Der Anteil der Investitionen am Staatshaushalt 1971 war doppelt so hoch, wie er heuer ist. Damals waren es 24 %, heute sind es 12,4 %. Noch schlimmer ist, dass Sie die Investitionszuschüsse für die Gebietskörperschaften, die am allermeisten in diesem Lande investieren – die Kommunen – immer wieder zusammenstreichen. Sie sagen – diese Aussage fällt immer wieder –, der Leistungsabbau des Staates, die Kürzungen im Sozialbereich und der Rückgang der Investitionen seien erforderlich, um einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, was im Interesse der jungen Menschen und der kommenden Generationen sei. Ich sage: Wir verbauen unseren Kindern die Zukunftschancen, wenn wir heute die notwendigen Investitionen für morgen und übermorgen versäumen.
Politik für die Zukunft ist nicht Zwangssparen, sondern Investieren. Politik für die Zukunft ist nicht, den Familien heute Kindertagesstätten, Betreuungseinrichtungen und Ganztagsschulen vorzuenthalten und damit die Erwerbs
tätigkeit von Müttern und Vätern zu beeinträchtigen. Politik für die Zukunft ist nicht, auf die Rückkehr zur Atomenergie zu setzen,
anstatt endlich in erneuerbare Energien zu investieren. Politik für die Zukunft ist nicht, soziale Leistungen zu streichen und bei der Prävention zu sparen, um später nach einigen Jahren für die Reparatur der entstandenen Schäden das Doppelte und Dreifache ausgeben zu müssen.
Politik für die Zukunft ist nicht, bei der Bildung zu sparen. Im Gegenteil, Politik für die Zukunft heißt, bei der Bildung zu investieren. Nur wer bei der Kinderbetreuung, der Ausbildung, den Hochschulen, der Prävention und den Investitionen heute einsteigt und mehr tut, verbessert die Zukunftschancen der Jugend und der kommenden Generation.
Meine Damen und Herren, schauen wir zunächst auf das Jahr 2004. Hier ist einiges schief gelaufen im Freistaat Bayern. Das ist nicht einmal mehr den Mitgliedern der CSU-Fraktion verborgen geblieben. Viele von denjenigen, die Sie heute vor den Augen der Öffentlichkeit lautstark beklatscht haben, äußern sich hinter vorgehaltener Hand oder im Hintergrundgespräch ganz anders und schütteln den Kopf über das, was in diesem Jahr passiert ist. Der Bayerische Ministerpräsident erklärte heute hier, die Staatsregierung halte ihre Wahlversprechen.
Sie haben vor der Landtagswahl 2003 den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in Bayern versprochen, dass es zu keiner Arbeitszeitverlängerung und zu keiner 42-Stunden-Woche kommt. Das haben Sie versprochen.
Dieses Versprechen haben Sie gebrochen. Der Vorsitzende des Bayerischen Beamtenbundes sagte zu Ihrem Satz, Sie hielten Ihre Wahlversprechen, Folgendes:
Was Herr Stoiber getan hat, ist glatter Wortbruch. Anscheinend leidet Stoiber jetzt unter Gedächtnisschwund.
So der Vorsitzende des Bayerischen Beamtenbundes. Dem Vorsitzenden des Bayerischen Philologenverbandes haben Sie vor der Landtagswahl in die Hand versprochen, dass eine Verkürzung der gymnasialen Schulzeit nicht angedacht werde. Nach der Landtagswahl haben Sie das Versprechen ebenfalls gebrochen, das achtjährige Gym
nasium überstürzt, planlos und ohne Vorbereitung auf dem Rücken der Kinder und der Lehrer an unseren Schulen durchgesetzt.
Vor der Landtagswahl – so viel auch zu Ihren eingehaltenen Versprechen – haben Sie den bayerischen Polizeibeamten wörtlich erklärt, es sei Ihnen ein echtes Herzensanliegen, die finanzielle und die soziale Situation der Polizei in Bayern zu verbessern. Nach der Landtagswahl haben Sie Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld gekürzt und die Arbeitszeit verlängert, und jetzt werden ihnen auch noch Stellen genommen.
Sehr geehrter Herr Minister Huber, alleine die Münchner Polizei wird in diesem, im nächsten und im übernächsten Jahr 250 Stellen einbüßen – allein das Polizeipräsidium München hat 250 Stellen weniger. Schade, dass Staatsminister Dr. Beckstein nicht da ist. Ich hätte gerne gehört, wie er das als guten Beitrag für mehr innere Sicherheit erklärt hätte.
Die Hochschulen mussten erhebliche Kürzungen in diesem Jahr verkraften. Ihre bauliche Situation ist zum Teil bemitleidenswert. Sie haben gekürzt bei Volkshochschulen, in der Erwachsenenbildung, bei der Sportförderung, beim Bayerischen Jugendring, bei sozialen Einrichtungen und bei sozialen Dienstleistungen. Zu diesen Kürzungen im sozialen Bereich sagten Sie heute, die Opposition in Bayern polemisiere.
Deswegen zitiere ich jetzt nicht die Worte der Opposition in Bayern, Herr Ministerpräsident, sondern ich halte Ihnen vor, was der Präsident des Diakonischen Werkes, Herr Dr. Markert, dazu sagt. Er sagt wörtlich:
Die Streichungen der Bayerischen Staatsregierung gefährden das soziale Bayern. Das geht nicht zugunsten, sondern zulasten kommender Generationen.
Ich darf außerdem noch die Präsidentin des Bayerischen Roten Kreuzes Prinzessin von Thurn und Taxis zitieren. Weil Sie uns Polemik vorwerfen, lassen wir die Präsidentin des Bayerischen Roten Kreuzes sprechen. Herr Sackmann ist leider nicht im Saal. Vielleicht sieht er es als Vizepräsident des Bayerischen Roten Kreuzes genauso. Das hätte ich gerne gehört. Die Präsidentin sagte zu Ihnen wörtlich, Herr Ministerpräsident – darf ich zitieren?
Ich sage Ihnen ein weiteres Originalzitat der Präsidentin des Bayerischen Roten Kreuzes, Christa von Thurn und
Taxis, in der „Mainpost“ vom Juli 2004: „Das Einzelschicksal der Menschen in Bayern interessiert den Ministerpräsidenten offenbar nicht mehr.“ – Ein Originalzitat.
Vielleicht sollten Sie, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, einmal weniger mit Gloria von Thurn und Taxis sprechen und einmal mehr mit Christa von Thurn und Taxis! Das würde uns vielleicht weiterbringen.
Dann haben Sie Ihre Leistungen für die Kommunen gelobt. Allein im Jahr 2004 summieren sich die Kürzungen bei den Investitionszuschüssen an die Kommunen auf 550 Millionen Euro: minus 160 Millionen Euro bei der Krankenhausfinanzierung, minus 130 Millionen Euro beim Schulhausbau, minus 80 Millionen Euro beim kommunalen Straßenbau, minus 138 Millionen Euro bei der Abwasserentsorgung, minus 45 Millionen Euro beim öffentlichen Personennahverkehr. All diese Kürzungen – und damit sind wir beim vorliegenden Doppelhaushalt – haben Sie im Haushalt 2005/2006 nicht korrigiert, nicht zurückgenommen, sondern für alle Zukunft so fortgeschrieben. Der bayerische Finanzminister spielt das Finanzgenie und lässt gleichzeitig die Stadtkämmerer jeglicher Couleur am ausgestreckten Arm draußen verhungern.
Dann hält er ihnen vor, dass er ein großer Haushaltskünstler und –sanierer sei, während die Stadtkämmerer draußen zu unfähig seien, um einen genehmigungsfähigen Haushalt vorzulegen. Das ist keine verlässliche Politik zugunsten der Kommunen in Bayern, wie Sie es hier dargestellt haben.
Ich habe mich schon darüber gewundert, dass Sie hier positiv anmerken, dass sich die Einnahmesituation der Kommunen in Bayern deutlich verbessert hat. Das stimmt. Das ist deswegen richtig, Herr Ministerpräsident, weil sich die Gewerbesteuereinnahmen erfreulicherweise durch das Handeln des Bundesgesetzgebers in diesem Jahr endlich wieder verbessert haben.
(Beifall bei der SPD – Ministerpräsident Dr. Stoi- ber: Auf Vorschlag Bayerns! – Johanna Werner- Muggendorfer (SPD): Sie wollten sie doch abschaffen!)
Wir können das gerne diskutieren, Herr Dr. Stoiber. Die Einnahmen aus der Gewerbesteuer für die Kommunen haben sich in diesem Jahr erfreulicherweise wieder verbessert, weil wir einen Mindeststeuersatz auf entstandene Gewinne in Höhe von 40 % eingeführt haben. Wir wollten mehr. Sie haben leider nur 40 % zugestanden bei diesen Auseinandersetzungen.
Aber jetzt kommt’s, Herr Ministerpräsident: Dass Sie sich eine Steigerung der Einnahmen bei der Gewerbesteuer auf Ihre Fahnen schreiben wollen, ist schon die Höhe: Sie wollen die Gewerbesteuer abschaffen, das ist doch die Wahrheit.
Sie haben doch in Ihr Parteiprogramm expressis verbis geschrieben: „Wir wollen eine Abschaffung der Gewerbesteuer“, und Sie haben nicht dazugesagt, was Sie den Kommunen anstelle der Gewerbesteuer bieten wollen.
Die Einnahmen aus der Gewerbesteuer sind in diesem Jahr 25 Milliarden Euro! Was wollen Sie denn den Kommunen anstelle dessen geben? Eine Abschaffung der Gewerbesteuer wäre doch in Wahrheit der Todesstoß für die Städte und Gemeinden in unserem Land.