Protocol of the Session on February 16, 2005

den Rechtsradikalismus nicht verzichten wollen, hinzu. Denn wir sagen: Die bisherigen Antworten reichen nicht aus, sie greifen zu kurz.

Dass die Ausländer und ihre Existenz nicht schuld sind, ist auch daran zu ermessen, dass der Rechtsradikalismus, der Rechtsextremismus momentan für uns am meisten in Sachsen oder überhaupt im Osten in Erscheinung tritt, wo es in der Bundesrepublik bekanntlich am wenigsten Ausländer gibt. Vielleicht haben Sie das schon einmal recherchiert. Das ist eine Parallele zu der Zeit der Weimarer Republik, wo der Antisemitismus, wie wir aus Untersuchungen wissen, dort am stärksten war, wo am wenigsten Juden anzutreffen waren.

Solche Phänomene sind leicht zu erklären. Warum ist das nämlich so? Weil die Angst und die Orientierungslosigkeit schon vorher da waren, und da ist es natürlich am leichtesten, darauf zu projizieren, wo man sich am wenigsten auskennt. Wenn man also zu wenig Ausländer oder zu wenig Juden kennt, dann tut man sich natürlich leichter, die eigene Angst auf das Feindbild zu projizieren, als wenn man täglich produktiven Umgang mit Ausländern oder Juden hat. Deswegen ergibt sich ein solches Phänomen so einfach.

Dass Ausländer da sind, werden auch Sie, Frau Dodell, nicht ändern. Die Ausländer sind da. Wir leben in Europa. Es werden mehr werden, und zwar berechtigt. Wir müssen damit zurechtkommen, aber nicht nur wir, sondern auch unsere Kinder und Jugendlichen. Darauf müssen wir als Parlament vernünftige Antworten finden.

Deshalb unser Appell: Lassen Sie uns alles tun, was unsere Kinder stärkt, ihnen Orientierung gibt, was sie den Nutzen der Demokratie, die wir jetzt haben, erfahren lässt, und zwar ganz praktisch, auch in der Schule. Da fehlt es nämlich immer noch. Die Kinder erfahren den Nutzen der Demokratie nicht immer in erfreulicher Weise. Da können wir noch sehr viel tun, damit sie sich in dieser sich schnell ändernden Welt selber helfen können.

Wenn Sie unserem Antrag zustimmen, helfen Sie unseren Kindern und uns allen im Kampf gegen die Neonazis. Sie würden sich und uns ein gutes Werk tun.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Als Nächster hat Herr Kollege Kreuzer das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist ein schwieriges und ernstes Thema. Wir sind uns in diesem Hause sicher einig, dass wir alles tun müssen, rechtsradikalen Tendenzen von Anfang an entgegenzutreten, um Rechtsradikalismus zu verhindern. Rechtsradikalismus löst keine Probleme, sondern schafft sie. Der Rechtsradikalismus ist der Anfang vom Ende der Freiheit und mit der demokratischen Grundordnung nicht vereinbar. Somit ist es Pflicht aller Demokraten, dem entgegenzutreten, im Übrigen genauso, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie dem Linksextremismus.

Wenn ich die Debatte über Wahlergebnisse der letzten Zeit verfolge, dann besorgt mich natürlich sehr, dass wir in manchen Ländern rechtsradikale Tendenzen haben, aber in einem ganz hohen Maße auch linksradikale Tendenzen. Da denke ich an die PDS. Wenn man die beiden Werte der Wahlergebnisse zusammenzählt, kommt man insgesamt zu einem besorgniserregenden Ergebnis. Solches würde ich bei diesen Debatten gern auch von Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition, hören.

(Beifall bei der CSU)

Erstens. Man darf nicht auf einem Auge blind sein. Das waren wir in Bayern nie, auch nicht bei unserer Sicherheitspolitik. Schauen Sie sich die Verfassungsschutzberichte an! Welche Länder in Deutschland überprüfen denn radikale Parteien? Vergleichen Sie den bayerischen Verfassungsschutzbericht mit Verfassungsschutzberichten anderer Länder. Da kann teilweise von Null Aktivität gesprochen werden, weil ein wirksamer Verfassungsschutz überhaupt nicht mehr besteht. Das gilt in beiden Richtungen. Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen. Was gegen die genannten Tendenzen geschieht, unterstützen wir ausdrücklich. Aber auf einem Auge blind zu sein, über Wahlergebnisse in Ostdeutschland zu reden und über die PDS kein Wort zu erwähnen, dies, meine Damen und Herren, ist eine Einseitigkeit, die ich ablehne und die uns insgesamt große Probleme bereiten wird.

Meine zweite Bemerkung. Wer es mit der Absicht ernst meint, bei einem solchen Thema gemeinsam vorwärts zu kommen, sollte nicht solche Anträge stellen. Gestern Mittag war Einreichungsfrist. Da wurde ein Antrag mit 23 Einzelpunkten eingereicht. Über jeden Punkt muss und kann man diskutieren. Auf der anderen Seite stehen bei drei Dringlichkeitsanträgen den Fraktionen 15 Minuten Redezeit zur Verfügung. Wer es so macht, meine Damen und Herren, muss damit rechnen, dass keine Einigung erzielt werden kann. Dieses Thema ist für einen Dringlichkeitsantrag völlig ungeeignet.

(Beifall bei der CSU)

Das wissen Sie ganz genau; denn das haben wir vorher besprochen: Wer solche Anträge stellt, kann nicht mit Zustimmung rechnen, auch wenn man in Teilen übereinstimmt, weil es weite Teile gibt, wo die Sache diskutiert werden muss und wo andere Meinungen vorherrschen. Deswegen sollte man solche Themen nicht mit Dringlichkeitsanträgen behandeln, weil dies nicht erschöpfend diskutiert werden kann und die Problematik schwierig ist.

Drittens. Herr Kollege Dr. Rabenstein, was Sie sich geleistet haben, schlägt dem Fass den Boden aus. Hier der Kollegin Dodell vorzuwerfen, dass sie rechtsextremistischen Tendenzen Vorschub leistet, weil sie Probleme aufzeigt, die von den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Lande so gesehen werden, stellt die Sache auf den Kopf. Wir bekommen deswegen Schwierigkeiten, weil Sie nicht bereit sind, Probleme zu diskutieren und die Sorgen der Menschen aufzugreifen, sie entweder auszuräumen oder die Zustände zu ändern; aber sie zu verschweigen und denjenigen, die darauf hinweisen, dass Besorgnis in der Bevölkerung besteht, Rechtsextremismus zu unterstellen

oder der Unterstützung des Rechtsextremismus Vorschub zu leisten, das ist eine Unverschämtheit, und dies weise ich mit Entschiedenheit zurück, Herr Kollege.

(Beifall bei der CSU)

Wir werden uns sehr wohl den Problemen, die aufgezeigt worden sind, stellen müssen.

Herr Kollege Dr. Dürr, natürlich sind nicht die Ausländer am Rechtsextremismus schuld. Darin sind wir doch völlig einig. Aber wir müssen uns schon fragen, ob eine verfehlte Ausländerpolitik in diesem Lande über lange Jahre und Jahrzehnte diesen Tendenzen Vorschub geleistet hat.

(Beifall bei der CSU)

Wir haben eine Politik vor uns, die die Mehrheit der Bevölkerung in dieser Beziehung nicht mehr versteht. Das, was sich jetzt Joschka Fischer und Volmer geleistet haben, nämlich Hunderttausenden Visa zusätzlich zu ermöglichen, ist ein bodenloser Skandal; hiermit leisten Sie solchen Tendenzen Vorschub, und dies sollten wir in Zukunft gemeinsam vermeiden.

(Beifall bei der CSU)

Deswegen gehen Ihre Vorschläge nicht weit genug. Es ist richtig, dass in der Erziehung natürlich alles unternommen werden muss, um hier aufzuklären, sowohl junge Menschen als auch Kinder darüber aufzuklären, wie gefährlich Rechtsradikalismus ist, weil er keine Probleme löst. Aber damit alleine kommen wir nicht zurecht. Wenn wir die bestehenden Probleme wie Arbeitslosigkeit, die bestehenden Probleme in der Ausländerpolitik nicht gemeinsam lösen können, wenn wir es nicht erreichen können, dass uns wieder weite Teile der Bevölkerung verstehen, die Politik in diesem Lande verstehen, dann werden wir immer das Problem haben, dass sich ein Teil der Bevölkerung von den demokratischen Parteien abwendet und radikalen Parteien zuwendet. Dies müssen wir gemeinsam verhindern, durch Erziehung, ja, aber auch durch Lösen der Probleme in diesem Lande. Ich fordere Sie dazu auf, diese Probleme in unserem Lande gemeinsam zu lösen.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Herr Staatssekretär Freller.

Herr Präsident, Hohes Haus! Was sich am 21. Januar dieses Jahres in Dresden ereignet hat, ist eine Schande für Deutschland. Dass Abgeordnete der NPD sich dem Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus verweigert haben, ist in keiner Weise zu tolerieren. Es muss jeden Demokraten erschüttern, was hier geschehen ist. Deswegen ist es sicherlich wichtig, dass sich auch ein Parlament wie der Bayerische Landtag immer wieder damit befasst, wie beginnendem Rechtsextremismus Grenzen gesetzt werden können.

Zunächst ist deshalb durchaus auch ein Antrag mit dieser Zielsetzung von Ihrer Seite nichts Schlechtes. Nur drei Punkte gefallen mir nicht. Erster Punkt: Es wird mit diesem Antrag der Eindruck erweckt, als ob in Bayern zu wenig geschähe, um den Rechtsextremismus abzuwenden. Ich behaupte, es gibt kaum ein Bundesland, wo so viel geschieht wie hier bei uns in Bayern.

(Beifall bei der CSU – Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Es langt aber offenbar nicht! -Margarete Bause (GRÜNE): Das ist Selbstgerechtigkeit!)

Das hat nichts mit Selbstgerechtigkeit zu tun. Ich werde alles belegen, aber ich werde die Vorwürfe nicht stehen lassen, die von den Rednern der SPD und den GRÜNEN hier erhoben wurden.

Das Zweite, was mir nicht gefällt, sind die Vorwürfe gegenüber bestimmten Bevölkerungskreisen und vor allem auch gegenüber den Eltern in Bayern. Das möchte ich schon deutlich herausarbeiten. Man muss diesen Antrag wirklich Satz für Satz lesen, um zu erkennen, was sich darin an unterschiedlichen Aussagen verbirgt.

Dritter Punkt: Mir hat die Art und Weise nicht gefallen, wie von Ihnen hier diskutiert worden ist. Es war nämlich nicht in Ordnung, was Sie vorhin gegen die Vorsitzende Dodell vorgebracht haben. Das ist einer Diskussion in diesem Hause zu diesem Thema nicht würdig. Dies sei an dieser Stelle auch in aller Klarheit gesagt. Ich unterstelle niemandem in diesem Raum, dass er nicht guten Willens ist zu tun, was nötig und was machbar ist, um Rechtsextremismus abzuwehren. Darum halte ich es für eine Unverschämtheit, wenn man mit dieser Formulierung einer Kollegin in diesem Hause abspricht, das Beste zu wollen. Ich kenne Renate Dodell und weiß, an wie vielen Anträgen sie mitgewirkt hat, und ich weiß, wie aktiv sie eingetreten ist an vielen Stellen, um Rechtsextremismus vorzubeugen durch eine vernünftige Familienpolitik, durch eine sinnvolle Bildungspolitik, durch eine sinnvolle politische Bildung in diesem Lande. Ich zähle Ihnen das gerne auf, diese Zeit nehme ich mir. Das Thema ist zu ernst und zu wichtig, als dass wir mit diesem Dringlichkeitsantrag zu schnell zur Tagesordnung übergehen könnten.

(Beifall bei der CSU)

Ich bin überzeugt, allein zum vorschulischen Bereich könnte Frau Ministerin Stewens genügend sagen; denn dort gibt es eine Fülle von Initiativen, von konkreter Arbeit in den Kindergärten.

Meine Damen und Herren, was ist Rechtsextremismus im eigentliche Sinne? Es wird anderes Leben abgewertet bzw. es wird Leben abgewertet, das einem anders erscheint, ob es behindertes Leben ist, oder das Leben eines Ausländers. Andere sind schlechter. Das ist der Grundgedanke des Rechtsextremismus: die Abwertung anderer Personengruppen und Menschengruppen. Dem, meine Damen und Herren muss man gegensteuern. Übrigens ist die beste Abwehr ein christliches Menschenbild. Das ist meine feste Überzeugung, weil ein christliches Menschenbild die Gleichwertigkeit des anderen in ihrer Gänze ernst und wahrnimmt und weil es dann völlig

gleichgültig ist, welche Hautfarbe einer hat, ob er behindert ist, ob er alt ist, ob er vielleicht geistig nicht auf der Höhe ist. In jedem Menschen steckt das Ebenbild Gottes, das ist die christliche Lehre. – –

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Das ist aber neu, das habt Ihr noch nicht so lange, 100 Jahre vielleicht!)

Nein, mir ist das sehr wichtig, weil ich erlebe, welche Diskussionen wir in anderen Bereichen hatten, wo es um das Schulgebet oder um andere Themen ging. Ich kann mich noch erinnern, es ging schon einmal um das Schulgebet, so aktuell ist das nicht. Wir haben hierüber schon einmal eine ähnliche Diskussion gehabt. Da wurde vom Geist der Inquisition gesprochen. Ich stand hier am Rednerpult, es war ein Herr Abgeordneter Kurz aus Ihren Reihen, der mir vorgeworfen hat, ich würde den Geist der Inquisition heraufbeschwören, nur weil ich gesagt habe: Es tut gut, wenn man sich in den ersten Minuten eines Tages etwas sammelt, egal welcher Religion man angehört, damit man sich darauf besinnt, dass man vielleicht nicht die letzte Instanz auf dieser Welt ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich würde mir erhoffen, dass Sie uns etwas unterstützen. Die Kreuzdiskussion will ich gar nicht bringen. Ich will die Diskussion nicht oberflächlich führen, denn das Thema ist mir viel zu ernst. Aber ich möchte schon eines auf den Punkt bringen: Wir müssen in der Erziehung eines jungen Menschen vor allem größten Wert auch darauf legen, dass ein Kind genauso akzeptiert ist, wenn es vielleicht ein bisschen „anders“ ist als man selber.

Ich bin aber der festen Überzeugung, dass hier von unseren Erzieherinnen außerordentlich gute Arbeit geleistet wird. Dieser Antrag enthält ein paar Passagen, die mir nicht gefallen, weil sie unterstellen, dass in unseren Kindergärten die Erzieherinnen und Pflegerinnen nicht in ausreichendem Maße die Kinder dazu erziehen, mit anderen Kindern gut umzugehen. Ich möchte mich bei den Erzieherinnen und Pflegerinnen ausdrücklich dafür bedanken, weil sie an unseren bayerischen Kindergärten wirklich Vorbildliches leisten, gerade in der interkulturellen Erziehung.

Nun komme ich zum Schulbereich. Natürlich ist es das Wichtigste, dass man sich verständigt und dass man sich versteht. So sehr ich den anderen achten und schätzen muss, auch wenn ich ihn nicht verstehe, so ist es doch viel leichter, wenn ich ihn verstehe. Das heißt, das Miteinander in einem Lande gelingt dann besser, wenn man in der gleichen Sprache kommunizieren kann. Darum meine ich, dass man einer Ausländerfeindlichkeit vorbeugen kann, wenn in einem Lande wenigstens mit einer Sprache kommuniziert wird, die alle verstehen, in diesem Falle logischerweise in der Landessprache.

Wir haben hier in Bayern viele Initiativen gestartet: Vorkurse Deutsch für Kinder vor der Einschulung, „Mama lernt Deutsch“, übrigens nicht finanziert von der Bundesregierung, nicht von Rot-Grün,

(Zurufe von den GRÜNEN)

sondern zu 45 % aus ESF-Mitteln, also vom Europäischen Sozialfonds, und zu 55 % aus Elternbeiträgen bzw. durch die Erwachsenenbildung. Dazu habe ich erst vor kurzem eine Falschmeldung von Ihrer Seite gelesen.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Wir haben Sprachlernklassen, wir haben einen Intensivkurs Deutsch als Zweitsprache, wir haben Übergangsklassen und Eingliederungsklassen, wir haben Förderunterricht und wir haben Deutsch als Zweitsprache. Es gibt nahezu kein anderes Land in Deutschland, das sich in dieser Intensität um ausländische Schülerinnen und Schüler bemüht.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Warum funktioniert dann nichts? Warum gibt es dann Probleme? – Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

Das sind Maßnahmen der Integration, und das ist die klare Abwehr auch rechtsradikaler Tendenzen, weil sonst möglicherweise ein Resonanzboden entstünde und wir die Entwicklung nicht mehr steuern könnten.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Sie müssen sich Folgendes vorstellen: Ich war vor drei Wochen auf einer großen Diskussion in Berlin; da ging es um den islamischen Glauben. Ich möchte das einmal erwähnen, damit man es auch hier in diesem Lande zur Kenntnis nimmt. Es gibt kein Bundesland, das in dieser Intensität in drei verschiedenen Formen islamischen Bürgern die Möglichkeit gibt, ihren Glauben in der Schule entsprechend zu erfahren. Wir haben die islamische Glaubensunterweisung in türkischer Sprache, wir haben sie in deutscher Sprache und wir haben den Islamunterricht. Meine Damen und Herren, Sie finden weit und breit kein einziges Land, das in dieser Intensität über 12 000 oder 13 000 Jugendlichen die Möglichkeit gibt, in ihrem Glauben zu lernen und zu leben.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Warum gibt es dann Probleme?)