Ich will Ihnen einmal ein Beispiel aus meiner Region, dem bayerischen Untermain, der heute schon zur Sprache kam, schildern. In dieser Region sind in diesem Schuljahr 862 junge Leute ohne Ausbildungsvertrag.
In diesem Schuljahr! Die sind gerade ein Jahr in der Schule gewesen, wenn jetzt die Ferien beginnen. Von diesen 862 Schülerinnen und Schülern befinden sich 66 in einer einjährigen Berufsfachschule. 141 Schülerinnen und Schüler befinden sich in einem Berufsvorbereitungsjahr. Das ist eine schulische Maßnahme. Weitere 194 Schülerinnen und Schüler nehmen an Maßnahmen teil, die durch die Agentur für Arbeit finanziert werden. 461 von 862, also etwa die Hälfte, befinden sich in klassischen Jungarbeiterklassen. Die Schulleitungen, die das aufgeschrieben haben, schreiben darunter „nicht versorgt“. Damit haben sie Recht. Allein in unserer Region sind 500 Jugendliche und junge Menschen unversorgt. Sie haben lediglich dieses klassische Angebot der Jungarbeiterklassen.
Ich möchte zu dem Bericht auch sagen, dass Sie die Probleme ignorieren. Schon der Oberste Rechnungshof stellte in seinem Bericht fest, dass die Jungarbeiterklassen aus mehreren Gründen problematisch seien. Ich zitiere:
Die Unterrichtsgestaltung ist besonders schwierig, weil vielfach die Lernmotivation der Schüler fehlt. Die Zusammensetzung der Jungarbeiterklassen unterliegt auch während eines einzigen Schultags einem ständigen Wechsel, sodass ein geregelter Unterricht und insbesondere die Vermittlung von beruflicher Bildung erschwert oder sogar unmöglich wird. Die durchschnittliche An
wesenheitsquote der Schülerinnen und Schüler in Jungarbeiterklassen liegt nach den stichprobenartigen Erhebungen des ORH zum Teil unter 50 %.
Meine Damen und Herren, wenn das kein Armutszeugnis Ihrer Schulpolitik ist, dann frage ich mich, was es sonst sein soll. Sie kennen auch die Probleme, das ist nun nicht abzustreiten. Die Probleme sind Ihnen seit Jahren bekannt, aber anstatt ein anderes Konzept vorzulegen, erdreisten Sie sich von der CSU sogar, im Landtag einen Antrag vorzulegen, der lautet: „Störenfriede raus“. Meine Damen und Herren, dieses Signal an die Jugendlichen zu geben, ist unmöglich. Welche Perspektiven schaffen Sie? Welche Motivation sollen denn die Schülerinnen und Schüler zum Lernen haben, wenn Sie ihnen nicht einmal eine berufliche Bildung anbieten? Was sollen also diese Schülerinnen und Schüler machen? Sie müssen sich nicht wundern, wenn diese jungen Leute nicht mehr in die Schule kommen.
Anstatt etwas zu ändern, passiert noch etwas Schlimmeres: Sie bestrafen die Schüler auch noch. Mir hat ein junger Mann, der in der Jugendarbeit tätig ist, gemailt, dass er sogar Fälle kennt, wo Jugendliche zu 100 Tagessätzen verurteilt worden sind, nur weil sie dieses besondere Angebot der Berufsschule nicht nutzen.
Sie kommen in Ihrem Bericht nun auch zu Schlussfolgerungen. Das ist rühmlich. Sie haben es sogar fett gedruckt. Ich zitiere:
Die Einführung eines verpflichtenden Vollzeitjahres an der Berufsschule in Form eines schulischen oder eines kooperativen Berufsvorbereitungsjahres wäre pädagogisch sinnvoll, da dadurch mehr Jugendliche bessere berufliche Perspektiven erhalten würden.
Da muss ich schon sagen: Das ist toll, was Sie da herausgefunden haben. Nur, das Resümee, das Sie daraus ziehen, bewerte ich anders. Es heißt da nämlich: Für dieses Angebot haben wir kein Geld. Das ist in dieser Sache das Unmögliche.
Ich denke, das Problem, meine Damen und Herren von der CSU, sind nicht die Schülerinnen und Schüler, die die Bildung verweigern, sondern das Problem ist, dass Sie ihnen diese Bildung verweigern. Im Grunde ist das Problem die CSU, sind nicht die Schülerinnen und Schüler, die keine Perspektive sehen.
Wenn wir Ausbildung für alle ernst meinen, dann muss auch für diejenigen ein Ausbildungsangebot da sein, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen. Das kann nicht irgendetwas sein, sondern es muss Qualität haben, es muss Sinn machen, es muss auf Ausbildung vorberei
Diese Möglichkeiten sind nichts Neues. Diese Möglichkeiten hat Ihnen die Bundesregierung gegeben. Die SPD-geführte Bundesregierung hat sie in den letzten Jahren geschaffen. Beispielhaft darf ich die bundesgesetzlichen Verbesserungen in der Berufsvorbereitung nennen. Die Berufsvorbereitung ist jetzt in die Berufsausbildung integriert. Es gibt Qualifizierungsbausteine, die für eine Gesamtausbildung genutzt werden können. Auch diese könnten Sie in das Konzept einbauen. Sie könnten Teilqualifikationen anerkennen. All das ist Ihnen möglich.
Im Ausbildungspakt – er ist gerade in der aktuellen Diskussion – soll es zusätzliche betriebliche Praktikumsplätze geben. Auch das erfordert ein individuelles und qualitatives Schulangebot für die betroffenen Jugendlichen. Mit all diesen Möglichkeiten hätten Sie die Chance, hier endlich Konsequenzen zu ziehen und auch in den Berufsschulen ein Ausbildungsangebot zu schaffen, das allen Jugendlichen nützt, die ohne Ausbildungsvertrag bleiben.
Wichtig ist uns, dass es im Sommer keine Jungarbeiterklassen mehr gibt. Deswegen sage ich zum Schluss noch einmal: Machen Sie heute die Zusage. Weil wir wissen wollen, wer diese Zusage macht, beantrage ich für unsere Fraktion namentliche Abstimmung.
Nach dem Stand der Beratungen darf ich darauf hinweisen, dass es bei bleibender Intensität der Beratungen kaum möglich sein wird, heute alle Anträge zu behandeln. Wenn deswegen die Reihenfolge geändert werden soll, müssten sich die Fraktionen untereinander verständigen. Ansonsten bleibt es in der bisher vorgesehenen Reihenfolge. Nach 14 Uhr kann es keine Abstimmungen mehr geben.
Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Anders als bei der Debatte um die Hauptschule möchte ich noch einmal zu meinen eingangs gemachten Einlassungen etwas klarstellen. Bei der beruflichen Bildung haben wir verschiedene Zuständigkeiten. Wir haben bei uns in Bayern und in Deutschland das bewährte System der dualen Ausbildung. Wir haben hier eine gemeinsame Verantwortung von Wirtschaft und Politik, und wir haben, was die schulrechtliche Gesetzgebung betrifft, eine gemeinsame Verantwortung für Bayern und Bund. Soweit zur Klarstellung.
Vollzeitschulische Ausbildungsgänge stehen seit Jahren an zweiter Stelle und werden auch von der Wirtschaft in diese Rangstellung gesetzt. Die berufliche Ausbildung, ob
mit oder ohne Ausbildungsvertrag, soll idealerweise immer in Verbindung mit beruflichen bzw. betrieblichen Erfahrungswerten stehen.
Meine Damen und Herren, wir haben mit großem Wohlwollen aufgenommen, dass die unselige Ausbildungsplatzabgabe im Bund zurückgestellt wurde. Man hat auf Bundesebene einen Ausbildungspakt geschlossen, der von der Bundesanstalt für Arbeit in den Inhalten mit umgesetzt werden muss, was Akquise von Plätzen betrifft.
Eine wesentliche Neuerung zu den zusätzlich zugesagten Ausbildungsplätzen ist hier im Gespräch. Dazu möchte ich, sehr geehrte Frau Kollegin Pranghofer, eines sagen: Sie können nicht Zahlen von Jugendlichen, die keinen Ausbildungsvertrag haben, bezogen auf den Schuljahresanfang letzten Jahres, mit Zahlen vergleichen, die zum heutigen Zeitpunkt gelten. Sie müssen da schon gleiche Stichtage nehmen.
Wir haben jedes Jahr ein so genanntes Ausbildungswunder. Aber dieses Wort möchte ich in Anführungszeichen gemeint haben. Immerhin gibt es jedes Jahr von Ende Juli bis Mitte September, wenn das Schuljahr begonnen hat, eine deutliche Mehrung. Ich bitte also wirklich um seriöse Zahlenvergleiche.
Meine Damen und Herren, wir haben nach Aussage unseres Kollegen Traublinger derzeit eine Mehrung der Ausbildungsplätze im Handwerk gegenüber dem vergleichbaren Stichtag letzten Jahres. Bayern hat sich an der Akquise von Praktikums- und Ausbildungsplätzen finanziell beteiligt. Der Arbeitsverwaltung werden Kosten erstattet, die im Zusammenhang mit der Findung einer ausreichenden Zahl von Plätzen entstehen.
Genau das ist jetzt unser Problem. Wenn es um konkrete Planungen für das nächste Schuljahr geht, können wir das neue Instrument zur Beschaffung der Praktikumsplätze zahlenmäßig derzeit noch nicht richtig nutzen. Wir müssen die Entwicklung in den nächsten Wochen abwarten. Wir haben die Hoffnung und die Chance, dass Betriebe, die aufgrund ihrer schlechten wirtschaftlichen Situation in Ausbildungsplätze nicht investieren können, die kostengünstigen und kostenfreien Praktikumsplätze zur Verfügung stellen.
Dennoch, Frau Kollegin Pranghofer, gebe ich Ihnen Recht, dass wir die Problematik der jungen Leute ohne Ausbildungsverhältnis nicht verharmlosen dürfen.
Welche Maßnahmen und Angebote gibt es bisher? Sie stellen es ja so dar, als ob die Bayerische Staatsregierung und die CSU-Fraktion dieses Thema nicht behandelt hätten. Wir haben zusätzlich zu den traditionellen Berufsfachschulen, die vor allem in den sozialen Berufen bestehen, in Bayern jährlich neue einjährige Berufsfachschulen gegründet. Allein im letzten Jahr waren es 35.
Neu geschaffen haben wir die zweijährige Wirtschaftsschule als Berufsfachschule für Wirtschaft. Wir haben – das haben Sie auch vorgelesen – schon seit jeher vollzeitschulische Maßnahmen im Rahmen des Berufsvorbereitungsjahres. Zusammen mit der Bundesanstalt für Arbeit
gibt es die kooperativen und integrativen Maßnahmen, die sowohl Maßnahmen der Arbeitsverwaltung als auch gleichzeitig Beschulung durch die Berufsschule sind.
Bei Ihrem sehr detaillierten Bericht, Frau Pranghofer, haben Sie leider Gottes einen Punkt nicht erwähnt: dass die Bundesregierung in diesem Bereich der integrativen Maßnahmen der Arbeitsverwaltung und der Schule Mittel gekürzt hat. Ich hoffe und fordere sie auf, dass Sie Ihre Forderungen nicht nur an Bayern richten, sondern auch an den Bund, hier keine Leistungen zurückzunehmen, etwas, was Sie den Bayern wirklich nicht vorwerfen können.
Forderungen nach arbeitsmarktverwertbaren Teilqualifikationen erfüllen wir mit den einjährigen Berufsfachschulen. Ich gebe Ihnen Recht – das ist Teil unseres Konzepts –, dass wir hier Zertifikate ansetzen müssen und auch bei Teilzeitmaßnahmen auf Teilqualifikation abzielen müssen, die die Wirtschaft anerkennen sollte. Wenn Sie von uns die Anerkennung von Teilzertifikaten verlangen, dann sind Sie bei uns an der falschen Adresse. Wir brauchen die Wirtschaft als Partner, die die Teilqualifikationen anerkennt und entsprechend, was leider viel zu selten geschieht, den Anrechnungsverordnungen folgt, nämlich einjährige Berufsfachschulen als erstes Lehrjahr anzuerkennen und die jungen Leute in das zweite Lehrjahr zu übernehmen. Das geschieht derzeit viel zu wenig. Das verschärft die Situation am Ausbildungsmarkt, weil die aktuellen Schulabgänger mit denen zusammenkommen, die ein Jahr in beruflichen Maßnahmen von Schule und/oder Arbeitsverwaltung verbracht haben.
Ich begrüße, dass die SPD im Bereich der Teilqualifikationen offensichtlich einen Sinneswandel vollzogen hat. Sie waren ja bisher immer dagegen, weil Sie der Ansicht waren, dass Teilqualifikationen zu niedriger Beschäftigung und Bezahlung führen.
Meine Damen und Herren, die Forderung der SPD, alle jungen Leute, die ohne Ausbildungsverhältnis sind und in keiner Maßnahme der Arbeitsverwaltung stehen, vollzeitschulisch zu beschulen, ist zu diesem Zeitpunkt leider Gottes wieder einmal eine dieser unrealistischen Weihnachtswunschlisten. Sie wissen alle miteinander, dass wir einen Nachtragshaushalt beschlossen haben. Ich würde wirklich wünschen, meine Damen und Herren der Opposition, dass es bei uns in Bayern auch einmal so gemacht würde – –
(Beifall bei der CSU – Joachim Wahnschaffe (SPD): Unerhört, was Sie da sagen! – Weitere Zurufe von der SPD)
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage? – Sie gestatten keine. Dann bitte ich um Aufmerksamkeit für die Rednerin.