(Philipp Graf von und zu Lerchenfeld (CSU): Was man nicht belegen kann, kann man aber einfach behaupten!)
Nun zum Schreiben von Dr. Naser an den Sparkassenverband. Ich möchte daraus nur zwei Sätze zitieren. Dieses Schreiben ging am 31. Oktober 2007 auch an Finanzminister Huber und Ministerpräsident Beckstein. Dort heißt es:
Alle Zahlen, die wir bis zum Ende des dritten Quartals 2007 sowohl in der BayernLB wie auch in den Sparkassen kennen, zeigen einen Weg nach unten.
Das klingt jetzt noch nicht wirklich dramatisch. Dann befindet sich bei dem Brief aber auch eine Anlage, die in der ganzen Diskussion angesichts der aktuellen Finanzmarktkrise etwas zu wenig Berücksichtigung fand. In der Anlage zu dem Brief werden die Auswirkungen der Subprime-Krise auf die Landesbanken aufgeführt, und es wird darauf hingewiesen, dass die BayernLB bis zu 15 Milliarden Euro Risikopositionen auf die eigenen Bücher nehmen müsse. Genau das ist die aktuelle Frage, auf die wir uns gestern bezogen haben. Wir wollen keine wöchentlichen Berichte. Bei grundlegenden Änderungen der Situation erwarten wir aber, dass uns gegenüber offen gelegt wird, inwieweit wir möglicherweise in diese Richtung steuern, die von Dr. Naser bereits im Oktober 2007 erwähnt wurde. Angesichts dessen, was auf dem Finanzmarkt in den USA aktuell passiert, gibt es hier Veränderungen. 15 Milliarden sehen doch etwas anders als der aktuelle Wertberichtigungsbedarf von 4,5 Milliarden.
Nun zur Frage der Belastbarkeit der Zahlen. Es gibt keine allgemeinverbindliche Definition des Begriffs Belastbarkeit im Zusammenhang mit diesen Zahlen. Die Definition von belastbar war eine Eigenkreation des Finanzministers, um sich selbst zu schützen und selbst einen Ausweg aus der Situation zu finden, um dem Vorwurf der Lüge entgegentreten zu können. Mehr ist es nicht. Ich erfinde einen Begriff, der nur so aussieht, als wäre es ein bilanztechnischer Begriff, der unabdingbar ist, wenn man mit Zahlen an die Öffentlichkeit geht.
Sehr interessant sind hierzu die Zeugenaussagen. Dr. Kemmer sagte, belastbar sei ein dehnbarer Begriff. Er führte weiter aus, dass die Quartalszahlen nicht geprüft würden, dass sie aber nach den Regeln der Rechnungslegungsstandards mit gewissen Vereinfachungen erstellt würden, um den Aufwand in Grenzen zu halten. Die sind, wenn Sie so wollen, noch etwas weniger belastbar. Dabei ist der Begriff belastbar natürlich dehnbar. Weiter führte er zum vorläufigen Konzernabschluss nach HGB, der bereits vorlag, aus, dass der Härtegrad der Zahlen sehr gut
Was für eine Unverschämtheit von Ihnen! Was für eine grenzenlose, bodenlose Unverschämtheit von Ihnen!
Was für eine bodenlose Unverschämtheit von Ihnen, in den Haushaltsausschuss zu gehen, die vorläufige Bilanz vorliegen zu haben, die kontinuierliche Entwicklung der Wochenberichte vorliegen zu haben, und dann zu behaupten: Das sind nur Spekulationen. Mehr kann man doch das Parlament – Entschuldigung – nicht verarschen, als Sie das gemacht haben.
Das entwickelt sich alles so weiter. Sie schaffen es sogar, über den 12.02.2008 hinaus, über den 13.02.2008 hinaus, zu behaupten, man wisse keine genauen Zahlen. Frecher geht es eigentlich überhaupt nicht. Frecher und unverschämter geht es nicht. Da nennt die Landesbank selbst am 13.02.2008 die Zahlen, die sie vorliegen hat. Und Sie setzen sich in den folgenden Wochen hin und sagen: „Ich weiß eigentlich gar nichts, mir ist nichts bekannt, ich kann dazu nichts sagen.“ – Das ist das Absurdeste, was ich in diesem Parlament erlebt habe.
Ich hoffe und wünsche mir für die nächste Legislaturperiode, dass solche Peinlichkeiten hier nicht mehr vorkommen. Denn, Herr Finanzminister, es ist peinlich, was Sie hier abgezogen haben. Sie haben Ihre Inkompetenz unter Beweis gestellt.
Sie haben unter Beweis gestellt, dass Ihnen das Parlament und die demokratischen Rechte des Parlaments definitiv nichts wert sind. Sie haben ein Demokratieverständnis, das wirklich nur Defizite aufweist, sonst aber überhaupt nichts. Sie haben das Parlament, und damit auch die Bürgerinnen und Bürger, belogen. Ich hoffe sehr, dass die Wähler und Wählerinnen Ihnen dafür am 28. September dieses Jahres die Quittung geben.
(Günter Gabsteiger (CSU): Seppele, Seppele, mach kein Quatsch! – Philipp Graf von und zu Lerchenfeld (CSU): Wo ist das T-Shirt?)
Das Erstaunliche an den Zeugenaussagen war, insbesondere bei den Herren der Landesbank, dass diese sehr detailliert über den Tagesablauf Bescheid wussten. Sie wussten beispielsweise, wo sie mit ihrem Auto unterwegs waren, als sie davon erfahren haben. Der eine war Richtung Tegernsee unterwegs, als er erfahren hat, dass Sie, Herr Minister, in den Ausschuss gehen. Das waren wirklich Details. Ein anderer war gerade beim Zahnarzt, weil er gerade ein Problem hatte. Solche Details wussten die Mitglieder des Vorstands alle. Aber alle konnten eine Frage nicht beantworten, und das war die Frage danach, ob mitgeteilt wurde, dass der Vorstand der Landesbank eine Veränderung der Kommunikationsstrategie beschlossen hat. Das ist ein durchaus relevantes Ereignis, bei dem zumindest am Ende des Tages klar gewesen sein dürfte, dass dieses Ereignis nicht belanglos ist. Doch in dieser Frage trat nun plötzlich eine umfassende Amnesie ein. Einer der Herren der Landesbank hat gesagt, wir sollten nicht glauben, partielle Amnesie sei Einstellungsvoraussetzung für die Landesbank. Bei mir hat sich dieser Eindruck allerdings eher verhärtet. Bis heute können Sie, Herr Minister, mir nicht glaubhaft erklären, und das können Sie auch niemand anderem erklären, dass Sie nicht wussten, was in diesem Vorstand passiert ist. Das ist nicht bewiesen, das sage ich ausdrücklich. Für mich gibt es aber auch folgende Möglichkeit: Ich glaube, Sie haben davon erfahren, dann sind Sie in den Ausschuss gegangen und haben sich gedacht, ich kann das Problem schon noch ausbremsen. Das ist durchaus auch eine Variante.
(Staatsminister Erwin Huber (Finanzministerium): Hören Sie doch auf! – Philipp Graf von und zu Lerchenfeld (CSU): Diese Unterstellungen sind bodenlos! Hören Sie auf damit!)
Moment! Tatsache ist: Sie, Herr Minister, haben an diesem 12.02.2008 im Haushaltsausschuss selbst nur Folgendes gesagt:
Es geistern jetzt Zahlen über einen hohen Wertberichtigungsbedarf bei der Bayerischen Landesbank umher.
Ich kann weder den Informanten noch die Quellen bestätigen. Ich stelle fest: Das ist Spekulation. Es gibt keine festgestellte belastbare Zahl über den Wertberichtigungsbedarf.
Dabei lag die vorläufige Bilanz vor, Wochenberichte lagen vor. Der Wochenbericht betrug zu diesem Zeitpunkt 2,157 Milliarden Euro. Das ist das, was vorlag.
Das war vor dem rasanten Absturz auf dem US-Immobilienmarkt in dieser Woche. Beim Absturz der Aktien der größten Hypothekenfinanzierer in den USA in der letzten Woche warnte die US-Notenbank von San Francisco, dass die Häuserpreise – was Wunder – weiter fallen würden, noch bis ins nächste Jahr. Das sorge für neue Zahlungsausfälle und für weitere Zwangsversteigerungen. Das wird natürlich auch uns und unsere Landesbank treffen. Das ist doch ganz klar. Das ist die tatsächliche aktuelle Entwicklung; diese hat mit dem, was der Finanzminister gestern vorgegaukelt hat, nichts aber auch gar nichts zu tun.
Wir haben aus der Beweisaufnahme eine regelrechte Schadensliste zusammenstellen müssen. Das sind, erstens, die 100 Millionen Euro Zahlungsausfälle, die ich schon genannt habe, und die dazu erwarteten Ausfälle von insgesamt 1,2 Milliarden Euro. Damit übersteigen diese sogenannten echten Verluste bereits sämtliche Gewinne, die in den letzten 15 Jahren von der Landesbank mit ABS-Papieren erzielt wurden.
Zweitens. Es geht um Abschreibungen und Wertberichtigungen aufgrund von Bilanzierungsregeln. Auf der Bilanzpressekonferenz im April hat die Bank einen Wertberichtigungsbedarf aus 2007 und aus dem ersten Quartal dieses Jahres von über 4,3 Milliarden Euro veröffentlicht. Im Untersuchungsausschuss hat das Vorstandsmitglied Hanisch noch einmal 100 Millionen Euro draufgelegt auf insgesamt 4,4 Milliarden Euro.
Drittens. Als Schäden zählen die Schmälerung der Geschäftsbasis für das originäre Geschäft durch die Kapitalbindung und die Verringerung der Risikodeckungsmasse aufgrund der eingetretenen Marktwertverluste sowie, viertens, die Schmälerung der Ertragsbasis durch die Hereinnahme der Conduits, also der Zweckgesellschaften, in die eigene Bilanz. Der Verwaltungsratsvorsitzende Naser hat dazu im Oktober 2007 an Ministerpräsident Beckstein und Finanzminister Huber geschrieben – ich zitiere –: „Aus den Unterlagen der Bank geht hervor, dass durch Hereinnahme der Risikopositionen auf die eigenen Bücher das originäre Geschäft blockiert ist.“ – Das ist ein Schaden. Die Wirtschaftsprüfer vermerkten hierzu im Teilprüfungsbericht zum Geschäftsjahr 2007 – ich zitiere –: „Die Risikotragfähigkeit der Bank ist somit angespannt.“ – Ein Schaden. „Die Liquiditätslage ist angespannt“ – ein Schaden. „Dies führt bereits im Wertaufhellungszeitraum teilweise zu Beeinträchtigungen im Neugeschäft“ – ein Schaden. Durch die Tatsache, dass ABS-Papiere zuerst zugekauft und dann geprüft werden, blieb die Bank auf Papieren im Wert von 1,4 Milliarden Euro sitzen, die das Risk Office nicht freigegeben hatte, weil sie zu schlecht waren, welche die Bank aber nicht mehr zu dem Zeitpunkt verkaufen konnte – auch das ist ein Schaden.
Fünftens. All diese Risiken mussten durch eine Bürgschaft der Eigentümer in Höhe von 4,8 Milliarden Euro
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Der Untersuchungsausschuss zum Debakel der Landesbank war bitter nötig und höchst erfolgreich.
Er war höchst erfolgreich! Die Beweisaufnahme aus den Akten und aufgrund der Zeugeneinvernahme hat die Vorwürfe, die uns zur Einsetzung veranlasst haben, in vollem Umfang bestätigt. Das ist ein Erfolg. Huber und Beckstein haben in der Führung der Bank und in der Kontrolle versagt. Sie haben die Öffentlichkeit und das Parlament über das Ausmaß und die Dynamik der Krise bewusst getäuscht.
Huber hat darüber hinaus dem Parlament mehrfach direkt ins Gesicht gelogen, und deshalb muss er endlich seinen Hut nehmen.
Wir haben im Untersuchungsausschuss, weit über den eigentlichen Untersuchungsauftrag hinaus, erschreckende Einblicke in Lage und strategische Aufstellung der Bank bekommen. Was ist die Bilanz, die wir leider daraus ziehen müssen? – Die Landesbank schlingert wie ein führungsloser schwerer Tanker durch internationale Gewässer.
Das ist für Bayern brandgefährlich, denn die Bilanz der Landesbank beträgt ungefähr 400 Milliarden Euro. Das ist mehr als zehnmal so viel wie der Landeshaushalt. Wenn die BayernLB wackelt, wird der Landeshaushalt in seinen Grundfesten erschüttert. Eine kleine Kostprobe haben wir bereits bekommen.
Wo steht die Landesbank heute? – Die Landesbank hat bei windigen Immobiliengeschäften in den USA schwere Verluste, Abschreibungen und Wertberichtigungen in Höhe von mindestens 4,5 Milliarden Euro erlitten.
Weitere 20 Milliarden Euro stehen noch im Feuer. Sie müssen mit 6 Milliarden Euro abgeschirmt werden. Das werden Sie doch nicht bestreiten, oder?