Protocol of the Session on June 17, 2004

Wir verzichten auf ein ganzes Gericht, wir verzichten auf eine komplette Strafverfolgungsbehörde. An Personal kosten werden wir bereits Ende 2006 mindestens 630 000 Euro jährlich einsparen. Dieses Sparvolumen wird lang fristig auf 1,2 Millionen Euro anwachsen. Dazu kommen Kosten für Sachmittel von jährlich etwa 282 000 Euro. Das bedeutet: Wir werden jährlich Einsparungen von knapp 1,5 Millionen Euro erreichen.

Fünftens. Mit der Einsparung ist ein ganz wichtiges Signal verbunden. Wir zeigen unseren Bürgerinnen und Bürgern damit, dass wir nicht nur am unteren Ende sparen, dass wir nicht nur bei den kleinen Leuten knapsen, bei den Justizvollzugsbediensteten und anderen. Wir zeigen, dass wir auch in den höheren Etagen ansetzen.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Das zeigen wir hier sogar sehr deutlich. Mir ist klar, dass damit Beförderungsstellen verloren gehen. Das wird in anderen Ressorts aber ebenso sein.

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, der Ge setzentwurf hat wie alle Dinge zwei Seiten. Wo Licht ist, ist auch Schatten. Zeiten der Krise zwingen dazu, den Blick nach vorne zu richten und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Wenn man in diesem Gesetzentwurf nur eine Sparmaßnahme sieht, dann verkennt man seine In tention. Die Auflösung des Bayerischen Obersten Landes gerichts bedeutet viel mehr als das. Sie ist die Chance, die Justiz rationeller und bürgernäher zu gestalten.

Lassen Sie mich zum Schluss noch ein paar Worte zu den Kritikern sagen. Ich weiß, dass die Auflösung des Bayeri schen Obersten Landesgerichts von vielen Seiten heftigen Widerspruch geerntet hat. Dennoch bin ich der Meinung: Wir sind auf dem richtigen Weg. Die Gegenargumente ha ben mich nicht überzeugen können. Die wesentlichen Vor würfe sind: mit der Auflösung des Bayerischen Obersten Landesgerichts ginge ein Qualitätsverlust einher, der Spar effekt sei gering und eine Tradition werde aufgegeben.

Zum Ersten. Ich habe schon dargelegt: Einen Qualitäts verlust wird es nicht geben. Ich bin mir bewusst, welch außerordentlichen Ruf die Rechtsprechung des Bayeri schen Obersten Landesgerichts hat. Aber man tut unserer Justiz aber Unrecht, wenn man dieses Gericht als den einzigen Leuchtturm der bayerischen Justiz darstellt und das Renommee nur am Bayerischen Obersten Landesge richt festmacht. Die exzellente Arbeit, auch der übrigen Gerichte und der Staatsanwaltschaften in Bayern, steht außer Zweifel.

(Beifall eines Abgeordneten der CSU)

Zum Zweiten. Es stimmt: Gemessen am Gesamtumfang des Justizhaushalts haben wir hier eine Einsparung, die Ihnen möglicherweise nicht sehr groß vorkommt. Sollte es jemand für angebracht halten, dann kann er bei 1,5 Millio nen Euro von Peanuts oder von einem Linsengericht spre chen. Ich aber bin der Meinung, es geht um Steuergelder. Dafür müssen wir Rechenschaft ablegen. Wir müssen das immer in den Kontext der Strukturen eines Verwaltungs haushalts stellen und der Einsparmöglichkeiten. Insofern kann ich nur sagen - und das sage ich auch als Kommu nalpolitikerin -:, 1,5 Millionen Euro im Jahr sind eine Men ge Geld. Führen wir uns auch immer wieder vor Augen, dass das Bayerische Oberste Landesgericht durch die Oberlandesgerichte aufgefangen wird.

Auch das Argument, dass das Bayerische Oberste Lan desgericht in den Jahren 1947/48 errichtet wurde, zu einer Zeit, als viel größere Not als jetzt herrschte, ist nicht über zeugend. Es wird nämlich der Grund für diese Entschei

dung verschwiegen. Das Bayerische Oberste Landesge richt sollte vor allem die Eigenständigkeit der bayerischen Gesetzgebung betonen. Man wollte über bayerische Ge setze keine anderen Gerichte entscheiden lassen. Dieser Zweck ist inzwischen aber überholt. Das Bayerische Oberste Landesgericht entscheidet heute fast ausschließ lich anhand von Bundesrecht.

Überhaupt laufen die meisten Vorwürfe letzten Endes dar auf hinaus, wir würden mit der Auflösung des Gerichts eine bayerische Tradition aufgeben. Das ist richtig beob achtet. Traditionen sind mir durchaus wichtig. Aber sie sind es nur dann, wenn sie auch und in der Zukunft einen zusätzlichen Nutzen enthalten. Tradition allein der Traditi on wegen zu pflegen ist ein schlechter Ratgeber für die Funktionsfähigkeit der bayerischen Justiz, die ich zu ver antworten habe.

Die Justiz hat in diesem Land eine der wichtigsten Aufga ben zu erfüllen. Ob sich ein Mieter mit seinem Vermieter streitet, ob ein Häuslebauer eine Grundschuld eintragen will, ob ein mittelständischer Unternehmer eine Forderung durchsetzen muss oder ob ein Sexualverbrecher hinter Schloss und Riegel gebracht werden soll - überall ist die Justiz gefragt. Eine effektive und unbestechliche Justiz ist für unsere Wirtschaft einer der wichtigsten Standortfakto ren.

Die Gewährung des Rechts ist eine der zentralsten staat lichen Aufgaben, die unsere Bediensteten mit großem Engagement und mit großem Erfolg wahrnehmen. Meine Damen und Herren, ich möchte deshalb nicht versäumen, zum Abschluss einen Dank auszusprechen an all diejeni gen, durch deren Mitarbeit und durch deren Hinweise es möglich wurde, den vorliegenden Gesetzentwurf auszuar beiten und darin eine rundum abgewogene und konstruk tive Lösung zu entwickeln. Ich möchte das vor allem deshalb tun, weil ich weiß, dass es einigen nicht leicht gefallen ist. Respekt vor ihrer Arbeit.

Überhaupt muss man feststellen, dass dieser Gesetzent wurf in unserem Land durchaus zur Kenntnis genommen wird. Normalerweise stehen die Belange der Justiz nicht unbedingt im Zentrum des Medieninteresses. Die Planung der Auflösung des Bayerischen Obersten Landesgerichts jedoch ist in den letzten sechs Monaten auf ein beachtli ches Echo gestoßen. Bei aller geäußerter Kritik zeigt dies, dass unsere Justiz in unsere freiheitliche und demokrati sche Gesellschaft eingebettet ist. Den Menschen ist das Schicksal der Justiz nicht gleichgültig. Die bayerische Justiz belegt bundesweit dank unserer Mitarbeiter einen Spitzenplatz. Helfen Sie mir, helfen Sie unserer Justiz, dass das auch so bleibt. Unterstützen Sie bitte diesen Gesetzentwurf.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Frau Staatsministerin. Ich eröffne die allgemeine Ausspra che. Im Ältestenrat wurden fünf Minuten pro Fraktion ver einbart. Nachdem die Frau Staatsministerin aber 16 statt zehn Minuten gesprochen hat, sage ich der Ordnung hal ber, dass jede Fraktion sechs weitere Minuten Redezeit erhält. Sie müssen selbstverständlich nicht eingehalten werden. Der Ordnung halber wollte ich das aber bekannt

geben. Als nächsten Redner darf ich für die CSU-Fraktion Herrn Kollegen Dr. Bernd Weiß ans Mikrofon bitten.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das Bayerische Oberste Landesgericht leistet eine hervorragende Arbeit. Ich glaube, es gibt in diesem Saal niemanden, der dem widersprechen wollte. Ich glaube, hierüber kann ich mir auch beruflich ein Urteil erlauben. Wenn sich die heutige Debatte um das Festhal ten an Bewährtem dreht, dann müssen wir weniger über das Bewährte debattieren, sondern mehr über die Frage des Festhaltens. In der Begründung des Gesetzentwurfs heißt es: „Angesichts der äußerst schwierigen Haushalts lage muss der Staat alle Möglichkeiten zur Einsparung von Haushaltsmitteln ergreifen.“

Auf dem Prüfstand steht deshalb alles, was vielleicht wün schenswert, aber nicht unverzichtbar ist. Wünschenswert ist das Bayerische Oberste Landesgericht sicher als Sym bol für die bayerische Eigenstaatlichkeit. Sind Sie aber nicht mit mir der Meinung, die Qualität dieser Eigenstaat lichkeit bestimmt sich hauptsächlich inhaltlich und nicht formal? Wir sollten im Prozess der Föderalismusreform eher darüber reden, welche substanziellen Zuständigkei ten die Länder zurückbekommen. Das Bayerische Obers te Landesgericht ist zwar bundesweit eine Besonderheit, entscheidet aber nur noch ganz am Rande eigenständig über bayerisches Landesrecht. 8 bis 10 von 3000 Verfah ren im Jahr betreffen diesen Schwerpunkt. Der absolute Schwerpunkt der Tätigkeit liegt auf der Anwendung von Bundesrecht, was anderswo von Oberlandesgerichten wahrgenommen wird. Die Richter, die an diesem Gericht tätig sind, können dafür sicher nichts. Das Gericht und seine Zuständigkeit für bayerisches Landesrecht ist weni ger ein Symbol für unsere Eigenstaatlichkeit, leider ist es inhaltlich zwischenzeitlich eher ein Symbol für die schlei chende Aushöhlung unseres Föderalismus geworden.

In der sehr erhitzten öffentlichen Debatte wurde von einer Enthauptung der bayerischen Justiz gesprochen, teilwei se sogar von einem Staatsstreich gegen die dritte Gewalt. Man muss dem entgegenhalten, dass trotz aller richterli chen Unabhängigkeit die Gerichtsorganisation nicht den Gerichten selbst zusteht. Gerade ein Landesparlament wie wir, muss in der heutigen Föderalismusdebatte eher darauf bedacht sein, seine eigenen Kompetenzen im Rah men der horizontalen wie auch der vertikalen Gewaltentei lung zu wahren. Die richterliche Unabhängigkeit – so ehr lich wollen wir sein – steht hier nicht auf dem Prüfstand, steht nicht zur Debatte, ist nicht ernsthaft in Gefahr.

Im Übrigen bringt der neue Gesetzentwurf mit einem Ver zicht auf geborene Vorsitzende, etwa des Präsidialrates der ordentlichen Gerichtsbarkeit und des Hauptstaatsanwal tes, mehr Mitspracherechte für Richter und Staatsanwälte.

Auch unter dem Gesichtspunkt der Rechtsvereinheitli chung ist das Gericht wünschenswert, aber nicht unver zichtbar. Nachdem es tatsächlich in der Hauptsache Auf gaben wahrnimmt, die anderswo durch Oberlandesge richte ausgefüllt werden, handelt es sich im Prinzip um ein spezialisiertes Oberlandesgericht. Diese Spezialisierung – die Frau Ministerin hat es eben ausgeführt – kann man auch ohne Bayerisches Oberstes Landesgericht haben. Sie ist im neuen Gesetzentwurf auch vorgesehen. Die Sa

chen der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu konzentrieren, er gibt einen Sinn, das können Sie mir auch aus meiner be ruflichen Erfahrung glauben. Sie sind unspektakulär, aber sie haben von der Grundbuchsache bis zum Erbscheins verfahren eine große finanzielle Bedeutung für die Bürger und sind in der Sache oft kompliziert, sodass eine Kon zentration in diesem Bereich wichtig ist. Auch eine Kon zentration der Ordnungswidrigkeiten halte ich wegen des massenhaften Anfalles und einer notwendigen Gleichbe handlung solcher Fälle für sinnvoll. Aber: Ob wir für die Konzentration dieser Rechtsmaterien ein oberstes Gericht mit höchstdotierten Stellen vorhalten müssen, wage ich zu bezweifeln.

Wir sind in Bayern immer zu Recht stolz auf unsere Juris tenausbildung. Auch an den Oberlandesgerichten sitzen hervorragende Juristen, deren Urteile ebenso bundesweit Beachtung finden werden. Im Übrigen kann das Bayeri sche Oberste Landesgericht – sofern es Funktionen wahr nimmt, die anderswo von Oberlandesgerichten erfüllt werden, also ganz überwiegend – lediglich auf dem Gebiet des Freistaates Bayern für eine einheitliche Rechtspre chung sorgen. Wenn es von der Rechtsprechung eines außerbayerischen Oberlandesgerichtes in der gleichen Materie abweichen will, dann unterliegt es genauso der Pflicht zur Divergenzvorlage an den Bundesgerichtshof wie jedes andere außerbayerische Oberlandesgericht.

Ein Wort zu einem Argument, das in der Diskussion immer etwas nach hinten geschoben wird, das ich aber für zen tral halte: nämlich das Argument der Personalwirtschaft. Es handelt sich hierbei um ein wichtiges Sachargument. Ich meine, man muss sich nicht schämen, wenn man sagt, dass man im Staatsapparat gute Leute fördern muss und dafür natürlich Beförderungsstellen braucht. Die Zei ten haben sich allerdings massiv geändert. Was früher ein Argument für dieses Gericht war, kehrt sich heute gegen seine Existenzberechtigung. Das Bayerische Oberste Landesgericht wurde bei der Anhörung im Ausschuss ganz offen als Paradies der bayerischen Justiz bezeich net. Dort können Richter frei von Pensendruck an qualita tiv hochwertigen Urteilen arbeiten. Was sollen wir aber normalen Richtern und Staatsanwälten oder den Justiz vollzugsbeamten sagen, wenn wir deren Arbeitszeiten und die Arbeitspensen erhöhen? In solchen Zeiten kann es ein solches Paradies nicht geben. Im Gegenteil: Man muss an der Spitze anfangen. Die Einsparung des Bayeri schen Obersten Landesgerichts bringt für sich genom men durchaus beachtliche Einspareffekte. Wir sprechen von 1,5 Millionen Euro jährlich. Es wurde ausgeführt, das spart langfristig 20 Millionen Euro. Wer sagt, das sei wenig Geld, dem geht es offenbar noch zu gut. Wir sind gezwun gen, auf Verzichtbares zu verzichten. Wir haben drei Ober landesgerichte. Die Einsparung eines vierten obersten Gerichtes erscheint mir durchaus vertretbar.

Bezeichnend war die Einlassung des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Bamberg, selbst zehn Jahre lang Personalchef im Justizministerium, vor dem Ausschuss. Es wurde davon gesprochen, dass im Bereich der norma len Justiz nicht mehr viel Verständnis für paradiesische Zustände aufgebracht wird. Ich behaupte, angesichts der Reformen, die wir im sonstigen Staatsapparat und auch bei der Justiz vornehmen, wären die Oppositionsfraktio nen die ersten, die aufschreien würden, wenn wir an der

Spitze keine Zeichen setzen würden. Dafür, dass solche paradiesischen Zustände nicht mehr in die Zeit passen, können die Richter nichts. Der Freistaat Bayern kann nur versuchen, der momentanen Situation entgegenzusteu ern. Er kann dabei aber nicht vor solch ehrwürdigen Insti tutionen wie dem Bayerischen Obersten Landesgericht Halt machen. Die wirtschaftliche Situation, die zu harten Einschnitten zwingt, wird anderswo verdorben. Wir haben vorhin darüber geredet, ich erspare mir jetzt den Einstieg in diese Debatte aus Respekt vor dem Gericht. Konse quenz hieraus ist ein Reformprozess mit harten Einschnit ten. Die Diskussion muss - wie gesagt - die Unentbehr lichkeit einer Einrichtung belegen, nicht ihre Wünschbar keit. Man sollte auch die hohe Reputation des Gerichts nicht mit Unentbehrlichkeit verwechseln.

Der Gesetzentwurf schafft ein geordnetes Verfahren, die Aufgaben des Bayerischen Obersten Landesgerichts zum 1. Juli 2006 qualifiziert anderweitig zu verteilen. Dem ist zuzustimmen.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Bernd Weiß. Als Nächstem darf ich Herrn Kollegen Schindler das Wort erteilen. Bitte schön, Herr Kollege Schindler.

Frau Präsidentin, meine sehr ver ehrten Damen und Herren! Ich habe verstanden, warum der Kollege Dr. Manfred Weiß geradezu zusammenge zuckt ist, als er befürchtet hat, hier aufgerufen zu werden, weil er nämlich gezwungen gewesen wäre, all das zurecht zu rücken, was seine Nachfolgerin im Amt hier wiederge geben hat. Frau Merk, ich habe Ihren Ausführungen auf merksam zugehört. Sie vertreten eine absolute Minder meinung,

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der GRÜ NEN)

nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch in der gesam ten juristischen Fachwelt. Sie waren leider bei der Anhö rung nicht anwesend, die hochkarätig mit ehemaligen Ministern, sogar ehemaligen Bundesministern, und Präsi denten von Oberlandesgerichten besetzt war. Sie hätten sonst gemerkt, dass Ihre Ansicht und Ihre Argumente von niemandem geteilt werden. Das Wichtige ist: nicht aus emotionaler Verblendetheit, sondern aus guten sachlichen Gründen.

(Beifall bei der SPD)

Wer argumentiert, das Bayerische Oberste Landesgericht müsse zwingend aufgelöst werden, um unsere Justiz in Bayern fit zu machen für Europa, und dass man keine Qualitätseinbußen befürchten müsse, liegt falsch. Frau Ministerin, mit Verlaub: Dieses Argument ist so falsch, dass nicht einmal das Gegenteil richtig wäre.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Sie argumentieren, die Zerschlagung des höchsten baye rischen Gerichtes leiste einen Beitrag, mehr Bürgernähe der Justiz zu schaffen. Diese Worte höre ich gerne; ich

werde Sie daran erinnern, wenn es in wenigen Wochen darum geht, die Zweigstellen der Amtsgerichte auf den Prüfstand zu stellen und abzuschaffen.

(Beifall bei der SPD)

Wenn Sie sagen, es müsse heutzutage alles auf den Prüf stand, dann stimmen wir Ihnen vollinhaltlich zu. Auf den Prüfstand muss alles, aber nicht auf das Schafott. Das ist der Unterschied.

Tun Sie doch nicht so, Frau Justizministerin, als sei dieser Vorschlag nach langem Grübeln und Abwägen in Ihrem Haus, gar unter Beteiligung der Betroffenen entstanden. So war es doch nicht. Es war doch anders. Es war doch so, dass mit der markigen Ankündigung in der Regie rungserklärung vom 6. November letzten Jahres, wonach das Bayerische Oberste Landesgericht abgeschafft wer de, nicht nur dieser Landtag überrascht worden ist, son dern auch die Fachwelt und

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Und die CSU-Fraktion! – Karin Radermacher (SPD): Auch die CSU-Fraktion!)

im Übrigen auch der Präsident dieses Gerichts, dem man keine Gelegenheit gegeben hat, hierzu vorher Stellung zu nehmen. Ich meine, das ist schon Ausdruck einer Hybris, die man nur haben kann, wenn man so eine Mehrheit im Hause hat.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Vorschlag des Ministerpräsidenten bricht mit einer fast 400-jährigen Tradition eines bundesweit höchst angesehenen Gerichts, auf das alle Vorgänger des jetzigen Ministerpräsidenten zu Recht, wie ich meine, stolz waren, und das von allen sei nen Vorgängern als Ausdruck der bayerischen Eigenstän digkeit und Eigenstaatlichkeit geschätzt worden ist. Der Vorschlag des Ministerpräsidenten steht aber auch in krassem Widerspruch zu seinen früheren Äußerungen. Noch vor wenigen Jahren hat er sich darüber empört, dass die Nazis im Jahre 1935 die 375-jährige Tradition unterbrochen und damit ein Symbol der Eigenstaatlichkeit Bayerns und einen wichtigen Garanten einer unabhängi gen Justiz zerschlagen haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es fällt mir nicht leicht, und ich frage mich, welcher Teufel den Ministerprä sidenten geritten hat, dass er künftighin in einem Atemzug mit denen genannt werden muss, die schon mal dieses Gericht abgeschafft haben bzw. die 1969 in diesem Hause einen entsprechenden Vorschlag eingebracht haben. Wa rum er das getan hat, bleibt mir unerfindlich.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Ankündi gung steht nicht nur im Widerspruch zu früheren Äußerun gen, sondern war und ist auch stillos, wenn nicht einmal der Präsident des Gerichts in die Pläne eingeweiht war und wenn die Abschaffung des Gerichts als Teil einer Ver waltungsreform, nicht Teil einer Justizreform, bezeichnet wird, wenn die Ankündigung eingereiht wird zwischen den

Vorschlag zur Straffung der Eichämter und der Anhebung des Pensionsalters und en passant gesagt wird: Und im Übrigen wird das Bayerische Oberste Landesgericht ab geschafft. Das zeigt, welch geringe Wertschätzung die Justiz als dritte Säule unserer Demokratie heutzutage in der Staatsregierung noch hat.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)