Protocol of the Session on July 3, 2008

Bayern führte nämlich diese Härtefallkommission als letztes Bundesland ein. Da hätte der Ausschuss für Eingaben und Beschwerden, der sich immer vornehmlich mit Flüchtlingsproblemen beschäftigt hat, unbedingt darauf hinwirken müssen, dass es nicht zu den überzogenen Kriterien für die Härtefallkommission gekommen wäre.

Das betrifft zum Beispiel die Besetzung der Härtefallkommission mit Vertretern der Flüchtlingsinitiativen. Das war immer unser Anliegen. Nachdem das Ehrenamt von der CSU immer so hochgehalten wird, hätte man von der CSU sagen können: Jawohl, die Flüchtlingsinitiativen kommen in die Härtefallkommission.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das sind doch die Leute, die sich mit den Problemen der Ausländerinnen und Ausländer auseinandersetzen. Da hätte man eben auch diese Ehrenamtlichen integrieren können. Daran war die CSU aber überhaupt nicht interessiert.

Nehmen wir weiter das Kriterium der aufschiebenden Wirkung. Da hätten wir vom Ausschuss für Eingaben und Beschwerden auch noch mehr intervenieren und sagen müssen: Es ist unbedingt notwendig, dass es diese aufschiebende Wirkung in der Härtefallkommission gibt.

(Alexander König (CSU): Die haben mit Abstand die besten gesetzlichen Regelungen in Bayern!)

Ideen vernommen. Wenn aber Vorschläge kommen wie der, das Schulsystem für die Zukunft fit zu machen und wie unsere Schülerinnen und Schüler gerechtere Chancen erhalten könnten, vernehmen wir das große Schweigen im Walde.

(Zuruf des Abgeordneten Alexander König (CSU))

Auch die Einführung der Studiengebühren, meine Damen und Herren, ist bei den Studentinnen und Studenten nicht gut angekommen, wie uns die Anzahl der diesbezüglichen Beschwerden vor Augen führt.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich wünsche mir für die Zeit nach der Landtagswahl, dass eine Mehrheit der Abgeordneten die an den Landtag herangetragenen Eingaben mehr als bisher als eine Art Seismograf begreift.

(Beifall bei den GRÜNEN – Alexander König (CSU): Vorsicht, Ihre Zeit ist abgelaufen!)

Die vom Landtag beschlossenen Gesetze wirken sich in der Praxis oftmals ganz anders aus, als das vielleicht jede und jeder von uns voraussehen konnte. Das parlamentarische Handeln braucht diese Rückmeldung und es braucht die Fähigkeit, Entscheidungen auch einmal zu revidieren, wenn offenkundig ist, dass das beschlossene Gesetz nichts taugt. Dazu haben wir hier immer die Möglichkeiten, und diese Möglichkeiten müssen viel mehr genutzt werden.

Lassen Sie mich zum Schluss auch für die GRÜNEN im Bayerischen Landtag einen Dank aussprechen an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landtagsamtes, die mit der Behandlung der Eingaben und Beschwerden betraut sind.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ohne deren engagierte Arbeit wäre eine angemessene Behandlung der Bürgeranliegen für uns als Abgeordnete nicht leistbar.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bevor ich den Tagesordnungspunkt schließe, darf ich im Namen des Hohen Hauses auch noch einmal den herzlichen Dank aussprechen: an den Vorsitzenden des Petitionsausschusses, Herrn Kollegen König, an den Stellvertreter, an Sie, Herr Kollege Werner, an alle Kolleginnen und Kollegen des Petitionsausschusses. Ich tue das ausdrücklich, weil es tatsächlich eine sehr, sehr wichtige Aufgabe ist, die Sie für unsere Bürgerinnen und Bürger wahrnehmen. Herzlichen Dank!

(Beifall bei Abgeordneten der CSU, der SPD und der GRÜNEN – Alexander König (CSU): Vielen Dank, Frau Präsidentin!)

Gehen wir also mit dieser Hoffnung und mit diesem Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger sorgsam und überlegt um! Enttäuschen wir sie nicht! Tun wir’s nicht allzu schnell ab. Wenn wir das nicht tun, vermehren wir die Zahl derer, die das demokratische System und seine Institutionen infrage stellen, sich am Ausbau und Fortkommen unseres Gemeinwesens nicht mehr beteiligen. Dieser oft beschriebenen Tendenz, mit der wir Abgeordneten auch in persönlichen Begegnungen regelmäßig konfrontiert werden, müssen und können wir auch mit einer angemessenen Behandlung der Eingaben und Beschwerden entgegenwirken. Achim Werner hat dazu gesagt: Die Zahl der Berücksichtigungsbeschlüsse ist einfach zu gering.

Bemerkenswert und wichtig halte ich noch einige Zahlen aus der Statistik, die Verteilung der Petitionen nach Bezirken betreffend. Überdurchschnittlich viele Eingaben stammen aus den ostbayerischen Regierungsbezirken Niederbayern und Oberpfalz. Oberbayern liegt im Durchschnitt, während aus allen drei fränkischen Bezirken und auch aus Schwaben im Vergleich zur Bevölkerungszahl die wenigsten Eingaben stammen.

(Alexander König (CSU): Das sind zufriedene Menschen!)

Warum das so ist, wäre auch einmal eine Überlegung wert. Das ist sicherlich nicht auf eine Ursache zurückzuführen, und eine schnelle Erklärung gibt es wohl auch nicht. Ich denke, dass hier einige Gründe ausschlaggebend sein könnten. Es wird sicherlich interessant sein, ob sich dieser Trend in Zukunft fortsetzt.

In der Statistik des Ausschusses für Wirtschaft, Verkehr, Infrastruktur und Technologie haben wir gerade festgestellt, dass die Petition zum Thema Regional-S-Bahn Augsburg mit über 25 000 Unterschriften fehlt.

Viele Petitionen zeigen dem Landtag auch, wie die hier beschlossenen Gesetze bei der Bevölkerung ankommen. Da gibt es einige, bei denen sich der Jubel partout nicht einstellen wollte. Die Anzahl der Beschwerden beim Bayerischen Kinder- und Bildungsgesetz sollte Staatsregierung und Mehrheitsfraktion aufhorchen lassen. Wir hatten dieses hier sehr, sehr oft als Thema in diesem Hohen Haus: Dringlichkeitsanträge, Anträge, Gesetzentwürfe. Hier haben wir über Petitionen auch die Rückmeldung bekommen, dass diese gesetzliche Regelung an allen Ecken und Enden verbesserungsbedürftig ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Leider hat das die CSU kalt gelassen, und das, obwohl es dabei um die Grundlagen für einen guten Start unserer Kinder geht. Darum geht es, und da müssten wir im Grunde wirklich aufhorchen, wenn Petitionen in dieser Menge kommen.

Auch die zahlreichen Eingaben, die den Bildungsausschuss erreicht haben, machen deutlich, dass im bayerischen Bildungssystem vieles im Argen liegt. Auch hier haben wir von der Staatsregierung und der sie tragenden Mehrheitsfraktion nur Ankündigungen und aufgewärmte

Perspektive zu geben. Hier ist man auf dem Weg, aber dieser Weg muss weiterentwickelt werden.

Die zweite Vision ist, stationäre Einrichtungen, also Heime – gerade in der Altenpflege –, transparent und mit guten Rahmenbedingungen versehen, durch Angehörige, Bewohner und Mitarbeiter mit den Trägern der betroffenen Einrichtungen weiterzuentwickeln. Ich möchte in diesem Zusammenhang natürlich feststellen, dass Pflegekräfte in stationären Einrichtungen der Alten- und Behindertenhilfe eine hervorragende Arbeit leisten und wir ihnen in diesem Zusammenhang nicht genug danken können.

Die dritte Vision ist, wenn wir über ein Heimgesetz sprechen, eine Heimaufsicht, die nicht nur ordnungspolitisch, sondern unter dem Gesichtspunkt der Qualitätssicherung tätig ist, und die vor allem auch diejenigen berät, die mit den Einrichtungen zu tun haben. Auch hierzu wird im Zusammenhang mit diesen Gesetzesberatungen ein Anstoß gegeben.

Die vierte Vision ist schließlich, dass insbesondere auch stationäre Einrichtungen für Menschen mit Behinderung so weiterentwickelt werden können, wie sie die Menschen mit Behinderung brauchen und wie sie auch führende Träger anstreben, dass nämlich sowohl ambulant betreute Wohnformen als auch Formen mit stationärem Charakter entsprechend zum Tragen kommen. Dazu gibt es insgesamt zwei wesentliche Ansätze, etwa einen leistungsrechtlichen, grundsätzlich politischen Ansatz, der nicht Gegenstand dieser Beratungen ist, auch dann nicht, wenn Sie, Herr Kollege Wahnschaffe, Ihren Antrag in die Beratungen einbeziehen. Denn da bedarf es eines größeren Wurfes

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Da drücken Sie sich natürlich!)

und einer stärkeren Vernetzung mit der Fortentwicklung des Pflegegesetzes und dem, was hier die Kostenträger der überörtlichen Sozialhilfe gemeinsam mit der Politik in diesem Land entwickeln.

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Eine tolle Logik!)

Staatsministerin Christa Stewens hat ebenso wie der Pflegekritiker Claus Fussek zu Recht den Anspruch definiert, dass Bayern bei der Entwicklung eines Heimrechts das beste Gesetz im Bund machen soll.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Und was ist herausgekommen?)

Herr Wahnschaffe, Sie haben sich dazu sehr positiv geäußert, dann kann es nicht so schlecht gewesen sein.

Wir haben erlebt, dass es andere Bundesländer gibt, die sich sehr stark an dem orientieren, was auf diesem Gebiet in Bayern entwickelt wird. Wir kommen also diesem Anspruch nach.

Damit ist der Tagesordnungspunkt erledigt. Ich rufe die beiden Tagesordnungspunkte 3 und 4 auf:

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Förderung der Pflege-, Betreuungs- und Wohnqualität im Alter und bei Behinderung (Pflegequali- tätsgesetz – PflegeqG) (Drs. 15/10182) – Zweite Lesung –

hierzu:

Änderungsanträge der Abg. Joachim Wahnschaffe, Kathrin Sonnenholzner, Christa Steiger u. a. (SPD) (Drsn. 15/10468 mit 15/10473) Änderungsanträge der Abg. Georg Schmid, Renate Dodell, Joachim Unterländer u. a. (CSU) bzw. des Abg. Joachim Unterländer (CSU) (Drsn. 15/10478 und 15/10697)

und

Gesetzentwurf der Abg. Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Maria Scharfenberg u. a. u. Frakt. (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Stärkung der Selbstbestimmung von Menschen mit Pflege- und Hilfebedarf in stationären Pflegeeinrichtungen und ambulant betreuten Wohngruppen (Pflege- und Hilfebedürftigenselbstbestimmungsge- setz – PflegeSG) (Drs. 15/10320) – Zweite Lesung –

In die Beratung beziehe ich auf Wunsch der SPD-Fraktion die Listennummer 3 der Anlage zur Tagesordnung ein:

Antrag der Abgeordneten Wahnschaffe, Sonnenholzner, Steiger u. a. (SPD) Menschenwürde wahren, Selbstbestimmung fördern, Qualität sichern. Begleitgesetz zu einem Bayerischen Gesetz zur Förderung der Pflege-, Betreuungs- und Wohnqualität im Alter und bei Behinderung (Drs. 15/10409)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Im Ältestenrat wurde hierzu eine Redezeit von 15 Minuten pro Fraktion vereinbart. Ich darf als erstem Redner Herr Kollegen Unterländer das Wort erteilen. Bitte schön, Herr Kollege.

Liebe Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich im Zusammenhang mit dieser Zweiten und Dritten Lesung zum Bayerischen Pflege- und Wohnqualitätsgesetz, wie wir es in Zukunft bezeichnen werden,

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Dritte Lesung!)

vier Visionen definieren, die im Umfeld der bayerischen Pflege für pflegebedürftige Menschen und für Menschen mit Behinderung wichtig wären und denen wir uns allen unterstellen sollten.

Eine Vision muss sein, älteren und pflegebedürftigen Menschen in vertrauter Wohnumgebung mit flexiblen und ambulanten Pflegeangeboten je nach Pflegebedarf eine