Protocol of the Session on January 27, 2005

Der konsequente, schnelle Ausbau von Krippenplätzen zur flächendeckenden Versorgung wäre daher Pflicht und oberste Priorität. Es ist Zeit, in der Betreuung von Kleinkindern bis zu drei Jahren einen Paradigmenwechsel einzuleiten und diesen auch zu propagieren, etwa in der Form: Kinder in Krippen zu geben, ist gut; die Erziehungspartnerschaft zwischen Eltern und Erziehungseinrichtungen ist toll. Das hier existierende Rabenelternimage gehört in die Mottenkiste.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Eine kinderfreundliche Gesellschaft ist eine familienfreundliche, ist eine elternfreundliche Gesellschaft. Das Landeserziehungsgeld trägt hierzu zu wenig bei. Das Landeserziehungsgeld kostet nicht nur den Staat sehr viel Geld, sondern es erreicht das Ziel einer erhöhten Geburtenrate in unserer Gesellschaft nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es leistet keinen Beitrag zur dringenden Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. – Frau Ministerin, das hat nichts mit Familiensozialismus zu tun.

Es fördert faktisch eine Lebensplanung von Frauen am Herd, was in keiner Weise einem modernen Frauenbild entspricht.

(Beifall bei den GRÜNEN – Dr. Sepp Dürr (GRÜ- NE): Aufgemerkt, Frau Justizministerin!)

Wenn wir heute darüber jammern, dass über 40 % der Akademikerinnen kinderlos bleiben, dann hängt das sehr stark mit dieser falschen Förderung zusammen. Karriere und Kind lassen sich auch mit dem Landeserziehungsgeld nicht unter einen Hut bringen und so lassen sich Beruf und Familie nicht vereinbaren. Deshalb wollen wir die Mittel des Landeserziehungsgeldes für alle Kinder, Eltern und Familien in den Ausbau eines Krippennetzes stecken.

(Beifall bei den GRÜNEN)

„Mach nur einen Plan, sei ein großes Licht“, so fordert Brecht in einer Ballade von der Unzulänglichkeit des menschlichen Planens. Um in nicht sehr optimistischer Weise das Scheitern zu prognostizieren: Es droht in Bayern ein schöner und guter Plan – der bayerische Bildungs- und Erziehungsplan – an der Unzulänglichkeit der CSU zu scheitern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dass gerade dieser einer Brechtschen Ballade absichtlich und wissentlich folgt, ist der einzig amüsante Aspekt dabei. Auf das Bayerische Bildungs- und Betreuungsgesetz und seine Mängel gehe ich genauer in der Ersten Lesung ein. Die finanziellen Rahmenbedingungen, die ausreichen, um den Bildungs- und Erziehungsplan zu einem staubigen Dasein in der Schublade zu verdammen, werden schon im Einzelplan 10 festgelegt. Damit ist auch klar, was der wesentliche Zug für die angeblich moderne und neue Gestaltung der Betreuungslandschaft in Bayern ist. Es ist ein Sparmodell, das zu den schlimmsten Befürchtungen Anlass gibt. Frau Stewens, die Zukunft, in die Sie weisen, wollen wir GRÜNEN nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Durch die Kostenneutralität bei gleichzeitiger zusätzlicher Mitfinanzierung der Krippen und Horte bleibt auch bei sich ändernden Fördergrundsätzen kein Spielraum, ein wesentliches Problem zu beheben: Die Gruppen sind zu groß. Nach unserer Meinung und der Aussage von Experten ist das schon ein ausreichendes K.o.-Kriterium für den bayerischen Bildungs- und Erziehungsplan. Ausreichende Verfügungszeiten für das Personal, Raum für Elternarbeit oder Kapazitäten für eine Verbesserung der Zusammenarbeit mit der Grundschule werden schöne Träume bleiben. Wir investieren in exzellente Bildung auf internationalem Niveau – Regierungserklärung Stoiber. Es bleibt sein Geheimnis, wie er dieses Ziel mit dem Sparmodell KITA erreichen will. Wenn seine Rede nicht aus bloßen Worthülsen bestehen soll dann gilt es, mit dem bayerischen Bildungs- und Erziehungsplan die Bildungs- und Erziehungslandschaft mit frischem Leben und Inhalt zu füllen, was nur gelingt, wenn zukunftsweisend für die Kinder, Eltern und Familien ausreichend investiert wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dies gilt es, jetzt und hier in Bayern zu verwirklichen. Hic Bavaria, hic salta, Herr Stoiber.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Unterländer.

Herr Präsident, Frau Staatsministerin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich die Kritik, die Sie, Frau Kollegin Ackermann an der Tatsache geübt haben, dass bei uns als Erster ein Haushaltspolitiker gesprochen hat, zurückweisen. An dieser Kritik zeigt sich, dass Sie nicht verstanden haben, worum es geht, dass man nämlich die Gelder

zuerst erwirtschaften muss, bevor man sie ausgeben kann. Das ist die Maxime der CSU.

(Beifall bei der CSU)

Lassen Sie mich, sehr geehrter Herr Kollege Wahnschaffe und sehr geehrte Frau Kollegin Ackermann, nur kurz auf drei Bemerkungen Ihrerseits eingehen, bevor ich zu meinen eigentlichen Ausführungen komme:

Punkt eins – Blindengeld: Sie wissen, dass es zum Blindengeld insgesamt in Bezug auf die Menschen mit Behinderung ganz unterschiedliche Auffassungen gibt. Wir halten am Blindengeld fest und auch nach der Einschränkung im Nachtragshaushalt wird sich das Bayerische Blindengeld im bundesweiten Durchschnitt sehen lassen können, zumal gerade Kinder und Jugendliche in besonderer Weise einen Nutzen davon haben. Das muss man dabei berücksichtigen.

Punkt zwei – Insolvenzberatung: Ich denke, dass Sie einem grundlegenden Irrtum unterliegen, wenn Sie glauben, das Problem der Privatinsolvenzen – das hat auch die letzte Anhörung des sozialpolitischen Ausschusses gezeigt – ausschließlich mit der Insolvenzberatung lösen zu können. Vielmehr ist es notwendig, hierzu ein Gesamtkonzept zu entwickeln, das gerade auch die Privaten und die Selbständigen einbezieht. Nur dann ist ein umfassender Ansatz möglich.

(Zuruf des Abgeordneten Joachim Wahnschaffe (SPD))

Deswegen ist es notwendig, über dieses Thema weiter zu diskutieren und dabei nicht zu kurzsichtig zu argumentieren, wie Sie das gemacht haben.

Punkt drei – Kommunalentlastungsgesetz: In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, was die rotgrünen Kommunalpolitiker sagen. Der designierte Präsident des Deutschen Städtetages, der Münchner Oberbürgermeister Christian Ude, bekanntlich kein der CSU nahe stehender Politiker, hat darauf hingewiesen, dass er voll hinter dem Gesetzentwurf des KEG, den die Bayerische Staatsregierung in den Bundesrat eingebracht hat, steht. Sie müssen versuchen, mit einer Stimme zu sprechen, um in diesem Zusammenhang glaubwürdig zu bleiben.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Man muss einen Unterschied machen, ob er als Oberbürgermeister oder als Städtetagspräsident redet! – Karin Radermacher (SPD): Sie haben die Rollen durcheinander gebracht!)

Den Kommunen steht das Wasser bis zum Hals.

Selbst Wohlfahrtsverbände sind bereit, die Eigenbeteiligung von gut verdienenden Eltern zu akzeptieren. Deswegen ist hier die richtige Konsequenz gezogen worden. Das sollten Sie zur Kenntnis nehmen.

Die Aussprache zum Sozialhaushalt des Freistaats Bayern ist nicht nur Gelegenheit für eine zahlenmäßige Klarstel

lung des Einzelplanes 10, sondern gibt auch Gelegenheit zu einer grundsätzlichen Bestandsaufnahme, wie es um die Zukunft des sozialen Bayerns bestellt ist. In der Tat ist der Haushalt des bayerischen Sozialministeriums ein Haushalt, dessen Auswirkungen auf nahezu alle Bevölkerungsgruppen spürbar wird. So führen wir heute die Diskussion über die Zukunft des Sozialstaates. Dabei geht es für mich um eine klare Aussage: Es darf und kann nicht um das Ob des Sozialstaates, sondern nur um das Wie und seine Finanzierbarkeit gehen. Die Geschichte unseres Landes ist durch den sozialen Ausgleich zwischen finanziell Bessergestellten und sozial Schwächeren, zwischen Gesunden und Kranken, zwischen Beschäftigten und Arbeitslosen sowie zwischen Jung und Alt gekennzeichnet. Wer also glaubt, den gesamten Sozialstaat madig machen zu müssen, der hat auch nicht das richtige Konzept für die Zukunftsfähigkeit dieses Landes.

Die viel zitierte Krise muss endlich auch so begriffen werden, wie das Wort gerade im asiatischen Sprachraum verstanden wird: Die Krise ist eine Chance zur Verbesserung der gegenwärtigen Situation. Dies bedeutet aber auch, dass man sich den notwendigen Veränderungen nicht verschließt. Wenn ich Ihre Beiträge, meine Damen und Herren von der Opposition, betrachte, so stelle ich fest, dass Ihr Prinzip, was die Verbesserung der Situation betrifft, in erster Linie Verweigerungshaltung bedeutet. Ob es die Haushaltskonsolidierung, die nachweisbar gerade den Kindern und sozial Schwächeren zugute kommt, ob es notwendige soziale Strukturveränderungen in den Angeboten oder ob es Mehrforderungen im Haushalt betrifft: So kann man in Zukunft keine Politik betreiben.

Für mich steht fest, dass die Finanzierungskrise der öffentlichen Haushalte und der sozialen Sicherungssysteme als Chance zu notwendigen Strukturveränderungen und zu sozialpolitisch bedeutsamen konzeptionellen Weiterentwicklungen führen muss. Das Prinzip Nachhaltigkeit – Frau Staatsministerin Stewens hat es in ihrer Rede dargestellt –, das den Haushaltskonsolidierungskurs der Bayerischen Staatsregierung bestimmt, ist ein höchst sozialpolitisches Prinzip. Wer Schulden in den öffentlichen Haushalten ins Endlose treibt, veranlasst Zinssteigerungen auf dem Kapitalmarkt, die gerade zulasten der sozial Schwächeren gehen.

Nehmen Sie das bitte einmal zur Kenntnis. Wer die Tilgung der öffentlichen Verschuldung den künftigen Generationen überlässt, versündigt sich an der Zukunftsfähigkeit unserer Kinder und damit der gesamten künftigen Generationen.

(Beifall bei der CSU)

Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, dass wir dies alle als eine gemeinsame politische Grundlage und Basis verstehen. Natürlich waren gerade die Einsparungen im Nachtragshaushalt 2004 in der Sozialpolitik besonders schmerzvoll. Trotzdem darf ich als sozialpolitischer Sprecher der CSU-Landtagsfraktion der Staatsregierung und insbesondere der Sozialministerin Christa Stewens und ihrem Haus sowie dem Staatssekretär sehr herzlich dafür danken, dass sie die im Kabinett festgelegten Notwendigkeiten mit großem Fingerspitzengefühl umgesetzt haben.

Es ist eben kein sozialer Kahlschlag geworden, sondern es ist vielmehr ein differenzierter sozialpolitischer Kurs feststellbar. Dies haben im Übrigen auch die Verbände der freien Wohlfahrtspflege immer wieder festgestellt.

Erlauben Sie mir bei dieser Gelegenheit, ein Wort zu den Verbänden und Selbsthilfeorganisationen zu sagen. Auch wenn dies in der Öffentlichkeit manchmal unterschwellig kritisiert worden ist: Wir schätzen den konstruktiven Dialog und die Verantwortung, die die Wohlfahrtsverbände gerade in diesen Reformprozessen eingenommen haben. Sie sind im Übrigen weiter als die Landtagsopposition; denn sie wissen, dass Änderungen notwendig sind, und bringen sich zumindest zu einem großen Teil sehr konstruktiv ein.

Wir müssen auch sehen, dass der Einzelplan 10 eben nicht von überdurchschnittlich vielen freiwilligen Leistungen geprägt ist. Viele gesetzliche Ansprüche, die zu einem großen Teil auf Bundesrecht beruhen, sind abzuwickeln. Dazu sage ich: Der Einsparbeitrag des Einzelplans 10 muss weitestgehend erfüllt sein. Weitere Sonderleistungen und Einsparungen können aus der Sicht der Sozialpolitiker der CSU-Landtagsfraktion nicht in Betracht kommen. Notwendig ist aber insgesamt, das aus der Umwelt- und Naturschutzbewegung stammende Prinzip der Nachhaltigkeit zu einem Maßstab sozialpolitischen Handelns zu machen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir befinden uns in einem gravierenden gesellschafts- und damit sozialpolitischen Veränderungsprozess. Darauf muss parallel im Haushalt reagiert werden. Wir brauchen Maßstäbe für diesen Veränderungsprozess, die zum Teil schon bisher umgesetzt wurden, aber in Zukunft noch eine stärkere Rolle spielen müssen. Ich möchte insgesamt fünf Maßstäbe nennen, die von der Landespolitik berücksichtigt werden bzw. in künftigen Entscheidungen eine wichtige Rolle spielen müssen.

Erstens. Das soziale Bayern ist gekennzeichnet durch kleinteilige Strukturen und Netzwerke. In einem Flächenstaat werden Menschen am besten durch kleine, basisorientierte Einrichtungen erreicht, ob in der Pflege, der offenen Behindertenarbeit oder in der Selbsthilfe. Kleinteilige Strukturen sind zu erhalten, was auch in diesem Haushalt – nehmen wir das Beispiel der offenen Behindertenarbeit – gelungen ist. Das gilt im Übrigen auch für den neuen, weiter zu entwickelnden Ansatz des bürgerschaftlichen Engagements und der Vernetzung, die auf Landesebene erfolgt.

Zweitens. Bei allen Entscheidungen zu Strukturveränderungen müssen die Prävention und die Wirkung von Maßnahmen, die Folgekosten vermeiden helfen, bevorzugt gesehen werden.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Beispiel Schulsozialarbeit!)

So kann eine Beratung in einer Erziehungsberatungsstelle oder eine präventive Kinder- und Jugendhilfemaßnahme – ich denke zum Beispiel an das Programm „Jugendsozialarbeit an Schulen“, das Sie gerade angesprochen ha

ben – Kosten sparen helfen. Wir haben hier auch eine maßvolle Weiterentwicklung.

(Karin Radermacher (SPD): Sehr maßvoll, sieben Stellen in Bayern!)

Jeder Euro, den wir hier investieren, hilft, das Drei- und Vierfache zu sparen.

Drittens. In allen Strukturen ist eine Aufgabenüberprüfung erforderlich. Bei diesem Thema sollten Sie zuhören.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Sozialbericht!)

Es muss die Frage gestellt werden, ob es eine öffentliche Finanzierung jeder Beratung und jedes Projektes geben muss. Es ist die Frage, ob das Subsidiaritätsprinzip als wichtiger Baustein in unserer Gesellschaft berücksichtigt ist. Diesen schwierigen Prozess können wir uns alle miteinander nicht ersparen. Er darf allerdings nicht allein unter dem Gesichtspunkt der Einsparung realisiert werden.