Wir kommen zur Abstimmung. Die federführenden Ausschüsse für Umwelt- und Verbraucherschutz bzw. für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie empfehlen, alle Anträge abzulehnen. Ich schlage vor, über die acht Anträge eine Gesamtabstimmung durchzuführen und dieser Gesamtabstimmung das Votum des jeweils federführenden Ausschusses zugrunde zu legen. Die Fraktionen haben sich auf dieses Verfahren geeinigt. Erhebt sich Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann lasse ich so abstimmen. Wer mit der Übernahme seines Abstimmungsverhaltens bzw. dem jeweiligen Abstimmungsverhalten seiner Fraktion im jeweils federführenden Ausschuss einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind alle Kolleginnen und Kollegen. Damit übernimmt der Landtag diese Voten und damit sind diese Anträge abgelehnt.
Antrag der Abgeordneten Dr. Sepp Dürr, Barbara Rütting, Eike Hallitzky und anderer und Fraktion (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)
Es wurde eine Redezeit von 15 Minuten pro Fraktion vereinbart. Ich darf darauf aufmerksam machen, dass für diesen Antrag eine namentliche Abstimmung beantragt wurde, die im Anschluss an die Aussprache durchgeführt wird.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es geht um die Umstellungsberatung für Großküchen und Kantinen. Ich erwähne kurz unseren Antrag: Die Staatsregierung wird aufgefordert, im Rahmen der Auflösung der Ernährungsberatungsstellen einen Projektbereich am Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit einzurichten, mit folgenden Aufgaben: Beratung für landeseigene Großküchen und Kantinen sowie andere öffentliche Unternehmungen zum schrittweisen Einstieg zur Umstellung auf einen möglichst hohen Anteil ökologischer Lebensmittel unter dem Gesichtspunkt der Regionalität, Vermittlung von geeigneten Lieferanten und Anbietern und Erstellung eines Begleitprogramms. Dabei sind – das ist sehr wichtig – nur die bereits vorhandenen Personal– und Sachmittel entsprechend umzustrukturieren. Das Gesamthaushaltsvolumen wird dadurch nicht erhöht. Wir verlangen also weder neue Stellen noch neue Gelder.
Begründung: Ich habe vorhin bereits erwähnt, dass jährlich 75 Milliarden für die Behandlung ernährungsbedingter Krankheiten ausgegeben werden; also Krankheiten, die durch falsche Ernährung entstehen und durch eine Umstellung auf eine vitalstoffreiche Vollwerternährung zu verhindern oder zu lindern wären. Herr Minister Schnappauf hat es ebenso wie Frau Staatssekretärin Müller wiederholt gesagt: Unsere Kinder werden immer kränker und jedes dritte Kind ist schon zu dick. Übrigens werden in den USA im nächsten Jahr nach den Berechnungen der dortigen Behörden die meisten Todesfälle durch Fehlernährung zu beklagen sein, und zwar noch vor Nikotinmissbrauch und den daraus resultierenden Folgekrankheiten wie Herz- und Krebserkrankungen, die ebenfalls – das sagen auch die Schulmediziner – zu 30 bis 50 % auf Fehlernährung beruhen. In den USA, die ja besonderes in Bayern so gern als Vorbild zitiert werden, steht das Problem inzwischen auf der politischen Agenda und füllt die Storys der Medien. In Amerika müssen nicht nur die Flugzeugsitze, sondern auch die Särge erweitert werden, weil die Leute zu dick sind. Die Welle schwappt bereits zu uns über. Wir lesen es täglich in den Zeitungen: Jeder Zweite
ist zu dick und leider eben auch die Kinder. Sie sind nicht nur zu dick, Adipositas, Allergien, Herzkrankheiten und Altersdiabetes nehmen zu. Heute stand in der Zeitung, es sei ein fünfjähriges Kind mit Altersdiabetes eingeliefert worden.
Ich habe mich sehr über die Pressemitteilung von Herrn Minister Dr. Schnappauf vom 26. Februar gefreut. Ich zitiere:
30 % der Krankheiten sind ernährungsbedingt. Bewegungsmangel und falsche Ernährung zählen heute zu unseren Krankmachern Nummer 1. Die Folgen kennen wir, am konsequenten Handeln fehlt es aber.
Zitat Ende. – Am konsequenten Handeln fehlt es also. Vielleicht hat heute die konstituierende Sitzung zum Landesgesundheitsrat etwas geändert. Ich kann das nur hoffen. Der Mensch ist, was er isst. Diesen Satz hat ein Philosoph geprägt, und zwar der Philosoph Lichtenberg. Was wir essen, hat einen maßgeblichen Einfluss, nicht nur auf unsere Gesundheit, sondern auch auf unsere geistige Leistungsfähigkeit. Vielleicht haben Sie in der Landtagsgaststätte eines der täglich auf der Speisekarte stehenden meist recht köstlichen Vollwertgerichte probiert. Dann werden Sie beobachtet haben, dass Sie sich danach angenehm satt, aber nicht vollgestopft und müde gefühlt haben, sondern körperlich und geistig fit. Brain-Food ist das Zauberwort. Das bedeutet soviel, wie Nahrung für das Gedächtnis, Nahrung fürs Gehirn und Steigerung der geistigen Leistungsfähigkeit. Der erfreuliche Nebenaspekt: Ein vollwertiges Essen schmeckt nicht nur gut, hält fit und hat positive Effekte auf die Stressbewältigung, sondern ist durchaus auch erschwinglich, was immer abgestritten wird. Frau Mühlegg, die sehr skeptisch war, hat mir begeistert versichert, dass das tägliche Gericht auch sehr gut angenommen wird; also ein weiterer positiver Aspekt. Es heißt zwar, ein voller Bauch studiert nicht gern, aber es kommt auch darauf an, was in dem Bauch drin ist. Insofern muss man das Sprichwort ein bisschen ergänzen.
Die Frage der Ernährung muss angesichts der zunehmenden ernährungsbedingten Krankheiten – ich habe es schon erwähnt – endlich die entsprechende Bedeutung erfahren. 75 Milliarden Euro – man muss ich diese Zahl vor Augen führen – werden jährlich für die Behandlung ernährungsbedingter Krankheiten ausgegeben, die zu verhindern wären. Um jedem Missverständnis vorzubeugen: Es geht überhaupt nicht darum, alle Menschen zu Vegetariern zu machen. Mir geht es darum, dass die Verbraucher und Verbraucherinnen bewusst mehr für Qualität als für Quantität ausgeben. Noch einmal: Das bedeutet, dass die Bauern mehr Geld für ihre Lebensmittel bekommen müssen.
Ich wiederhole das in allen meinen Vorträgen, auf Kongressen und in Talk-Shows. Ich nenne noch einmal die Zahl: 1960 gab ein Haushalt in Deutschland 30 % des Budgets für Lebensmittel aus, heute sind es nur noch 12 %. Dieser Rückgang ist eine katastrophale Entwicklung.
Für das Auto wird das teuerste Öl genommen und für den Salat soll es das billigste sein. Unsere Bauern müssen für qualitativ hochwertige Lebensmittel besser bezahlt werden.
Die Umstellung auf ökologisch erzeugte, vollwertige Lebensmittel ist ein wichtiger Schritt, um Folgekosten sowohl im Gesundheits- als auch im Umweltbereich zu vermeiden.
Ebenso wie der Verbraucherschutz angesichts des BSEDebakels als ein wichtiges politisches Handlungsfeld erkannt wurde und die Defizite der vergangenen Jahrzehnte mit der Schaffung des BMVEL endlich in Angriff genommen und aufgearbeitet wurden, so muss auch die Bedeutung der Qualität von Lebensmitteln, der Zusammenhang zwischen Gesundheit und Ernährung endlich erkannt werden.
Wenn es um eine vernünftige und zukunftsfähige Gesundheitsreform geht, nimmt die Frage der gesunden Ernährung eine Schlüsselstellung ein. Deshalb fördert das BMVEL ja auch im Rahmen des Bundesprogramms „Ökologischer Landbau“ und im Rahmen der Regionalvermarktung bundesweit Schulprojekte, bei denen die Verpflegung auf vollwertige, ökologische und regionale Produkte umgestellt wird.
Als sich herausstellte, dass Bayern nicht wie behauptet BSE-frei, sondern sogar das Land mit den meisten BSEFällen ist, haben Sie, meine Damen und Herren von der CSU, das Ministerium für Gesundheit, Ernährung und Verbraucherschutz geschaffen. 2800 Mitarbeiter – so Ministerpräsident Stoiber am 14.02.2001 – werden im neuen Ministerium arbeiten. Wunderbar! Wir haben uns alle gefreut!
Zugleich wurde die „Verbraucherinitiative Bayern“ ausgerufen und mit 600 Millionen DM ausgestattet. „Ein bundesweit einmaliges Projekt“, so Minister Faltlhauser in seiner Plenarrede am 05.04.2001.
Heute ist zu unserem Bedauern alles rückgängig gemacht; das haben wir schon mehrfach gesagt. Geerbt hat den Bereich Gesundheit und Verbraucherschutz Herr Minister Schnappauf. Spätestens seit dem Nachtragshaushalt und den Streichorgien im Geschäftsbereich des Ministeriums für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz ist klar, dass die Bereiche Verbraucherschutz und Ernährung in Bayern künftig nurmehr ein klägliches Schattendasein führen werden. Die Kürzungen betragen mit 12,3 % ein Vielfaches mehr als in jedem anderen Ministerium. Im
Zuge der Sparmaßnahmen sollen nun die wichtigen Stellen der Ernährungsberatung auf der Strecke bleiben.
Sie erinnern sich: Die Gesamtkürzungen im Bereich besonderer Fachaufgaben, Ernährung und Verbraucherschutz, betragen 15,26 Millionen Euro. Das entspricht 53 % der ursprünglichen Ansätze für 2004. Gestrichen wurden die 260 Stellen der gerade neu geschaffenen staatlichen Ernährungsberater in den Landratsämtern. Wir halten das für falsch. Hier wurde mit teils sehr motivierten Mitarbeiterinnen im Bereich Ernährungsberatung wichtige Arbeit geleistet.
Frau Götz hat das auch gesagt. Dies war Arbeit im Sinne gesundheitlicher Prävention. Gerade die Ernährung spielt gesundheitspolitisch eine zentrale Rolle. Wer hier spart, spart am falschen Ende. Zu Recht hagelt es bayernweit Proteste gegen diese Streichungen, ganz besonders vor dem Hintergrund der Einführung von G 8 und der damit notwendigen Ganztagsverpflegung für die Schülerinnen und Schüler.
Es gab im Rahmen der Verbraucherinitiative ja durchaus gute und weiterführende Ansätze wie zum Beispiel den Wettbewerb Essen pro Gesundheit, die Schulcafeteria vom Kuratorium Schulverpflegung e.V., die nun nicht weitergeführt werden können, wie mir die Mitarbeiter von Schulverpflegung e.V. berichten.
Die Ergebnisse einer Studie bestätigen mir genau die Punkte, die ich eingangs erwähnt habe: Steigerung geistiger und körperlicher Leistungsfähigkeit sowie Stressabbau.
Wir möchten mit unserem Antrag erreichen, dass die engagierte Arbeit der Ernährungsberater weitergeführt werden kann; das gilt insbesondere für den Bereich der Außer-Haus-Verpflegung, die in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen hat. Etwa 30 % unserer Lebensmittel werden inzwischen außer Haus eingenommen: am Arbeitsplatz, im Restaurant, in Kliniken oder Heimen. Hinzu kommen insbesondere Kindergärten, Tagesstätten und Schulen, in denen die Verpflegung bzw. die Zwischenverpflegung eine immer größere Rolle spielt.
Das G 8 in Bayern zu installieren, ohne ein vernünftiges Konzept für die Verpflegung der Schülerinnen und Schüler anzubieten und auch die notwendigen politischen Rahmenbedingungen zu schaffen, ist unverantwortlich.
Mir schreiben inzwischen massenweise besorgte Eltern, die nicht wollen, dass ihre Kinder mit Fastfood, Tiefkühlware auf der Mikrowelle oder Convenience-Produkten abgefüttert werden. Und auch seitens der Schulen und Lehrer gibt es Einsicht in die Zusammenhänge und die Forderung nach gesunder Ernährung.
Ein Augenblick, verehrte Frau Kollegin. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte, sich vielleicht etwas gedämpfter zu unterhalten, wenn Sie überhaupt die Unterhaltung fortführen wollen.
Wenn in den Gesprächen, die ich in den Schulen führe, die Köche berichten, dass in der Schulkantine ein Kind mit einer Mahlzeit für nur 2 Euro abgespeist werden muss, dann ist das zu wenig. 2,50 Euro sind das Minimum. Frau Ministerin Hohlmeier schickt ihre Kinder auf die Waldorfschule, wo im Sinne einer ganzheitlichen Erziehung auf die Ernährung großer Wert gelegt wird. Was aber ist mit den anderen Kindern? Es kann doch nicht sein, dass es nach wie vor so heißt wie bei Hans Fallada: Weil du arm bist, musst du früher sterben.
Dem Land Bayern stehen vom Bundesprogramm zur Einführung von Ganztagsschulen immerhin 600 Millionen Euro zu. Diese Mittel sind aber nicht vom Bund nur für das G 8, sondern für alle Schulen vorgesehen. Und davon soll nichts übrig sein für eine gesunde Ernährung unserer Kinder? Ich habe vorhin schon gesagt, es darf doch nicht sein, dass die Schulkinder sich ihr Essen in der Mittagspause auf dem Markt oder in benachbarten Firmenkantinen holen müssen, wie es bereits vorgeschlagen wurde. Und wenn Sie, Frau Götz, sagen, das sei alles nicht so schlimm und den Kindern gehe es ja gut, dann frage ich Sie: Warum ist denn die Situation so katastrophal, wie es auch Frau Staatssekretärin Müller ausführte?
Nach Auskunft Ihres Hauses, Herr Minister Schnappauf, werden nach der Streichung der 160 Stellen 19 vom Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz für den Bereich Ernährung übernommen. Wenn Sie also unserem Antrag zustimmten, würde das weder in Bezug auf das Personal noch auf die Finanzen eine Mehrbelastung bedeuten. Wir wollen erreichen, dass die bisherigen Stellen, die Sie eingeführt haben, für die Ernährungsberaterinnen erhalten bleiben und dass die Voraussetzungen für die benötigte Beratung sowie die logistische Unterstützung der Großküchen geschaffen werden.
Gleichzeitig würde dies auch eine wichtige Schnittstelle zu den Erzeugern gesunder ökologischer regionaler Lebensmittel bedeuten. Sie würden mit einbezogen, da ihnen über Absatzmöglichkeiten in den Kantinen Planungssicherheit gegeben würde.