhalten werden. In der jüngsten Vergangenheit waren die hoch gesteckten Ziele beim Umwelt- und Tierschutz zu erreichen. Jetzt gewinnt immer mehr die Produktion von nachwachsenden Rohstoffen an Aktualität. Die Landwirtschaft stellt sich dem Wandel. Die Landwirtschaft dient unserer Gesellschaft und deren Zielen. Dank unserer bäuerlich strukturierten und nachhaltig wirtschaftenden Landwirtschaft hat sich der ländliche Raum als interessanter Wirtschaftsstandort mit verbesserter Wohnqualität und erfolgreicher Tourismuswirtschaft entwickelt.

Vielleicht kennt der eine oder andere den Namen Sicco Mansholt. Er war vor 35 Jahren EU-Kommissar für Landwirtschaft. Er sagte damals voraus, dass Bayern im Jahr 2000 noch rund 14 000 bis 15 000 landwirtschaftliche Betriebe haben werde. Damals hatten wir rund 300 000 landwirtschaftliche Betriebe. Wir haben den Strukturwandel in Bayern nicht verhindern können. Wir haben ihn aber sozial abgefedert. Wir haben ihn begleitet und konnten erreichen, dass wir bis zum Jahr 2000 die zehnfache Anzahl der Betriebe erhalten konnten, wie es Mansholt vorausgesagt hat.

Zweifellos ist das ein Beweis für die Richtigkeit des so genannten bayerischen Weges. Der damalige Landwirtschaftsminister Dr. Hans Eisenmann hat diese Entwicklung eingeleitet. Frau Kollegin Lück, nur so ist es zu erklären, dass auch heute noch rund 11 % der Erwerbstätigen in der Land- und Forstwirtschaft im vor- und nachgelagerten Bereich beschäftigt sind und wir qualifi zierte Arbeitsplätze anbieten können.

Nicht zuletzt tragen dazu die umfassenden Förderprogramme Bayerns bei. Um unsere Ausgleichszulage werden wir von allen anderen Bundesländern beneidet. Hier danke ich insbesondere unserem Staatsminister Josef Miller,

(Beifall bei der CSU)

der es geschafft hat, die Ausgleichszulage ständig in Bezug auf ihre Höhe und auch in Bezug auf die Fläche auszuweiten. Hierfür geben wir jährlich 135 Millionen Euro aus.

Beim Kulturlandschaftsprogramm haben wir eine ähnliche erfolgreiche Entwicklung. 1988 begann sie mit 20 Millionen Mark als Startkapital.

(Susann Biedefeld (SPD): Die Kollegin hat doch die Kürzungen aufgezeigt!)

Jetzt haben wir 180 Millionen Euro ausgezahlt.

(Susann Biedefeld (SPD): Das haben Sie doch alles zusammengekürzt: Dorferneuerung, Kulap!)

Frau Kollegin Biedefeld, wir geben 45 Millionen Euro für die einzelbetriebliche Investitionsförderung aus.

(Heidi Lück (SPD): Und wie viel davon kommt aus Berlin, von der Bundesregierung?)

Sie müssen unseren Haushalt natürlich schon genau lesen. Den Erfolg unserer Politik macht eben aus, dass wir selbst Sparmaßnahmen so intelligent gestalten, dass wir unsere Förderprogramme aufrechterhalten können.

(Heidi Lück (SPD): Die meisten Gelder kommen doch aus Berlin!)

Nein. Ein weiteres Instrument, um die Entwicklung des Landes und des ländlichen Raumes positiv zu gestalten, ist die Dorferneuerung.

(Heidi Lück (SPD): Richtig! Und ihr habt massiv gekürzt!)

Das gilt auch für die Städtebauförderung. Ich spreche jetzt aber in erster Linie die Dorferneuerung an.

(Heidi Lück (SPD): Um ein Sechstel habt ihr gekürzt!)

Frau Kollegin Lück, lesen Sie den Haushalt! Wir haben den Etat nicht verändert. Nach wie vor stehen über 100 Millionen Euro jährlich zur Verfügung.

(Heidi Lück (SPD): Vorher waren es aber mehr!)

Nein, es war nicht mehr. Der Anteil Bayerns war etwas höher. Aber wir haben es geschafft, die Kofi nanzierungsmittel aus Brüssel und natürlich auch vom Bund entsprechend zu steigern.

(Heidi Lück (SPD): Nein, nicht ihr, sondern wir haben die Mittel gesteigert!)

Das bedeutet: Für die Landwirte, für den ländlichen Raum, für die Gemeinden steht genauso viel Geld zur Verfügung wie in der Vergangenheit.

(Beifall bei der CSU – Susann Biedefeld (SPD): Wo leben Sie denn?)

Auch die Bildung spielt im ländlichen Raum eine wichtige Rolle. Wir haben gestern von Prof. Breitschuh aus Thüringen gehört: Die Landesanstalt für Landwirtschaft ist in Deutschland einmalig.

(Heidi Lück (SPD): Noch!)

Denken Sie aber auch, meine Damen und Herren, an unsere Reformoffensive. Wir haben fl ächendeckend die

Fachämter erhalten. Wir haben unsere Reformen in Land- und Forstwirtschaft so umgesetzt, dass die Betroffenen zufrieden sind.

(Heidi Lück (SPD): Die sind gar nicht zufrieden!)

Wir haben neue Akzente bei den nachwachsenden Rohstoffen gesetzt. Denken Sie an das Technologie- und Förderzentrum in Straubing; denken Sie daran, dass der bayerische Anteil am Primärenergieverbrauch mit 4 % Energie aus Biomasse doppelt so hoch liegt wie der Bundesdurchschnitt. Ja, das Gesicht der Landwirtschaft wird sich verändern – aber wir begleiten diese Veränderung, wir gestalten sie, und wir werden mit dem neuen Landwirtschaftsfördergesetz die Rahmenbedingungen so setzen, dass den Landwirten und den Betrieben auch in Zukunft Entscheidungsspielräume erhalten bleiben.

(Beifall bei der CSU)

Wir stellen uns der Veränderung, aber wir gestalten die Zukunft.

(Beifall bei der CSU – Heidi Lück (SPD): Dank uns!)

Vielen Dank, Herr Kollege Brunner. Die nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Pranghofer. Bitte.

Frau Präsidentin, liebe Kollegen und Kolleginnen! Der ländliche Raum soll stark gemacht werden. Aber ich muss feststellen – das haben meine Vorrednerinnen bereits gesagt –: Der ländliche Raum wird nicht stark gemacht, vielmehr ist in der Bildungspolitik ein richtiger Kahlschlag in der Schullandschaft festzustellen.

(Beifall bei der SPD – Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): Oh mei! Nachsitzen!)

Ich spreche bewusst von einem Kahlschlag in der Schullandschaft. Sie haben nämlich etwa 500 Teilhauptschulen geschlossen, immerhin ein Drittel aller Hauptschulen in Bayern. Das ist für den ländlichen Raum kein Pappenstiel. Wenn Sie ehrlich sind, geben Sie zu, dass Sie nicht nur die Schließung der Teilhauptschulen im Sinn haben, sondern Sie machen jetzt schon jahrgangskombinierte Klassen. Später werden wohl die einzügigen Hauptschulen aufgelöst werden; die Grundschulstandorte im ländlichen Raum werden folgen. Deswegen reden wir auch von einer Kahlschlagspolitik, was die Schulstandorte betrifft.

(Beifall bei der SPD)

Bürgermeister, Gemeinderäte und Eltern laufen dagegen mit Recht Sturm. In Rechtenbach, einer unterfränkischen Gemeinde, hängen schon die Transparente an den Gartenzäunen. Auf ihnen steht, was wir alle erwarten: „CSU – Schule zu!“. Die Vision, die Sie vom ländlichen Raum haben, ist kein Konzept, sondern ganz einfach ein Lehrereinsparprogramm.

(Beifall bei der SPD)

Anstatt die Schulstandorte im ländlichen Raum aufzulösen, sollten Sie lieber dafür sorgen, dass die Schule im Dorf bleibt.

(Beifall bei der SPD)

Denn wo die Schule ist, da ziehen auch Familien hin. Wo die Schule ist, da ist auch Identität, da ist Dorfl eben! Wo die Schule ist, da investieren die Bürgermeister und die Kommunen, und davon lebt auch das Handwerk. Wo die Schule ist, ist die Bildung, und wo Bildung ist, sind Arbeitsplätze. Wo Arbeitsplätze sind, ist auch Zukunft für den ländlichen Raum!

Ich darf noch einen anderen Aspekt ansprechen: Vor einigen Jahren haben wir hier ja über den so genannten bayerischen Bildungsatlas diskutiert. Dieser Bildungsatlas hat sehr große Unterschiede in den Regionen Bayerns aufgezeigt. Er hat nachgewiesen, dass gerade in ländlichen und strukturschwachen Regionen die Bildungspotenziale nicht ausgeschöpft werden. In diesem Bildungsatlas konnte man beispielsweise feststellen, dass viel mehr Ober- als Niederbayern aufs Gymnasium gehen. Sie wollen daraus aber keine Konsequenzen ziehen. Da muss man sich natürlich schon fragen, was Ihr Gerede von der Entwicklung des ländlichen Raumes soll.

(Beifall bei der SPD – Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): Das ist doch hanebüchen!)

Sie wollen die Ursachen nicht analysieren, und Sie suchen auch keine monokausale Erklärung für diesen Sachverhalt. Aus den Pressemeldungen von damals aus Ihrem Ministerium zitiere ich: In Niederbayern habe die Hauptschule einfach mehr Ansehen als in Oberbayern. – Das ist Ihre Erklärung. Oder Sie stellen fest: Möglicherweise holen die Firmen in Erding die Jugendlichen früher zur Berufswahl; auch das ist eine Ihrer Erklärungen. Doch generell – so sagen Sie – gibt es eben die Entscheidungsfreiheit der Eltern. Ja, das ist gut; da haben Sie Recht: Die Eltern haben die Entscheidung.

(Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): Ja, die Kinder müssen sich wohl fühlen, nicht die SPD-Fraktion!)

Aber wir als Politiker im Landtag haben auch den Auftrag, solche Bildungsdisparitäten in unserem Land abzuschaffen bzw. dafür zu sorgen, dass sich hier etwas ändert. Unsere Aufgabe ist es, vor allen Dingen im ländlichen Raum die Schule im Dorf zu lassen und die Schulstandorte zu erhalten.

(Alexander König (CSU): Mit einer Gesamtschule wahrscheinlich!)