Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie der Berichterstatter am Anfang zutreffend vorgetragen hat, stimmen wir heute über den Achten Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge ab. Insgesamt sind es sieben Staatsverträge inklusive des Jugendmedienschutzstaatsvertrages, des Mediendienste-Staatsvertrages und ähnlichem. Ich will mich auf die wesentlichen Punkte konzentrieren, die uns dazu bewogen haben, diesen Staatsvertrag abzulehnen.
Mit ihrer Korrektur der unabhängigen Empfehlung zur Rundfunkgebührenerhöhung haben sich die Ministerpräsidenten dem Vorwurf ausgesetzt, zu Zwecken der Programmlenkung und zu medienpolitischen Zielen in die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einzugreifen. Diese fahrlässige Verletzung des Gebots der Staatsferne für den Rundfunk kann schwerwiegende Folgen aus dem EU-Wettbewerbsrecht für die deutsche Medienlandschaft nach sich ziehen. Ich werde nachher noch einmal darauf eingehen.
Das gravierendste Problem aber, das mit dem Eingriff der Ministerpräsidenten in die verfassungsgemäße Staatsferne der Festlegung der Rundfunkgebühr stattgefunden hat, bringt uns dazu, diesen Antrag der Staatsregierung auf Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge abzulehnen. Wenn man nämlich in die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland hineinschaut, stellt man fest, dass die Entstehung unseres öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems geprägt ist von den negativen Erfahrungen der Weimarer Republik als Staatsrundfunk und dem Missbrauch als Propagandainstrument der Nazis. Briten und Amerikaner waren sich darin einig, im Nachkriegsdeutschland einen föderalen, demokratischen öffentlichen Rundfunk zu schaffen. Dieser Rundfunk sollte weder dem Staat oder den Parteien noch einzelnen gesellschaftlichen Gruppen gehören, sondern der Allgemeinheit. Er sollte deshalb durch Gebühren der Teilnehmer und Teilnehmerinnen finanziert werden und nicht privatwirtschaftlich oder staatlich. Er sollte durch Vertreterinnen und Vertreter der gesellschaftlichen Gruppen kontrolliert werden und nicht durch Regierungen und Parteien. Staatsferne, Pluralität, Föderalismus - das sollten die Garanten für umfassende und ausgewogene Information der Bürgerinnen und Bürger sein.
Warum erzähle ich das so ausführlich? - Weil ich glaube, dass diese Grundlage der Meinungsbildung neben der freien Marktwirtschaft und der Pressefreiheit ein entscheidender Faktor für die Demokratie in Deutschland war und ist und weil der hier zu beratende Rundfunkänderungsstaatsvertrag diese Grundlage infrage stellt. Im Grundgesetz Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 heißt es: „Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet.“
Wichtiger Baustein ist die Staatsferne bei der Gebührenfestsetzung, die das Bundesverfassungsgesetz 1994 ausdrücklich so festgelegt hat. Der Eingriff in die Programmhoheit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wird durch die Äußerung insbesondere des Ministerpräsidenten Stoiber bei den Medientagen deutlich, ARD und ZDF sollten gefälligst Sportrechte verkaufen, dann hätten sie schon 6 Cent Gebührenerhöhung gespart. Da wird ausdrücklich die Staatsferne infrage gestellt und der Eingriff in die Programmhoheit deutlich. Das Bundesverfassungsgericht hat 1994 aber ausdrücklich festgelegt, dass die Gebührenfestsetzung nicht im Zusammenhang mit Programminhalten diskutiert werden darf. Das also ist die Grundlage unserer Ablehnung.
Ein weiterer Bereich ist, dass dieser Achte Rundfunkänderungsstaatsvertrag den bayerischen Interessen schadet, ganz einfach deshalb, weil das Hotelprivileg damit für die bayerischen Hotelbesitzerinnen und Hotelbesitzer ab ei
ner Größe von 50 Betten verschärft wird, und diese dadurch über Gebühr benachteiligt werden, weil Bayern nun einmal ein Tourismusland ist und hier mehr Betten stehen als anderswo und deshalb der Freistaat Bayern besonders getroffen wird. Er schadet aber auch dem Freistaat Bayern, weil wir als einer der größten Medienstandorte oder sogar als der größte Medienstandort in Deutschland eine ganze Reihe von unabhängigen Produzenten haben. Da werden sich selbstverständlich die 54 Millionen Euro, die dem Bayerischen Rundfunk bei der Vergabe von Aufträgen an die freien Produzenten in den nächsten Jahren fehlen werden, widerspiegeln.
Sie glauben, mit dieser Regelung dem Privatfunk einen Gefallen zu tun. Dabei wird – Kollege Stockinger wird das nicht bestreiten können – auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk die Kreativität bei der Mittelbeschaffung ein sehr viel größeres Volumen annehmen. Dann werden wir noch mehr über Sponsoring reden, noch mehr über Werbung. Es wird versucht werden – durch Product Placement oder wodurch auch immer –, möglichst viele Mittel zu beschaffen, damit das Programm im öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht leidet. Ich darf daran erinnern, dass wir uns wohl einig darin sind, dass der bayerische Rundfunk eine Klammer auch für den Freistaat Bayern darstellt und dass wir eine gut ausgestattete öffentlich-rechtliche Rundfunklandschaft im dualen System haben wollen.
Ich darf noch einmal auf den Bereich Brüssel zu sprechen kommen, weil er bei dieser ganzen Thematik unterschätzt wird. Wir haben in Brüssel in diesem Jahr noch die Dienstleistungsrichtlinie zu verhandeln. In dieser Dienstleistungsrichtlinie werden zum Beispiel der öffentlich-rechtliche Rundfunk, auch der Film sowie Kultur verhandelt werden. Ende des Jahres soll ein Vorschlag gemacht werden, und jedes Argument, das der Staatsferne zuwiderläuft – und das tut man mit diesem Eingriff –, wird in Brüssel auf offene Ohren stoßen – dort verfolgt man das sehr genau –, wird uns in dieser Diskussion, die wir alle so nicht haben wollen, nämlich dass öffentlich-rechtlicher Rundfunk Ländersache bleibt, keinen Gefallen tun.
In diesem Zusammenhang verstehe ich nicht, dass man unsere Resolution, in Brüssel den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu stärken, nicht unterstützt hat. Leider ist diese Resolution, die den Landtag betroffen hätte und weniger die Staatregierung, von der Mehrheit im Ausschuss abgelehnt worden.
Innerhalb der Fernsehrichtlinie. Ich fand, sie war sehr behilflich. Aber ich gestehe gerne zu, dass nicht alle die Dimension der europäischen Problematik erkannt haben und dass nicht alle so differenziert in dem Thema zu Hause sind wie vielleicht Kollege Stockinger und ich.
Die Fernsehrichtlinie in Brüssel wird Fernsehen ohne Grenzen noch einmal beleuchten, auch unter dem Gesichtspunkt der Beihilfe. Im Spätherbst finden in Hong
kong die GATS-Verhandlungen statt, bei denen die 144 Teilnehmer der WTO-Staaten und der Europäischen Union das Thema unter dem Aspekt des Beihilferechts beleuchten werden. Wir haben die Klagen des VPRT, nicht zuletzt aus Bayern, angestoßen, die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk Online-Tätigkeiten verbieten wollen, die einige Spartenkanäle verbieten wollen und die auch daran arbeiten, unser duales System zuungunsten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu ändern.
In dieser schwierigen Situation, auch Brüssel betreffend, ist eben dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk ein Bärendienst erwiesen worden, indem man zum ersten Mal die Staatsferne infrage stellt und in die Gebührenfindung eingreift und dies jetzt auch noch in einem Halbsatz in den Änderungsstaatsvertrag hineingeschrieben hat, nämlich dass man auch unter Berücksichtigung gesamtwirtschaftlicher Entwicklungen und der Entwicklung der Haushalte der öffentlichen Hand Änderungen vornehmen kann. Hätte dies vorher dringestanden, dann hätte man darüber nachdenken können, ob es denn ein Recht gibt, einzugreifen. Aber einzugreifen und sich diese Änderungen nachträglich legitimieren zu lassen, das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist ein starkes Stück. Ich glaube, Sie haben die Problematik der Wolken, die sich über dem öffentlichrechtlichen Rundfunk insgesamt und insbesondere auch in Brüssel zusammenbrauen, noch nicht erkannt. Dafür spricht eben auch die Ablehnung der Resolution. Wenn Minister Huber gleich Stellung nimmt, dann hätte ich schon gerne gewusst, wie er sich in Zukunft die Eingriffe in die Gebührenfindung im öffentlich-rechtlichen Bereich vorstellt – das gibt eine gewisse Orientierung –, weil es selbstverständlich so ist, dass der Bayerische Ministerpräsident einer der wesentlichen Strippenzieher war bei der Änderung der KEF-Empfehlung. Da müssen selbstverständlich alle Ministerpräsidenten zustimmen. Da ist das Einigkeitsgebot, und wir haben uns sehr wohl und lange überlegt, wie wir mit dieser Problematik umgehen. Aber wenn wir in diesem Landtag die Mehrheit hätten, würde es auch einen anderen Ministerpräsidenten geben.
Dann würde es auch ein anderes Verhandlungsergebnis geben, und auf dieser Linie können wir sehr gut begründen, warum wir diesen Gesetzentwurf der Staatsregierung ablehnen.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wir haben bereits in der Ersten Lesung zu diesem Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag die wichtigsten Punkte angesprochen. Die Beratungen im Ausschuss haben diese Punkte vertieft. Wesentliche neue Punkte haben sich für mich in der Debatte nicht ergeben, zumindest keine, die unsere Ablehnung dieses Rundfunkänderungsstaatsvertrages begründen würden. Ich
Wir haben heute Morgen - darüber haben sich auf dieser Seite des Hauses einige mächtig echauffiert - bereits über Verfassungstreue, über Föderalismus und die Anerkennung der verfassungsrechtlichen Regelungen diskutiert und über die Grundsätze, die das Bundesverfassungsgericht gibt. Ich würde gerne einmal wissen, wie Sie das Verhalten des Ministerpräsidenten vor diesem Hintergrund bewerten; denn dieser hat hier ganz klar Verfassungsbruch begangen.
Er hat ganz klar gegen ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts verstoßen, das es schon gab. Er hat also noch nicht einmal in einer Rechtsunsicherheit gehandelt, so wie das bei dem Beispiel der Bundesministerin heute Morgen der Fall war. Es war ganz klar, dass es diesen Grundsatz gibt; Kollege Hufe hat das Urteil von 1994 bereits zitiert. Danach dürfen die Rundfunkgebühren nicht für Zwecke der Medienpolitik verwendet werden. Genau das aber hat der Ministerpräsident hier getan. Er hat das zwar nicht allein getan, aber das kann uns nicht trösten. Er war sicherlich der Wortführer unter den Ministerpräsidenten, die in dieser Richtung agiert haben. Sie haben das getan aus Gründen der eigenen Profilierung, und sie haben es zum großen Schaden des öffentlich-rechtlichen Rundfunks getan.
Sie haben dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk geschadet, und sie haben damit auch dem Medien- und Kulturstandort Bayern geschadet.
Ich möchte hier noch einmal an die Debatten erinnern, die wir auch im Zusammenhang mit den Gebühren geführt haben, die wir jetzt niedriger beschlossen haben: Es geht um den angedrohten Rückzug anderer Länder aus gemeinsam finanzierten Projekten oder Institutionen hier in Bayern. Es trifft im Übrigen nicht nur den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, sondern das trifft letztendlich auch die Privaten. Es geht um die Zerschlagung von Kulturinstitutionen, die, ohne mit der Wimper zu zucken, hingenommen wird. Auch das verrät die Haltung des Ministerpräsidenten. All dies hat zu einem Schaden geführt, der schon jetzt spürbar wird.
Der größere Schaden, der noch auf uns zukommen kann, das ist der, den Herr Kollege Hufe hier schon sehr breit dargestellt hat. Ich kann mich in dieser Hinsicht deshalb kurz fassen: Es geht um die Gefahr, die uns aufgrund dieses Handelns und aufgrund der Instrumentalisierung via Brüssel und Wettbewerbsrecht droht. Ich hoffe nur, wir können das noch einmal abbiegen. Andernfalls wäre sonst tatsächlich die Errungenschaft, die wir mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben, aufgrund dieser Politik zerschlagen.
Die Gebührenfrage allein wäre also schon Grund genug für uns gewesen, diesen Rundfunkänderungsstaatsvertrag abzulehnen. Es gibt aber noch zwei weitere Gründe, die sich für uns noch verfestigt haben. Das ist zum einen
die Gebühr auf Internet-PCs. Die kann ich nun keineswegs so harmlos sehen, wie Sie das tun, Herr Kollege Dr. Stockinger. Es tröstet mich auch nicht, wenn es hier noch Übergangsregelungen gibt und Regelungen, mit denen Geschäftsleute sicherlich gut leben können. Ich habe hier eine ganz andere Gruppe von Leuten im Blick, die es auch gibt, auch wenn es nicht viele sind. Ich glaube aber, es wird sie immer geben. Das sind Leute, die bewusst keinen Fernsehen und kein Radio haben, aber einen internetfähigen Computer.
So einfach können wir uns das aber nicht machen. Ich denke, auch für diese Gruppe von Leuten müssen wir Regelungen finden. Wir müssen in der Frage von Gebühren für Internet-PCs ganz andere, neue Wege gehen und überlegen, ob wir in einer neuen Regelung der Gebührenfrage zu einer Medienabgabe kommen, von der man sich gegebenenfalls auch befreien lassen kann, wenn man nachweist, dass man diese Angebote nicht nutzt und den Computer nur als solchen verwendet.
Der dritte Punkt ist noch nicht angesprochen worden, aber für uns ist er ein sehr schwerwiegender Aspekt. Ich bin eigentlich ganz froh, dass wir jetzt darüber reden. Die anderen Bundesländer werden ihre Zweiten Lesungen erst im Februar oder im März durchführen. Wir sind wohl die Ersten, die bereits die Zweite Lesung abschließen. Es geht um das Datenschutzproblem. Auch das ist Inhalt dieses Rundfunkänderungsstaatsvertrages. Wenn Sie heute Morgen die „Süddeutsche Zeitung“ gelesen haben, dann haben Sie gesehen, was auf der Titelseite stand: Mit diesem Staatsvertrag soll eine Praxis der GEZ legalisiert werden, die wir aus datenschutzrechtlichen Gründen für äußerst bedenklich halten. Die GEZ soll sich in Zukunft Adressen aus dem kommerziellen Adresshandel beschaffen dürfen, um ihre Dateien abzugleichen und sie für flächendeckende Mailing-Aktionen zu nutzen. Vor diesem Hintergrund und aufgrund dessen, dass die Datenschutzbeauftragten bereits seit Jahren die regelmäßige Übermittlung von Meldedaten an die Rundfunkanstalten kritisiert haben, lehnen wir diese Legalisierung und diese Ausweitung der Befugnisse der GEZ ab.
Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen aus den Fraktionen vor. Das Wort hat Herr Staatsminister Huber.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zuerst möchte ich mich für die zügige Beratung in den Ausschüssen bedanken.
Frau Kollegin Gote hat gerade gesagt, der Ministerpräsident hätte Verfassungsbruch begangen. Das muss ich in aller Deutlichkeit zurückweisen.
Ich halte das nicht für die gebotene Form der politischen Auseinandersetzung. Das ist eine Verwilderung der politischen Kultur, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CSU – Widerspruch bei der SPD und bei den GRÜNEN – Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Das tun oder das sagen doch Sie! – Hans Joachim Werner (SPD): Seid doch nicht so empfindlich! – Anhaltende Unruhe – Glocke des Präsidenten)
Wie Sie wissen, ist dieser Staatsvertrag von allen 16 Ministerpräsidenten unterschrieben worden. Deshalb müssten sich die Kollegen der SPD über Ihren Vorwurf aufregen; denn im Grunde trifft der Vorwurf der GRÜNEN auch die SPD-Ministerpräsidenten.
Sie müssten mir eigentlich zustimmen, wenn ich sage: Das ist eine Verwilderung der politischen Kultur. Die GRÜNEN können auf hoher Kultur doch gar nicht diskutieren.