Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wir haben die beiden Anträge vom März dieses Jahrs bewusst herausgenommen, um auszuleuchten, welch schändliches und infames Spiel hier die Staatsregierung in den letzten Wochen und Monaten getrieben hat.
Herr Kreuzer, Sie müssten am meisten empört sein; denn sowohl in Ihrem wie in unserem Antrag ging es um die Novellierung der Verpackungsverordnung in Richtung Transparenz, Vereinfachung und Verbraucherfreundlichkeit. Ich zitiere aus Ihrem Antrag: „… Pflichtpfand einfach und damit verbraucherfreundlich auszugestalten.“ Ich habe Ihrem Antrag in unserem Ausschuss zugestimmt. Im Übrigen durchlief unser Antrag – entgegen der Voten anderer Ausschüsse – den Europaausschuss einstimmig.
Sie fordern in Ihrem Antrag vom März eine vereinfachte Pfandregelung. Doch Herr Huber, der Bayern im Bundesrat vertritt, macht genau das Gegenteil und führt Sie, Herr Bernhard, vor. Die Vorgeschichte haben wir hier ausführlich diskutiert und leider miterleben dürfen. Die Staatsregierung hat sich bei der Verpackungsverordnung und beim Dosenpfand um 180 Grad gedreht. Denn sie brachte zuerst diese Regelung, die ihr nicht scharf genug formuliert werden konnte, mit auf den Weg, war aber plötzlich dagegen, als es um die Umsetzung ging. Ich darf dazu Umweltminister Dr. Schnappauf zitieren und darlegen, mit welch famosen Begründung er gegen diese Regelung war. Er sagte am 9. Mai und 27. Juni 2001 in der Plenarsitzung:
Herr Dr. Runge hat in seinen Ausführungen deutlich gemacht, dass es ihm um die Einführung eines Pfandes in Deutschland und in Bayern geht. Sie und Ihr Umweltminister an der Spitze gefallen sich ganz offensichtlich in der Rolle eines Testamentsvollstreckers. Sie wollen das Pfand durchdrücken, ohne noch einmal zu prüfen, ob dieses Mittel tatsächlich geeignet ist, dieses Ziel zu erreichen. Summa summarum gehen Sie mit dem Pfand jede Menge unbekannter Risiken und Nebenwirkungen ein.
Herr Schnappauf sagte also auf einmal, es gäbe die Lenkungswirkung nicht. Ich denke, mittlerweile wurde Herr Schnappauf eines anderen belehrt; denn ab Januar 2003, der Einführung des Pfandes auf Bier, Mineral- und Tafelwasser sowie auf kohlensäurehaltige Erfrischungsgetränke zeigte sich, dass die Lenkungswirkung in hohem Maße eintrat. Bei Bier zum Beispiel stieg die Mehrwegquote innerhalb eines Jahres von unter 70 % auf 90 % an. Das ist ein großer Erfolg.
Wir danken unserem Umweltminister Trittin, der vorher vom bayerischen Wirtschaftsminister Dr. Wiesheu so schön skizziert wurde, für seinen Einsatz für die Wirt
Was ist passiert? Es gab ein Umsatz- und Absatzwachstum und ein massives Wachstum bei den Arbeitsplätzen von 12 000 bis 14 000, so die Aussagen von Wirtschaftsverbänden. Gleichzeitig schaut es in der Umwelt nicht mehr ganz so schlimm wie vorher aus.
Wir alle waren uns in der Diskussion darin einig, dass die Verordnung von 1991 trotzdem novelliert werden muss Das heißt, die Verordnung muss in Bezug auf die Ökobilanzen und den Verpackungsmarkt heutigen Erkenntnissen angepasst werden. Außerdem muss für mehr Transparenz gesorgt werden. Nachdem die Fronten zwischen der Bundestagsmehrheit einerseits und der Bundesratsmehrheit andererseits lange Zeit sehr verhärtet waren, kam in das Ganze kürzlich Bewegung. Man einigte sich auf ein Modell, das letztlich auch der bayerische Ministerpräsident vorschlagen durfte, mit den bekannten Änderungen: Pfand und Rücknahmepflicht für Bier- und Mineralwasserdosen, Erfrischungsgetränke und Alcopops, aber eben ohne Pfand auf Milch-, Wein-, Frucht- und Gemüsesaftverpackungen.
Es wäre elementar wichtig gewesen – diese Debatte haben wir vor wenigen Wochen geführt –, abschließend eine solche Novellierung auf der letzten Sitzung des Bundesrats am 9. Juli positiv zu entscheiden,
weil ansonsten dem Zwang der Töpfer-Verordnung entsprechend die Zahlen für Fruchtsäfte, Milch und Wein veröffentlicht werden müssten. Das würde zuerst Pfand für Saft, später auch für Milch und Wein bedeuten. Auch wäre das am EuGH in Luxemburg anhängige Vertragsverletzungsverfahren mit der Novellierung gegenstandslos geworden. Denn dabei geht es keineswegs um Ja oder Nein zu der Pfandregelung, sondern um die Erfassung der Quoten, und diese werden bekanntlich nach den gefundenen Kompromissvorschlägen abgeschafft.
Herr Kreuzer, Herr Bernhard, Sie sollten sich das sehr genau anhören. Herr Bernhard, Sie telefonieren; Sie kennen meine Position zum Mobiltelefonieren. Nur deswegen habe ich das jetzt gesagt, sonst würde ich dies nicht tun.
Geschätzter Herr Kollege Bernhard, Sie haben sich vorführen lassen. Es gab ein abgekartetes Spiel mit wohl verteilten Rollen. Seitens der Regierungen der Unionsländer wurde alles getan, dass im Bundesrat keine abschließende Sachentscheidung zustande kam. Herr Stoiber durfte versuchen, sich mit seinem Pfandvereinfachungsmodell, welches sich nur marginal von den Vorschlägen Trittins unterscheidet, bei Brauern und Umweltschützern beliebt zu machen.
Die Bayerische Staatsregierung brachte im Bundesrat nicht die zuvor abgestimmten vier Änderungsanträge Bayerns und Baden-Württembergs zur Dritten Verordnung zur Änderung der Verpackungsverordnung, sondern einen
eigenen Verordnungsentwurf ein. Dieser eigene Verordnungsentwurf wurde zudem außerhalb der 14-Tages-Frist eingebracht, sodass es ein Leichtes war, ihn aus formalen Gründen in die Ausschüsse zu verweisen.
Für diese von Frau Merkel, Herrn Koch und Herrn Stoiber wohl inszenierte Darstellung gibt es zwei Gründe: Erstens wird aus parteitaktischen Gründen eine Chaotisierungspolitik betrieben.
Eine Einigung mit der rot-grünen Bundesregierung soll gar nicht gefunden werden, obwohl sich, wie schon gesagt, das bayerische Modell kaum von dem unterscheidet, was Trittin seit Jahren fordert. Trittin sagte, er könne mit dem bayerischen Modell wunderbar leben. Bundesregierung und Bundestag würden dem Modell dann zügig zustimmen.
Zweitens. Zugegebenermaßen haben die Lobbyisten aus Kreisen wie Großunternehmen des Einzelhandels, Großbrauereien, DSD-AG und Verpackungsindustrie gute Arbeit geleistet.
Ein Beleg dafür, wie Sie, Herr Bernhard, sich in der Fraktion haben vorführen lassen, ist, dass Sie in der letzten Plenarsitzung auf unseren Wunsch hin signalisierten, Ihren Antrag wie folgt ändern: „Die Staatsregierung wird aufgefordert, sich zu bemühen, dass am 09.07. eine positive Entscheidung zustande kommt.“ Aber dann trat die Staatsregierung, namentlich Emilia Müller, auf den Plan und kassierte das Ganze. Sie wusste genau, aus welchen Gründen sie dies tat.
Aus bayerischer Sicht bleibt festzuhalten, dass Ministerpräsident Stoiber sich Angela Merkel und der Verpackungsindustrie unterworfen und damit bayerischen Interessen massiv geschadet hat.
Auf Befehl der CDU-Chefin dürfte mit der Bundesregierung keine Einigung herbeigeführt werden. Verzögern, verwässern und chaotisieren aus parteitaktischen Gründen sind Ihnen wichtiger als Interessen von Umwelt, von mittelständischen Brauereien und Getränkehändlern.
Der Staatsregierung ist vorzuwerfen, dass sie ihren Entwurf zu spät einbrachte und nicht einmal darüber hat abstimmen lassen. Die Lobbyisten von Verpackungsindustrie, von Großunternehmen des Handels und die DSD-AG reiben sich jetzt die Hände. Nach der Logik der TöpferRegelung geht das Ganze jetzt seinen Weg weiter. Die Zahlen werden veröffentlicht, und Sie werden sehen, was Sie damit anrichten.
Ich komme auf das unsägliche Doppelspiel von Bundesratsminister Erwin Huber zu sprechen und darauf, wie er Sie vorführt. Mit Erwin Huber als Verhandlungsführer für das Pfand wurde der Bock zum Gärtner gemacht.
Was ist von dem Antragsteller zu halten, der noch am Tag vor der Behandlung im Bundesrat einen Antrag einbringt und via Presse öffentlich kund tut, eigentlich sei er gegen dieses Pfand?
Er hat von einem Anti-Pfand gesprochen. Das ist in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ nachzulesen. Auf einmal hat er gesagt, er ist für das hessische Konzept von Herrn Koch, obwohl die CDU/CSU-Bundestagsfraktion zugegeben hat, dass dieses Koch-Modell das Aus von Mehrweg und von zahlreichen kleinen Brauereien bedeuten kann. Huber schert sich also weder um den bayerischen Mittelstand noch um seine CSU-Landtagskollegen, die erst kürzlich in einem Dringlichkeitsantrag für die Unterstützung eines Pfandmodells geworben haben.
Zu Herrn Ministerpräsidenten Stoiber muss man sagen, ihm fehlt es mittlerweile an jeglicher Art von Durchsetzungsvermögen,
eine als richtig erkannte Sachentscheidung gegen die Strippenzieherin in Berlin, Frau Merkel, durchzusetzen.
Damit Sie das auch wirklich glauben, zitiere ich jetzt zu dem Thema andere, denn erfreulicherweise ist Ihnen niemand auf den Leim gegangen.
Dabei scheitert die Einigung nur am Parteigeschachere, denn zwischen dem bayerischen Pfandvereinfachungsmodell der CSU und dem Trittin’schen Novellierungsvorschlag liegen nur marginale Unterschiede. Die Einigung auf Fachebene steht. Das Problem war und ist, dass aus parteitaktischen Gründen eine Einigung mit der Regierung abgelehnt wird. Es scheinen insbesondere die CDU-Spitzen nur noch die Konfrontation mit Rot-Grün suchen zu wollen. Die CSU kann oder will sich dagegen nicht durchsetzen. Man arrangiert sich mit Verzögerungs- und Verschleierungstaktik. Dabei sind das genau die gleichen Politiker, die täglich bessere Investitionsrahmenbedingungen für die Wirtschaft fordern.
Das war ein Zitat von Dr. Werner Gloßner, Hauptgeschäftsführer des Verbands mittelständischer Brauereien in Bayern.
Danke für Ihren Beifall, Herr Kreuzer. Sie meinen damit doch sicher die Sache. Das zweite Zitat ist etwas schärfer:
Der Bundesverband mittelständischer Privatbrauereinen wirft der Bayerischen Staatsregierung in diesem Zusammenhang Janusköpfigkeit vor. Da wird erst ein Pfandvereinfachungsmodell inhaltlich mit dem Bundesumweltministerium abgestimmt, dann auf unseren Druck hin auch im Bundesrat eingebracht, jedoch anschließend nicht zur Abstimmung gestellt. Die Krönung dieses Täuschungsmanövers ist die mittlerweile öffentlich erfolgte Kommentierung, Bayern sei gar kein Pfandbefürworter, während man gleichzeitig den mittelständischen Brauern in Bayern gegenüber betont, das Pfand habe dort seine positive Wirkung auf die Umwelt und das Mehrwegsystem unter Beweis gestellt.
Das war die Presseerklärung des Bundesverbandes mittelständischer Privatbrauereien. Die weisen auf Ihre Scheinheiligkeit und auf Ihr „obszönes Spiel“ hin – auch diese Formulierung ist aus dieser Presseerklärung.
Wir haben es schon gestern bei der Biersteuer erlebt. Finanzminister Faltlhauser stellt sich hier her und beteuert treuherzig: Meine Damen und Herren, im Interesse des Großen und Ganzen konnten wir überhaupt keinen einzelnen Bereich dieses Koch-Steinbrück-Papiers ändern. Deswegen mussten wir in den sauren Apfel beißen und mussten ihm so zustimmen. – Gleichzeitig lassen Sie sich vom Bauernverband feiern, dass Sie viele einzelne Maßnahmen aus diesem Papier herausgebrochen haben. Ich sage deshalb noch einmal: Die Bauern werden hofiert, die Brauer und die CSU-Fraktion wird von der Staatsregierung für dumm verkauft.
Ich kann nur mit der heftigen Aufforderung schließen: Am 24. September dieses Jahres geht es im Bundesrat weiter. Deshalb war es auch wichtig, das Thema heute noch einmal zu behandeln. Am 24. September 2004 geht es weiter. Herr Kreuzer, bringen Sie Ihre Staatsregierung bis dahin auf Linie, damit sie endlich das tut, was Sie selbst in Ihren Anträgen fordern, und zwar im Interesse der Umwelt, der Verbraucher und vor allem der mittelständischen Brauer in Bayern.
Ich gebe dazwischen das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum letzten Dringlichkeitsantrag der SPD-Fraktion bezüglich Neuordnung der beruflichen Bildung, Drucksache 15/1368, bekannt. Mit Ja haben 50 gestimmt, mit Nein 94. Keine Stimmenthaltungen. Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.