Protocol of the Session on July 15, 2008

Ich höre immer wieder von Nichtrauchern, die nicht mehr in ihre Kneipe gehen können, es sei denn, dass sie Mitglied in Raucherclubs würden. Diese Auswüchse sind dadurch entstanden, dass Sie diese ganzen Ausnahmeregelungen zugelassen haben. In wenigen Wochen entstanden in Bayern 1500 Raucherclubs, die helfen, das Gesetz zu umgehen. Das ist absurd. Dabei befürworten 80 % der Bevölkerung ein striktes Rauchverbot. Das Deutsche Krebsforschungszentrum weist immer wieder auf die Schädlichkeit des Passivrauchens hin, dem die Beschäftigten in der nicht rauchfreien Gastronomie ausgesetzt sind.

Ich habe als Sprecherin der GRÜNEN für Verbraucherschutz Hunderte von Mails erhalten, die uns ermutigen, an unserem strengen Kurs festzuhalten. Ich wiederhole: Es geht nicht um die Diskriminierung der Raucher, sondern um den Schutz der Nichtraucher. Anscheinend wird

reits sehr viel früher Rauchverbote in den Behörden und im Rathaus eingeführt wurden. Damals hat die Mehrheitsfraktion hier noch gar nicht über dieses Thema nachgedacht.

(Beifall bei der SPD)

Dass dies nicht geschieht, ist ein Zeichen dafür, dass es die Staatsregierung mit dem Nichtraucherschutz in diesem Land nicht ernst meint. Ansonsten hätten Sie die Ausnahmen für die Gastronomie nicht zugelassen. Diese Ausnahmen haben dazu geführt, dass jetzt keine Handhabe besteht, im Falle solcher Ausnahmen einzugreifen.

Sie behaupten in diesem Gesetzentwurf – das nehmen wir auch ernst –, dass die Rettungswege versperrt würden. Das wird aber nicht nur im Jahr 2008 der Fall sein. Deshalb liegt der Verdacht nahe, dass Sie hier lediglich ein Oktoberfestgesetz verabschieden wollen. Am Wahlsonntag wird das Wetter wie an allen Wiesnsonntagen schön sein. Sie wollen lediglich die Wählerinnen und Wähler, die nicht schon um 11 Uhr zum Wählen gegangen sind, sondern erst um 17.45 Uhr zur Wahl gehen, nicht gegen sich aufbringen, weil diese auf dem Oktoberfest nicht rauchen durften. Diese Bedenken verstehe ich gar nicht, weil die von Ihnen angesprochene Großveranstaltung der Nichtraucheraktivisten nur 300 Menschen auf die Theresienwiese gebracht hat.

Wenn Sie tatsächlich etwas für die Sicherheit der Menschen auf dem Oktoberfest tun wollen, sollten Sie sich Gedanken über den exzessiven Alkoholkonsum auf dieser Veranstaltung machen. Das gilt auch für alle anderen Veranstaltungen dieser Art. Die Sicherheit wird nämlich von denjenigen beeinträchtigt, die unter dem Einfluss massiver Alkoholmengen Verkehrs- und Gewaltdelikte begehen. Das ist das eigentliche Problem.

(Eduard Nöth (CSU): Sie verunglimpfen die Oktoberfestbesucher!)

Das ist vollkommener Blödsinn. Sehen Sie sich einmal die Polizeistatistik an und sprechen Sie mit den Leuten, die mit diesem Problem konfrontiert sind. Zahlreiche Delikte am Rande des Oktoberfests werden von Leuten begangen, die unter Einfluss großer Alkoholmengen stehen.

(Zurufe des Abgeordneten Eduard Nöth (CSU))

Herr Kollege, beruhigen Sie sich. Ich bin schon am Ende. Wir werden diesem Gesetzentwurf, weil er vordergründig und durchsichtig darauf abzielt, Ihre eigenen Interessen und nicht diejenigen der Bevölkerung durchzusetzen, nicht zustimmen. Die SPD-Fraktion wird dies mit großer Geschlossenheit tun.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt darf ich Frau Kollegin Rütting das Wort erteilen.

relativ unbeschadet. Das sind die Restaurants mit Selbstbedienung, McDonald‘s & Co. Das sind ja nun keine Raucherkneipen. Da gehen die Leute noch hin, weil es dort weniger kostet.

Wie Sie wissen, macht Rauchen süchtig und führt nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation bei über einem Drittel

(Unruhe)

hören Sie doch bitte einmal zu! – zum Tod.

(Engelbert Kupka (CSU): Aber Redezeit macht auch süchtig!)

Aufhören mit dem Rauchen ist jedenfalls ansteckend, so fanden Forscher der Harvard Medical School in Boston heraus.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Wenn ein Ehepartner dem Zigarettenrauch abschwört, sinkt die Wahrscheinlichkeit für das Weiterrauchen seines Partners um 67 %. Bei Freunden sind es 37 %, bei Arbeitskollegen 34 %. Die Krebsraten in Nord- und Westeuropa sinken, wenn ein Rauchverbot erlassen wird. Ich bitte Sie: Handeln wir human, sozial und christlich, und halten wir an einem absoluten Rauchverbot fest! Wir stimmen jedenfalls gegen diese Aufweichung des Gesetzes.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin. Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Memmel, bitte.

Frau Präsidentin, meine verehrten Damen und Herren!

Ich lege ein Bekenntnis am letzten Tag ab, an dem ich in diesem Hause noch die Gelegenheit habe, zu reden: Ich bin weder Alkoholiker noch Raucher, bin also Nichtraucher, aber ich bin ein Anhänger der Genusskultur. Wenn wir die Genusskultur nicht kennen würden, wären wir in unserer Zivilisation möglicherweise gar nicht so weit gekommen.

(Christine Stahl (GRÜNE): Das sieht man Ihnen gar nicht an! – Heiterkeit bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Das habe ich leider nicht verstanden, aber es war sicherlich gut. – Das beschlossene Gesetz hat den Hintergrund, dass 70 % der Menschen in Bayern für den Schutz der Nichtraucher sind. 70 % sind aber nach wie vor gegen die Art, wie dieses Gesetz durchgepaukt worden ist, und gegen die Inhalte.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

jetzt mehr gequalmt als vorher. Die Nichtraucher werden nicht mehr in Kneipen gelassen, wenn sie nicht Mitglied des Raucherclubs sind. Das großartig hinausposaunte Nichtraucherschutzgesetz ist tatsächlich zu einer Farce verkommen. Die Bürger und Bürgerinnen machen sich über uns Politiker schon lustig.

Das ursprüngliche Gesetz enthält bewusst und planmäßig keine Übergangsfrist. Somit gibt es keinen Spielraum für die Vollzugsbehörden und die Staatsregierung, für bestimmte Zeiträume, bestimmte Orte oder ein bestimmtes Volksfest, nämlich für das Oktoberfest, öffentlich zu erklären, dass der Vollzug dieses Gesetzes ausgesetzt wird. Alle Behörden, vor allem die Staatsregierung, sind nach unserer Meinung dazu angehalten, für eine konsequente Umsetzung und Durchführung des Gesetzes zu sorgen und Verstöße zu ahnden.

Dazu will ich einige neue Fakten vortragen. In unserer Entscheidung für einen konsequenten Nichtraucherschutz haben wir die Studien über die Schädlichkeit des Passivrauchens der Deutschen Krebsforschungsgesellschaft ebenso einbezogen wie Studien über die Auswirkungen des Passivrauchens in der Schwangerschaft. Bei den Beschäftigten im Gaststättengewerbe liegt das Krebsrisiko durch Passivrauchen um bis zu 50 % über dem Durchschnitt. Deshalb müssen die Beschäftigten besser geschützt werden.

Wir haben uns dann auch mit Untersuchungen über Umsatzrückgänge in den Ländern befasst, die das Rauchverbot in Gaststätten bereits vor Jahren eingeführt haben. Dort war zu beobachten, dass kurz nach Einführung des Rauchverbots die Umsätze tatsächlich zurückgingen, allerdings später wieder anstiegen und heute zum Teil über den Umsätzen vor dem Rauchverbot liegen. Das müssen Sie doch auch einmal zur Kenntnis nehmen. Deshalb dürfen Sie die Position des Gaststättenverbandes, der aus rein wirtschaftlichen Gründen eine Lockerung des Nichtraucherschutzes fordert, nicht teilen. Die Konjunkturstatistiken der Statistischen Landesämter zeigen, dass die Gastronomieumsätze seit Jahren sinken und derzeit im Trend der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung liegen. Die Umsätze in der Gastronomie sinken generell. Demnach hat das Rauchverbot einen allgemeinen Trend nur noch verstärkt.

(Engelbert Kupka (CSU): Das steht gar nicht zur Debatte, Frau Kollegin!)

Doch. Besonders stark gingen die Umsätze auch in Restaurants, Cafés und Eisdielen zurück, seit die Preise für Energie und für Lebensmittel steigen und die Mehrwertsteuer angehoben wurde. Herr Kupka, es geht schon darum, weil es damit zusammenhängt, dass grundsätzlich – –

(Engelbert Kupka (CSU): Es geht um die Verlängerung!)

Die Verlängerung ist absurd; das versuche ich gerade darzustellen. Ein Teil der Branche übersteht die Zeit, in der die Verbraucher ihr Geld zusammenhalten müssen,

gefegt ist, wie man allen Zeitungen entnehmen konnte. Sie haben einen emotionalen Befreiungsschlag gemacht. Sie haben erklärt, Sie nehmen die Festzelte vom Nichtraucherschutz aus. Damit ist aber vielerorts der Eindruck entstanden, nicht zuletzt durch die Äußerungen von Kolleginnen und Kollegen, als würde das Gesetz aufgeweicht und entschärft. Auf einmal gab es ein bisschen mehr Stille. In Wirklichkeit aber haben Sie die Änderung wegen der Wiesn 2008 gemacht, haben aber gleichzeitig alle Festzelte in Bayern von der gesetzlichen Regelung ausgenommen. Wie soll das jetzt weitergehen? -Die Wiesn, die an 16 Tagen sechs bis sieben Millionen Besucher hat und am Wochenende manchmal 700 000 Besucher verzeichnet, ist die sicherste Veranstaltung, die es überhaupt gibt. Sehen Sie sich doch einmal an, was in einer Großstadt mit 500 000 bis 600 000 Einwohnern in 24 Stunden innerhalb des Burgfriedens passiert, und vergleichen Sie das mit dem, was auf der Wiesn passiert. Es gibt zwar die eine oder andere Entgleisung dort, aber die gibt es in jeder Großstadt. Insgesamt sind die Polizeiberichte erfreulich und zeigen eine stabile Sicherheitslage.

Die Wiesn ist dank des Aufgebots an Sicherheitskräften und einer fachkundigen Organisation nach wie vor eine der sichersten Veranstaltungen. Wenn Sie an die Sache handwerklich und in Ruhe herangehen, werden Sie feststellen, dass es auch im nächsten Jahr riesige Probleme geben wird. Das könnte ich zwar im Einzelnen erläutern, aber die Zeit reicht dafür nicht aus. Sie werden im nächsten Jahr wieder vor der Situation stehen, dass Wahlen stattfinden, nämlich die Bundestags- und die Europawahlen. Dann werden Sie wieder einmal darüber nachdenken müssen, ob Sie eine außerordentliche Lösung für das Oktoberfest brauchen, wie Sie sie auch in anderen Bereichen gefunden haben, siehe die Raucherclubs, die heute schon zur Belustigung beitragen.

Ich kenne Leute, die mittlerweile die Mitgliedskarten von Raucherclubs sammeln, und es gibt Leute, die auch als Nichtraucher in die Raucherclubs gehen müssen, um Freunde zu treffen, weil Sie gewisse Ausnahmemöglichkeiten, die die Staatsregierung früher vorgesehen hatte, nicht berücksichtigt haben.

Noch einmal meine persönliche Haltung: Ich bin gegen die Art, wie Sie hier alles über einen Kamm scheren und wie Sie insbesondere das Oktoberfest behandeln. Sie befürchten offenbar, einen Scherbenhaufen zu hinterlassen, weil Sie jetzt noch einmal reparieren wollen. Zu dieser Reparatur bin ich nicht bereit.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt darf ich noch Herrn Kollegen Kupka ums Wort bitten.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das ist die größte Chuzpe, die ich im Laufe meiner 18-jährigen Tätigkeit im Parlament erlebt habe.

(Beifall bei der CSU)

Herr Dr. Zimmermann hat vorhin berichtet, er wäre auf dem Oktoberfest gewesen. Es war nicht das Oktoberfest, bei dem die Kundgebung bei 40 Grad im Schatten stattgefunden hat, sondern das war die Theresienwiese, und es waren nicht 250 Besucher, wie die Polizei mitgeteilt hat, es waren dort circa 1000 Leute. Es ist auch völlig egal, ob das 250 oder 1000 Leute waren. Jedenfalls ist auch dort der Eindruck entstanden, dass diese Menschen mit der Art, wie dieses Gesetz beschlossen worden ist, nicht einverstanden sind.

Nun hat Kollege Dr. Zimmermann kritisiert, dass ich dort gesprochen hätte. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe nichts anderes getan – Kollege Pfaffmann war dabei und wird das bezeugen können –, als meine Position darzustellen. Ich habe gesagt, dass ich gegen diese Art des Gesetzes nicht nur gestimmt, sondern auch dagegen gesprochen habe. Ich habe schon damals der CSU ins Stammbuch geschrieben, dass das beim Oktoberfest mit dem Rauchverbot so nicht gehen wird. Ich habe das im Einzelnen auch noch mit Argumenten unterfüttert. Was aber hat damals Ihr Fraktionsvorsitzender zu mir gesagt? – Wenn Kollege Memmel Bedenken hat und will, dass wir das verändern, dann sage ich ihm, wir denken, reden und handeln, und von diesem Handeln werden wir nichts mehr zurücknehmen müssen. Das war der Hintergrund. Ich habe mit meiner Prognose doch recht behalten, dass Sie sich werden bewegen müssen, weil die Fakten nun einmal so sind. Ich weiß gar nicht, was daran falsch sein soll, wenn ich als Sozialdemokrat den Leuten schildere, was meine Position war und dass meine Argumente, die aufgrund meiner Kenntnisse vielleicht besser waren als die Ihren, von Ihnen nicht gehört wurden.

Jetzt sagen Sie, das alles wäre notwendig, weil die Stadt München eine so schlechte Verwaltung habe oder weil sie so große Bedenken habe. Ich habe in den 14 Jahren, in denen ich dem Bayerischen Landtag angehöre, noch nie erlebt, dass von der Staatsregierung und von der CSU, also von den Verursachern, so oft auf eine kommunale Behörde oder auf die Aussagen eines Oberbürgermeisters verwiesen worden ist wie in diesem Fall. Das Argument, die arme Stadt München wäre nicht in der Lage, das zu tun, ist doch äußerst scheinheilig, meine sehr verehrten Damen und Herren von der CSU.

(Beifall bei der SPD)

Bei Ihrer Erkenntnis, dass der Nichtraucherschutz nur auf dem Oktoberfest im Jahr 2008 nicht zu handhaben ist, frage ich mich, warum Sie dann keine Lex Oktoberfest gemacht haben, sondern alle Festveranstaltungen in ganz Bayern freigegeben haben. Sie hätten sagen müssen: Überall geht es, deswegen lassen wir das im Gesetz, aber auf der Wiesn geht es nicht, wenigstens nicht 2008, und deshalb müssen wir es aus dem Gesetz herausnehmen. Das wäre glaubwürdig gewesen.

(Zurufe von der CSU)

In Wirklichkeit haben Sie aufgrund des Sturms gehandelt, der nach der Kommunalwahl durch ganz Bayern