Wenn Ihr Gesetzentwurf umgesetzt wird, wird er dazu führen, dass Betriebskindergärten und viele Kindergärten mit besonderen pädagogischen Ausrichtungen vor dem Aus stehen. Ich kann Ihnen nur ein Beispiel nennen. In meiner Heimatgemeinde haben wir aufgrund des Engagements vieler Eltern einen eingruppigen Waldkindergarten, für den Sie sich auch so einsetzen, eröffnet. In diesem Kindergarten sind natürlich auch Kinder aus benachbarten Kommunen. Künftig wird es für diesen Kindergarten Finanzprobleme geben. Der Kindergarten hat, weil er nur eingruppig ist, auch nicht die Möglichkeit, Geld einzusparen für Krankheitsausfälle. Auch dazu ist im Gesetz nichts geregelt. Insgesamt rechnet dieser Waldkindergarten damit, dass bei Umsetzung des Gesetzentwurfs pro Kind eine Erhöhung des Elternbeitrags um 150 Euro pro Monat erforderlich wäre, um das Defizit auszugleichen. Das wäre mehr als eine Verdoppelung des Elternbeitrags.
Ich sage voraus: Diesen Waldkindergarten in Leitershofen wird es nach Inkrafttreten Ihres Gesetzes nicht mehr geben. Das ist nur ein Fall. Wir haben im Landtag 17 000 Unterschriften überreicht bekommen. 150 Petitionen setzen sich für die Änderung dieses Gesetzentwurfes ein. Frau Stewens, Sie kennen die vielen Verlierer dieses Gesetzes, die vielen eingruppigen Kindergärten. Ich fordere Sie auf: Ändern Sie diesen Gesetzentwurf. Jetzt ist noch Zeit. Nutzen Sie die Chance! Machen Sie aus dem BayKiBiG kein BaySparG.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Hochverehrte Frau Kollegin Strohmayr, lassen Sie mich zunächst ganz kurz auf Ihre Ausführungen eingehen.
Sie sprechen im Zusammenhang mit dem Gesetzentwurf von Täuschung. Ich bitte Sie doch, einmal den Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Tagesbetreuungsausbaugesetz, der jetzt beschlossen werden soll, anzuschauen.
Darin wird ein Vorschlag gemacht, ohne dass eine finanziell realistische Grundlage dahinter steht. Da wird in der Sache entschieden, aber es wird kein Geld zur Verfügung gestellt. Das nenne ich Täuschung. Unser Vorhaben dagegen ist seriös finanziert.
(Dr. Simone Strohmayr (SPD): Der Bund kann doch gar kein Geld zur Verfügung stellen! – Joachim Wahnschaffe (SPD): Das Gesetz ist doch nur notwendig, weil unser Land nichts tut!)
Zur Kostenneutralität: Sie haben immer noch nicht begriffen, was die bayerischen Bürgerinnen und Bürger im Herbst des Jahres 2003 beschlossen haben. Sie haben die Einführung des Konnexitätsprinzips beschlossen nach dem Motto: Wer anschafft, zahlt.
Sie wissen genau, dass die kommunalen Spitzenverbände in der Vorphase noch stärker als das Parlament in das Gesetzgebungsverfahren einbezogen waren und dass es schwieriger Abstimmungsprozesse bedurfte und weiterhin bedarf, damit die Kommunen mit im Boot sind. Das gilt auch für das Parlament; ich komme darauf noch zu sprechen. In den Kommunen draußen beklagen Sie die finanzielle Situation der Kommunen. Hier aber sind Sie nicht bereit, die Kommunen mit ins Boot zu holen.
(Joachim Wahnschaffe (SPD): Hier geht es um Bildung! – Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Dafür muss man auch Geld ausgeben!)
Ihre Statistik über frühkindliche Einrichtungen beziehen Sie immer nur auf die Kinderkrippen. Sie wissen aber, dass das Spektrum wesentlich breiter ist.
(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Kinderkrippen haben Sie gesagt! – Dr. Simone Strohmayr (SPD): Sie beziehen doch jede Oma mit ein!)
Sie sprechen davon, dass wegen des Gesetzentwurfs Betriebskindergärten vor dem Ende stehen. Das begreife ich überhaupt nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren. Erst durch diesen Gesetzentwurf werden die Betriebskindergärten durch den völligen Paradigmenwechsel in die Fördervoraussetzungen einbezogen, soweit es die öffentliche Förderung anbelangt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das einheitliche Fördergesetz für alle Einrichtungen ist ein politisches Ziel, das seit vielen Jahren vertreten wird. Die beiden Kernstücke des Gesetzentwurfs sind der Bildungs- und Erziehungsplan und das neue Finanzierungssystem. Diese beiden Punkte sind intensiv diskutiert worden. Insbesondere die konfliktträchtige Diskussion über das künftige Finanzierungsmodell hat einen ergebnisoffenen Modellprozess enthalten, an dem alle Betroffenen beteiligt waren und weiterhin beteiligt sind. Ich bedauere es, dass Sie von der Landtagsopposition in Ihrer Haltung in der Diskussion in den vergangenen Wochen und Monaten in erster Linie eine Verunsicherung aller Beteiligten als Hauptabsicht hatten.
(Dr. Simone Strohmayr (SPD): Nein, wir haben über die Tatsachen aufgeklärt! 17 000 Unterschriften! – Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Wir haben die Wahrheit gesagt!)
Wir sollten alle versuchen, bei diesem wichtigen Gesetzentwurf an Verbesserungen zu arbeiten und nicht das Klima zu verschlechtern, wie Sie es hier versuchen.
Stattdessen ist es notwendig, die politischen Schwerpunkte des Ausbaus und der Flexibilisierung der Kinderbetreuung in Bayern in den Mittelpunkt der Diskussion zu rücken. Es wird einen Paradigmenwechsel geben, der die Kommunen zu konkreten Planungen für den bedarfsgerechten Ausbau verpflichtet und die Flexibilität in den einzelnen Einrichtungen wesentlich verstärkt. Dabei wird durch den Bildungs- und Erziehungsplan eine Qualitätssicherung ermöglicht. Der Gesetzentwurf ist kein Einsparmodell, da der Kostenrahmen sowohl für die Einrichtungen als auch für die Schaffung neuer Plätze erheblich ausgeweitet worden ist.
Wesentliche Diskussionspunkte im bisherigen Diskussionsprozess aber auch insbesondere bei den Gesetzesberatungen, die uns im Frühjahr bevorstehen, sind natürlich die Verankerung des Bildungs- und Erziehungsplanes, die Rahmenbedingungen für die Arbeit an der Ausführungsverordnung zu Gesetz, die Gewichtungsfaktoren für die kindbezogene Förderung, die Sonderregelung für die Landkindergärten und die Gestaltung der so genannten Gastkinderregelung, bei der es zwischen der Staatsregierung und den kommunalen Spitzenverbände noch intensive Beratungen gegeben hat, wie Sie wissen.
Zu berücksichtigen ist auch – ich habe das bereits angesprochen –, dass wir erstmals bei einem grundlegend neuen Gesetz das Beteiligungsverfahren im Rahmen der Umsetzung des Konnexitätsprinzips voll zu berücksichtigen haben. Diese Rahmenbedingungen werden sich auch auf die Beratungen im Parlament auswirken. Hierin ist das Prinzip der Kostenneutralität begründet.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie zitierten sehr häufig aus der letzten Landtagsanhörung, die sich mit dem Gesetzentwurf befasste, einen der namhaften Wissenschaftler, die am Bildungs- und Erziehungsplan mitgewirkt haben.
Eine kindbezogene Förderung, die keine gruppenbezogene Personalkostenerstattung mehr vorsieht, sondern kindbezogene Leistungspauschalen, erlaubt größere Flexibilität sowohl im Personaleinsatz als auch im pädagogischen Ansatz. Damit ist die kindbezogene Förderung im Grundsatz besser als eine objektbezogene Gruppenförderung geeignet, den Anforderungen des Bildungs- und Erziehungsplanes gerecht zu werden, da dieser zugrunde liegende Bildungsansatz genau den Gestaltungsspielraum der Umsetzung eines pädagogischen Ansatzes erfordert. Der Anstellungsschlüssel 1 : 12,5 ist insofern eine Verbesserung der Erzieher-Kind-Relation im Vergleich zur geltenden Rechtslage, die den Einsatz von nur 1,5 Kräften für bis zu 25 Kinder als Mindeststandard gestattet. Schließlich, das ist eine Anregung, die wir alle mit Nachdruck vertreten sollten: Bleiben die derzeit im Kindergartenbereich eingesetzten Mittel auch bei zurückgehenden Geburtenzahlen in diesem Bereich, dann ist die kindbezogene Förderung geeignet sicherzustellen, dass die Mittel dort eingesetzt werden, wo der Bedarf besteht und sich zudem erste Verbesserungen der Rahmenbedingungen erreichen lassen.
Diesen Bemerkungen ist in der Ersten Lesung des Gesetzentwurfes nichts mehr hinzuzufügen. Wir werden diesen Gesetzentwurf in den zuständigen Ausschüssen aufgrund des hohen Klärungs- und Diskussionsbedarfes intensiv beraten.
Herr Präsident, Frau Ministerin, meine Damen und Herren! Das Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz, wie es jetzt heißen soll, hätte eigentlich die Chance gehabt, ein wunderbares Gesetz zu werden, das auf die Anforderungen unserer Zeit eine Antwort findet, das auf die modernen Erziehungsprinzipien, auf die modernen Erkenntnisse eine adäquate Antwort
findet, das zukunftsweisend ist und das noch lange, lange für viele Kinder und viele Erzieherinnen eine Freude und Bereicherung ist. Leider, leider wurde diese Chance komplett vertan.
Dieses Gesetz zeigt jetzt schon so viele Mängel, dass sie aus allen Knopflöchern scheinen, und das ist sehr sehr bedauerlich. Ich will im Einzelnen auf die Mängel eingehen.
Zum einen sind die notwendigen Rahmenbedingungen, die geregelt werden müssen, damit ein Gesetz ein gutes Gesetz wird, nicht geregelt, sondern sollen anschließend in Verordnungen geregelt werden. Nicht geregelt ist die Gruppengröße. Nicht geregelt ist die Fachkraftquote. Nicht geregelt ist die Vor- und Nachbereitungszeit, und es gibt keine gesetzliche Verankerung der Bildungs- und Erziehungsziele des Bildungs- und Erziehungsplanes.
Ich habe große Befürchtungen in punkto Umsetzung des viel gepriesenen Bildungs- und Erziehungsplans. Wenn die Gruppen so groß bleiben – das ist nicht nur meine Meinung; darin werde ich in vielen Gesprächen mit Erzieherinnen bestärkt –, ist der Plan überhaupt nicht umzusetzen. Es fehlt an Zeit, es fehlt an Ausbildung, es fehlt an Kapazitäten, um diese Bildungs- und Erziehungsziele unseren Kindern näher zu bringen. Es wird also – das habe ich heute Morgen auch schon ausgeführt – unter Umständen ein Plan für die Schublade werden.
In diesem Gesetz sind Kinder mit erhöhtem Förderbedarf bei weitem nicht ausreichend berücksichtigt. Bei der Sprache wird auf Herkunft der Eltern abgehoben, nicht auf Sprachkompetenz. Kinder mit Entwicklungsverzögerungen, mit ADHS-Syndrom und Verhaltensauffälligkeiten sind nicht berücksichtigt. Das sind Mängel, die Kinder, Eltern und Erzieherinnen zu Verlierern bei diesem Gesetz machen. Gewinner bei diesem Gesetz sind die Kommunen. Sie haben die absolute Planungshoheit. Die Kommunen können bestimmen, ob ein Kindergarten kommt, indem sie den Bedarf feststellen. Der festgestellte Bedarf muss nicht dem tatsächlichen Bedarf entsprechen. Es kommt darauf an, wie die Kommune es einschätzt. In meiner Heimatgemeinde gab es einen wunderbaren integrativen Kindergarten, der auf Initiative von Eltern gegründet wurde. Die Kommune hat den Bedarf nicht festgestellt, er wurde nicht gefördert und musste schließen. Dieses Schicksal können noch viele Kindergärten in Zukunft haben.
Die Entscheidung über die Gastkinderregelung trifft auch die Kommune. Sie kann für ein Kind einen Platz bereitstellen. Ob dieser Platz für das Kind passt, ist eine ganz andere Frage. Vielleicht wollen die Eltern des Kindes die Betreuungszeiten gar nicht zu der angebotenen Uhrzeit. Da
Es gibt auch keine konzeptionelle Wahlfreiheit. Wenn ich mein Kind nicht in einen katholischen oder evangelischen Kindergarten schicken will, sondern in einen Waldorfkindergarten, kann ich das nicht tun, wenn die Kommune feststellt, dass der Bedarf gedeckt sei, auch wenn er möglicherweise nur für die Plätze, nicht aber für die Konzeption gedeckt ist. Das lässt das Gesetz offen.
Sie brüsten sich, dass Sie in punkto Wahlfreiheit das Gesetz verbessert hätten. Ich meine, Sie haben es verschlechtert; denn Sie haben eine zusätzliche Zuzahlungspflicht von 50 % des kommunalen Anteils für die Eltern eingearbeitet. Vielen Eltern fällt es nicht leicht, den Kindergartenbeitrag zu zahlen. Das können Sie mir glauben. Wenn sie zusätzlich die Hälfte der kommunalen Abgaben bezahlen müssen, ist das etwas zu viel.
Mit diesem Gesetz wird es Verlierereinrichtungen geben. Das ist keine Erfindung von mir, sondern das Staatsministerium gesteht das offen ein. Verlierereinrichtungen werden Kindergärten sein, die nur eine Gruppe haben, die klein sind. Es werden aber auch Kindergärten mit einem anderen Konzept sein. Die Staatsregierung ist sich dessen wohl bewusst. Sie hat im „Newsletter 9“ an alle Kindergärten geschrieben, dass es Verlierereinrichtungen geben werde. Damit nicht genug: Man weiß jetzt schon, dass die Erzieherinnen nicht genügend bezahlte Zeit zur Verfügung haben werden, um die Kinder ausreichend betreuen zu können. Deshalb macht die Staatsregierung den Vorschlag, dass die Erzieherinnen am Nachmittag in selbstständiger Nebentätigkeit – das ist die wörtliche Formulierung – die Kinder betreuen. Mir drängt sich der Verdacht auf, dass es sich um eine Scheinselbstständigkeit handeln soll.