Im Gegenteil, Herr Kollege Weidenbusch. Ich gehe sogar davon aus, dass es dieser Pressemeldung des Bundesjustizministeriums nicht bedurft hätte und dass Frau Ministerin Merk von sich aus diese Frage gestellt hat
und von sich aus geprüft hat, ob in diesem Fall alles korrekt gemacht wurde. Davon dürfen wir ausgehen; so viel Vertrauen haben wir zu Ihnen.
Der zweite Satz, der eine Tabuüberschreitung darstellt, lautete – auch den muss ich wörtlich zitieren –: „Angesichts dieses schrecklichen Verbrechens gibt es ein Kartell von Mitschuldigen.“ – Ein Kartell von Mitschuldigen!
Das sollen die Mitglieder der Bundesregierung sein. Und so einer ist Kollege hier in diesem Hause, und Sie bringen nicht den Mut auf, so etwas zurückzuweisen! Das ist eine echte Enttäuschung.
Ich fi nde, das ist gezielte Verleumdung und übelste Demagogie, weil damit Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten und GRÜNE in die Nähe von Tätern von Schwerstverbrechen in diesem Land gerückt werden. Das ist unterste Schublade. So etwas zerstört den Zusammenhalt der Demokraten und macht eine sachliche Diskussion nur noch schwer möglich.
Das ist im Übrigen – und jetzt komme ich zur Sache – bewusst falsch; denn Sie haben ja heute einräumen müssen, dass weder wir noch Sie bis zu diesem bedauerlichen Mordfall diese Lücke in den bestehenden Gesetzen erkannt haben. Wir können doch nur Dinge blockieren – das werfen Sie uns vor –, die Sie wenigstens mal vorgeschlagen haben. Sie haben es aber nie vorgeschlagen, weil sie es, wie wir, selbst nicht erkannt haben. Kollege Schindler hat das wunderbar ausgeführt. Jetzt hat man die Lücke erkannt, und jetzt schließen wir sie.
Der Bayerische Ministerpräsident sagt, Herr Söder habe doch Recht. Wörtlich steht es in der „tz“ von heute: Herr Söder hat doch Recht. Er hat Recht damit, dass der Bundeskanzler mitschuldig an einem Mord an einem Kind ist. Das fi nde ich sehr bemerkenswert.
Ich fi nde es sehr bemerkenswert, dass sich der Bayerische Ministerpräsident zu einer solchen Äußerung hinreißen lässt. Sie, Herr Kollege Herrmann, haben zu meinem Bedauern gesagt, Herr Söder scheine dabei einen wunden Punkt bei der SPD und bei den GRÜNEN getroffen zu haben.
Glauben Sie wirklich, dass es ein wunder Punkt ist, wenn man sich dagegen wehrt, in die Nähe von Schwerverbrechern gerückt zu werden? Glauben Sie wirklich, dass das ein wunder Punkt ist? Ich fi nde, das ist eine Unverschämtheit, und das dürfen wir in diesem Hause nicht zulassen.
Nachdem das alles gezielt, überlegt und bewusst gemacht wird, darf ich zum Abschluss noch das zitieren, was der Leiter der Deutschen Rednerschule dazu sagt. Er sagt, die CSU versuche jetzt festzustellen, wie weit sie gehen dürfe, welchen Tabubruch sie noch begehen könne. Ich sage Ihnen: So weit können Sie nicht gehen. Ich prophezeie Ihnen auch, dass Ihnen das selber schaden wird.
Weiter wird gefragt, warum Herr Söder das eigentlich macht. Die Antwort lautet: Immer dann, wenn Sie in der Sache nicht weiterkommen, verschärfen Sie den Ton. Deswegen sollten wir in der Sache weiterkommen. Ich glaube, dass es einige Punkte gibt, in denen wir übereinstimmen. Das haben Sie auch bemerkt und – so habe ich Sie verstanden – auch gewürdigt. Ich kann Ihnen auch versichern, dass unser Vorschlag nicht aus heiterem Himmel kommt, sondern dass wir davon ausgehen, dass dieser Vorschlag auch vom Deutschen Bundestag und von der Bundesregierung so vertreten wird.
Sie sagen, er ist völlig unzureichend. Dann bitte ich Sie, in sachlicher Atmosphäre, aber nicht so, wie es in den letzten Tagen intoniert wurde, über den Wert des Jugendstrafrechts in aller Ruhe zu diskutieren.
Das Jugendstrafrecht hat schon auch seine guten Seiten. Sie sprechen von einem Siebzehneinhalbjährigen, Herr Kollege Herrmann. Das Jugendstrafrecht beginnt bei 14 Jahren. Wir müssen schon auch eine Lösung und einen Weg fi nden, der heranwachsenden und jugendlichen Menschen in dieser Gesellschaft gerecht wird. Wir glauben, dass unser Vorschlag für heute der richtige ist. Er bringt uns nach vorne, er bringt uns weiter. Er führt zu mehr Sicherheit in der Bevölkerung und zu einem besseren Schutz vor Gewaltverbrechen. Darum wollen wir Ihnen diesen Vorschlag unterbreiten
Herr Präsident, meine Herren und Damen! Ich habe Probleme mit einfachen Weltbildern und den daraus resultierenden einfachen Lösungen. Sie haben uns gesellschaftspolitisch, wie wir aus der Vergangenheit wissen, noch nie besonders weit gebracht. Erkenntnisse sind gut, aber sie müssen auf Tatsachen gründen, und sie dürfen nicht bloße Behauptungen sein. Bisher höre ich vonseiten der CSU und vonseiten der Staatsregierung erst einmal eine Reihe von Behauptungen, die durch Tatsachen nicht unbedingt gedeckt sind. Hier erwarte ich Aufklärung.
Erkenntnis heißt, dass man zu einer Einschätzung aufgrund von Wissen kommt. Herr Herrmann, ich frage Sie: Wissen Sie nicht, dass der Täter in diesem Fall eine vorsichtig positive Prognose hatte, sodass Sie also auch mit einer nachträglichen Sicherungsverwahrung unter Umständen große Probleme gehabt hätten?
(Ernst Weidenbusch (CSU): Das hatte er nicht! – Joachim Herrmann (CSU): Haben Sie unsere Äußerungen zu dem Thema Gutachter auch gelesen?)
Dazu komme ich noch. Keine Sorge, darauf gehe ich noch ein. Ich gehe auch auf die Halbwertszeit von Wissen ein. Wissen Sie eigentlich, dass das genau bei diesem Täter nicht unbedingt ansteht? Oder wollen Sie nicht wissen, ob es für diese Fälle doch notwendig wäre, eventuell auch noch andere Lösungen parat zu haben, wie zum Beispiel eine andere Unterbringung, eine weitere Therapierung, psychiatrische Behandlung oder was auch immer? Das wollen wir wissen.
Sie haben in Ihrer Pressemitteilung tatsächlich darauf abgestellt, dass man Gutachtern, die Fehlprognosen abgeben, in Zukunft keine Aufträge mehr geben soll. Das taucht Gott sei Dank in Ihrem Antrag nicht mehr auf. Ich möchte auch nicht weiter darauf eingehen; denn dieser Vorschlag war wirklich absurd. Was bringt er uns denn? Hätte der Gutachter eine positive Prognose abgegeben, die sich als falsch herausgestellt hätte, hätte es die Tat trotzdem gegeben, weil er draußen gewesen wäre. Dieser
Vorschlag ist deshalb absurd. Außerdem kann der Gutachter in einem anderen Fall wiederum richtig entscheiden.
Ich verstehe überhaupt nicht, wieso Fragenstellen bei Ihnen mit Verweigerung gleichgesetzt wird. Ich halte es für wichtig und richtig, dass wir Fragen stellen. Anscheinend ist es aber für Sie ein Problem, weil Sie Angst haben, dass irgendwelche Sachen ans Tageslicht kommen könnten, von denen man heute noch nicht weiß, ob es sie gibt. Anscheinend ist es so. Trotzdem sollten Sie unseren Aufklärungswillen ernst nehmen, auch wenn es für Sie persönlich ein Problem sein könnte.
Es ist überhaupt nicht nachzuvollziehen, dass das Suchen nach Lösungen für Sie als nicht rechtsstaatlich gilt. Das fi nde ich bemerkenswert: Lösungen suchen, ist für Sie nicht rechtsstaatlich. Wir handeln rechtsstaatlich, wenn wir das, was wir an Lösungen anbieten, auf eine solide, verfassungsrechtlich unbedenkliche rechtliche Grundlage stellen. Dafür sitzen wir auch hier. Wenn Sie aus anderen Gründen hier sitzen, ist es Ihre Sache. Wir werden diese Linie weiterfahren. Wir werden uns von Ihnen überhaupt nicht beeindrucken lassen, weil wir glauben, dass wir auf dem richtigen Weg sind, um wirklich echten Opferschutz zu betreiben und unsere Kinder tatsächlich zu schützen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein solcher Fall, wie wir ihn heute besprechen, ist selbstverständlich Anlass für das Justizministerium, intensiv das gesamte Vorgehen unserer Behörden zu analysieren. Er ist aber auch Anlass für uns, das strafrechtliche Instrumentarium auf seine Vollständigkeit zu überprüfen. Defi zite im behördlichen Handeln konnten wir nicht feststellen. Alle Verdächtigungen, die hier subkutan gestreut worden sind, muss ich sofort zurückweisen. Ich möchte Ihnen im Vorgriff sagen, dass Sie sich deswegen keine Sorgen machen müssen. Sie haben Fragen gestellt, die morgen beantwortet werden sollen. Sie haben auch den Termin bestimmt, zu dem Sie Antworten bekommen wollen. Ich werde Ihnen morgen sehr ausführlich auf Ihre Fragen das antworten, was wir recherchiert haben. Ich gehe davon aus, dass damit doch Einiges erledigt ist. Hier sollten wir aber keinen Grund haben, mit irgendwelchen Verdächtigungen zu operieren.
Lassen Sie mich kurz die Besonderheiten des Falles schildern. Ich glaube, es geht Ihnen auch um die Sache. Das haben Sie jedenfalls gesagt. Dazu muss man auch ein paar deutliche Worte sagen dürfen.
Sie wissen, dass Prinz zum Zeitpunkt des ersten Mordes 18 Jahre und zwei Monate alt war, dass er nach Jugendstrafrecht verurteilt worden ist und dass befasste Gutachter zu dem Ergebnis gekommen sind, er sei voll schuldfähig. Es gibt auch keinen Grund, an diesen Gutachtern herumzunörgeln.
Grausamkeit alleine muss nicht forensische Relevanz haben. Es werden Gutachter bestellt, die erfahren sind, die besonders qualifi ziert sind und die in Fachkreisen ein großes Renommee haben.