Protocol of the Session on October 20, 2004

Sie wissen, worauf ich hinaus will. Ich will hinaus auf den Alten Hof in München. Ich gebe zu, dass das die Franken, Schwaben und Oberpfälzer sehr wenig interessiert, weil der Alte Hof schon zu einer Zeit wichtig war, als es Bayern in der heutigen Form noch nicht gegeben hat, sondern Bay

ern im Wesentlichen aus Oberbayern und Niederbayern bestand. Dieser Alte Hof, der heute zum größten Teil verscherbelt wird, war die Heimstatt der Selbstständigkeit des Staates auch gegenüber Kirche und Papst. Das war damals eine ganz besonders wichtige Sache. Im Alten Hof zu München wurde die deutsche Sprache erstmals Amtssprache. Hier wurde das erste deutsche Rechtsbuch geschrieben. Hier waren der Herzogshof und die Kaiserresidenz in der Hauptstadt des Reiches unter Ludwig dem Bayern. Von diesem geschlossenen Hof, diesem Ensemble werden heute zwei Drittel ohne zwingende Not an Private verhökert. Der Alte Hof wird dadurch seine geschichtliche Bedeutung völlig verlieren; er wird seiner Geschichte verlustig gehen.

Heute beweisen Sie mit der Abschaffung des Bayerischen Obersten Landesgerichtes erneut die beschämende Geschichtslosigkeit der Christlich Sozialen Union.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Prof. Faltlhauser?

Ja, das höre ich jetzt besonders gern.

Herr Kollege, würden Sie mir bestätigen, dass die historischen Vorgänge, die Sie richtig vorgetragen haben, in jenen Teilen des Alten Hofes stattgefunden haben, die wir jetzt mit Verkaufserlösen wunderschön wiederhergerichtet haben, und dass alles das, was jetzt abgerissen wurde, ganz neue Gebäude waren, die mit der von Ihnen vorgetragenen Historie überhaupt nichts zu tun haben?

Herr Abgeordneter Faltlhauser, diese Formulierung war etwas am Rande der Geschäftsordnung.

Nein, ich muss Herrn Faltlhauser in Schutz nehmen. Er hat mich gefragt, ob ich ihm Recht geben würde. Sie sehen: Ohne mich sind Sie etwas hilflos, Herr Faltlhauser. Das bekommen wir aber schon hin.

Herr Faltlhauser, ich meine es ganz ernst. Ich finde, Ihre Frage bestätigt meine Auffassung, dass die CSU an einem erheblichen Mangel an Geschichtsbewusstsein leidet.

(Beifall bei der SPD)

Ich sage Ihnen auch gleich warum.

(Zurufe von der CSU)

Seien Sie einmal ruhig; jetzt rede ich! – Können Sie ihm einmal sagen, dass er ruhig sein soll?

(Glocke des Präsidenten – Zurufe von der CSU)

Nein, das ist kein Freudscher Versprecher. Ich sehe ja ein, dass das die Nichtmünchner anders als die Münchner sehen. Ich sehe auch ein, dass die Franken damit überhaupt

nichts am Hut haben, weil sie Beutebayern sind und sagen: Was geht uns der Alte Hof an? Das sehe ich alles ein. Sie müssen sich aber darüber im Klaren sein – das halte ich Ihnen vor, Herr Faltlhauser –: Das ist deshalb geschichtslos, weil der Alte Hof doch als Ganzes gesehen werden muss. Sie können doch nicht sagen, König Ludwig der Bayer hat in diesem Zimmer residiert, deshalb erhalten wir es und machen ein Museum daraus. In diesem Hof als Ganzes ist Ludwig der Bayer vermutlich aufgewachsen. In diesem gesamten Hof war früher 700 Jahre lang die staatliche Verwaltung, in welcher Form auch immer. Das werfen Sie völlig über den Haufen.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt ist aber genug der Zwischenfrage.

Ich möchte auf zwei Punkte eingehen. Einen ersten Punkt halte ich allmählich für beschämend. Ich meine es ganz ernst: Sie müssen sich überlegen, wie Sie von der Christlich-Sozialen Union mit wichtigen und wichtigsten Mitarbeitern dieses Staates umgehen. Das ist allmählich unglaublich. Sie haben das G 8 eingeführt, ohne vorher mit den Lehrern überhaupt darüber zu sprechen. Sie haben die Betroffenen in keiner Weise einbezogen. Sie haben das über deren Köpfe und entgegen dem, was Sie vor der Wahl gesagt haben, blind durchgesetzt und durchgezogen, ohne Rücksicht darauf, was die Einzelnen dazu an sachlichen Beiträgen hätten leisten können. Genau das Gleiche machen Sie bei der Abschaffung des Bayerischen Obersten Landesgerichtes.

Ich darf aus der Anhörung vom 6. Mai zitieren. Der Präsident des Bayerischen Obersten Landesgerichtes, Herr Peter Gummer, hat wörtlich ausgeführt: „Das Gericht hat mehrfach seine Bereitschaft erklärt, sich auf den Prüfstand stellen zu lassen.“ Er hat weiter ausgeführt: „Es möge die organisatorische und verwaltungsmäßige Struktur, auch die Frage des Gerichtsitzes, überprüft werden. Ich habe hierzu, legitimiert durch ein Votum der gesamten Richterschaft, konkrete Vorschläge gemacht.“ Meine Damen und Herren, unter diesen Umständen in eine Vorlage zu schreiben, es gäbe zu dem, was Sie machen, keine Alternative, und in der heutigen Beratung dabei zu bleiben, ist nicht nur eine Unverschämtheit, sondern auch ein Zeichen von Dummheit; denn Sie sind nicht bereit, etwas aufzunehmen, was Ihnen ein Gerichtspräsident sagt.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, das ist ein ganz besonders schlechter Führungsstil, ja eigentlich ist das überhaupt kein Führungsstil mehr. Sie zerstören bei den besten, bei den qualifiziertesten Beamten, die dieser Staat hat, mehr an Vertrauen, als Sie für die Zukunft an Positivem schaffen.

Bevor ich zu meinem Schlusssatz komme, muss noch eine Bemerkung sein. Herr Dr. Bernd Weiß hat gesagt: Das sind zwingende Gründe. Ich wundere mich, dass Sie nicht selbst spüren, dass Sie sich mit dem Argument der zwingenden Gründe, der finanziellen Gründe lächerlich machen. Meine Damen und Herren, Sie tun gerade so, als sei Bayern das Armenhaus Europas. Bei jeder Gelegenheit tun Sie so,

als sei Bayern das Armenhaus Europas, wo jede Petitesse eingespart werden muss.

(Zurufe von der CSU)

Ich möchte schlicht und einfach mit dem Hinweis schließen: Bismarck ist es 1879, vor 125 Jahren nicht gelungen, das Bayerische Oberste Landesgericht abzuschaffen, das ja damals schon über 200 Jahre alt war. Stoiber scheint dies jetzt offensichtlich zu gelingen. Vermutlich ist Stoiber doch der letzte Preuße Deutschlands.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe keine weiteren Wortmeldungen mehr vorliegen. Die Aussprache ist damit geschlossen. Nach dem Schlusswort der Frau Ministerin findet die namentliche Abstimmung statt. Frau Ministerin, bitte.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zuallererst möchte ich die Angriffe gegen unseren Ministerpräsidenten zurückweisen.

(Widerspruch bei der SPD und den GRÜNEN)

Alle Fraktionen wissen sehr genau, dass der Ministerpräsident heute die Internationalen Medientage mit einem Festvortrag einweiht. Ich halte es für arrogant, wenn Sie sich hier hinstellen und sagen, er sei nicht da. Sie wissen ganz genau, dass die Medientage immer mit der „Systems“ zusammenfallen und dass dieser Termin nicht zu ändern ist.

(Beifall bei der CSU – Johanna Werner-Muggen- dorfer (SPD): Wo war er dann gestern?)

Frau Ministerin, einen Moment. – Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, die Temperatur etwas zu senken und in Ruhe zuzuhören.

Im Übrigen, die Staatsregierung ist hier vertreten. Auch die Staatskanzlei ist hier vertreten. Sie müssen sich also nicht so aufregen, wie Sie das gerade tun.

Bevor ich mich zum Thema äußere, möchte ich meinen Dank an eine Persönlichkeit aussprechen, die trotz aller Betroffenheit, trotz aller unterschiedlichen und kontroversen Ansichten und Positionen ein fairer und offener Konterpart gewesen ist. Ich danke dem Präsidenten des Bayerischen Obersten Landesgerichts, Herrn Gummer, auch stellvertretend für seine Mitarbeiter. Er hat für sein Gericht gekämpft. Er hat dies konstruktiv getan, er hat dies hart, aber sachlich getan. Dieser Kampf war jedoch immer von außerordentlichem Menschenverstand und großer Sachlichkeit geprägt, die manchem in diesem Hause heute sicherlich abgeht.

(Widerspruch bei der SPD und den GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben den vorliegenden Gesetzentwurf schon häufig erörtert. Wir ha

ben ihn weniger sachlich, und wir haben ihn sachlich erörtert. Wir haben uns ausführlich über Pro und Kontra unterhalten. Ich habe mich diesen Diskussionen gerne gestellt, weil ich überzeugt bin, dass unser Gesetzentwurf gut ist. Die Diskussion der letzten Monate hat keine Erkenntnisse gebracht, die mich veranlasst hätten, meine Position zu ändern. Ich habe Ihnen schon vor vier Monaten in diesem Hause gesagt, warum die Auflösung des Bayerischen Obersten Landesgerichts samt der dortigen Staatsanwaltschaft notwendig ist.

Herr Kollege Volkmann, ich verzichte in diesem Zusammenhang auf Ihr Mitleid. Ich habe mich mehrfach zu diesem Thema positioniert und sehr deutlich gesagt, wie ich zu diesem Vorgehen stehe. Ich stehe selbstverständlich zu diesem Gesetz und zu der Auflösung. Ich habe aber auch darauf hingewiesen, dass wir die Bürgernähe sichern müssen. Wir müssen Wirtschaftlichkeit erreichen, wenn wir auch in Zukunft die Qualität haben wollen, die wir uns wünschen.

Wir müssen die Effizienz und die Qualität unserer Justiz erhalten. Gerade dieser letzte Punkt, die Effizienz und die Qualität unserer Justiz, hat mich bei allen Reformen und allen Vorschlägen, die wir gemacht haben, gelenkt. Die vorgeschlagene neue Organisation, zusammen mit der Qualität unserer Richter und Staatsanwälte, wird dafür sorgen, dass wir auch in Zukunft in Bayern eine hervorragende Qualität der Rechtsprechung haben werden. Daran besteht kein Zweifel.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Luftblasen!)

Die Verschuldung der öffentlichen Haushalte zwingt uns zu einer konsequenten Konsolidierungspolitik. Das bedeutet, dass wir sparen müssen, wenn wir nicht weiter auf Kosten unserer Kinder und Enkel leben wollen. Aus dieser Pflicht kann und will sich die Justiz nicht ausklinken. Wir müssen europa- und weltweit die Situation in Deutschland bezüglich der Dichte an Rechtsanwälten, an Richtern, an Staatsanwälten und an Gerichtsverfahren vergleichen. Wir nehmen hier eine Spitzenstellung ein.

(Widerspruch bei der SPD)

Herr Kollege Schindler, wenn Sie darauf hinweisen, dass wir falsche Gesetze machten, belegen Sie das bitte nicht mit Bundesgesetzen. Diese machen wir nämlich in Bayern nicht. Führen Sie bitte auch nicht das Insolvenzgesetz an. Das ist nämlich kein falsches Gesetz, sondern ein Verbraucherschutzgesetz. Wenn Ihre Bundesregierung im Jahr 2002 etwas auf dieses Gesetz draufsattelt, was die Gerichte schier in ein Chaos führt, können wir dafür nichts.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das hat er nicht gesagt! Da muss man halt zuhören!)

Das hat er gesagt.

Die Auflösung des Bayerischen Obersten ist in ein ganzes Bündel von Maßnahmen eingebettet, das wir in den nächsten Monaten und Jahren gemeinsam mit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erarbeiten und anpacken müssen. Wir werden gemeinsam mit den anderen Bundeslän

dern – auch mit den Bundesländern, die von Ihrer Partei regiert werden – eine Verwaltungsreform erarbeiten, weil eine Verwaltungs- und Justizreform notwendig ist. Wir werden eine Vielzahl von Vorschlägen in das Verfahren einbringen.

Lassen Sie mich nun einige Punkte ansprechen, die ganz besonders hervorgehoben worden sind. Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie haben sich mokiert, weil Ihnen die Einsparungen zu niedrig sind, die die bayerische Justiz mit diesem Gesetz anbieten kann. Wenn Sie eineinhalb Millionen Euro in jedem Jahr wenig finden, dann mag das stimmen.

(Franz Schindler (SPD): Ab 2019!)