Protocol of the Session on June 28, 2005

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 45. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, vor Eintritt in die Tagesordnung möchte ich noch drei nachträgliche Glückwünsche aussprechen. Jeweils einen halbrunden Geburtstag feierten am 22. Juni Frau Kollegin Johanna Werner-Muggendorfer und Herr Kollege Wolfgang Vogel sowie am 23. Juni Herr Kollege Franz Kustner. Ich gratuliere den Genannten sehr herzlich im Namen des gesamten Hohen Hauses und wünsche ihnen alles Gute.

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde

Für die heutige Sitzung ist die Fraktion der SPD vorschlagsberechtigt. Sie hat eine Aktuelle Stunde zum Thema „Pleiten, Pech und Pannen – das Versagen der CSU-Staatsregierung in der Wirtschafts- und Unternehmenspolitik“ beantragt.

Die Regeln der Geschäftsordnung sind hinlänglich bekannt und bedürfen keiner Wiederholung. Ich bitte Sie, auf mein Signal zu achten, und rufe als ersten Redner Herrn Kollegen Maget auf. 10 Minuten!

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! In diesen Tagen – das ist der aktuelle Hintergrund dieser Aktuellen Stunde – wird die größte, die einzig nennenswerte bayerische Privatbank, die Hypo-Vereinsbank,

(Joachim Herrmann (CSU): Die einzig Nennenswerte?)

in das Eigentum der italienischen Unicredit übergehen. Das, was einst von der CSU-Staatsregierung als Markenzeichen für den Bankenplatz Bayern schlechthin gepriesen wurde, geht jetzt sang- und klanglos in italienischen Besitz über. Wir wissen, dass angesichts der schwierigen Lage, in der sich die HVB befi ndet, diese Lösung wahrscheinlich noch die beste unter allen schlechten darstellt.

(Joachim Herrmann (CSU): Also?)

Wir wissen auch, dass die Garantie für das Deutschlandgeschäft, die der HVB gegenüber gegeben wurde, gut und wichtig ist, wir wissen aber auch, dass von dieser Übernahme durch Unicredit natürlich eine Gefahr für Tausende von Arbeitsplätzen in Bayern ausgeht, und wir wissen, dass dieses natürlich auch einen schweren Rückschlag für den Bankenplatz Bayern darstellt.

Wir stellen fest: Die Übernahme der HVB durch Unicredit ist eine weitere herbe Niederlage der Staatsregierung in ihrer Industrie- und Wirtschaftspolitik und zeigt wieder einmal das klägliche Scheitern der CSU-Industriepolitik auf.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN – Zuru- fe von der CSU)

Denn Tatsache ist, liebe Kolleginnen und Kollegen: Überall, wo die Staatsregierung, insbesondere der bayerische Ministerpräsident selbst oder sein Wirtschaftsminister, Einfl uss auf die Unternehmenspolitik nimmt oder mit staatlichen Beteiligungen direkt oder indirekt verwoben ist, gibt es früher oder später, aber auf jeden Fall am Ende ein Debakel.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CSU: Pfui! Unglaublich! – Zurufe von der SPD: So ist es!)

Überall, wo es schief geht, gehen die Akteure der Staatsregierung dann auf Tauchstation und machen sich vom Acker. Dort aber, wo es ausschließlich aufgrund unternehmerischer Leistung Erfolge zu vermelden gibt, haben Sie nichts Anderes und nichts Besseres zu tun, als sich dort lautstark mitfeiern zu lassen und sich mit fremden Federn und mit fremdem Geld zu schmücken.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die Bilanz zeigt: Herr Stoiber und Herr Wiesheu sind die größten wirtschaftspolitischen Schaumschläger unter dem weiß-blauen Himmel,

(Beifall bei der SPD)

und sie sind unternehmenspolitische Rohrkrepierer.

Ich nenne Ihnen einige Beispiele dafür: Als vor einigen Jahren BMW die Firma Rover in England übernommen hat, war Herr Stoiber in den „Tagesthemen“ sieben Minuten und dreißig Sekunden zu sehen, und er hat diese Übernahme von Rover durch BMW als den bisher größten Erfolg der bayerischen Industriegeschichte gefeiert. Er hat so getan, als hätte er Rover aus der eigenen Tasche bezahlt. Als sich wenige Jahre danach herausgestellt hat, dass diese Entscheidung von BMW vielleicht nicht die beste ihrer Unternehmensgeschichte gewesen ist, hat man von Herrn Stoiber nichts mehr gesehen. Er war nicht in den „Tagesthemen“, er war nicht einmal in der „Rundschau“. Ich glaube, er hat zu diesem Zeitpunkt die Firma BMW überhaupt nicht mehr gekannt.

(Heiterkeit bei der SPD)

Als BMW vor einigen Wochen ein neues Logistikzentrum in Dingolfi ng eröffnet hat –eine gute Entscheidung für Bayern! –, war Herr Stoiber natürlich wieder mittendrin und mit dabei und auf allen Fotos ganz vorn drauf.

(Staatsminister Erwin Huber: Recht hat er!)

Als vor einigen Monaten in Ihrem Heimatbezirk in Niederbayern, Herr Kollege Huber, Siemens 300 Arbeitsplätze verloren hat, die nach Rumänien verlagert wurden, waren weder Sie in diesem Betrieb zu sehen noch Herr Stoiber. Dort, wo es schief läuft, ist von Ihnen nichts zu hören und nichts zu sehen.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CSU)

Warum gehen Sie denn nicht dorthin, wo Arbeitsplätze verloren gehen? Das ist auch etwas, was man von einem bayerischen Minister verlangen könnte. Als das Unternehmen Novartis erfreulicherweise seinen Sitz in Holzkirchen genommen hat, war Herr Stoiber gleich mit mehreren Ministern dabei und hat diese unternehmerische Entscheidung, die gut ist, den Medien als einen weiteren Beleg für die Stärke des Standortes Bayern verkündet. Als aber „Knorr-Bremse“ vor einigen Jahren Tausende von Arbeitsplätzen aus München verlagert hat, war das kein Beleg für die Qualität des Standortes Bayern. Dazu haben Sie keinen Satz der Kommentierung gefunden.

Als in Hof vor zwei Jahren der erste und bisher einzige Automobilzulieferer – Herr Kollege König, Sie kennen das Unternehmen –, die Firma Altec aus Spanien, 150 Arbeitsplätze geschaffen hat, war Herr Stoiber mit drei Ministern anwesend und hat sich dafür feiern lassen. Als die Firma Rodenstock aus dem Bayerischen Wald verschwunden ist, hat man von der Bayerischen Staatsregierung nichts gesehen und nichts gehört.

Als die Bundesregierung es vermocht hat, „Galileo“, ein wirkliches Zukunftsprojekt, nach Bayern zu bringen, hat Herr Wiesheu monatelang nichts anderes im Sinn gehabt, als auch diese Entscheidung der Bundesregierung als eine Entscheidung hinzudrehen, die auf dem Mist der Bayerischen Staatsregierung gewachsen sei. Als aber die Firma Hutschenreuther aus Bayern verschwunden ist, hat man von der Staatsregierung kein Wort dazu gehört.

Sie sind überall dabei und schmücken sich mit fremden Federn, wo Entscheidungen der Unternehmen gut laufen, Sie sind aber spurlos verschwunden, wo unternehmerische Entscheidungen schlecht laufen. So ist es jetzt auch bei der Hypo-Vereinsbank. Bei der Fusion von Hypobank und Vereinsbank 1998 ließ sich der Bayerische Ministerpräsident als Chefunterhändler feiern. Ich zitiere den Bayerischen Ministerpräsidenten 1998. Er sagte: „Entscheidend ist, dass in München eine Superregionalbank entsteht, die gleichzeitig Europas größter Immobilienfi nanzier ist.“ Dass genau das das entscheidende Problem der Hypobank gewesen ist, wurde damals leider unterschlagen. Die Medien berichteten damals von einem geradezu genialen Schachzug, mit dem Stoiber diese Fusion eingefädelt habe, indem sie steuerfrei vonstatten gehen konnte. Es gab damals für den bayerischen Staat einen Steuerausfall von 2,5 Milliarden Euro, den diese Fusion gekostet hat.

Jetzt geht das Ganze den Bach runter, und die Staatsregierung hat nichts, aber auch gar nichts vermocht, um die Übernahme der Hypo-Vereinsbank abzuwenden, und der Bayerische Ministerpräsident ist vollständig abgetaucht. Er hat diese schwerwiegend negative Entscheidung für

Bayern bisher mit keinem Wort kommentiert, geschweige denn, dass er irgendetwas unternommen hätte, um sie zu verhindern.

(Dr. Martin Runge (GRÜNE): Er hat das mental noch nicht verkraftet!)

Es kommt noch hinzu, dass der Freistaat Bayern bei der Hypo-Vereinsbank Stiftungsvermögen im Wert von mehreren Hundert Millionen Euro durch eine falsche Anlagestrategie verloren hat. Das Stiftungsvermögen betrug 1,2 Milliarden Euro. Sie, Herr Kollege Faltlhauser, können mir sagen, wie der Börsenstand heute ist. Der Wert dieser Anlage wird heute vielleicht 600 Millionen Euro betragen. Das heißt, Sie haben allein durch Ihre verfehlte Anlagestrategie, die Kollege Schieder im Ausschuss jahrelang kritisiert hat,

(Beifall bei der SPD)

bei der Hypo-Vereinsbank für den Freistaat Bayern 600 Millionen Euro in den Sand gesetzt.

Das gleiche Muster, die gleichen Pannen gibt es immer und immer wieder. Bei der Maxhütte haben Sie kein Konzept für den Erhalt des einzigen Stahlstandortes in Bayern gefunden. Bei Viag haben Sie erst die Schaffung dieses großen bayerischen Industriekonzerns bejubelt und haben dann zuschauen müssen, wie er von Veba übernommen wurde und jetzt den Sitz in Düsseldorf hat. Kein einziger Bayer hat bei Eon heute noch ein Wörtchen mitzuschnabeln. Alles ist den Bach hinuntergegangen.

Bei der Firma Kirch war es das Gleiche. Sie haben ge jubelt, Herr Huber, als die Kirch-Gruppe Formel 1Rechte gekauft hat. Sie haben persönlich mitgewirkt, als dieses schlechte Geschäft zustande kam. Danach haben Sie sich gar nicht mehr erinnern können, dass Sie das selbst eingefädelt haben. Bei Grundig war es so, bei Fairchild Dornier war es so. Es ließe sich eine ganze Liste vortragen, und das wäre noch eine unvollständige Liste.

Ich komme zum Schluss und fasse zusammen. Diese Beispiele zeigen eindeutig: Überall dort, wo die Staatsregierung in der Unternehmenspolitik Einfl uss nimmt, erleben Sie ein Debakel. Lassen Sie die Finger von Unternehmenspolitik, Sie können es nicht!

(Beifall bei der SPD)

Ein Wirtschaftsminister Stoiber, ganz abgesehen davon, dass sich diese Frage Gott sei Dank so nicht stellt, wäre ein Desaster für Deutschland. Das zeigt sein Debakel hier in Bayern.

(Beifall der Abgeordneten Karin Radermacher (SPD))

Worum Sie sich kümmern sollten, meine Damen und Herren – –

(Zuruf von der CSU: Um die Zeit!)

Herr Kollege, ich bin schon sehr großzügig mit der Redezeit.

Der letzte Satz: Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, sollten endlich durch eine gute Infrastruktur und durch eine gute Bildungspolitik in unserem Land die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass Unternehmen hier erfolgreich arbeiten können. Das reicht; das wäre allerdings auch überfällig.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Dr. Bernhard.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Maget, das allermeiste, was Sie hier vorgetragen haben, ist weder aktuell noch besonders originell.