Protocol of the Session on July 19, 2005

Zu den schulischen Abschlüssen. Ich habe bereits betont, das ist die Herausforderung; das ist gar keine Frage. Wenn wir die Kompetenzentwicklung betrachten, können wir feststellen, dass in Bayern der Anteil derjenigen, die sich auf der untersten Kompetenzstufe oder darunter befi nden, mit weitem Abstand geringer ist als in allen anderen Ländern Deutschlands. Dort, wo die SPD und vielleicht auch noch die GRÜNEN die Verantwortung

getragen haben, ist Sozialkompetenz jedenfalls nicht gegeben. Dort ist nichts vorhanden an Kompetenzerwerb.

Meine Damen und Herren, die Daten gibt es und ich freue mich, wenn ich im November 2005 erneut im Bayerischen Landtag detailliert berichten kann. Dafür werde ich mir mehr Zeit nehmen als 15 Minuten.

(Margarete Bause (GRÜNE): Wenn es sich lohnt, haben wir nichts dagegen!)

Ich werde Ihre Zeit stärker in Anspruch nehmen. Über das Thema werden wir diskutieren.

Ich sage auch deutlich, die Schulen in Bayern werden sich künftig auch daran messen lassen müssen, wie erfolgreich sie zu schulischen Abschlüssen führen. Auch das ist ein Thema, mit dem wir uns auseinander setzen werden.

Mit Betroffenheit habe ich manchen Beitrag von Ihrer Seite zur Kenntnis genommen. Sie reden davon, 2003 seien wir noch einigermaßen gut gewesen, aber was wird in Zukunft sein. Ich erinnere mich an die Debatte im Jahr 2000, als Sie gehöhnt haben, Bayern sei doch nur das Bremen Kanadas und andere Dinge mehr. Ich will das gar nicht näher ausführen. Heute machen Sie das gleiche Theater. Ich sage Ihnen, wir werden alles daran setzen, mit der bayerischen Bildungspolitik unseren Jugendlichen die bestmöglichen Startpositionen anzubieten. Überall in Deutschland schaut man nach Bayern. Ich war bei der Präsentation in Berlin. Im Prinzip gab es einen Tenor: Was macht Bayern anders als die Länder, in denen Sie die Verantwortung haben? – Das ist die Frage, die sich ganz Deutschland stellt.

Ich bin weit davon entfernt, zu sagen, bei uns sei alles in Ordnung. Natürlich gibt es immer Möglichkeiten der Verbesserung. Das Bessere ist stets der Feind des Guten. Aber sich hinzustellen und so zu tun, als ob niemand in der Politik für das gute bayerische Ergebnis verantwortlich wäre, ist auch nicht gerechtfertigt. Denn wenn wir nicht auf Platz 1, sondern auf Platz 2 oder 3 gestanden hätten, hätten Sie – auch zu Recht – die bayerische Bildungspolitik angegriffen. Dann wären von Ihrer Seite vehemente Angriffe auf die bayerische Bildungspolitik gestartet worden. Gestehen Sie zumindest zu, dass neben der Leistung der Schüler, der Lehrkräfte und der Eltern auch die Bildungspolitik von Bedeutung ist. Wenn Sie das nicht zugestehen, frage ich mich: Warum machen wir überhaupt Politik? Das muss man sich einmal vor Augen führen.

Noch einmal: Wir lehnen uns nicht zurück. Für uns ist das Ergebnis Ansporn und Motivation. Wir werden im Bayerischen Landtag noch intensiv über das Thema der Bildung diskutieren, aber insgesamt sind wir auf dem richtigen Weg. Die Zuwächse Bayerns sind größer als die Zuwächse im Bundesdurchschnitt. Dass wir im Lesen international nur den 6. Rang belegen, ist schade. Wir liegen hier noch hinter dem im Rahmen der Regierungserklärung geäußerten Wunsch des Ministerpräsidenten zurück, aber auch daran werden wir arbeiten. Dafür, dass wir auch bei der Lesekompetenz international unter die ersten fünf

Staaten kommen, setze ich mich ein, und dafür brauche ich die Unterstützung der Mehrheitsfraktion, um die ich diese bitte.

(Beifall bei der CSU)

Damit ist dieser Tagesordnungspunkt abgeschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde

Für die heutige Sitzung ist die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN vorschlagsberechtigt. Sie hat eine Aktuelle Stunde beantragt zum Thema „Weißblaues WM-Chaos: Stoiber blamiert Bayern.“ Die Redezeiten für Aktuelle Stunden sind hinlänglich bekannt. Ich brauche das nicht zu wiederholen. Ich bitte, auf das Signal zu achten.

Erste Wortmeldung: Herr Kollege Dr. Dürr.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Der Kultusminister, dessen Rede bereits ausgeteilt wurde, wird sich gleich dafür bedanken, dass wir heute die Aktuelle Stunde beantragt haben. Herr Minister, nichts zu danken, das haben wir gern getan.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vor nicht einmal vier Monaten hat der Ministerpräsident den Kongress „Visions of Football“ mit großen Worten angekündigt, und die „Süddeutsche Zeitung“ hat geschrieben, das war eine Pressekonferenz ganz nach dem Geschmack des Fußballfans und Regierungschefs. Vor 200 Gästen und Journalisten stand Stoiber inmitten des Kuppelsaals der Staatskanzlei, um das Tagungsprogramm zu erläutern, neben sich den UEFA-Präsidenten Johansson und den WM-Organisationschef Franz Beckenbauer, hinter sich eine überdimensionale Leinwand: „Wir wollen“, versprach der Ministerpräsident, „international auf das Fußballland Bayern aufmerksam machen. Wir wollen den Blick weiten für das, was das Land sonst noch zu bieten hat.“ – Dann weiten wir einmal unseren Blick und schauen, was das Land zu bieten hat.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Was sehen wir? – Einen Ministerpräsidenten mit großen Ansprüchen. Es soll immer gleich die Champions League sein oder noch besser die Weltmeisterschaft, aber wenn es darauf ankommt, dann blamiert er Bayern mit seiner Bürokratentruppe. Wieder einmal sollen sich in seinem Auftrag Ministerialbeamte wirtschaftlich betätigen, damit Bayern gut dasteht. Wieder einmal ist es gründlich schief gegangen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die großspurig Task Force genannte WM-Mannschaft produziert eine Propagandapleite nach der anderen. Es hätte doch so schön sein können: Der Ministerpräsident

wollte die WM im nächsten Jahr nutzen, um etwas von dem internationalen Glanz auf sich selbst zu lenken. Er wollte keinesfalls den ganzen Ruhm Rot-Grün überlassen, wo doch im nächsten Jahr auch noch Bundestagswahlen sein sollten. Also musste, mit den Worten des Ministerpräsidenten, „ein Werbefeldzug für den Standort“ her, praktisch eine „WM-Offensive“. Aber, hat der Ministerpräsident im März erkannt, Fußfall ist eine komplexe Materie. Was er nicht erkannt hat, auch die Organisation von Kongressen und Konzerten ist offensichtlich eine komplexe Materie, zumindest dann, wenn sie die Staatsbürokratie organisieren soll.

In der Task Force des Ministerpräsidenten haben Ministerialbeamte aus dem Wirtschaftsministerium – Herr Minister Dr. Wiesheu – und aus dem Kultusministerium eine Zweitdrittelmehrheit. Als effi ziente Arbeitsstruktur hat man sich Arbeitskreise gewählt. Man hat sechs Arbeitskreise eingerichtet, und wer schon einmal in einem Arbeitskreis war, weiß, wie effi zient solche Strukturen sind. Der Leiter der Task Force und die beiden Mitarbeiter der Geschäftsstelle der Task Force waren Lehrkräfte, bei deren Auswahl – ich zitiere aus der Antwort der Staatsregierung auf meine Mündliche Anfrage vom 16.02.2005 – die Qualifi kation eine besondere Rolle spielte. „Eine Lehrkraft hat die Fakultas Musik und wird besonders in der Projektbegleitung von Kulturveranstaltungen eingesetzt. Die zweite Lehrkraft mit der Fächerverbindung Englisch und Wirtschaft verfügt über die notwendigen Fremdsprachenkenntnisse sowie über Kenntnisse im wirtschaftlichen Bereich.“ – So stellt man sich das vor: Champions League, da muss es ja klappen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Höhepunkte der weiß-blauen Imagekampagne sollten zwei Großveranstaltungen sein, der Kongress „Visions of Football“, der nächste Woche stattfi ndet, und das Konzert der drei Orchester im nächsten Jahr.

(Franz Josef Pschierer (CSU): Wie heißt das?)

„Visions of Football“, Herr Kollege. Ich habe zwar keine Fakultas, aber ich schaffe es trotzdem. Fragen Sie einmal Herrn Kollegen Huber, wir beide sind hervorragende Englisch-Sprecher.

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN)

„Durch beide Projekte …“, heißt es in der Antwort der Staatsregierung vom 23.06.2005 auf meine Schriftliche Anfrage, „… wird der Kultur-, Forschungs- und Wirtschaftsstandort Bayern auf höchstem Niveau präsentiert.“ – Soweit der Anspruch. Das Ergebnis haben wir gesehen. Der Kongress in der nächsten Woche wird ein Flop. Es wurde rund eine Million Euro in den Sand gesetzt, vom Imageschaden für Bayern ganz zu schweigen. Und es ist nicht der Kongress allein, die Pannen häufen sich. Das mit großen Vorschusslorbeeren gestartete Musical musste gestrichen werden. Der Chef der Task Force musste hinausgeschmissen werden, und der Rechnungshof muss jetzt im Ministerium prüfen. Die weiß-blaue Imagekampagne wurde genauso großkotzig wie dilettantisch ins Werk gesetzt.

(Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf des Abgeordne- ten Manfred Ach (CSU))

Herr Kollege Ach, das Schlimmste ist, die Wahlen sind nicht im nächsten Jahr, sondern heuer.

Sehen wir uns einmal den Kongress „Visions of Football“ genauer an. Wer ist für den Flop verantwortlich? – Sie, Herr Kultusminister, haben erklärt, es läge an der unglücklichen Terminplanung. Ende Juli, haben Sie erzählt, sei überall Ferienzeit außer in Bayern. Nun ist es für uns schon überraschend, dass man ausgerechnet im Kultusministerium überrascht darüber ist, dass im Sommer Sommerferien sind. Ebenso überraschend ist die Erkenntnis, dass nur gut 200 Gäste aus aller Welt 1250 Euro plus Mehrwertsteuer zahlen wollen. Das fi nde ich auch überraschend. Diese Preisgestaltung, haben Sie gesagt, Herr Minister, hätten Sie nicht zu verantworten. Wer dann?

Beschlossen wurde das jetzt strittige Konzept im Kabinett im Februar letzten Jahres. Das gesamte Kabinett hat es damals beschlossen, und verkündet hat es der Ministerpräsident persönlich. Das Kabinett hofft, dass der Großteil der Kosten von Partnerschaften und Sponsoren getragen werden kann. Frau Hohlmeier und Herr Minister Wiesheu sollten daher zusammen mit Finanzminister Faltlhauser prüfen, wie zusätzliche Finanzierungsquellen erschlossen werden können, sagte Stoiber damals den Journalisten. Noch im März dieses Jahres verkündete der Ministerpräsident der begeisterten „Welt am Sonntag“, die Veranstaltung werde wie ein Paukenschlag das WM-Jahr einläuten.

Ein weiterer Nackenschlag wird das Konzert „Drei Orchester“ im nächsten Jahr. Das soll auf Anregung der Task Force ein Verein organisieren. Der Verein wiederum hat eine GmbH gegründet, und die verfügt über ein Stammkapital von 25 000 Euro. Damit soll das etwa 2,8 Millionen teure Konzert organisiert werden. Warum wurde der Verein gegründet? – Diese meine Frage wollte die Staatsregierung nicht beantworten. Fakt ist, dass der Staat durch diese Rechtskonstruktion nicht für ein eventuelles Defi zit geradestehen muss. Wenn wieder gepfuscht wird, dann müssen dieses Mal andere dafür zahlen.

Es wurde schon gepfuscht. Bisher gibt es weder eine Kalkulation noch ein gesichertes Finanzierungskonzept. Es gibt keine konkreten Vereinbarungen mit den beteiligten Orchestern, weder für die künstlerische Konzeption noch für die Medienverwertung. Trotzdem erzählen Sie, Herr Kultusminister, bisher immer wieder: Alles wird gut. Auch heute haben Sie in Ihrer Antwort, die gleich kommen wird, wieder die alte Beschwichtigungspolitik auf der Platte; das habe ich beim Durchlesen schon gesehen. Da steht nichts Neues drin, nur die alte Leier. Sogar die alten Fußballvergleiche kommen wieder. Es wundert mich, dass ihr euch das noch traut. Lasst euch doch etwas Neues einfallen!

(Beifall bei den GRÜNEN)

In Ihrer Antwort auf meine Schriftliche Anfrage steht:

Durch eine solide Vorfi nanzierung wurde das unternehmerische Risiko minimiert. Kreditaufnahmen sind derzeit nicht notwendig. Die Frage nach einer möglichen Unterfi nanzierung stellt sich aus diesem Grunde nicht.

Ich habe sie zwar gestellt, aber Sie sind der Meinung, dass Sie sich nicht stellt. Da für die Planung dieselben Personen verantwortlich sind wie für den Kongress, der ein Flop ist, wirkt das nicht sehr vertrauenserweckend, Herr Minister;

(Beifall bei den GRÜNEN)

denn der Vereinsvorsitzende, der alles organisieren soll, ist der bisherige Chef der Task Force. Wer ist sonst im Verein? – Auffällig ist die Ansammlung ehemaliger KirchKonsorten. Vereinsmitglied ist Dr. Alexander Liegl. Er ist bei der Kanzlei Nörr, Stiefenhofer, Lutz und war Geschäftsführer für den Bereich Sportrechte und Vorstandsmitglied von „Kirch Media“. Heute macht er mit seiner Firma „Foursports“ Consulting. Friedrich Carl Rein war ebenfalls ein enger Kirch-Vertrauter, Steuerberater und Aufsichtsratsmitglied der „Kirch Media“. Auch Professor Kreile ist bei Nörr, Stiefenhofer, Lutz, die früher die Kanzlei von Leo Kirch war. Interessant ist, dass diese Herren nicht nur die Staatsregierung, sondern sich auch gegenseitig unterstützen. Was da abläuft, ist ABM für Amigos.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Vereinsmitglied Gernot Rehrl wurde Geschäftsführer der Betreibergesellschaft, die Kanzlei Nörr, Stiefenhofer, Lutz juristischer Berater und Liegls „Foursports“ soll das Kommunikations-, Vermarktungs- und Rechteverwertungskonzept erstellen. „Foursports“ hat schon den Flop von „Visions of Football“ mit zu verantworten. Die Firma hat nämlich die Organisation dieser Veranstaltung in Vermarktungsfragen beraten. Da sie das beim Kongress so gut gemacht hat, wird sie das beim Konzert natürlich sicher genauso gut hinkriegen; da bin ich ganz zuversichtlich.

Wie gehen wir im Landtag jetzt mit diesem Debakel um? – Wir fordern erstens eine umfassende Aufklärung. Herr Minister, Sie könnten von Ihrem Manuskript abweichen und heute schon damit anfangen. Zweitens fordern wir, dass Sie das Projekt „Drei Orchester“ sofort stoppen, wenn Sie dem Haushaltsausschuss nicht noch in diesen Wochen ein solides Konzept vorlegen können. Drittens müssen Sie die Task Force aufl ösen, viertens die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen. Fünftes fordern wir, dass die Defi zite aus Mitteln der Staatskanzlei für Öffentlichkeitsarbeit beglichen werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es kann nicht sein, dass für den Pfusch der Staatskanzlei die Sportvereine oder Schulen zahlen müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wer sich wie der Ministerpräsident im Glanz der Erfolge sonnen will, muss auch Verantwortung tragen, wenn es schief geht. Stoiber hat jede Menge Porzellan zerdeppert; jetzt soll er auch die Scherben aufkehren.

(Anhaltender Beifall bei den GRÜNEN)