Protocol of the Session on November 30, 2004

Lassen Sie mich Ihnen ganz kurz schildern, was letztendlich der Hintergrund der Prämie ist. Angesichts der Ausgaben in der GKV sind Durchschnittsausgaben pro Kopf errechnet worden.

(Zuruf des Abgeordneten Joachim Wahnschaffe (SPD))

Herr Kollege Wahnschaffe, wenn jetzt der Sachverständigenrat den Vorschlag gemacht hat, eine höhere Prämie zu nehmen, dann nur deswegen, weil er die Kinderprämie in die Erwachsenenprämie eingerechnet hat. Sie sollten sich intensiver mit den Modellen auseinandersetzen; Sie sollten sich intensiver mit den einzelnen Vorschlägen auseinandersetzen.

Wir haben im Moment einen einkommensbezogenen Beitrag. In der AOK befinden sich beispielsweise Niedrigverdiener, die höhere Krankheitsrisiken haben. Dieses Risiko wird dann über den Risikostrukturausgleich innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherungen ausgeglichen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Risikostrukturausgleich befinden sich mittlerweile 16 Milliarden Euro. 16 Milliarden Euro – das ist mehr als im Länderfinanzausgleich. Das bedeutet, dass ungeheuere Mengen an Finanzmitteln völlig vorbei an jeglicher demokratischer Kontrolle verteilt werden. Wir haben auch den Wettbewerb innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherungen um Besserverdienende mit einem niedrigeren Krankheitsrisiko. Die Prämie bereinigt nun dieses Übel. Das ist der Hintergrund der solidarischen Gesundheitsprämie.

Warum ist sie denn solidarisch? – Weil wir gemeinsam mit der CDU ein Modell entwickelt haben, in dem der Arbeitgeberanteil enthalten ist, nämlich mit 6,5 %. Auch die Lohnersatzleistungen werden berücksichtigt.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Das ist die Wundertüte!)

Nein, das ist keine Wundertüte, Herr Kollege Wahnschaffe. Wenn Ihre Gesundheitsministerin sagt, es seien lediglich 59 Milliarden Euro, hat sie schlicht und einfach falsch gerechnet, weil sie dabei die Arbeitslosen- und Unfallversicherung vergessen hat. Das möchte ich dazusagen. Sie hat sich mittlerweile gegenüber Professor Rürup auch schon korrigiert. Bevor Sie irgendetwas behaupten, sollten Sie sich intensiver damit auseinandersetzen.

Wir wollen eine Belastungsgrenze, die generell bei 7 % liegen soll. Bei der Belastungsgrenze – das können Sie mir wirklich glauben – ist das Krankengeld natürlich mit dabei. Im Übrigen, manchmal glaube ich, dass Sie Ihr eigenes GMG nicht kennen. Wer hat denn den Zahnersatz und das Krankengeld ausgegliedert? Das hat doch die rot-grüne Bundesregierung getan.

(Beifall bei der CSU)

Wir bauen auf dem GMG auf. Manchmal frage ich mich, wer in Berlin die Regierungsverantwortung hat. Sie wissen offenbar überhaupt nicht, was Sie im Bundestag beschlossen haben und was derzeit im Bundesrat behandelt wird. Wo leben wir denn? Sie kennen Ihre eigenen Beschlüsse nicht.

Zur teilweisen Finanzierung der Kinderprämie nehmen wir 7 Milliarden Euro aus Steuermitteln. Die gleichen Überlegungen werden auch innerhalb der SPD angestellt. Das zeigt sich daran, was die Vorsitzende des Ausschusses für Gesundheit und soziale Sicherung, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Gudrun Schaich-Walch, heute zum Besten gegeben hat. Sie sagt nämlich, gerade bei den Familienleistungen sollte darüber nachgedacht werden, ob der Kinderbeitrag und die anderen familienpolitischen Leistungen steuerfinanziert werden sollten.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Sie wollten die Familienversicherung doch abschaffen!)

Wir haben die Familienversicherung keineswegs abgeschafft. Frau Schaich-Walch sagt weiter, dass eine deutliche Entlastung bei den Beiträgen zu erreichen sei, wenn die Familienleistungen und die Kosten der beitragsfreien Kindermitversicherung aus Steuermitteln bestritten würden. Die Abgeordneten der SPD haben gerade gesagt, mit ihnen werde es nicht so weit kommen. Sie sollten wirklich einmal hinsehen, was tatsächlich Sache ist. Sie haben heute immer das Beispiel vom Chef und seiner Sekretärin gebracht. Die Sekretärin zahlt nicht mehr als 7 %, und der Chef ist in aller Regel privat versichert. Er zahlt wesentlich mehr in das System ein. Sie sollten sich wirklich andere Beispiele überlegen.

Sie haben heute außerdem das Beispiel der Aldi-Verkäuferin genannt. Glauben Sie im Ernst, dass die Verkäuferin von Aldi einen Teil der Kinderprämie finanzieren muss und eine Steuerbelastung von 39 % hat? So viel verdient eine Aldi-Verkäuferin nicht. Sie hat eine Steuerbelastung von 12 % und zahlt keinen Cent für die Finanzierung familienpolitischer Leistungen. Hören Sie bitte auf, draußen solche Märchen zu erzählen. Das ist schlicht und einfach nicht wahr.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Schluss möchte ich noch einmal auf die Bürgerversicherung – diese Zwangsversicherung – zu sprechen kommen: Bei dieser Bürgerversicherung lassen Sie alles schwammig und unbestimmt. Sie ist keine Reformoption. Sie beinhaltet nicht die Abkoppelung der Gesundheitskosten von den Arbeitskosten. Sie bietet daher keinen Anreiz, neue Arbeitsplätze zu schaffen. Daran müsste Ihnen eigentlich gelegen sein.

Außerdem ist die Bürgerversicherung verfassungsrechtlich bedenklich. Ich nenne nur den Grundrechtschutz privat Versicherter und die Berufsfreiheit privater Krankenversicherungen. Sie sieht ausgesprochen lange Übergangsfristen von bis zu 50 Jahren vor. Den Menschen wird nach 50 Jahren eine Beitragsatzsenkung von 1,8 % in Aussicht gestellt, wobei niemand von Ihnen sagt, wie Sie

zusätzlich 20 Milliarden Euro in das System bekommen wollen.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Sie haben doch eine Finanzierungslücke!)

Sie entziehen sich der Antwort. Sie wollen in die Bürgerversicherung die Einkünfte aller Versicherten einbeziehen. Herr Kollege Wahnschaffe, bei der Bürgerpauschale gibt es keine Verbreiterung der Beitragsbemessungsgrenze. Sie müssen dagegen die Beitragsbemessungsgrenze verbreitern. Das ist keine Frage. Sie sollten deshalb klare Worte zu den Zinsen und Mieteinkünften sprechen.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Warum haben Sie die PKV unangetastet gelassen?)

Damit wäre ein gewaltiger bürokratischer Aufwand verbunden. Wir fahren die Bürokratie zurück. Das gilt auch für den Risikostrukturausgleich.

Vom Grundsatz her braucht sich niemand zu wundern, dass die SPD mit den Einzelheiten ihrer Bürgerversicherung hinter dem Berg hält und lieber schwammig und diffus bleibt. Die Bürgerversicherung wäre beschäftigungspolitisch kontraproduktiv und würde wie eine Strafsteuer für Kleinsparer wirken; denn die können ihr Kapital nicht ins Ausland transferieren. Die Bürgerversicherung ist ökonomisch unsinnig und allein politisch motiviert. Damit kann man in Deutschland keine Aufbruchstimmung erzeugen.

(Beifall bei der CSU)

Damit ist die Aktuelle Stunde beendet. Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 2

Namentliche Abstimmung zum Antrag des Abgeordneten Franz Josef Pschierer und anderer (CSU)

Beschneiungsanlagen in Bayern (Drucksache 15/880)

Die Aussprache hierzu hat bereits in der Plenarsitzung am 12. November stattgefunden. Wir kommen zur Abstimmung, die auf Wunsch der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN in namentlicher Form erfolgen soll. Der federführende Ausschuss für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie empfiehlt Zustimmung mit der Maßgabe, dass ein neuer Satz angefügt wird. Ich verweise insoweit auf die Drucksache 15/1914.

Die CSU-Fraktion hat zwischenzeitlich einen Änderungsantrag gestellt. Danach soll der letzte Absatz des Antrages folgende Fassung erhalten:

Darüber hinaus hält der Landtag an dem mit Beschluss vom 3. März 1993 gefassten Verbot der staatlichen Förderung von Beschneiungsanlagen nicht mehr fest. Originäre Landesmittel für eine Förderung in diesem Bereich stehen auf abseh

bare Zeit nicht zur Verfügung. Die Möglichkeit einer Förderung durch Mittel aus EU-Töpfen bleibt hiervon unberührt.

Diese geänderte Fassung lege ich jetzt der Abstimmung zugrunde. Für die Stimmabgabe sind die Urnen auf beiden Seiten des Sitzungssaals und auf dem Stenografentisch bereitgestellt. Mit der Stimmabgabe kann begonnen werden. Hierfür stehen fünf Minuten zur Verfügung.

(Namentliche Abstimmung von 16.37 Uhr bis 16.42 Uhr)

Die Abstimmung ist damit abgeschlossen. Ich darf Sie bitten, Ihre Plätze wieder einzunehmen. Wir nehmen die Sitzung wieder auf.

(Unruhe)

Ich bitte Sie, sich zu setzen, möglichst auf einen Stuhl.

(Anhaltende Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Frau Kollegin Paulig will eine Erklärung zur Abstimmung gemäß § 133 Absatz 2 der Geschäftsordnung geben. Frau Kollegin Paulig, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen!

(Anhaltende Unruhe)

Einen kleinen Moment! Ich darf darum bitten, die Gespräche auch in den hinteren Reihen einzustellen. Es kann nicht mehrere Sitzungen im Raum gleichzeitig geben. – Frau Kollegin, bitte.

Ich habe den Antrag der CSU auf Drucksache 15/880 betreffend Beschneiungsanlagen in Bayern ebenso wie meine Kollegen in der Fraktion abgelehnt, und zwar erstens deswegen, weil es Unsinn ist, angesichts knapper Finanzmittel in öffentlichen Kassen hier Optionen auf Förderung zu eröffnen, insbesondere, weil sich dadurch Kommunen weiter verschulden und Investitionen in die falsche Richtung gelenkt werden. Die Zukunft des Tourismus liegt gerade in Konzepten, die auf Bewegung und Wellness in intakter Natur setzen. Mit diesem Antrag werden falsche Investitionsanreize gesetzt.

(Thomas Kreuzer (CSU): Das ist eine Erklärung zur Sache!)

Damit wird diese Grundlage zukunftsfähiger Wirtschaft zerstört.

Zweitens habe ich diesen Antrag abgelehnt, weil mit den neuen geplanten Grundsätzen ökologische Kriterien aufgeweicht werden, indem Lärm, Energie- und Wasserverbrauch weiter gesteigert werden,

(Franz Josef Pschierer (CSU): Das ist doch Schrott!)

die Belastung der Tiere im Alpenraum zunehmen wird und damit erneute Schädigungen im Bergwald und in sensiblen Höhenlagen eintreten werden.

Drittens habe ich diesen Antrag abgelehnt, weil er allen Bestrebungen für mehr Klimaschutz widerspricht.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN und der SPD)

Damit ist dieser Tagesordnungspunkt abgeschlossen.

Ich rufe auf: