Die Staatsmaschinerie liefert den Arbeitsnachweis: Wir tun etwas. Für die Menschen kommt aber nichts dabei heraus.
Sie haben heute aus allen Regierungserklärungen, die Sie in diesem Hause schon abgegeben haben, abgeschrieben und zum großen Teil sogar wortwörtlich – die Bausteine funktionieren gut – Ihre billigen Witzchen wiederholt. Sie selber können darüber ein zweites oder drittes Mal
Die CSU-Fraktion hat schon mit den Füßen abgestimmt – ich rechne es mir an, dass jetzt ein wenig mehr da sind; vorher aber war die Besetzung ziemlich dünn. Fünf Leute sind dagesessen,
auch bei der Rede des Kollegen Sackmann sind fünf Leute dagesessen. Ich habe es gezählt. Ich konnte sie an den Fingern einer Hand abzählen.
Herr Minister Huber, Sie haben bei einer Ihrer zahlreichen „Regierungsverklärungen“ am 8. Juli 2003 verlautbart: Unnötige Bürokratie ist eine Form – hören Sie zu; hören Sie doch wenigstens sich selbst zu – der Enteignung von Arbeitszeit, Kapital und Lebensleistung der Menschen. Auch das haben Sie heute wiederholt. Sie haben Recht. Halten Sie sich doch daran! Sie, die Staatsregierung, sind bis auf den heutigen Tag der größte Enteigner unter allen Enteignern von Arbeitszeit und Kapital.
Was haben Sie in den letzten eineinhalb Jahren seit Ihrer letzten Erklärung dagegen unternommen? Herr Minister Huber, wie geht es denn zum Beispiel der Wurstschneidemaschine? Um sie haben Sie sich doch damals sehr gesorgt. Sie haben erklärt, es sei nicht zumutbar, dass die Wurstschneidemaschine eines Metzgers, die ohnehin sicher gebaut sein müsse, vor Ort von der Berufsgenossenschaft überprüft werde, dann noch von der Staatlichen Gewerbeaufsicht und von der Lebensmittelüberwachung des Landratsamtes. Das stimmt alles. Als ob Sie dafür überhaupt nichts könnten, haben Sie, Herr Minister Huber, empört ausgerufen: Das ist Bürokratismus!
Wie ist es heute? Wie steht es heute, eineinhalb Jahre später, mit dem weiß-blauen Bürokratismus? Hat die Wurstschneidemaschine jetzt endlich ihre Ruhe?
Hat der Metzger seine Ruhe? Wie schaut es aus? Was machen der Prüftechniker der Berufsgenossenschaft, der Prüfer der Gewerbeaufsicht und der Lebensmittelüberwacher heute? Sind sie noch ausgelastet, Herr Minister? Wir hätten gerne etwas dazu gehört, was sie heute machen.
Sie haben auch beklagt, dass 80 % der Existenzgründer professionelle Hilfe bräuchten, um sich im Förder- und Paragraphendschungel zurechtzufi nden. Haben Sie den weiß-blauen Förder- und Paragraphendschungel, den Sie geschaffen haben, inzwischen gelichtet? Sie haben damals erklärt, Sie sähen einen Schwerpunkt für rasches Handeln in landespolitischer Kompetenz. Dort liegt der Schwerpunkt wahrscheinlich immer noch. Wie rasch haben Sie gehandelt? – Vielleicht so rasch wie die CSUFraktion. Die CSU-Fraktion hat vor kurzem, vor ein paar Tagen wieder einmal hinausposaunt, sie habe eine Offensive zur Entbürokratisierung laufen. Diese Offensive läuft schon ziemlich lange, aber offensichtlich nicht besonders schnell.
Ja, sie sind total offensiv. Vielleicht sind es Offensivlein. Schon im vorletzten Jahr hat Kollege Herrmann, der jetzt leider nicht da ist, aber auch an der vordersten Front gegen die Bürokratie kämpft, angekündigt, die CSU werde sich jetzt regelmäßig die Verwaltungsvorschrift der Woche aufs Korn nehmen. Herrmann hat gesagt: Ab Januar machen wir Druck. Er hat gesagt, jede Woche solle eine besonders unsinnige Verwaltungsnorm oder Gesetzesvorschrift vorgestellt werden; denn – das hat er gesagt, und da hat er Recht – Bayern mache gern Vorschriften, die nicht zwingend vorgeschrieben seien. – Wie eben die Meister der Bürokratie so sind.
Der erste und bislang einzige Vorschlag der CSU-Fraktion zur Verwaltungsvorschrift der Woche lautete damals: Vereinsmitglieder, die ehrenamtlich auf Sommerfesten – ich zitiere wörtlich – Brötchen – so etwas würde ich nicht sagen – oder Kuchen verkaufen wollen, sollen nicht mehr vom Gesundheitsamt über korrekte Handhabung von Lebensmitteln belehrt werden müssen. Das haben wir damals schon seit Jahren gefordert gehabt. Damals kam dann aber die Offensive des Kollegen Herrmann. Jetzt, ein gutes Jahr später, verkündet Kollege Herrmann stolz Vollzug. Auch Kollege Sackmann hat sich vorher noch damit gebrüstet. Ein Jahr später! Sie haben es geschafft, toll! Sie haben ein Jahr gebraucht, um diese Vorschrift abzuschaffen. Das fi nde ich wirklich super. Wir sind jetzt ganz beruhigt. Wir können jetzt endlich unsere Würstel grillen, und wir können auch unsere Brote schmieren. Ich bin froh, dass draußen mit Lande niemand auf diese Botschaft gewartet hat; denn die Leute wären inzwischen verhungert.
Die CSU-Fraktion ist aber trotzdem, genauso wie Minister Huber, von sich begeistert. Sie hat endlich eine Vorschrift geknackt – eine Vorschrift im Jahr! Das ist schon etwas! Das darf man nicht gering schätzen; denn noch im Juni letzten Jahres hat Kollege Herrmann einräumen müssen, dass die Regelungswut in Bayern ungebrochen ist. Was hat er gemacht? Er hat wieder angekündigt: Druck beim Bürokratieabbau. – Toll! Nicht nur die Behörden, auch die Inhalte müssten Gegenstand der Reform sein. Jetzt, wieder geraume Zeit später, haben Minister Erwin Huber und Fraktionschef Herrmann unisono angekündigt: Bis zum
Ende der Legislaturperiode soll ein Drittel der Vorschriften weg. Eine Vorschrift pro Jahr – wie lange, glauben Sie, dauert die Legislaturperiode?
Nachdem Sie mit dem Kampf gegen die weiß-blaue Gesetzesmaschinerie schon so erfolgreich waren, frage ich Sie: Wie weit sind Sie denn mit den angekündigten Reformen der Behörden? Schon in seiner Regierungserklärung vom November 2003 hatte der Ministerpräsident entschlossen ein konsequentes Vorgehen angekündigt. Wir werden die nötigen Entscheidungen im Jahr 2004 treffen, hat er ganz entschlossen gesagt. Minister Huber hat kurze Zeit darauf den Zeitplan für die Verwaltungsreform im Jahr 2004 präzisiert. Ich zitiere: Bis zur Sommerpause sollen alle Grundsatzentscheidungen gefallen sein – im Februar 2004 zur Forstreform, im März zur Landesplanung, im April zur Landwirtschaft, im Mai zu den Landesämtern, im Juni zur Schulreform, im Juli zur Polizeireform, im Juli zum Gesamtkonzept inklusive der Sonderbehörden. Nach der Sommerpause, hat er erklärt, wollen wir mit der Umsetzung beginnen.
Herr Minister Huber, von diesem Zeitplan ist nicht mehr viel übrig. Man hätte vorher die Frösche fragen sollen, dann wäre es vielleicht leichter und schneller gegangen. Von den selbst gesetzten Zielen, Herr Minister Huber, ist nicht mehr allzu viel übrig; denn die so genannten Reformen, die Sie bisher halbwegs in Gestalt gebracht haben, haben mit den von Ihnen ursprünglich erklärten Zielen nicht mehr viel zu tun. Sie hatten zu den Zielen und Leitvorstellungen des Projektes „Verwaltung 21“ einiges genannt, das auch unsere Zustimmung gefunden hätte. Sie wollten die einzelnen Reformvorhaben unter anderem an folgenden Leitvorstellungen orientieren – diese Leitvorstellungen wären nicht schlecht –, nämlich: Optimierung der Aufgabenerfüllung, Effi zienz- und Dienstleistungsorientierung, Erhöhung der Fachkompetenz durch Verschmelzung sachlich zusammenhängender Aufgaben, Steigerung der Effi zienz durch Zusammenfassung – nicht Auseinanderreißen – von Behörden und Aufgabenbereichen, Senkung der Kosten für Leitung, Straffung von Verfahren durch Abbau von Schnittstellen.
Das hört sich alles gut an. Wir haben diese Ziele auch begrüßt. Ich habe aber bei anderer Gelegenheit in diesem Hause leider schon ausführen müssen, dass das, was Sie dann gemacht haben, diesen Zielen in keiner Weise gerecht wird. Ich will dies auch nicht wiederholen, weil das Minister Huber sicher auch selbst weiß. Außerdem wird meine Kollegin Ruth Paulig später eine Bilanz zur Neuordnung des Landesamtes für Umweltschutz ziehen. Nur so viel vorweg: So wie Sie in den letzten eineinhalb Jahren vorgegangen sind, ist es kein Wunder, dass für die Menschen in Bayern das Wort Reform inzwischen zum Unwort der Legislaturperiode geworden ist. Sie haben immerhin schon selbst gespannt, dass Ihre bürgerunfreundlichen Ämterschließungen und Ihr Mehr an Zentralismus unpopulär sind. Deswegen hat uns Minister Huber vorhin Populismus vorgeworfen. Aus Ihrem Munde ist das ein Lob; für Sie war das noch nie ein Schimpfwort. Für uns es natürlich selbstverständlich, die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger ernst zu nehmen – für Sie nicht.
Sie tun das nicht. Das merken die Bürgerinnen und Bürger auch, und deshalb haben Sie bei der Januar-Umfrage, auf die sich heute auch schon einige berufen haben, drastische und dramatische Kompetenzverluste hinnehmen müssen. Sie müssen die Umfrage schon genau betrachten. Bisher haben Sie noch Glück gehabt, dass die meisten Menschen die unmittelbaren Auswirkungen Ihrer abstrusen Reformen noch nicht spüren. Das kommt aber noch. Dann können Sie sich auf Einiges gefasst machen; denn diejenigen, die von Ihren so genannten Reformen unmittelbar betroffen sind, die von Ihnen, Herr Minister, so titulierten Frösche haben schon reagiert. Bei den Beamtinnen und Beamten erreicht die CSU heute nur noch eine Zustimmung von 27 %.
Im letzten Juli lag diese Zustimmung noch bei 38 %. Bei der Landtagswahl – das will ich nicht verschweigen – lag diese Zustimmung noch bei 52 %. Hier geht es ziemlich bergab. Man sieht, Hubers Dialoge haben gefruchtet.
Lasst ihn weiterhin mit den Leuten reden. Das fi nde ich gut. Schickt ihn auf die Dörfer. Huber soll mit den Leuten reden. Einen besseren Bündnispartner haben wir überhaupt nicht.
Nicht nur die Beamtinnen und Beamten, auch der Städtetag kritisiert Ihr Projekt „Verwaltung 21“, weil dies bislang nur eine Ämterverlagerung sei. Der Vorsitzende Schaidinger sagt mit Recht, dass die Verwaltungsreform nur gelingen könne, wenn zuerst die Regelungen reduziert und vereinfacht würden und anschließend ein Personalabbau von der Spitze aus vorgenommen würde. Der nachhaltigste Beitrag zur Lichtung des Regulierungsdickichts seien weniger Ministerialbeamte, die sich weniger neue Vorschriften ausdenken könnten.
Im Kern geht es immer wieder um die Frage: Wozu brauchen wir den Staat? Der Ministerpräsident hat in seiner Regierungserklärung angekündigt – Herr Minister Huber, Sie haben das heute wiederholt –, den Staat auf das Wesentliche zu konzentrieren. Sie haben aber bis heute nicht gesagt, was das Wesentliche ist. Ich warte immer noch auf eine Antwort. Sie haben bis heute auch keine wirkliche Aufgabenkritik vorgelegt. Warum reformieren Sie überhaupt? – Das wissen Sie selbst nicht. Die Leute wissen es auch nicht.
Sie wollen Kosten sparen. Das ist nicht verkehrt. Sparen ist aber kein Selbstzweck. Wo wollen Sie hin? – Was wollen Sie für einen Staat? – Warum muss die Staatsverwaltung modernisiert werden? – Auf diese Fragen haben Sie bis heute keine Antwort gegeben.
Aus diesem Grunde können Sie die Menschen auch nicht überzeugen. Sie haben in der Regierungserklärung vom November vorletzten Jahres eine Aufgabenkritik und Aufgabenabbau angekündigt. Das haben Sie dann ständig wiederholt. Sie haben das jedoch nicht getan. Herr Minis
ter Huber, Sie wollten Mitte Juni letzten Jahres Ihre Ministerkollegen zwingen, ich zitiere, „in Zusammenarbeit mit der Staatskanzlei sämtliche Staatsausgaben in ihren Geschäftsbereichen zu überprüfen und dem Ministerrat Vorschläge zum Aufgabenabbau vorzulegen“.
Ihre Ministerkollegen haben Ihnen jedoch eine ordentliche Abfuhr erteilt. Ihre Kollegen waren „ziemlich aufgeschlossen“, wie Sie vorhin sagten. Sie haben lieber einen Arbeitskreis gegründet. Eine interministerielle Arbeitsgruppe aller Ministerien und der Staatskanzlei sollte bis zum Herbst letzten Jahres Kriterien vorlegen und anschließend konkrete Vorschläge erarbeiten. Das haben Sie damals angekündigt. Danach haben Sie uns auf dieses Jahr vertröstet. Jetzt vertrösten Sie uns wieder mit nichts sagenden Andeutungen.
Herr Minister, ich frage Sie, wie diese Vorschläge aussehen. Wie steht es zum Beispiel mit Ihren eigenen Vorschlägen in Bezug auf die Staatskanzlei? Dort tragen Sie Verantwortung. Dort gibt es eine Menge Möglichkeiten für Aufgabenkritik und Aufgabenabbau. Herr Kollege Sackmann, die Opposition hat dazu im Laufe der letzten Jahrzehnte jede Menge Vorschläge unterbreitet. Herr Minister Huber, haben Sie sich wenigstens selbst an Ihre Forderung gehalten und, ich zitiere, „Schätzungen der mit dem jeweiligen Aufgabenabbau einzusparenden Personal- und Sachmittel“ angegeben? – Sind Sie bei diesen, ich zitiere, „aufgabenbedingten Einsparvorgaben über die bis 2008 gesetzten Zielvorgaben hinaus gegangen“? – Wo sind Ihre Vorschläge zur Staatskanzlei? – Eine Reform muss an der Spitze beginnen, sonst wird sie nie beginnen. Weil Sie an der Spitze nicht vorbildlich vorangehen, fehlt es Ihnen an Glaubwürdigkeit und an Überzeugungskraft.
Jeder kann sehen, dass Sie sich vor den wirklich schwierigen, aber einzig vielversprechenden Aufgaben drücken. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, Sie haben nicht nur dafür gesorgt, dass Bayern unter den mit Abstand meisten Gesetzen und Verordnungen erstickt, Sie haben auch den größten Staatsapparat geschaffen. Wir leiden unter der größten Regelungswut, unter dem größten Kontrollapparat der Republik. Herr Staatsminister Huber, verschlanken Sie endlich den weiß-blauen Wasserkopf und reduzieren Sie die Ministerien an Zahl, Zuschnitt und Umfang.
(Dr. Otmar Bernhard (CSU): Das tun wir doch seit Jahren! Sie können das doch nicht ständig ignorieren!)
Stutzen Sie die Staatskanzlei auf ein demokratieverträgliches Maß. Dafür fi nden sie in Bayern sofort Zustimmung.
Um heiße Eisen machen Sie aber lieber einen großen Bogen. Deswegen drückt sich die Staatsregierung auch vor der Bezirksreform. Zunächst kommt der Knüppel aus dem Sack, der dann gleich wieder verschwindet. Es ist doch
absurd, dass Sie die kommunalen Spitzenverbände untereinander die Reformmöglichkeiten klären lassen wollen. Darüber hat der Gemeindetag geklagt. Eine Reform der Bezirke ist überfällig, sowohl der Bezirksregierungen als auch der Bezirkstage. Diese Reform muss die Staatsregierung vorlegen. Den Bezirksregierungen und den Bezirkstagen fehlen Demokratie, Transparenz und Legitimation. Herr Minister Huber, mit der Aufgabe einer Bezirksreform fühlen Sie sich aber offensichtlich überfordert. Sie schaffen es nicht einmal, die Schulverwaltung zu reformieren. Das hat nichts mehr mit dem zu tun, was der Ministerpräsident in der Regierungserklärung angekündigt hat. Werden Sie doch einmal präzise!