Protocol of the Session on April 5, 2005

Herr Kollege Bernhard, es tut mir Leid. Aber Sie brachten kein neues Argument, sondern haben nur das referiert, was längst bekannt ist. Sie haben hier nicht einen einzigen konkreten Vorschlag gemacht, was wir hier als Bayerischer Landtag oder was die Bayerische Staatsregierung tun kann, in Bayern 580 000 Arbeitslosen eine neue Perspektive zu geben. Wir brauchen nicht den larmoyanten Ton, den Sie heute wieder angeschlagen haben und der nichts anderes bewirken soll, als die Bundesregierung schlecht zu machen. Damit helfen Sie keinem Arbeitslosen in Bayern und keinem Arbeitslosen in Deutschland.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Was wir brauchen, ist die konsequente Umsetzung der Reformen der Agenda 2004 und 2010. Was wir am allerwenigsten brauchen, ist eine Debatte, die sich nur in Schuldzuweisungen ergeht. Wenn es denn richtig ist, dass die Wirtschaft auch davon lebt, dass die richtige Psychologie und die richtige Gemengelage herrschen, muss ich Ihnen sagen: Sie tun genau das Gegenteil, in

dem Sie nicht Benzin, sondern Wasser in den stotternden Motor gießen, um ihn nur ja nicht zum Laufen zu bringen.

Meine Damen und Herren, wir müssen zusehen, dass wir die Agenda 2010 umsetzen. Herr Kollege Unterländer, die Arbeitsmarktreform ist gerade zwei Monate alt – ich betone, das ist die größte Arbeitsmarktreform in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland –, und Sie fordern schon Ergebnisse ein. Es gibt solche Ergebnisse, und zwar sehr positive.

(Zuruf des Abgeordneten Günter Gabsteiger (CSU))

Herr Gabsteiger, hören Sie lieber zu, anstatt herumzuschreien.

95 % der arbeitsfähigen Sozialhilfeempfänger sind inzwischen bei den Arbeitsämtern gemeldet. Sie können also in Arbeit vermittelt werden. Allerdings müsste sich dazu die Zahl der offenen Stellen erhöhen. Dabei sind wir gerade.

(Lachen bei der CSU)

Die EU-Kommission hat der Bundesregierung heute ein sehr gutes Zeugnis ausgestellt, was ihre Reformen angeht.

(Thomas Kreuzer (CSU): 0,8 % Wachstum!)

Meine Damen und Herren, wir haben nicht nur dieses eine Problem in Angriff genommen, sondern auch ein anderes. Von der Senkung der Lohnnebenkosten ist schon die Rede gewesen. Sie verschweigen, dass im vergangenen Jahr 28 Millionen Bundesbürger von der Senkung der Beiträge zur gesetzlichen Krankenkasse profitiert haben. Noch in diesem Jahr wird es nicht nur eine Senkung um 0,9 % von Gesetzes wegen aufgrund der Herausnahme des Zahnersatzes aus den Versicherungsleistungen geben, sondern darüber hinaus hat eine Reihe von Krankenversicherungen angekündigt, die Beiträge zu senken. Das sind spürbare Entlastungen bei den Lohnnebenkosten und nicht etwa das, was Sie heute hier aufgetischt haben.

Herr Kollege Unterländer, durch eine Flexibilisierung – wie Sie es nennen – des Kündigungsschutzes entsteht kein neuer Arbeitsplatz. Was Sie im Grunde genommen wollen, ist eine Rechtlosstellung der Arbeitnehmer, mit der man keine Motivation schafft. Motivation schafft man, indem Unternehmer und Arbeitnehmer gemeinsam verantwortlich handeln. Motivation schafft man nicht, indem man wie Herr Ackermann sagt, wir müssen die Rendite steigern, weswegen wir Leute entlassen müssen. Eine solche Politik wird es mit uns nicht geben. Sie haben bisher keine Alternative aufgezeigt.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Graf von und zu Lerchenfeld.

(Unruhe)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vielleicht können wir uns darauf verständigen, dass man dem Redner oder der Rednerin nicht ständig den Rücken zuwendet. Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Verehrte Frau Präsidentin, Hohes Haus! Rot-Grün schafft Arbeitsplätze.

(Beifall bei den GRÜNEN – Dr. Sepp Dürr (GRÜ- NE): Bravo!)

Ich freue mich über Ihren Beifall. Die Frage ist nur: Wo schafft Rot-Grün Arbeitsplätze? – In Tschechien, in Polen, in der Slowakei, in China – eigentlich überall in der Welt, nur nicht in Deutschland.

(Beifall bei der CSU)

Wir sind Exportweltmeister bei den Arbeitsplätzen geworden. Ich frage Sie: Ist das die Aufgabe der Regierung der Bundesrepublik Deutschland?

Nehmen wir die Energiepolitik. Die Liberalisierung des Strommarktes 1998 hat spürbar dazu beigetragen, dass wir in Deutschland günstigere Energiepreise bekommen haben. Im Monat hat man damals ungefähr 50 Euro bezahlt. Im Jahr 2000 ist der Betrag auf 41 Euro gesunken. Mittlerweile zahlt man für einen Drei-Personen-Haushalt 52 Euro im Monat. Woran liegt das? – Vertriebskosten, Stromerzeugungskosten und Ähnliches sind billiger geworden, aber wir zahlen immer mehr Steuern und Abgaben auf den Strompreis. Ökosteuer, Erneuerbare Energien Gesetz, Kraft-Wärme-Koppelungs-Gesetz, Stromsteuer und die Erhöhung der Konzessionsabgaben – diese Faktoren erhöhen heute den Energiepreis in Deutschland. 1998 haben wir mit der Stromrechnung zusammen 2,3 Milliarden Euro an staatlichen Abgaben gezahlt. Heute zahlen wir über 11,9 Milliarden Euro. Das ist eine Steigerung um nahezu 600 %.

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, der Anteil des Windstroms soll beispielsweise bis 2015 nach dem Willen der Bundesregierung auf 20 % gesteigert werden. Dafür sind Investitionen von 17 Milliarden Euro notwendig. Bundeswirtschaftsminister Clement sagt, dass dann 4 Milliarden Euro höhere Einspeisevergütungen zu bezahlen sind. Mit Recht fragt der Bundeswirtschaftsminister: Können wir uns das noch leisten? Ihre Energiepolitik ist unsozial. Sie vernichtet Arbeitsplätze.

Es hilft nicht weiter, Unternehmen zu beschimpfen, wenn sie ihre Arbeitsplätze ins Ausland verlagern, wo die Energiepreise deutlich günstiger sind. Deutschland hat nach Italien und Portugal die höchsten Strompreise in ganz Europa, und die Preise für andere Energieträger in Deutschland sind in Europa ebenfalls Spitze. Ich frage mich, wann der italienische Automobilverband beantragt, dass wir italienischen Touristen Benzingutscheine ausstellen, wie das früher für deutsche Touristen in Italien üblich war.

In Nordrhein-Westfalen erleben wir gerade ein fabelhaftes Beispiel dafür, wie Rot-Grün Energiepolitik macht. Es sollen neue Kraftwerke gebaut werden. Das ist vernünftig.

Vorgesehen sind Investitionen von 5 Milliarden Euro in Kraftwerke. 5000 neue Arbeitsplätze sollen entstehen. Aber da gibt es ein possierliches Tierchen, nämlich den Feldhamster. Der Feldhamster hat die Baue in diesem Gebiet verlassen. Aber dazu brauchen wir noch ein Gutachten. Wir müssen ein Verfahren anstrengen, und die Investitionen werden verzögert wie immer bei Rot-Grün. Arbeitsplätze – nein, danke, Investitionen – nein, danke.

(Beifall bei der CSU)

Herr Kollege Hallitzky hat vorhin behauptet, dass durch die erneuerbaren Energien neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Sie kennen wahrscheinlich nicht die Studie des Bremer Energieinstitutes, die im Auftrag des Deutschen Gewerkschaftsbundes erstellt worden ist. In dieser Studie ist festgestellt worden, dass durch die Nutzung der Windenergie zwar ungefähr 40 000 Arbeitsplätze geschaffen worden sind, dass aber allein durch die Erhöhung der Energiepreise und den dadurch verursachten Kaufkraftentzug mehr Arbeitsplätze vernichtet werden, als neue geschaffen werden. Das Institut, das diese Studie erstellt hat, hat sicher nicht den Ruf, CSU-nah zu sein.

Wir brauchen eine Wende in der Energiepolitik. Der Konsens in der Energiepolitik muss auf drei Säulen ruhen: Umweltschonung, Wettbewerbsfähigkeit und Versorgungssicherheit.

(Zuruf der Abgeordneten Ruth Paulig (GRÜNE))

Wir brauchen einen vernünftigen Energiemix von allen Energieträgern. Dazu gehören die erneuerbaren Energien genauso wie die konventionellen Energien. Gerade in Deutschland haben wir die Technik des Baus von Kernkraftwerken hoch entwickelt. Derzeit werden weltweit 42 Kernkraftwerke errichtet, 142 weitere sind in Planung. In China steht eine Versuchsanlage für einen Hochdruckreaktor, bei dem eine Katastrophe wie in Tschernobyl vollständig ausgeschlossen ist. Es handelt sich um eine in Deutschland entwickelte Technologie, die mittlerweile leider Gottes ins Ausland verkauft wurde.

(Margarete Bause (GRÜNE): Mit Atomkraft gegen Arbeitslosigkeit!)

Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat mit ihrer verfehlten Energiepolitik seit 1998 dem Wirtschaftsstandort Deutschland geschadet. Wir brauchen eine vernünftige Energiepolitik. Wir brauchen niedrige Strom- und Energiepreise. Ich kann Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, nur sagen, gehen Sie nach Hause und kümmern Sie sich zum Beispiel um das Paarungsverhalten der Feldhamster, aber überlassen Sie uns die Energiepolitik, weil wir wissen, wie wichtig sie für die Arbeitsplätze in Deutschland ist.

(Lebhafter Beifall bei der CSU – Zurufe von der CSU: Bravo!)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Dr. Beyer.

(Zuruf der Abgeordneten Ruth Paulig (GRÜNE))

Frau Kollegin, ich würde Sie bitten, entweder Ihren Platz einzunehmen und Ihre Kommentare abzugeben oder den Saal zu verlassen. Bitte schön, Herr Dr. Beyer.

Frau Präsidentin, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es überraschend, dass wir heute darüber sprechen, Arbeitsplätze schaffen zu wollen, aber weder Herr Kollege Dr. Bernhard noch mein geschätzter Vorredner, Graf von und zu Lerchenfeld, darauf eingehen, was einen Menschen antreibt, sich unternehmerisch zu betätigen. Warum tut das ein Mensch? – Weil er sich davon einen Gewinn verspricht. Er betätigt sich unternehmerisch, wenn er glaubt, dass das, was er produziert und was er anbietet, die Menschen interessiert und die Menschen dieses Produkt oder diese Dienstleistung kaufen. Geschätzter Herr Kollege Dr. Bernhard, erst dann fragt er, was es kostet, das herzustellen. Das vollzieht sich genau in dieser Reihenfolge.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Vor allem braucht er einen, der es kaufen kann!)

Sie haben vor dem Job-Gipfel 10 bis 66 Punkte aufgestellt. Es wurden im Laufe der Zeit immer mehr. Der Grundfehler Ihrer Punkte ist, dass Sie nicht bedenken, dass Sie die Menschen dazu bewegen müssen, nachzufragen. Ich spreche Herrn Kollegen von und zu Lerchenfeld an: Sie sind hier sicher der bestangezogene Kollege.

(Karin Radermacher (SPD): Jetzt übertreiben Sie aber!)

Ich sagte „Kollege“! Sie kaufen aber auch nicht jede Woche einen neuen Anzug, weil Ihr Herrenausstatter den Preis senkt. Sie kaufen einen Anzug, weil sie ihn brauchen oder weil er Ihnen gefällt. Das ist der Markt. Das ist Angebot und Nachfrage. Sie laufen der Angebots-Theorie hinterher. Sie haben das bereits unter der Regierung KohlWaigel getan. Andere haben das nachgemacht. Langsam sollten wir aber merken, dass das der falsche Weg ist. Die Annahme, die Produktion müsste nur möglichst billig sein, dann werde es auch Abnehmer geben, ist falsch.

Ich habe am Samstagabend mit einer Journalistin aus Prag ein Gespräch geführt. Sie hat mir erzählt, in Prag werde das Gleiche gesagt, was der Graf soeben sagte. Die Tschechen sagen, dass sie billiger produzieren müssten, weil ihnen inzwischen die Arbeitsplätze wegbrächen. Da müsste es Ihnen eigentlich dämmern, dass das nicht der richtige Weg sein kann.

(Beifall bei der SPD)

Es gehört zum kleinen Einmaleins der Wirtschaft, dass eine Nachfrage erzeugt werden muss und dadurch die Produktion stimuliert wird. Über die Auslandsnachfrage können wir uns nicht beklagen. Wo sind aber die Impulse für die Binnennachfrage? – Wir wissen, die Steuern wurden gesenkt, die private Nachfrage wurde aber dadurch nicht angekurbelt.

Auch die Industrie investiert nicht. Ich erinnere an die Diskussion um die DAX-Unternehmen. Dort weiß man nicht, dass der Artikel 14 Grundgesetz neben einem Absatz 1 auch noch einen Absatz 2 hat, der sagt: „Eigentum ver

pflichtet“. Die Wirtschaft sagt aber, wenn eine Rendite von 18 % möglich ist, schaffen wir eine Rendite von 20 % auch noch. Das schafft keine Arbeitsplätze.

Herr Kollege Herrmann, wir müssen auch darüber reden, wie wir öffentliche Investitionen auf den Weg bringen können. Da Sie diese Investitionen nicht auf den Weg bringen und auch nicht gewillt sind, sie auf den Weg zu bringen, haben Sie kein Recht, larmoyant die Arbeitslosigkeit zu beklagen.

Sehen Sie sich einmal die Auswirkungen des Nachtragshaushalts und Ihrer Streichpolitik an. Ich zitiere aus dem Konjunkturbericht des Wirtschaftsministeriums, von dem heute kein Vertreter anwesend ist. Herr Kollege Dr. Bernhard, ich halte es für sehr aufschlussreich, dass bei einer Aktuellen Stunde zum Thema „Arbeitslosigkeit in Bayern“ die Regierungsbank auf dieser Seite leer ist. Nicht einmal Herr Staatssekretär Spitzner ist da. Im Konjunkturbericht Bayern ist unter dem Stichwort „Deutlicher Einbruch der Baunachfrage“ ausgeführt:

Der Auftragseingang im bayerischen Baugewerbe nahm im vierten Quartal 2004 im Vergleich zu dem entsprechenden Vorjahreszeitraum deutlich ab, nämlich um minus 15,2 %.