Der Bayerische Richterverein hat das Ganze sehr schön „Grenzlandförderung auf Kosten der Justiz“ genannt. Man kann sich natürlich auch mit Ihrer Ex-Justizministerin Frau Dr. Berghofer-Weichner fragen, ob es sich nicht doch um ein „Schikanierstückerl“ – wie sie es nennt – handelt.
Ebenso wie die früheren Justizminister hat sie eher auf eine Stärkung der Justiz gedrängt, etwa durch die Schaffung eines Rechtspflegeministeriums, als dass sie die Schwächung jemals mitgetragen hätte. Haben Sie sich einmal überlegt, welche Synergieeffekte es gäbe, wenn Sie die Zersplitterung der Zuständigkeiten bei den Ministerien abschaffen würden?
Wir haben nämlich das Problem, dass die Sozialgerichtsbarkeit beim Sozialministerium und die Verwaltungsgerichtsbarkeit beim Innenministerium angesiedelt sind; die Justizministerin darf sich mit dem Rest zufrieden geben.
Wir sagen, hier gäbe es einiges, was man straffen könnte, zusammenführen könnte. Auch hierdurch könnte man sparen, denn ich behaupte, dass die Absprachen untereinander sehr zu wünschen übrig lassen.
Wir bleiben dabei: Das Bayerische Oberste Landesgericht zu verlieren, bedeutet Kompetenzverlust. Ebenso geht eine einheitliche Rechtsprechung in einzelnen Rechtsbereichen verloren. Die dritte Säule in unserm Rechtsstaat bekommt von staatlicher Seite nicht den Schutz, den sie als Garantin für Rechtssicherheit und Rechtsfrieden verdient. Ihre ver
bliebene Unabhängigkeit scheint eher verpönt und argwöhnisch beobachtet zu werden, soweit es Ihnen noch nicht gelungen ist, auf die führenden Positionen Leute mit Parteibüchern zu setzen.
Verräterisch in diesem Zusammenhang ist auch die Wortwahl der Staatskanzlei und des Finanzministers,
ja, nachzulesen in den Protokollen –, die schon gar nicht mehr zwischen Justiz und Verwaltung unterscheidet, sondern Justizreform mal eben unter Verwaltungsreform subsumiert. Das zeigt, welches Verständnis Sie von der dritten Säule, von einer unabhängigen Säule in unserem Rechtssystem haben. Sie erwarten von der dritten Säule Abhängigkeit, Gehorsam, Unterordnung, und genau das wollen wir von unserer Justiz nicht.
Wir GRÜNE wollen Rechtssicherheit und Rechtsfrieden bewahren. Deshalb wollen wir eine rechtsstaatliche Justiz erhalten, und wir wollen sie uns auch leisten. Herr Weiß, Sie haben davon gesprochen, dass wir sehen müssen, was sich der Bürger noch leisten kann. Das ist richtig. Aber ich sage, wir müssen uns eine unabhängige Justiz leisten um des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit willen.
Besinnen Sie sich, meine Damen und Herren, von der CSU, zeigen Sie Format und Eigenständigkeit. Lehnen Sie diesen unsäglichen Gesetzentwurf ab. Ebenso wie die SPD-Fraktion werden wir uns eine Verfassungsklage vorbehalten.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich mit einer Anmerkung beginnen, die Ihnen vielleicht nebensächlich erscheint. Aber ich denke, daran sollten wir uns nicht gewöhnen. Frau Kollegin Stahl hat schon darauf hingewiesen: Der Herr Ministerpräsident ist wieder einmal nicht da. Ich finde es im Grunde genommen allmählich ungeheuerlich, was er anstellt: Er macht eine Regierungserklärung, in der er alles auf den Kopf stellt:
Er ist bei der Ersten Lesung nicht da, er ist bei der Zweiten Lesung nicht da. Schon beim G 8 war es so, dass eine mehr als hundertjährige Tradition, nämlich das neunjährige Gymnasium, ohne jede Absprache mit anderen von ihm
geändert worden ist, und dann ist er bei den Beratungen dieses Landtags nicht einmal anwesend. Ich finde, das ist etwas, woran man sich nicht gewöhnen darf. Er hinterlegt hier im Parlament ein faules Ei und macht sich dann aus dem Staub.
Ich möchte als Zweites noch auf eine Kleinigkeit hinweisen, die eigentlich nur eine Randbemerkung wert ist, aber die mir doch ausgesprochen interessant und erwähnenswert erscheint. Sie müssen sich einmal überlegen, worüber das Bayerische Fernsehen normalerweise berichtet. Die Abschaffung des ältesten bayerischen Gerichtes, des Gerichtes in Bayern mit dem höchsten Ansehen bundesweit, mit den meisten Veröffentlichungen überhaupt, scheint dem Bayerischen Fernsehen eine Berichterstattung aus dem Landtag nicht wert zu sein. Das ist ein Hinweis darauf, dass dort bereits ein vorauseilender Gehorsam funktioniert, der mehr als bedenklich ist.
Ich möchte jetzt zur Rolle unserer Justizministerin, Frau Dr. Merk, kommen. Frau Merk, ich sage Ihnen ganz offen Folgendes – und das meine ich viel ernster, als Sie vielleicht glauben –: Sie tun mir Leid. Sie tun mir wirklich Leid. Sie waren, bevor Sie hierher berufen worden sind, Oberbürgermeisterin einer Stadt mit immerhin mehr als 50 000 Einwohnern. Sie waren Chefin der Verwaltung. Sie waren diejenige, die innerhalb ihrer Stadt anzuschaffen hatte, die die Richtlinien herauszugeben hatte, die Vorgesetzte aller anderen war.
Der Herr Ministerpräsident hat Sie offenkundig überreden können, Justizministerin zu werden. Ich muss sagen, Sie sind von der Chefin zu einer Vollzugsbeamtin des Ministerpräsidenten mutiert.
Was von Ihnen vorgelegt worden ist, das ist nach meiner Überzeugung – aber das werden Sie vielleicht noch ausführen – nicht auf Ihrem Mist gewachsen. Es wäre interessant, wenn Sie sagen würden – das wäre auch interessant für die Richterschaft in Bayern, für die Staatsanwälte und für die ganze Justiz –, Sie haben für den Antritt Ihres Ministeramtes sozusagen zur Voraussetzung gemacht, dass Sie das Bayerische Oberste Landesgericht abschaffen dürfen. Das kann ja sein, das weiß ich nicht.
Herr Huber, Sie müssen Ihr nicht unbedingt einsagen. Wenn Sie Ihr jetzt noch einsagen, während ich rede, spricht
Aber ich möchte Herrn Huber diese Möglichkeit nicht beschneiden und ihn nicht dabei stören, denn offenkundig scheint es doch von erheblicher Bedeutung zu sein.
Nochmals, Frau Dr. Merk, die Frage ist: Haben Sie das gewollt, oder haben Sie es nicht gewollt? Stimmt das, was man aus den berühmten „gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen“ hört, dass Sie von der Abschaffung des Bayerischen Obersten Landesgerichts am Nachmittag des 5. November 2003, also wenige Stunden vor der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten vom 6. November, erfahren haben, dass das Teil der Regierungserklärung ist? Ich finde, das sollten Sie sagen, vor allen Dingen auch wegen Ihres eigenen Ansehens. Sie sind als Ministerin in diesen Freistaat Bayern gekommen, Sie sind verantwortlich für die gesamte Justiz in diesem Freistaat Bayern, und die erste wichtige Amtshandlung, die Sie nach Ihrem Amtsantritt machen, ist die, dass Sie das traditionsreichste, hervorragendste, qualifizierteste Gericht in Bayern abschaffen bzw. abschaffen müssen. Es wäre für die Richter gut zu wissen, ob das Ihr Wunsch war oder ob der Herr Ministerpräsident – jetzt sage ich das auch in dieser Form – Sie im Grunde genommen für diesen Zweck missbraucht hat.
Jetzt sage ich Ihnen Folgendes, meine Damen und Herren: In der CSU-Fraktion gibt es nicht zehn, nicht zwanzig, sondern mehr als dreißig Volljuristen. Da frage ich mich wirklich, ob es denn möglich gewesen wäre – wenn es ohnehin nur darum geht, dass die Justizministerin das zu vollziehen hat, was der Herr Ministerpräsident beschließt, und sei es der größte Unsinn –, einen Abgeordneten dafür einzusetzen. Dann muss man nicht jemanden aus einem so tollen Amt, wie es des Amt des Oberbürgermeisters ja ohne Zweifel ist, herausholen und ihm wenige Wochen danach aufzwingen, eine solche Vorlage zu machen, die sein Ansehen bei der Justiz nachhaltig beschädigen wird.
Frau Dr. Merk, es wird Ihr Problem in den nächsten Jahren sein, dass die Richter in Bayern vor Ihnen keinen Respekt haben, wenn Sie Ihr Amt so beginnen.
Deshalb sage ich noch einmal: Sie tun mir menschlich wirklich Leid, und ich finde das, was der Ministerpräsident mit Ihnen macht, menschlich zutiefst unanständig.
Dafür hätte er auch einen Abgeordneten nehmen können. Der hätte dann Abgeordneter bleiben können, wenn es ihm nicht gefallen hätte. Sie können aber nicht mehr Oberbürgermeisterin von Neu-Ulm werden, denn Sie wissen ja selber, in solche Ämter wird man bei uns nach ganz festen Regeln gewählt, das ist nicht mehr rückholbar.
Sie wissen alle, meine Damen und Herren, und Herr Kollege Weiß – damit es keine Verwechslung gibt, nicht Manfred Weiß, sondern Dr. Bernd Weiß – hat am Anfang ganz verschämt darauf hingewiesen, dass es ein traditionsreiches Gericht sei. Das war so nach dem Motto: Das muss ich jetzt schon sagen, denn wenn ich es überhaupt nicht erwähne, dann glaubt mir keiner mehr etwas. Darauf haben Sie zumindest hingewiesen.
Ich muss das wiederholen, auch wenn es in den Ausschussberatungen schon einmal gesagt worden ist: Meine Damen und Herren, Sie wissen, dass Bismarck dieses Gericht abschaffen wollte. Damals, 1878/1879 bei Errichtung des Reichsgerichtes hat Bayern in einem regelrechten Klimmzug Eigenstaatlichkeit und Föderalismus bewiesen, den sie heute in wichtigen, erheblichen Teilen wieder aufgeben. Bezeichnenderweise hat damals Ludwig II. gehandelt. Dass ich mich als Sozi einmal auf Ludwig II. werde berufen müssen, habe ich mir früher überhaupt nicht vorstellen können. Daran sehen Sie, wie weit es mit Ihnen gekommen ist. Ludwig II. war es, der gegen Bismarck durchgesetzt hat, das Bayerische Oberste Landesgericht zu erhalten. Das Thema Drittes Reich und 1935 will ich weiß Gott nicht vertiefen.
Ich muss Ihnen aber schon in Erinnerung rufen, dass bei der Anhörung am 6. Mai von unserem früheren Bundesjustizminister Dr. Hans-Jochen Vogel in seiner bekannten und exakten Art und Weise dargelegt worden ist, dass sich aus dem Protokoll der Ministerratssitzung vom 12. September 1947 ergibt, dass der damalige Justizminister Wilhelm Hoegner die Vorlage eingebracht hat, das Bayerische Oberste Landesgericht wieder einzuführen, und dass der damalige, Ihrer Partei zugehörige Ministerpräsident Hans Ehard dem ausdrücklich zugestimmt hat, übrigens auch der damalige Finanzminister Kraus. Herr Faltlhauser, an ihm sollten Sie sich vielleicht ein Beispiel nehmen. Er hat 1947 in einer Situation, als es uns verglichen mit heute regelrecht dreckig ging, gesagt, dass es finanziell natürlich wahnsinnig schwierig ist, dass er aber einsieht, dass so etwas sein muss. Deshalb hat man so etwas gemacht. Das ist für mich ein Vorbild. Dies dürfte auch in den Annalen der CSU zu finden sein. Herr Dr. Faltlhauser, das war damals eine Haltung, mit der zum Ausdruck gebracht wurde: Wir wollen den Föderalismus stärken, wir wollen Bayerns Eigenstaatlichkeit stärken. Das war damals, 1947. Das geben Sie heute auf.
Diese Geschichtslosigkeit der CSU – ich komme gerade auf Sie, Herr Faltlhauser, noch einmal zurück – ist jetzt leider zum zweiten Mal innerhalb weniger Jahre bei ganz markanten Punkten für geschichtsbewusste Menschen in wirklich schmerzhaftester Art und Weise zu spüren.
Sie wissen, worauf ich hinaus will. Ich will hinaus auf den Alten Hof in München. Ich gebe zu, dass das die Franken, Schwaben und Oberpfälzer sehr wenig interessiert, weil der Alte Hof schon zu einer Zeit wichtig war, als es Bayern in der heutigen Form noch nicht gegeben hat, sondern Bay