Protocol of the Session on July 20, 2005

(Franz Schindler (SPD): Da muss man durchaus differenzieren!)

Sie dürfen froh sein, meine Damen und Herren, dass wir nach dem 11. September Zeit hatten, die Dinge umzusetzen, denn Sie waren vorher weder willens noch dazu in der Lage. Sie dürfen froh sein, dass das erste große Ereignis nicht bei uns eingetreten ist.

(Christine Stahl (GRÜNE): Das ist anmaßend!)

Wir hätten sonst feststellen müssen, dass wir das eine oder andere hätten verhindern können. Das ist die Wahrheit der geschichtlichen Entwicklung. Wir werden deshalb

auch weiterhin Dringlichkeitsanträge in diese Richtung stellen.

Was hat sich durch die Bedrohung des internationalen islamisch-fundamentalistischen Terrorismus an der Sicherheitslage verändert? – Das Sicherheitsrecht und auch die Sicherheitspolitik unterscheiden klassisch zwischen abstrakter Gefährdungslage, also einer Gefährdungslage, die aufgrund gewisser Erkenntnisse ganz allgemein besteht, und der konkreten Gefahr. Es gibt durchaus Gefahrentypen, es gab sie und es gibt sie auch heute noch, Gefahrentypen, bei denen es Erfolg versprechend ist, bei Eintritt der konkreten Gefahr durch das Ergreifen bestimmter Maßnahmen Schäden abzuwenden und zu verhindern. Als Beispiel will ich Folgendes nennen: Bei Unruhen am Rande einer Demonstration kann bei deren Beginn, wenn eine Gefahr für Leib und Leben oder an Sachen besteht, von der Polizei Schaden abgewandt werden. Das ist eine klassische Methode der Sicherheitspolitik, die durch das Sicherheitsrecht gedeckt ist.

Die Anschläge von New York, London oder Madrid haben uns jedoch gezeigt, dass wir mit dieser Methode – Handeln bei Eintritt einer konkreten Gefahr – im Sicherheitsrecht nicht weiter kommen. Die Anschläge richten sich gegen so genannte weiche Ziele, gegen nicht geschützte und nicht schützbare Ziele. Sie richten sich gegen beliebige, völlig unbeteiligte Personen, die sich zufällig irgendwo, beispielsweise in einer U-Bahn, aufhalten. Die Anschläge werden, zumindest zum Teil, ohne Rücksicht auf das eigene Leben durch Selbstmordattentäter begangen, die sich selbst in die Luft sprengen. Das bedeutet, wenn die konkrete Gefahr eintritt, ist sie in diesem Moment praktisch nicht mehr abzuwenden oder wenn, dann nur durch Zufall in der Aufklärung.

Dies bedeutet weiter, dass wir bereits bei Vorliegen der abstrakten Gefahr in der Lage sein müssen, Gefährdungsstrukturen effektiv aufzudecken, um schon so den Eintritt einer konkreten Gefahr zu verhindern. Dies ist der Sinn der Sicherheitspolitik, und diese neue Konzeption müssen wir bedenken. Ein Beispiel dafür ist der Straßburger Weihnachtsmarkt. Hier konnte der Anschlag im Vorfeld durch Aufklärung verhindert werden. Eine Verhinderung der konkreten Gefahr beim Geschehen selbst wäre praktisch nicht mehr möglich gewesen. Hierauf müssen wir uns einstellen. Neue Gefahren erfordern neue Eingriffsmöglichkeiten und eine neue Sicherheitspolitik.

Die Sicherheitspolitik dient dem Schutz des einzelnen Bürgers und der einzelnen Bürgerin vor Bedrohung durch Terror und Gewalt, aber auch vor übermäßigen Eingriffen in die persönliche Freiheit, die durch die Verfassung geschützt ist. Hier ist aufgrund der aktuellen Bedrohung eine dauernde Abwägung erforderlich. Nichts steht hier in Stein gemeißelt. Wir müssen immer wieder abwägen, wie die Verfassung auszulegen ist. Die Väter des Grundgesetzes haben natürlich unter dem Einfl uss einer Diktatur und eines absolutistischen Staates Freiheitsrechte des Bürgers gegenüber dem Staat geschaffen. Wenn sich aber andere Bedrohungen, wie Gefahr für Leib und Leben durch Terrorismus, einstellen, müssen wir eine Abwägung im Rahmen der Gesetze immer wieder neu treffen. Mit anderen Worten, Frau Kollegin Stahl: Das refl exartige Hochhalten von Bürgerrechten wie zum Beispiel der infor

matorischen Selbstbestimmung nützt dem Einzelnen nichts, wenn er bzw. sein Leben und seine körperliche Unversehrtheit durch Gewalt und Terrorismus bedroht sind. Dieser Aufgabe müssen wir uns immer wieder stellen. Wir dürfen auch nicht davor zurückschrecken, die Maßnahmen im Einzelnen zu prüfen.

Der Einsatz der Bundeswehr ist meines Erachtens ein probates Mittel im Inneren der Republik. Frau SchmittBussinger, meines Erachtens ist es nicht unzulässig, zu sagen, wir sollten mehr Polizeibeamte einstellen. Jeder weiß, dass die Ressourcen in einem Land begrenzt sind und dass wir die Ressourcen effektiv einsetzen müssen. Selbstverständlich darf die Bundeswehr nur dort eingesetzt werden, wofür sie ausgebildet ist und wo sie auch in der Lage ist, die Aufgaben zu übernehmen. Wir müssen grundsätzlich die rechtlichen Möglichkeiten und rechtlichen Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass die Bundeswehr eingesetzt werden kann. Dies ist aus ökonomischen Gründen und auch aus Gründen der Möglichkeiten der Bundeswehr in ihrem Einsatzverhalten unbedingt geboten.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Wir brauchen eine Kronzeugenregelung, Frau Kollegin Stahl. Natürlich wird sie erst im Rahmen eines Ermittlungs- bzw. Gerichtsverfahrens wirksam, wenn Straftaten begangen worden sind. Durch die Aussagen der Kronzeugen können wir aber kriminelle Strukturen aufdecken und sind somit in der Lage, in diese Strukturen einzudringen und im Anschluss präventiv tätig zu werden, weil wir diese Strukturen überblicken. Deswegen dient eine Kronzeugenregelung nicht nur der Verurteilung von Straftätern, sondern auch der Verhinderung künftiger Straftaten.

(Christine Stahl (GRÜNE): Sie wollen Terroristen Straferlass geben? Pfui!)

Wir brauchen eine bessere Zusammenarbeit der Sicherheitskräfte. Dies ist gesagt worden. Wir brauchen eine wirksame Antiterror-Warndatei. Wir müssen aber nicht die Zuständigkeit der Ländersicherheitsorgane abschaffen. Die Zuständigkeit der Länder hat sich in Deutschland im Rahmen des Föderalismus durchaus bewährt. Wenn die Zusammenarbeit verstärkt wird, sind durchaus effektive Strukturen möglich. Diesen Weg müssen wir gemeinsam gehen.

Auf die anderen Maßnahmen will ich nicht eingehen, da die Kollegen dazu Stellung genommen haben. Zwei Punkte müssen meines Erachtens überdacht werden; sie sind unbefriedigend geregelt.

Eine wirklich probate Maßnahme der Prävention ist das Ausweisen terrorverdächtiger Ausländer und Hassprediger. Hierin sind wir uns einig. Ich danke dem Bayerischen Innenminister, dass er erstens die rechtlichen Möglichkeiten in den Verhandlungen mit dem Bund gegen den erbitterten Widerstand von Teilen der GRÜNEN und der SPD im Deutschen Bundestag durchgesetzt hat und dass er die Maßnahmen zweitens insgesamt konsequent umsetzt.

Die Grenze ist dort erreicht, wo für extremistische Ausländer Ausweisungsschutz besteht. Leute, die aktiv gegen das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland arbeiten, dies sagen und auch vertreten, können in vielen Fällen nicht ausgewiesen werden, weil sie in ihrem Heimatland sich teilweise ebenfalls etwas zuschulden haben kommen lassen oder dort aktiv gegen die staatliche Ordnung vorgehen. Dies ist ein Zustand, der aus Sicht der inneren Sicherheit unbefriedigend ist. Hier reichen meines Erachtens die Bestimmungen nicht aus. Wir müssen uns überlegen, ob wir hier gesetzliche Maßnahmen ergreifen.

Das gleiche gilt auch für Ausländer, die bei uns eingebürgert worden sind und hinterher extremistische Tendenzen offen an den Tag legen. Dieses Problem haben wir nach den jetzigen Erkenntnissen wohl in Großbritannien. Der deutschen Bevölkerung ist es nicht zuzumuten, dass jemand, der eingebürgert worden ist, dieses Recht dazu missbraucht, gegen den Staat Hass zu predigen und in diesem Staat gegen die rechtsstaatliche Ordnung vorzugehen, ohne dass wir entsprechende Maßnahmen ergreifen können, weil er inzwischen die deutsche Staatsbürgerschaft hat. Auch darüber muss einmal diskutiert werden, vor allem auch vor dem Hintergrund der Anschläge in London.

Ich bin der Auffassung, dass wir Einiges erreicht haben, glaube aber, dass wir noch zusätzliche Maßnahmen brauchen, um einen optimalen Schutz der Bevölkerung zu gewährleisten. Ich bin überzeugt davon, dass wir dies tun können, ohne dass die Freiheitsrechte des Einzelnen über Gebühr eingeschränkt werden.

Wir brauchen auch eine bessere internationale Zusammenarbeit auf europäischer Ebene. Wir brauchen eine Bundesregierung mit einem Ministerium, das die europäische Gesetzgebung so umsetzt, dass sie rechtsstaatlichen Grundsätzen genügt.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Auch Bundestag und Bundesrat sind da beteiligt, wenn mich nicht alles täuscht!)

Dann, glaube ich, kommen wir auch mit dem europäischen Haftbefehl weiter. Dies war eine relativ blamable Angelegenheit. Ich hoffe, dass dieser Fehler dann auch ausgebessert wird.

(Beifall bei der CSU – Johanna Werner-Muggen- dorfer (SPD): Bundestag und Bundesrat gehören auch dazu! Da sind alle beteiligt, Herr Kreuzer! – Christa Steiger (SPD): Sie haben es doch auch mitgetragen!)

Kolleginnen und Kollegen, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Das Schlusswort hat Herr Staatsminister Dr. Beckstein.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will nicht auf alle Einzelheiten eingehen. Das würde zu lange dauern. Einige Bemerkungen sind meines Erachtens aber notwendig.

Frau Kollegin Schmitt-Bussinger, Otto Schily hätte sich sehr gefreut, wenn er ihre Elogen gehört hätte. In einem Punkt haben Sie allerdings leider die Fakten nicht richtig getroffen. Otto Schily ist nicht der dienstälteste, sondern der älteste Innenminister in der Europäischen Union. Der dienstälteste Innenminister in der Europäischen Union ist Luc Frieden, der am 4. Februar 1998 sein Amt als Minister für Polizei, Justiz, Verteidigung und Budget angetreten hat. Bis vor kurzem war er auch Präsident des Rates für Justiz und Inneres. Otto Schily genießt aber auch als Senior auf europäischer Ebene Respekt und Anerkennung. In Zukunft sollten Sie Ihre Elogen nicht übertreiben und Falsches sagen. Wenn Sie sagen, er hat hohen Respekt, sollten Sie auch sagen, er ist der älteste Innenminister. Er würde sich über diese Elogen aber noch mehr freuen, wenn diese auch bei der Aufstellungsversammlung den richtigen Platz gehabt hätten. Darüber ärgert er sich nämlich ziemlich.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU – Susann Bie- defeld (SPD): Der weiß schon mehr als wir!)

Ein zweiter Punkt. In manchen Ausführungen ist die Debatte um die Sicherheitsarchitektur angeklungen. Allerdings sind die Ausführungen hier nicht in die Tiefe gegangen. Natürlich gibt es einen fundamentalen Unterschied zur Meinung des Bundesinnenministers, der die Sicherheitsarchitektur verändern, die Landesämter für Verfassungsschutz aufl ösen, die föderalen Kompetenzen massiv reduzieren und zentralistische Strukturen einführen will.

Sie, Herr Schindler, haben sich dazu für mich leider nicht klar geäußert. Sie sprechen davon, dass 38 zuständige Behörden zu viel sind. Ich sage meine Meinung. Ich halte die föderale Struktur für besser geeignet als eine zentralistische Struktur. Ich halte das Argument von den 38 Behörden für ein Scheinargument. Wir haben in Bayern allein über 200 Polizeidienststellen, die sich mit diesem Thema beschäftigen. Jeder muss wissen, dass sich viele Behörden mit diesen Fragen zu beschäftigen haben. Die entscheidende Frage ist, ob man vor Ort Erkenntnisse bekommt, und dann muss Informationsaustausch und Koordination auf höherer Ebene erfolgen. Diese gegenseitige Information und Koordination funktioniert insgesamt, allerdings mit zwei schweren Mängeln.

Der eine Mangel betrifft das gemeinsame Antiterrorzentrum. Frau Kollegin Schmitt-Bussinger, der nachrichtendienstliche Teil existiert erst seit 1. April dieses Jahres. Jetzt, nach wenigen Monaten schon von großen Erfolgen zu reden lässt vermuten, dass diejenigen, die das sagen, keine Ahnung haben. Ich kann Ihnen nur sagen, dass die Mitarbeiter es als belastend empfi nden, dass diejenigen, die in der PIAS tätig sind, nicht ohne weiteres in die NIAS hineindürfen – und umgekehrt. Dass man sich nur bei der täglichen großen Lagebesprechung um 10 Uhr vormittags trifft, aber die konkreten Nachfragen dann über die herkömmlichen Verbindungen erledigt werden müssen, ist ein Strukturmangel, der zu beseitigen ist, wenn sich dazu die politische Möglichkeit ergibt.

Der zweite Mangel betrifft die Antiterrordatei. Seit über drei Jahren mahnen wir diese an. Da kann man nicht über

Volltext oder Nichtvolltext diskutieren, wobei die meisten Argumente in fachlicher Hinsicht lächerlich sind. Es ist absolut lächerlich zu sagen, man bekomme von Nachrichtendiensten des Auslands keine Erkenntnisse, wenn man das hineinstellt. So dumm wird doch keiner sein, etwa mitzuteilen: Der englische Nachrichtendienst meldet von seinem Undercoveragent Soundso dies und jenes. Das wird selbstverständlich bearbeitet oder als reine Indexdatei hineingestellt.

Es liegt ein vollständiger Gesetzentwurf des Bundesrates vor, der vom Bundestag zurückgewiesen wurde. Otto Schily hat auf der letzten Innenministerkonferenz mit mehr als dreijähriger Verzögerung einen Entwurf vorgelegt. Herr Schily sagt selber, dass er keine Zustimmung der Bundesregierung bekommen hat. Es hilft uns nichts, wenn es eine gute Absicht gibt, Herr Schily aber dann seinen Mitarbeitern untersagt, überhaupt in Verhandlungen darüber einzutreten, wie man diese Datei gemeinsam ausgestalten kann. Denn er sagt: Es gibt keinen Millimeter Verhandlungsspielraum. So kommen wir nicht zurande. Ich meine, hier brauchen wir dringend eine Antiterrordatei. Das halte ich übrigens für einen substanziellen Mangel. Denn im anonymen Massenstaat kann man ohne eine entsprechende Datei nicht mehr arbeiten. Dass wir ausgerechnet auf Islamisten-Jagd noch mit Karteikarten und Strichlisten gehen, das ist Ihre Verantwortung, Frau Kollegin SchmittBussinger. Dass Rot-Grün trotz der einstimmigen Forderung aller Innenminister bereits im Jahr 2001 keine Antiterrordatei eingerichtet hat, ist ein erheblicher Mangel.

Über Präventivbefugnisse des BKA kann man sofort reden, nicht mit allen Innenministern, aber mit mir, allerdings nur dann, wenn man zu einer vernünftigen Zusammenarbeit in der föderalen Sicherheitsstruktur bereit ist. Das war leider bisher nicht der Fall und dadurch hat es Schwierigkeiten gegeben.

Eine Bemerkung zum Digitalfunk: Die Einrichtung des Digitalfunks sollte aufgrund einer Vereinbarung aller 16 Länder und des Bundes am 14. Februar ausgeschrieben werden. Am 13. Februar hat der Bundesinnenminister in einer Besprechung mit dem damaligen Kollegen Behrens aus Nordrhein-Westfalen und mir – und der Kollege Timm aus Mecklenburg-Vorpommern ist zufällig dazugekommen – gesagt, dass er sich daran nicht mehr halte, weil er meine, dass man nicht zu einer Finanzübereinkunft komme. Darum ist die eigentlich für den 14. Februar beabsichtigte Ausschreibung nicht erfolgt, sondern es ist dann einseitig die DB-Tochter Telematik beauftragt worden. Ich hoffe, dass sich daraus nicht massive Verzögerungen ergeben. Immerhin ist jetzt ein Verfahren von Vodafone zur Nachprüfung eingeleitet worden, denn sie sagen, es sei rechtswidrig, ohne Ausschreibung einen Milliardenauftrag an die private Tochter der Bahn AG zu geben. Der Bund trägt allein die Risiken, die daraus entstehen.

Eine Bemerkung zur Videoüberwachung: Ich habe nie Videoüberwachung in Moscheen gefordert und halte davon auch nichts. Damit würde man nichts erreichen. Außerdem halte ich es nicht für zulässig und auch nicht für wünschenswert. Aber wovon ich schon etwas halte, ist, dass wir in Gefährdungsräumen außerhalb des Terrorismus Videoüberwachung einführen und ein bestimmtes

Konzept für solche Fälle haben, wo sich Millionen von Menschen bewegen, zum Beispiel beim Oktoberfest. Ich trete auch dafür ein, an Plätzen des öffentlichen Massenverkehrs solche Dinge einzusetzen, wo übrigens bereits Videokameras vorhanden sind, sowohl in Nürnberg als auch in München. Dort sind allerdings unter völlig anderen rechtlichen Aspekten Videokameras angebracht. Man kann aber niemand erklären außer einem deutschen Juristen, warum eine Videokamera in der U-Bahn aufgrund des Hausrechts des MVV unproblematisch ist, aber wenn vor der Schranke die Polizei eine Videokamera hätte, wäre das problematisch. Also, meine Damen und Herren, so kann man doch nicht weiter diskutieren!

(Beifall bei der CSU)

Ich werbe vehement dafür, dass wir Konzepte erörtern, wie wir mit der vorhandenen Videoüberwachung von UBahnen, mit der vorhandenen Videoüberwachung bei den Bahnen generell in ein System hineinkommen, mit dem wir punktuell die großen Verkehrsströme überwachen können. Ich trete auch für eine Speicherung ein, sodass wir später, wenn einmal Personengesichtsfelderkennungen möglich sind, wie sich in London herausgestellt hat, nach den Tätern fahnden können. Es ist ganz offensichtlich, dass die Videoüberwachung auf breite Zustimmung der Bevölkerung gestoßen ist und nicht wie bei Ihnen hier im Landtag immer noch auf große Bedenken trifft. Die GRÜNEN im Münchner Stadtrat haben ebenso selbstverständlich die Einsatzzentrale der Wies‘n-Wache in München angeschaut und es für notwendig gehalten, dass man ein solches Massenfest auch unter Sicherheitsaspekten verbessern und alles daran setzen muss, Anschläge, soweit es überhaupt nur geht, unmöglich zu machen. Dass das allen Verantwortlichen viel Kopfzerbrechen macht, darauf will ich schon hinweisen.

Frau Stahl, Sie haben bei der Frage der Auskunftsrechte der Verfassungsschutzbehörden schlichtweg Falsches behauptet. Meine Mitarbeiter haben mir das deswegen extra vorgelegt. Sie haben behauptet, es gebe bereits ein Auskunftsrecht nach den Kontostammdaten. Das ist falsch. Es gibt kein geregeltes Auskunftsrecht für die Kontostammdaten, sondern nur für konkrete Konten. Jetzt sage ich Ihnen etwas zu Ihrem eigenen Datenschutzverständnis: Das Wohngeldamt und die BAföG-Stelle dürfen abfragen, welche Konten der Student hat, welche Konten der Wohngeldempfänger hat – ohne jeden Verdacht. Da sage ich, das geht mir zu weit.

(Beifall bei der CSU – Zuruf von der SPD: Es geht um Betrug!)

Ich kann nur noch einmal sagen: Sie haben es zu verantworten. Beim Wohngeldempfänger, beim Sozialhilfeempfänger, beim BAföG-Empfänger können ohne jeden Verdacht die Kontenstammdaten abgefordert werden. Das ist das rot-grüne Gesetz. Es ist nicht erfreulich, dass das im Vermittlungsausschuss von uns mitgetragen wurde.

(Dr. Heinz Kaiser (SPD): Das ist aber merkwürdig!)

Ich halte das für falsch und ich bitte um Nachsicht: Ein Innenminister hat auch manchmal eine persönliche Meinung. Ich halte es für ein falsches Verständnis des Datenschutzes, wenn man sagt: Das Sozialamt darf ohne jeden Verdacht, das BAföG-Amt darf ohne jeden Verdacht beim BaFin etwas abfragen, aber wir dürfen nicht einmal bei konkretem Verdacht die Kontostammdaten eines Gefährders beim BaFin abfragen.

(Zuruf von der SPD: Das ist doch nicht wahr!)

Der Verfassungsschutz darf nicht abfragen. Fragen Sie Herrn Dr. Weber, er sitzt hinten und gibt Ihnen gern Nachhilfestunden, damit Sie nicht auch in Zukunft so uninformiert sprechen.

(Beifall bei der CSU)

Bei Leuten wie Chaabane und Lokman, die nachweislich Topgefährder sind, dürfen wir trotz konkreter Gefährdungserkenntnisse nicht deren Kontenstandsdaten abfragen; das kann doch nicht richtig sein. Aber beim Wohngeldamt können wir sie vielleicht über Amtshilfe erfragen. Das ist Datenschutz nach Art der GRÜNEN; das heißt, Sicherheitsbehörden an die kurze Leine. Aber bei der BAföG- und bei der Wohngeldstelle steht jeder Bürger unter Generalverdacht. Das ist Ihr Staatsverständnis, aber nicht meines.

(Beifall bei der CSU – Margarete Bause (GRÜNE): Das ist völlig absurd!)

Eine vorletzte Bemerkung: Ich räume sofort ein und habe das in vielen Reden gesagt: Wir sind heute besser als im Jahr 2001 geschützt. Die Sicherheitspakete I und II waren nötig. Daran haben übrigens die Innenminister der Länder maßgeblich mitgewirkt. Otto Schily und ich haben das im Wesentlichen einstimmig beschlossen. Wir hatten damals fast täglich eine Schaltkonferenz. Die Innenminister der Länder haben alle Maßnahmen mitgetragen. Aber es gibt, wie gesagt, den Mangel „Anti-Terror-Datei“ und einen erheblichen Mangel beim Ausländerrecht. Es gibt auch die Frage, die ich nur aufwerfe, ohne eine Lösung anzubieten: Was ist mit den eingebürgerten Ausländern? Und ich füge hinzu: Diejenigen, die, wie in der Vergangenheit die GRÜNEN oder Teile der SPD, bei der Einbürgerung die Regelanfrage für unzulässig gehalten haben, müssen sich heute schon vorwerfen lassen, dass sie daran mitschuldig sind, dass Extremisten einen deutschen Pass haben. In Bayern ist das Gott sei Dank nur in engem Rahmen der Fall, weil wir die Regelanfrage strikt gehalten haben. Aber in Nordrhein-Westfalen, Berlin oder gerade in Hamburg ist dies nur dann gemacht worden, wenn die Ausländerbehörden klare Verdachtsmomente hatten, und dies haben die Staatsangehörigkeitsbehörden natürlich nicht gehabt. Daher sind viele der Fanatiker eingebürgert worden. Wir erleben, dass sich gerade die Fanatiker sehr viel stärker als die liberalen Türken um eine Einbürgerung bemühen. In besonderer Weise haben wir natürlich die Problematik der Konvertiten, die ich angesprochen habe, und dafür weiß ich keine Lösung. Das ist eines der großen Probleme unserer Gesellschaft.