Protocol of the Session on May 11, 2004

hierzu:

Antrag der Abgeordneten Heidi Lück und anderer (SPD)

Verwaltungsreform effizient und bürgernah

hier: Staatliche Ernährungsberatung (Drucksache 15/301)

Der Gesetzentwurf wird vom Vertreter der Staatsregierung begründet. Das Wort hat Herr Staatsminister Huber.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Staatsregierung hat in dieser Legislaturperiode eine umfangreiche Reformarbeit gestartet. Ich danke der Mehrheitsfraktion im Bayerischen Landtag für den Beschluss zum Sparen im Haushalt. Es zeigt sich schon heute, wie richtig es war, diese Sparbeschlüsse im Januar und Februar zu treffen. Damit ist für den Haushalt 2004 gut vorgesorgt, während in Berlin in diesem Zusammenhang ein großes Durcheinander herrscht. Es zeigt sich damit nach kurzer Zeit, wie richtig es war, diese schwierigen Beschlüsse zu fassen.

Auch im Schulbereich sind wichtige Reformmaßnahmen vorangebracht worden, die sich zurzeit in der Beratung des Parlaments befinden.

Der dritte wesentliche Teil der Reformarbeit bezieht sich auf die Verwaltungsreform, und hier liegt in einem Teilbereich heute ein Gesetzentwurf auf dem Tisch, den ich kurz begründen möchte. Er umfasst zwei Einzelaspekte, nämlich zum einen die Abschaffung der staatlichen Ernährungsberatung und zum anderen die mögliche Privatisierung der Beschussverwaltung.

(Susann Biedefeld (SPD): Sehr mager!)

Dahinter steckt folgende Überlegung. In einer Zeit, in der die Staatsquote 48 % beträgt und in Bayern eine Personalquote von 43 % im Haushalt zu verzeichnen ist, ist es notwendig, die gesamte Tätigkeit des Staates auf den Prüfstand zu stellen. Es ist zunächst zu prüfen, ob der Staat alle Aufgaben, die er im Laufe der Zeit übernommen hat, auch in schwieriger Lage wahrnehmen muss. Und wenn man eine staatliche Aufgabe bejaht, wird sich die Frage anschließen, wie man möglichst effizient und Kosten sparend diese Aufgabe umsetzen kann. Dazu gehören Deregulierung und die Reform der Organisation.

Mit dem Gesetzentwurf versuchen wir, zwei Staatsaufgaben in der jetzigen Form zurückzunehmen. Wir wollen die Ernährungsberatung abschaffen, allerdings nicht deshalb, weil wir das Thema nicht für wichtig hielten, sondern weil wir uns fragen, ob diese Beratung notwendigerweise eine Staatsaufgabe sein muss oder ob sie nicht auch in anderer Form erbracht werden kann. Darüber hinaus ist zu fragen, ob in der jetzigen schwierigen Zeit in der Tat alles, was wünschenswert ist, auch finanziert werden kann. Wenn die Opposition, wie ich dem Antrag entnommen habe, feststellt, dass es vorteilhaft wäre, auch in Zukunft eine staatliche Ernährungsberatung zu haben, will ich nicht widersprechen. Ich sage nur, dass das nach unserer Auffassung nicht zu den zwingend notwendigen Staatsaufgaben zählt. Das ist der Grund, warum wir bei der Untersuchung zwischen Notwendigem und Wünschenswertem zu unterscheiden haben. Das Wünschenswerte ist nicht mehr finanzierbar, und deshalb wird diese bisherige Staatsaufgabe abgeschafft.

Die Ernährungsberatung fällt allerdings nicht ersatzlos weg. Denn natürlich ist, wie Sie zu Recht in Ihrem Antrag schreiben, die Frage einer vernünftigen Ernährung etwas, was mit Prävention im Gesundheitsbereich zu tun hat. Aber diese Prävention ist die Aufgabe vieler Verantwortungsträger. Zunächst einmal ist jeder für sein eigenes Essverhalten und seine eigene Ernährung verantwortlich. Dabei helfen einem Ratgeber wie beispielsweise die Krankenkassen oder die Verbände. Wenn man sich die Fülle der Vorschläge für eine gesunde Ernährung ansieht, die es heute gibt, dann kann man feststellen, dass es nicht an entsprechenden Ratschlägen fehlt, die man befolgen könnte. Nach unserer Meinung wird diese bisherige Staatsaufgabe also in Zukunft genauso gut von den Verbänden, den Krankenkassen oder sonstigen Beratungsstellen übernommen werden können, ohne dass es eines staatlichen Einsatzes bedarf. Damit haben wir ein Einsparpotenzial. Dieses Einsparpotenzial beträgt bei bisher 184 Stellen in der Ernährungsberatung rund 106 Stellen. Da wir niemandem kündigen und niemand seinen Arbeitsplatz verliert, aber jeder im öffentlichen Dienst durchaus auch damit rechnen muss, an anderer Stelle eingesetzt zu werden, wird dieses Einsparpotenzial erst nach einiger

Zeit mit zunehmender Rate erfüllt werden. Im Endeffekt werden nach den Löhnen von heute dann 7,2 Millionen Euro im Jahr eingespart werden können.

(Christa Naaß (SPD): Bis wann?)

Angesichts schwieriger Verhältnisse ist das ein namhafter Betrag. Deshalb bitte ich das Hohe Haus, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen, um dieses Einsparpotenzial zu ermöglichen.

(Christa Naaß (SPD): Bis wann?)

Da wir nicht alle Stellen einsparen, sondern nur 106 von diesen 184, bleiben 78 Stellen erhalten. Sie werden dort eingesetzt, wo die SPD in ihrem Antrag einen Schwerpunkt setzt, nämlich im Schulbereich, und zwar in den landwirtschaftlichen Schulen und den Fachschulen. Insgesamt erfolgt damit von den Expertinnen, die wir dort in erster Linie beschäftigen, auch in Zukunft eine Lehrtätigkeit. Damit erhalten wir einerseits im Bereich der Schule und andererseits im Gesundheitsministerium und im Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit auch in Zukunft ein starkes Kompetenzteam aufrecht, das im Bereich der Gesetzgebung, aber auch im Bereich der Veröffentlichungen einen weiterhin wichtigen Beitrag leisten wird.

Der zweite Teil des Gesetzentwurfs bezieht sich auf die Privatisierung der Beschussverwaltung. Wir sind der Meinung: Auch das ist keine notwendige Staatsaufgabe, sondern sie könnte – diese Ermächtigung sehen wir vor – einem Privaten übertragen werden. Wir erbitten hier vom Parlament einen Handlungsspielraum.

Meine Damen und Herren, ich weiß, dass dieser Gesetzentwurf nur einen relativ schmalen Teil der Verwaltungsreform erfasst. Die Beschlüsse dazu sind im Dezember und Januar gefasst worden. Wegen der Verbandsanhörungen wird das erst jetzt in Gesetzesform gegossen. Sie müssen wissen, dass wir zur Forstreform eine ganze Reihe von Punkten beschlossen haben und dass wir zur Deregulierung Initiativen im Bundesrat eingebracht haben, um auf Bundesebene bezüglich Reduzierung von Kontrolltätigkeit, Genehmigungsnotwendigkeiten und Aufgaben der Statistik etwas zu bewegen. Daher bitte ich darum, unsere Tätigkeit in der Verwaltungsreform nicht ausschließlich an einem schmalen Gesetzentwurf zu messen, sondern an den gesamten Initiativen der Staatsregierung, und bitte um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Meine Damen und Herren, wir haben jetzt eine Verbindung von Erster Lesung und Beratung eines Antrags, über den anschließend abgestimmt wird. Im Ältestenrat wurde eine Redezeit von 15 Minuten je Fraktion festgelegt. Ich gebe zunächst Frau Kollegin Naaß das Wort.

(Peter Welnhofer (CSU): Naaß zur Beschussverwaltung!)

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Huber, wer den Begriff „Verwaltungsmodernisierungsgesetz“ hört, der erwartet einen großen Wurf, der glaubt, dass die Bürgerinnen und Bürger, die Beschäftigten und das Parlament endlich erfahren, was der Herr Minister in Sachen Verwaltungsreform will.

In der Regierungserklärung am 6. November wurde viel angekündigt. Sechs Monate nach der Regierungserklärung wissen wir immer noch nicht, in welche Richtung die Verwaltungsreform gehen soll, zum Beispiel im Falle der Fachbehörden, der Zweigstellen der Amtsgerichte, der Zweigstellen der Finanzämter und der Organisation der Polizeistruktur.

(Thomas Kreuzer (CSU): Macht doch einmal Vorschläge!)

Wir wissen nicht, wohin es geht. Wir wissen aber, dass eine massive Verunsicherung unter den Bürgern und Beschäftigten vorhanden ist. Sie haben selbst gerade vorhin festgestellt: Das ist ein kleiner Wurf geworden. Das Verwaltungsmodernisierungsgesetz beinhaltet nur zwei

Punkte: den Rückzug aus der Ernährungsberatung und die Privatisierung der Beschussverwaltung. Das ist alles, was nach sechs Monaten voller Getöse und Selbstbeweihräucherung auf den Weg gebracht worden ist. Fragen, welche die SPD-Landtagsfraktion gestellt hat – Auskunft über die Auswirkungen der Reform auf die angebotene Leistung, auf die Bürgerinnen und Bürger, auf die öffentliche Sicherheit, auf die Beschäftigten, Auskunft darüber, wer die Kosten unter Beachtung des Konnexitätsprinzips zu tragen hat, Auskunft über Höhe der Einsparungen für den Freistaat Bayern, Auskunft darüber, bis wann sich die Einsparungen ergeben, Auskunft darüber, ob eine Kosten-Nutzen-Rechnung vorliegt –, wurden bisher nicht beantwortet. Wissen Sie es nicht, haben Sie keine Ahnung, oder wollen Sie die Bürgerinnen und Bürger, die Beschäftigten und das Parlament bewusst im Unklaren lassen?

Herr Minister, jetzt gehe ich ganz bewusst auf den Gesetzentwurf ein. Zur Beschussverwaltung wird im Gesetz ausgeführt, dass genaue Kostenfolgeabschätzungen erst die Umsetzung des Gesetzes durch eine Verordnung ergeben wird, in welcher der konkrete Umfang des Abbaus staatlicher Aufgaben bestimmt wird. Sie wissen also jetzt noch gar nicht, wie die Kostenfolgeabschätzungen ausschauen werden. Jetzt wird privatisiert, ohne zu wissen, was danach kommt, wer die Aufgaben erledigen wird und vor allem: zu welchen Kosten. Man hofft nur – so steht es im Gesetzentwurf –, dass eine beliehene Privatperson ihre Strukturen und Prozesse ohne Zweifel kostendeckend gestalten wird. So jedenfalls hofft man im Gesetzentwurf.

Die Staatsverwaltung wird – so Staatssekretär Spitzner auf meine schriftliche Anfrage zu diesem Thema – auch in Zukunft eine wichtige Funktion bei Aufsicht und Überwachung des Beschusswesens in Bayern haben. Also werden nach wie vor staatliche Beschäftigte benötigt, um diejenigen zu beobachten und zu kontrollieren, die das Beschusswesen privat durchführen.

Zur Nachwuchsgewinnung kann auch noch keine konkrete Aussage gemacht werden; so ist in der Antwort auf die schriftliche Anfrage zu lesen: „Es sind konkrete Aussagen derzeit jedoch noch nicht möglich.“ Es liegt also ein Gesetzentwurf vor, und Sie wissen noch nicht, wie sich die darin vorgesehene Regelung auf die Nachwuchsgewinnung auswirken wird. Sie sagen lediglich: „Mittel- und langfristig ist davon auszugehen, dass die Personalkosten signifikant dadurch gesenkt werden können, dass von staatlicher Seite lediglich die Aufsicht über die Beliehenen geführt werden muss.“ Sie wissen also noch nicht, wie konkret Einsparungen erzielt werden können, und vor allem nicht, in welcher Höhe. Die Mitarbeiter, die durch diese Maßnahme eventuell überflüssig werden, werden folgendermaßen vertröstet – so in der Antwort auf die schriftliche Anfrage: „… dass diese Reform auch dazu dienen kann oder soll, weitere Entwicklungs- und Qualifikationschancen den Mitarbeitern zu eröffnen.“ Man weiß also nicht, wohin mit den Mitarbeitern; deswegen richtet man in Bayern eine Personalbörse ein, in der sich all die übrig gebliebenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wieder finden, die froh sein dürfen, weil es ja für sie eine Entwicklungs- und Qualifikationschance ist, in diesem Pool zu sitzen und nicht zu wissen, wohin sie kommen. Das ist ein zynischer und menschenverachtender Umgang mit den Beschäftigten. Das Parlament sollte auch einmal zur Kenntnis nehmen, was in den Antworten auf solche schriftlichen Anfragen steht.

Herr Minister, auf vollmundige Ankündigungen folgt ein minimales Ergebnis; das haben Sie zum Teil selbst schon so dargestellt. Das ist ein kleiner Wurf geworden. Für mich und für die SPD-Landtagsfraktion ist das eine ziel- und planlose Reform.

(Beifall bei der SPD – Sebastian Freiherr von Ro- tenhan (CSU): Erwin, da hörst du es!)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Meißner.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon interessant zu hören, dass Kollegin Naaß davon spricht, die Betroffenen seien wegen der Verwaltungsreform verunsichert. Die Opposition in diesem Haus tut doch alles in ihrer Macht Stehende, um die bestehende Verunsicherung möglichst noch zu vergrößern.

(Widerspruch bei der SPD)

Das müssen Sie sich bei dieser Gelegenheit sagen lassen.

(Zurufe von der SPD)

Ich möchte zum Gesetzentwurf Stellung nehmen. Wir sind der Staatsregierung und Minister Huber dafür dankbar, dass jetzt dieser erste Schritt – gewiss ist das nur ein kleiner erster Schritt – in der Verwaltungsreform getan wird. Wir sind uns völlig darüber im Klaren, dass das keine leichten Entscheidungen sind. Das fällt auch vielen von uns nicht leicht. Wir sind aber der Meinung, dass die Verantwortung für die kommenden Generationen wichtiger

ist als die Realisierung des Wünschenswerten. Ich persönlich – das ist meine private und innerste Überzeugung – bin dankbar dafür, dass die Staatsregierung fragt, was die Kernaufgaben des Staates sind, was er leisten muss und was er leisten kann. Damit wird sehr viel Sinnvolles auf den Weg gebracht.

Der Wegfall der Ernährungsberatung ergibt mittelfristig immerhin eine Einsparung von 184 Stellen. Das ist nicht gering zu schätzen. Eine Einsparung von 7,1 Millionen Euro ist ja auch nicht wenig. Das sind Personal- und Sachmittel.

(Zuruf der Abgeordneten Christa Naaß (SPD))

Ich bin dem Minister auch für die Aussage dankbar, dass die Stellen, die in der Ernährungsberatung erhalten werden können, sinnvoll eingesetzt werden. Wir werden im Fachausschuss ausreichend Gelegenheit haben, uns darüber eingehend zu unterhalten. Zur Ernährungsberatung selbst wird noch meine Kollegin Götz Stellung nehmen, sodass ich mich dabei kurz fassen kann.

Ich komme nun zur Privatisierung der Beschussverwaltung. Ich weiß nicht, was daran so furchtbar schlimm sein soll. Wir überlassen ja auch dem TÜV die Überwachung der Verkehrssicherheit. Warum sollen wir daher nicht Private mit der Überwachung der Beschussverwaltung beauftragen?

(Zuruf der Abgeordneten Christa Naaß (SPD))

Das ist eine sinnvolle Sache. Für mich ist es ausreichend, wenn der Staat über die beliehenen Personen Aufsicht führt. Sie fragen nach dem Einsparpotenzial. Selbstverständlich ergibt sich ein Einsparpotenzial, wenn diese staatliche Aufgabe wegfällt bzw. geringer wird. Das kann aber heute niemand im Wege einer Kosten-Nutzen-Analyse tun, wie Sie sie gefordert haben. Wir müssen fragen: Muss der Staat die Beschussverwaltung ganz allein schultern, oder kann er damit Personen beleihen? Letzteres ist die richtige Antwort.

Ich will noch kurz auf den SPD-Antrag eingehen. Sie werden gewiss Verständnis dafür haben, dass wir ihn ablehnen. Sie fordern quasi eine Rückressortierung der Ernährungsberatung ins Landwirtschaftsministerium.

Das hat zwar einen gewissen Charme. Aber während wir über Aufgaben nachdenken, auch unangenehme Entscheidungen zu schultern, stellen Sie sich hin und sagen: Wir lassen alles am besten wie es ist. Dass dies die Betroffenen gern hören, ist logisch. Dafür habe ich Verständnis, wenn Sie das tun. Aber wir werden Ihrem Antrag natürlich nicht zustimmen. Nachdem es hier im Hause schon lebhaft wird, freue ich mich über die Beratungen im Ausschuss.

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Rütting.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Minister Huber, Sie sagen, es komme in

Zukunft nicht mehr die Nützlichkeit oder Wünschbarkeit, sondern die strikte Notwendigkeit und Unerlässlichkeit zum Tragen.

Wir sind der Meinung, dass diese Stellen durchaus notwendig sind. Das hat sich heute auch in der konstituierenden Sitzung des Landesgesundheitsrates herausgestellt. Es ist das Thema Nummer eins: die zunehmende schlechte Gesundheit der Schulkinder. Jeder vierte Deutsche ist angeblich sowieso zu dick, aber leider auch schon die Schulkinder. Es geht nicht nur darum, dass sie zu dick sind, sondern die Adipositas nimmt zu. Ein 5-jähriger Junge wurde mit Altersdiabetes eingeliefert. Das ist eine katastrophale Entwicklung. Dieses Thema nahm heute bei der konstituierenden Sitzung auch besonders großen Raum ein.