Protocol of the Session on June 30, 2004

den, den Wissenschaftlern, von überall hört man, dass wir dringend handeln müssen.

(Beifall der Abgeordneten Ulrike Gote (GRÜNE))

Nur Sie verschließen die Augen davor, dass wir große Probleme bekommen werden, wenn die deutsche Politik nicht endlich Antworten auf die demografische Entwicklung sucht, also darauf, dass unsere Bevölkerung in den nächsten Jahrzehnten zu überaltern droht und kleiner wird.

Eine Antwort kann die Bereitschaft sein, sich für Zuwanderung zu öffnen. Eine zweite Antwort muss den in unserem Land bereits Lebenden in ungleich größerem Maße als bisher Bildungschancen einräumen.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Erfolgreiche Integration ist für unsere Gesellschaft die Chance, von den Fähigkeiten der Eingewanderten zu profitieren.

Gerade auch wirtschaftliche Gründe sprechen für ein modernes Zuwanderungsgesetz und auch für ein Auswahlverfahren nach einem Punktesystem. Das haben Sie auch einmal anerkannt, Kolleginnen und Kollegen von der CSU. Ich darf erinnern: Selbst die Herzog-Kommission hat ähnlich wie die Rürup-Kommission und die frühere Zuwanderungs-Kommission der CDU festgestellt, dass ab dem Jahr 2010 aus demografischen Gründen eine Zuwanderung in den deutschen Arbeitsmarkt in größerem Maße erforderlich sein wird. Das war einmal Ihre Position.

Im Jahre 2001 hat die Union – damals waren Sie auch dabei – in einem gemeinsamen Papier selbst ein solches Punkteverfahren für die Zuwanderung im Rahmen einer Arbeitsmigrationsquote vorgeschlagen. Das war Ihr Vorschlag. Heute sind Sie merkwürdigerweise stolz darauf, dass Sie diese Regelung, die Sie selber vorgeschlagen hatten und die gerade Bayern genutzt hätte, – zum Schaden unseres Landes verhindert haben. Schande über Sie!

(Beifall bei Abgeordneten den GRÜNEN)

Wenn wir den Kampf um die weltbesten Köpfe tatsächlich aufnehmen wollen, wie Sie immer großspurig erzählen, muss sich das politische Klima in Bayern drastisch ändern.

(Beifall bei Abgeordneten den GRÜNEN)

Die Menschen, die zu uns kommen, müssen sich bei uns auch willkommen und daheim fühlen können.

(Peter Welnhofer (CSU): Das kommt drauf an!)

Sie wundern sich immer mal wieder, beispielsweise jetzt nach der Europawahl, warum Sie als unmoderne Partei wahrgenommen werden und warum Ihnen die städtischen Milieus davonlaufen. Das ist ganz einfach: weil Sie eine unmoderne Partei sind.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Genau!)

Prof. Ulrich Beck hat hier im Landtag im Rahmen des Dialogs der Kulturen des Landtagspräsidenten versucht, Ihnen auf die Sprünge zu helfen. Ich zitiere:

Die Mir-san-mir-Gesellschaft, die in der Illusion lebt, man brauche die Grenzen nur höher zu ziehen, um die alte Ordnung wieder herzustellen, ist zu einer der großen Illusionen und Gefährdungen der offenen Gesellschaft geworden.

Das sollten Sie sich ins Stammbuch schreiben. Es ist allerhöchste Zeit, dass Sie von diesen Illusionen abrücken.

Der Landtagspräsident Glück selber hat zum Auftakt seiner Reihe ein Umdenken der CSU angekündigt. Ich zitiere wieder: „Wir wollen die jetzige bayerische Wirklichkeit“ – also die jetzige, nicht die von gestern! – „erfassen, die Scheinvorstellungen eines noch durchweg von christlichen Traditionen geprägten Landes auflösen und ehrlich und offen der Frage nachgehen, wie viel Gemeinsamkeit wir in unserem Land noch haben und wie Bayern morgen und übermorgen kulturell geprägt sein wird.“

(Zuruf der Abgeordneten Ulrike Gote (GRÜNE))

Das kann noch dauern, bis die CSU Antworten auf diese Fragen gefunden hat. In der Zwischenzeit fordern wir Sie auf, auf der Basis des Zuwanderungskompromisses folgende Punkte umzusetzen: Erstens Einrichtung einer Härtefallkommission, in der neben dem Innenministerium gleichberechtigt auch Flüchtlingsorganisationen, Rechtsanwälte, Mediziner bzw. Psychologen vertreten sind.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Wie wichtig eine solche Kommission ist, haben wir heute Vormittag bei der Behandlung der Eingabe nochmals erfahren müssen.

Zweitens. Statt teurer, ineffizienter und inhumaner Ausreisezentren müssen wir so genannte Rückkehrbüros einrichten, die ausreisepflichtige Migrantinnen und Migranten auf die Rückkehr in ihr Heimatland vorbereiten und für sie eine Perspektive aufbauen.

Drittens. Die Kürzungen im Nachtragshaushalt im Bereich Asyl und Integration müssen zurückgenommen und zusätzliche Integrationsmaßnahmen müssen eingeleitet werden.

Viertens. Die bestehenden Ermessensspielräume müssen human genutzt werden. „Man muss“ – ich zitiere noch einmal Prof. Oberndörfer – „erst einmal sehen, wie dieses Gesetz umgesetzt wird. Von der Verwaltung wird unendlich viel abhängen.“ Diesbezüglich müssen das Bayerische Innenministerium und Sie, Kolleginnen und Kollegen der CSU, komplett umdenken.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Mit Ihrem Dringlichkeitsantrag sind Sie erkennbar immer noch auf dem Holzweg. Deswegen werden wir ihn ablehnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. Als Nächster hat sich Kollege Kreidl zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man die Redner der Opposition gehört hat, so hat man fast den Eindruck gewonnen, als hätte es den Asylkompromiss bzw. den Zuwanderungskompromiss in Berlin überhaupt nicht gegeben. Man hat nämlich nur versucht, kritische Punkte hervorzuheben, ohne das Positive, das mit dem Kompromiss in Verbindung steht, in entsprechender Weise zu würdigen.

(Widerspruch bei den GRÜNEN)

Wenn Kollege Volkmann sehr lange ausgeführt hat, dass sich die CSU einem vernünftigen Zuwanderungsrecht immer verweigert habe,

(Heidi Lück (SPD): So hat er Recht!)

so weise ich das zurück, denn das stimmt nicht. Ich bin der Meinung, es ist nicht zielführend, wenn man nach wie vor mit plakativen Aussagen wie „Deutschland ist ein Zuwanderungsland“ operiert. Man kann ewig darüber streiten, ob Deutschland ein Zuwanderungsland ist oder nicht. Ich finde, es kommt darauf an, dass man in der praktischen Ausgestaltung zu handhabbaren, guten und praktikablen Lösungen kommt. Das sollte im Vordergrund stehen und das habe ich bei Ihren Ausführungen doch sehr vermisst.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage vom Kollegen Volkmann?

Mir stehen nur fünf Minuten zur Verfügung. Deshalb bitte ich auf Zwischenfragen zu verzichten.

Sie, Herr Kollege Volkmann, haben weiter ausgeführt – vielleicht war es das, was Sie mit Ihrer Frage noch einmal verdeutlichen wollten -, dass bei uns kein Erkenntnisgewinn zu verzeichnen gewesen sei

(Beifall des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr (GRÜ- NE))

bzw. dass wir eine Erkenntnisverweigerung an den Tag gelegt hätten.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr (GRÜ- NE))

Davon kann doch wohl nicht die Rede sein. Wir haben uns verantwortungsbewusst verhalten, weil angesichts von 4,5 Millionen Arbeitslosen und angesichts eines ungewis

sen Zuwanderungspotenzials nicht abschätzbar ist, wie sich eine völlige Freigabe ausgewirkt hätte. Wir haben uns für eine Begrenzung und eine Steuerung der Zuwanderung eingesetzt und dahin gehend auch gute, praktikable Lösungen erreicht.

Es enttäuscht mich schon sehr, dass sowohl SPD als auch GRÜNE signalisiert haben, dass sie unserem Dringlichkeitsantrag nicht zustimmen. Auch hieran wird deutlich, dass Sie sich im Vergleich zu Rot-Grün in Berlin völlig konträr verhalten.

(Zuruf der Abgeordneten Heidi Lück (SPD))

In Berlin haben sogar die GRÜNEN erklärt, dass sie mit dem Kompromiss einverstanden seien und dass sie ihm zustimmen.

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Daran sieht man wieder einmal, dass Sie von der SPD Ihren Bundeskanzler blamieren. Sie blamieren auch Ihren Bundesinnenminister, der sich mehrfach positiv in dieser Richtung ausgesprochen hat. Schröder hat die Sache sogar zur Chefsache gemacht und Sie stellen sich hier hin und sagen, dass Sie dem nicht zustimmen. Dafür bringen Sie dann irgendwelche fadenscheinigen Begründungen.

(Zuruf der Abgeordneten Heidi Lück (SPD))

Selbst die GRÜNEN im Bundestag haben Zustimmung signalisiert und Sie, Herr Kollege Dürr, sagen, dass Sie dem nicht zustimmen. Sie verweisen dabei auf nicht nachvollziehbare Begründungen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr (GRÜ- NE))