Protocol of the Session on July 20, 2005

(Dr. Manfred Weiß (CSU): Sie regen sich doch immer auf, wenn ein Minister nicht da ist!)

Regen Sie sich doch nicht so auf. Das ist in der Früh nicht gesund. Ich bin heute schon eine Stunde gewalkt. Daher ist mein Kreislauf in Schwung.

Kolleginnen und Kollegen, noch einmal zu dem Gesetzentwurf. Sie haben damals während Ihrer Klausur die Abschaffung der Lernmittelfreiheit angekündigt. Das hat solche Proteste im Land ausgelöst, dass Sie selbst vor Ihrer eigenen Courage erschrocken sind – genauso war es! – und dieses Ansinnen innerhalb kurzer Zeit zurückgenommen und es in eine Mitwirkung beim Büchergeld umgewandelt haben. Das ist die Sachlage. Diese Mitwirkung beim Büchergeld führen Sie jetzt ein, Kollege Professor Waschler; Sie sagen: Eigentlich kommt nichts dabei heraus, da es eigentlich viel zu wenig ist, und es wird kaum belastet. Ich frage Sie, Kolleginnen und Kollegen: Warum machen Sie dann diesen Schritt?

(Beifall bei der SPD)

Das ist unbestritten; das haben Sie selbst so ausgeführt. Ich habe das Schreiben des Kultusministeriums an die Schulen hier. Warum machen Sie dann diesen Schritt?

Unsere Überlegung ist ganz einfach. Ich meine, wir werden uns in einem Jahr oder in zwei Jahren zu diesem Thema hier wieder sehen; Sie werden in den nächsten Haushaltsentwürfen den Ansatz zur Mitwirkung beim Büchergeld schlicht und einfach erhöhen, weil er ja schon eingeführt ist und es wider Erwarten – das steht noch sehr in Frage – vielleicht doch ganz gut funktioniert. Irgendwann haben Sie dann über die Mitwirkung beim Büchergeld – bei Ihnen wird das so verharmlosend genannt – die Abschaffung der Lernmittelfreiheit in Bayern vollzogen und durchgesetzt.

(Beifall bei der SPD)

Ich frage mich, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, welcher Aufwand diesem Sparbeitrag gegenübersteht. Das ist ein Sparbeitrag; das wird gar nicht bestritten – Kollege Freller sagt es, der neue Minister sagt es, Sie sagen es. Ich frage Sie also: Welcher Aufwand steht denn diesem Sparbeitrag gegenüber, der – korrigieren Sie mich – sich im Haushalt in einer Größenordnung von 15 Millionen Euro niederschlägt?

Alle Schüler in Bayern, also 1,8 Millionen Schüler, werden am ersten Schultag ein Merkblatt in die Hand bekommen. Darauf kann Unterschiedliches angekreuzt werden. Von den Grundschülern, die Sie zum Teil schon mit fünf Jahren einschulen, also die ganz Kleinen, bis hinauf zu den Berufsschülern, die zum Teil über zwanzig Jahre alt sind – alle Schüler werden ein Merkblatt in die Hand bekommen. Sie können sich entscheiden: Die Eltern stellen einen Befreiungsantrag. Sie können auch ankreuzen: Die Eltern zahlen das Büchergeld bar, oder: Die Eltern zahlen das Büchergeld per Überweisung. Die Eltern können – das war für uns ganz interessant; das haben wir erst bei der Sachbehandlung im Ausschuss erfahren – auch ankreuzen: Ich kaufe das Buch für mein Kind selbst.

Ich bitte Sie einfach, kurz zu überlegen, welcher Aufwand mit dem gesamten Verfahren, mit dem Merkblatt und dessen weiterer Behandlung auf Lehrkraft, Schule und Kommune zukommt. Angenommen, 20 % stellen einen Antrag auf Befreiung. Irgendjemand muss das nach

prüfen. Die Kommune ist letztlich dafür zuständig. Die Kommune muss sich irgendwo Daten, Unterlagen herholen; denn es wird nicht so sein, dass die Eltern des Schülers Meier ankreuzen: Ich stelle Antrag auf Befreiung, und gleichzeitig wird der Antrag genehmigt.

In Ihren Schreiben, die Sie an die Kommunen verschickt haben, machen Sie es sich einfach. In den Ausführungsbestimmungen schreiben Sie nämlich einfach: Über den Befreiungsantrag entscheidet die Kommune. Unklar ist aber, wie das gemacht wird, was eingezogen wird, welche Unterlagen das kleine fünfjährige oder sechsjährige Kind beibringen muss, das vielleicht aus Verhältnissen stammt, in denen sich die Eltern nicht so stark darum kümmern. Um all solche Dinge geht es.

Ich nenne einen weiteren Punkt.

(Unruhe)

Es wäre nicht schlecht, wenn Sie Ihr persönliches Zwiegespräch vielleicht für ein paar Minuten einstellen würden, Herr Professor Waschler. Ich habe Ihnen auch zugehört.

(Beifall bei der SPD)

Ich bitte Sie einfach darum, Ihr Zwiegespräch kurz einzustellen.

(Simone Tolle (GRÜNE): Es wird nicht geschwätzt! – Zurufe von der CSU)

Wenn Sie sich wieder beruhigt haben, mache ich weiter.

(Zurufe von der CSU)

Aber es ist ein Gebot der Höfl ichkeit, dass man ein Gespräch zwischen zwei Personen vor der Tür führt, nicht hier im Saal.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CSU und von der SPD)

Wenn Sie sich wieder gefangen haben, würde ich gerne weitermachen.

(Zuruf von der CSU: Oberlehrer! – Lachen bei der CSU)

Ich war beim Punkt Befreiungsantrag, den die Kommune prüfen muss.

Ein weiterer Punkt. Ich bleibe beim Thema Bargeld. Sie tun das alles weg. Ich habe in der Zeitung von heute Leserbriefe von Eltern gefunden, die genau diese Problematik beschreiben, die genau dann entstehen wird, wenn Sie das so machen. Sie erwarten, dass ein fünf- oder sechsjähriges Kind mit 20 Euro in der Büchertasche an einem Tag den Schulweg bestreitet. Wer gibt die Gewähr – wir haben in unserem Lande Kriminalität, auch wenn es um 10 Uhr eine Sicherheitserklärung des Innenministers

gibt –, dass dem Kind das Geld nicht weggenommen wird? Das kommt ja leider vor. Das sind Dinge, die im ganzen Land bekannt sind. Wer gibt Ihnen die Gewähr dafür, dass ein kleines Kind nicht von anderen, größeren Schülern im Schulhaus unter Druck gesetzt wird, die 20 Euro bei den größeren Kindern abzuliefern und sich dann das kleine Kind zu Hause nicht zu sagen traut, was passiert ist? – Wenn Sie jetzt mit dem Kopf schütteln und so unsensibel an die Sache herangehen, möchte ich Ihnen einige jüngste Urteile von Jugendgerichten zitieren. Darin ist dokumentiert, dass in diesem Land genau solche Dinge passiert sind.

(Beifall bei der SPD)

Zum Bargeld. Das Bargeld ist nun in der Schule. Wer haftet dafür, wenn 1000 Euro belegt eingenommen wurden, am anderen Tag aber nur noch 950 Euro in der Kasse sind? Wer haftet dafür? Macht das die Sekretärin, der Schulleiter oder wer sonst?

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Ein anderer Punkt. Sie schreiben in Ihren Ausführungsbestimmungen, die Kommune ist dafür zuständig, dass das Geld auch eingetrieben wird. Kolleginnen und Kollegen von der CSU, wie weit geht denn das? Geht dies bis zum Mahnbescheid, bis zur dritten Mahnung, bis zur Lohnpfändung? Inwieweit wird denn dieser Anspruch letztlich durchgesetzt? Diese Fragen müssen letztlich die Kommunen, die Lehrer und die Schulen vor Ort beantworten. Und das Ganze – jetzt setze ich wieder eine Klammer – für 15 Millionen Euro Einsparungen im Haushalt des Freistaates Bayern! 15 Millionen Euro geben Sie an anderer Stelle locker aus und verteilen sie. Im Grunde ist also keinerlei Gegenwert vorhanden. Das Ganze lohnt sich schlicht und einfach nicht.

Kolleginnen und Kollegen, es ist schon darauf hingewiesen worden – –

(Glocke der Präsidentin)

Einen Augenblick bitte, Frau Kollegin. Erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Weidenbusch?

Ich erlaube eine Zwischenfrage.

Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Kollegin, Sie haben auf das Kriminalitätsrisiko und auf Ihnen vorliegende Urteile hingewiesen. Das kann ja wohl nur das Kopiergeld betreffen. Wie viele Urteile gibt es denn, nach denen ältere Schüler jüngere Schüler wegen des Kopiergeldes überfallen haben? Können Sie mit bitte ein paar Aktenzeichen nennen?

(Hans Joachim Werner (SPD): Das ist ja ein Superexperte! Dass er sich nicht schämt!)

Bitte schön.

Es macht mir keine Mühe, auf diese Zwischenfrage einzugehen; denn sie zeigt, dass Sie mir nicht zugehört haben.

(Zurufe von der CSU: Doch, sehr genau!)

Mir ging es darum zu beschreiben, dass in Bayern ab September ein öffentlicher Vorgang in Gang gesetzt wird. Lassen wir einmal die Berufsschüler und die erwachsenen Schüler weg. Dann sind es noch 700 000 bis 800 000 Schüler in der Altersgruppe von sieben bis zwölf Jahren, die mit einem gewissen Geldbetrag in die Schule gehen, weil die Eltern sagen: Ich möchte dies bar bezahlen. Es gibt berechtigte Ängste, auch von Elternbeiräten, die ausgedrückt haben: Wenn das der Fall ist, wird auch mit gewissen kriminellen Aktivitäten darauf reagiert. Das kann sein. Ich will das nicht beschwören. In diesem Land ist dies aber vorgekommen. Ich wünsche mir einen solchen Fall nicht. Lassen Sie sich aber einfach einmal durch den Kopf gehen, was Sie damit letztlich in Gang setzen.

Ich komme nochmals zum Eintreiben durch die Kommune zurück. Daraus entlasse ich Sie jetzt noch nicht. In den Ausführungsbestimmungen steht nichts darüber, wie weit letztlich der Mahnvorgang bei den Eltern geht. Ich frage Sie – das ist auch eine ernsthafte Frage an Sie –: Was passiert denn mit den Kindern, deren Eltern zwar auf dem Merkblatt angekreuzt haben: Ich kaufe das Buch für mein Kind selbst, die Eltern es aber nicht tun?

Was passiert mit den Kindern? Hat dann das Kind das Buch nicht, oder wie wird dann letztlich verfahren? – Sie gehen anscheinend recht locker damit um.

Ich will mit einer Klammer noch einmal das Wichtigste zusammenfassen und komme damit zum Schluss: Einer Haushaltsentlastung von 12 Millionen Euro stehen ein gigantischer Verwaltungsaufwand und eine Diskussion zu Beginn des neuen Schuljahres gegenüber, obwohl andere Dinge beim Schulwechsel sicher wichtiger wären als solche formalen Fragen, eine Belastung von Kindern und Eltern, selbst wenn diese nur darin besteht, dass sie einen Antrag auf Befreiung stellen müssen, und eine Belastung der Kommunen mit etwas, für das sie keine Gegenleistung erhalten. Das ist der Vorwurf. Sie tun es letztlich – das habe ich zu Anfang gesagt, und damit beende ich meine Rede – nur, um den Beitrag sukzessive erhöhen zu können und um mit der harmlosen Mitwirkung beim Büchergeld sukzessive die Lernmittelfreiheit in Bayern abzuschaffen. Die SPD jedenfalls wird sich diesem Vorhaben nicht anschließen.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung für die Staatsregierung: Herr Staatssekretär Freller. Bitte, Herr Staatssekretär.

Frau Präsidentin, Hohes Haus! Bayern gehört zu dem Drittel jener Länder in Deutschland, die bislang für Bücher keinen Cent verlangt haben. Zwei Drittel der Länder Deutsch

lands haben schon längst entweder die Lernmittelfreiheit abgeschafft oder verlangen zumindest jedes Jahr einen erheblichen Eigenanteil von den Schülern.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch wir kommen leider nicht umhin, eine solche Regelung zu fi nden. Sie dürfen mir glauben, es würde uns allen leichter fallen, zu sagen, die Kassen sind voll, sodass es völlig unnötig ist, den Eltern etwas abzuverlangen, es wird weiterhin jeder sein Buch kostenfrei bekommen. Das wäre sicher am einfachsten für unsere Schulen und für uns in der Politik. Es ist in der Tat nicht unbedingt vergnügungsteuerpfl ichtig, bei 1,8 Millionen Schülerinnen und Schüler nach dem Büchergeld zu fragen. Aber wir können leider auch in Bayern die Erkenntnis nicht ausblenden, dass im Moment in die Wiege jedes neugeborenen Kindes ein Schuldschein über 83 000 Euro gelegt wird. Ist uns überhaupt bewusst, was in diesem Land geschieht?

(Beifall bei der CSU – Margarete Bause (GRÜNE): Da nützt das Büchergeld aber nichts!)