Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst, Frau Kollegin Beck, herzlichen Glückwunsch zur Jungfernrede, wenn sie es denn war.
Einer Umfrage zufolge, die ich heute Vormittag gelesen habe, halten 80 % der Menschen in Deutschland überhaupt nichts vom Gesundheitskompromiss der Union. Ihre Beiträge sind mir vorgekommen wie das berühmte Pfeifen im Walde; mit Ihren Beiträgen werden Sie es nicht geschafft haben, diese Quote deutlich zu senken.
In den vergangenen Monaten wurde uns ja ein abenteuerliches Schauspiel vorgeführt: Man könnte es überschreiben: „Die Rache der Frau Merkel für das Frühstück von Wolfratshausen“.
Wir wissen, dass der Kanzlerkandidat Stoiber, der Sieger dieses Frühstücks, bei der Bundestagswahl gescheitert ist, und das gleiche Schicksal dürfte Frau Merkel angesichts dieses Gesundheitskompromisses auch ereilen. Es dürfte ja keinen Zweifel mehr daran geben, dass sie jetzt Kanzlerkandidatin wird.
Wir haben gesehen, wie die Union monatelang im Irrgarten der Gesundheitspolitik umhertaumelte. Ihr allergrößter Fehler war, dass sie kein durchgerechnetes Modell als Grundlage für ihre spätere Entscheidung hatte. Sie haben sich in diesem Irrgarten total verrannt, und am Ende haben Sie auch noch einen völlig verkehrten Ausgang genommen. Schon heute wissen wir, dass in Ihrem Modell 14 Milliarden Euro fehlen. Sie haben nicht nur den Chiemsee ausgebaggert, die Alpen aufgetürmt, Sie haben auch noch die Grundrechenarten verändert! Bei Ihnen ergeben nämlich der eine Euro, den die Versicherten zahlen, und der andere Euro, den die Arbeitgeber zahlen, die drei Euro, die die Krankenversicherung braucht. Das kann nicht funktionieren, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Ich möchte nicht einmal bestreiten, dass beide Seiten, sowohl Frau Merkel wie auch Herr Stoiber, erkannt haben, vor welch großen Problemen unser Gesundheitswesen steht. Aber Sie haben nun einmal zwei miteinander völlig unvereinbare Modelle vorgelegt. Da ist es natürlich schwierig, das Gesicht zu wahren. Das einzige Problem, das Sie am Schluss noch hatten, war, dass beide Seiten nicht das Gesicht verlieren wollten. So haben Sie am Ende eine Reihe von Verlierern hinterlassen.
Jetzt haben beide ihr Gesicht verloren, der Ministerpräsident und die CDU-Vorsitzende. Herr Seehofer hat seinen Job verloren. Sie werden mit diesem Kompromiss die Bundestagswahl verlieren, und wir werden dafür sorgen, dass die Menschen in diesem Land die bewährte solidarisch finanzierte Gesundheitsversorgung nicht verlieren.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, man kann diese Diskussion nicht zu Ende gehen lassen –
genauso ist es; Z ist der letzte Buchstabe des Alphabets, sehen Sie mir das bitte nach –, ohne sich im Zusammenhang mit der Thematik nochmals etwas näher mit der so genannten Bürgerzwangsversicherung zu beschäftigen.
In Vorbereitung des heutigen Nachmittags, meine Damen und Herren, ist es mir nämlich sehr schwer gefallen, im Internet oder sonst wo inhaltlich etwas Vernünftiges, Substanzielles zu erfahren, um sich mit den Eckwerten und Eckdaten dieser so genannten Bürgerzwangsversicherung auseinandersetzen zu können. Meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen, das Einzige, was ich gefunden habe, ist ein Zitat von Frau Kollegin Andrea Nahles. Frau Andrea Nahles hat sich bisher in ihrer politischen Tätigkeit nicht durch gesundheitspolitische
Schwerpunktbildungen ausgezeichnet. Frau Nahles war Bundesvorsitzende der Jungsozialisten und scheint deren Gedankengut in die so genannte Bürgerzwangsversicherung hinübergerettet zu haben.
Kolleginnen und Kollegen, Frau Nahles kommt nämlich zu der Überlegung, dass sie mit diesem Reformvorschlag, den sie für die SPD eingebracht hat und der vonseiten der SPD der letzte bis
2006 sein soll, in die Bundestagswahl gehen will. Ich darf zitieren, wie sie sich äußert: „Die Bürgerversicherung ist unsere letzte Patrone im Lauf.“
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Rohrkrepierer geht schon im Jahr 2004 los. Herr Kollege Werner, Sie meinten, wir würden mit unserem Modell vielleicht in gesundheitspolitische Schwierigkeiten kommen. Ich kann Ihnen sagen: Für Sie hat sich diese so genannte – ich sage ganz bewusst „so genannte“, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass Sie weiter an den Eigenartigkeiten der Bürgerzwangsversicherung festhalten wollen – Bürgerzwangsversicherung als Rohrkrepierer erwiesen.
Ich habe noch etwas anderes gefunden. Die Fünf Weisen und andere Sachverständige aus dem Gesundheitsbereich, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, kommen zu dem Ergebnis, dass diese Bürgerzwangsversicherung nicht nur konzeptlos und perspektivlos, sondern auch noch instinktlos ist.
Warum ist sie instinktlos, meine sehr verehrten Damen und Herren? – Weil sie den Notwendigkeiten – Herr Kollege Wahnschaffe, das wissen Sie – hinsichtlich der Gesundheitsausgaben in keiner Weise gerecht wird.
Herr Wörner hat hier gesprochen. Ihre Ausführungen, Herr Kollege Wörner, haben mich sehr beeindruckt. Ich dachte bisher, dass Sie nur Hochhausspezialist sind. Dass Sie sich jetzt auch in die Niederungen der Gesundheitspolitik begeben, finde ich sehr honorig und ehrenwert. Ich meine aber trotzdem, dass Ihre Argumente etwas präzisiert und hin und wieder klargemacht werden müssen, wenn Sie von Bürokratisierung sprechen.
Erlauben Sie mir bitte noch einen kleinen Schlenker. Meine Damen und Herren, Sie sagen immer, Sie seien am Zustandekommen des Krankenversicherungsmodernisierungsgesetzes überhaupt nicht beteiligt gewesen.
Ich persönlich betrachte es nachträglich als Fehler, dass wir Ihrem Kompromissvorschlag zugestimmt haben. Ich muss das hier ganz offen sagen. Nachträglich betrachtet war dies ein Fehler. Wir würden uns in der politischen Auseinandersetzung viel, viel leichter tun, wenn jede Seite wüsste, für was sie in dem Kompromissvorschlag einstehen müsste.
Ich greife ein ganz wesentliches gesundheitspolitisches Problem auf, das, meine sehr verehrten Damen und Herren, allen bekannt ist, die aus dem ländlichen Bereich kommen und laufend mit der Krankenhaussituation vor Ort zu tun haben. Für dieses Problem sind ausschließlich
Sie verantwortlich, die SPD und die GRÜNEN, Frau Kollegin Ackermann und Herr Wahnschaffe, nämlich für die diagnosebezogenen Fallpauschalen im Krankenhaus. Das ist Bürokratismus en pureté.
Das Erschreckende an der gesamten Angelegenheit ist – Herr Kollege Wahnschaffe, im Gesundheitsausschuss sprechen wir öfter darüber –, dass es unsere so gute bedarfsgerechte Krankenhauslandschaft in Bayern kaputtmacht. Zum einen galoppieren uns die Kosten davon. Zum anderen wird ein ganz wesentliches Problem verschärft. Meine Damen und Herren, wir sprechen immer vom Ärztemangel in Bayern. Unterhalten Sie sich einmal mit Ärztekollegen. Sie werden Ihnen sagen, dass der bürokratische Aufwand zur Umsetzung dieses Teufelszeugs, der diagnosebezogenen Fallpauschalen, viele Ärzte davon abhält, überhaupt noch auf Station zu gehen, auf Station zu arbeiten und ihre unmittelbare ärztliche Aufgabe im Krankenhaus wahrzunehmen. Da prangern Sie den Bürokratismus an. Die Einführung der DRGs ist Bürokratie im Übermaß, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich meine, dass es uns in dieser sehr angenehmen adventlichen oder vorweihnachtlichen Nachmittagsstunde nicht angelegen sein kann, uns in die Wolle zu kriegen, weil uns verschiedene Modellvorstellungen zur Bewältigung dieser gesundheitspolitischen Aufgabenstellung heute Nachmittag vielleicht entzweien. Wir sind alle aufgerufen nachzudenken.
Herr Wahnschaffe, Sie sind aufgerufen, endlich einmal die Fakten Ihrer Bürgerzwangsversicherung auf den Tisch zu legen, statt den Ball nur auf dem Fußballfeld abzulegen, dann abzuhauen und die anderen damit spielen zu lassen. Bis zur Stunde haben Sie zur Ihrer Bürgerzwangsversicherung öffentlich nur durch Ihre Frau Nahles erklären lassen, dass das die letzte Patrone in Ihrem Lauf ist. Pfui Teufel!
(Joachim Wahnschaffe (SPD): Ich lade Sie gerne einmal zu einer Veranstaltung ein! – Beifall bei der CSU)
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Mich hat an der Diskussion hier und heute wirklich enttäuscht, dass sich die Opposition überhaupt nicht die Mühe gemacht hat, sich inhaltlich mit der solidarischen Gesundheitsprämie auseinanderzusetzen.
Ich hätte eigentlich schon erwartet, dass Sie sich anders, nämlich inhaltlich mit dem Modell auseinandersetzen.
Lassen Sie mich Ihnen ganz kurz schildern, was letztendlich der Hintergrund der Prämie ist. Angesichts der Ausgaben in der GKV sind Durchschnittsausgaben pro Kopf errechnet worden.