Meine Damen und Herren, dann muss ich leider zum Schluss kommen, wir werden dieses Thema nicht zu Ende führen. Ich will nur noch auf eine Zahl hinweisen. Sie sagen immer: Wir tun etwas in der Familienpolitik. Dieser Tage gibt es einen aktuellen Bericht des Deutschen Jugendinstituts München – letzte Woche erschienen in der „Süddeutschen Zeitung“–, wonach der Freistaat Bayern in den Jahren 2002 bis 2006 die Kinder- und Jugendhilfe um 21 % gekürzt hat. Das ist Ihre Antwort auf die Nöte in unserem Land, insbesondere auf die Kinderarmut. Das ist ein Skandal.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Herr Wahnschaffe, was Sie da gerade geboten haben, war so ein Sammelsurium und so ein Potpourri von Aussagen, die sich an nichts festmachen lassen, was die Realität in diesem Land angeht, dass ich für unsere Fraktion schon sagen muss: traurig, traurig, traurig.
Was Sie hier anführen, ist wirklich nicht der Rede, der Mühe und der Minuten wert, die Sie dafür verwenden. Das muss ich Ihnen an der Stelle wirklich einmal deutlich sagen.
Ich sage von der Stelle aus nur: Der Unterschied zwischen Ihrer und unserer Herangehensweise ist der, dass wir die Dinge ganzheitlich angehen und Daten, Fakten und Informationen gezielt sammeln. Das habe ich hier im Plenum schon öfter getan.
Wenn Sie die Geschichte mit Hartz IV, an der auch Sie maßgeblich beteiligt waren, einigermaßen einordnen können, wissen Sie, dass die Auswertung qualitativ hochwertiger und verwendbarer Daten ihre Zeit braucht. Sie werden einen Bayerischen Landessozialbericht geliefert bekommen, der sich auch in diesem Punkt von anderen Berichten deutlich abhebt. Dann werden wir an die Punkte gezielt herangehen.
Natürlich gibt es auch im Freistaat Bayern Armut, allerdings nicht in dem Ausmaß, von dem Sie sprechen, nämlich eine pauschalisierte Armut.
Sie wissen, dass es nicht nur bundesweit, sondern über unsere Grenzen hinaus keine vergleichbaren Staaten gibt, die Armut derart gezielt bekämpfen und wirkungsvoll angehen wie wir.
Sie sprechen von Prävention. Lassen Sie mich bitte dazu einen Teilaspekt nennen. Armutsprävention bleibt Stückwerk, so notwendig und sinnvoll sie an mehreren Punkten ist, wenn sie die zentralen Punkte, nämlich wirtschaftliche Dynamik, Leistungskraft und einen stabilen und funktionierenden Arbeitsmarkt, außer Acht lässt. Dieser Aufgabe stellt sich Bayern.
Kollege Unterländer hat vorhin allgemeine Arbeitsmarktdaten genannt. Ich gehe speziell auf die Daten ein, um die es geht. Es geht um junge Menschen, die sich auf dem Weg in den Beruf befi nden, die ihr Einkommen sichern müssen, eben auch, um Armut zu verhindern, und zwar schon am Anfang ihres Lebens. Da ist Bayern in jeder Weise vorbildhaft.
Sie kennen die Daten und Zahlen, aber ich nenne Ihnen einige: Ende Mai hatten wir am Ausbildungsstellenmarkt rund 20 % weniger versorgte Bewerber als im letzten Jahr. Das heißt übertragen – ich lasse jetzt Einzeldaten weg –: 38 700 gemeldete unversorgte Bewerber. Dem stehen 29 631 unbesetzte Ausbildungsstellen gegenüber.
(Joachim Wahnschaffe (SPD): Das war wohl ein Versprecher! Sie haben gesagt, es gibt weniger Versorgte!)
Ich sage Ihnen: Am Ende eines Jahres – wenn Sie das letzte Jahr betrachten, Herr Kollege Wahnschaffe – wird es wohl eine annähernd 100-prozentige Versorgung der Bewerber, die jetzt noch keine Chance haben, geben. Am Ende des Jahres zählt letztlich die Statistik.
Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, sprechen zu Recht von Jugendlichen, die uns besonders am Herzen liegen müssen, weil sie leicht durch alle Raster fallen, weil sie wesentliche Voraussetzungen nicht erfüllen: Das sind soziale Kompetenzen, und das sind auch Lernkompetenzen in verschiedenster Art und Weise. Wir kennen dazu die Zahlen. Die Ministerin geht konsequent in jeder Region seit dem Frühjahr diese Dinge an, indem sie mit den Berufsschulen Daten erhebt, mit Lehrkräften, mit der Wirtschaft, mit Eltern und mit den Schülern. Es muss natürlich unser Ziel sein, junge Leute, die in die Armut rutschen oder in Gefahr sind, arm zu werden, präventiv aufzufangen.
Es sind viel zu viele – darin gebe ich Ihnen Recht –, die noch durch die Maschen fallen, weil sie diese Handicaps mitbringen. Wir müssen individuelle Förderung betreiben. Das Sozialministerium steht vor einer Vereinbarung, oder inzwischen ist sie vielleicht schon abgeschlossen
worden. Die Bundesagentur ist ein Stück weit mit in der Pfl icht, sich nachhaltig um die zu bemühen, die sonst keine Chancen haben.
Das sind Jugendliche, bei denen ist es nicht damit getan, dass man sie zwei- oder dreimal auffordert und dann erscheinen sie am Arbeitsplatz oder in der Schule; diese Jugendlichen brauchen die Akteure der Jugendsozialarbeit, der beiden Kirchen, der freien Verbände. Wenn wir denen Mittel zur Verfügung stellen, und zwar nicht in erster Linie der bayerische Staat, sondern in erster Linie die Wirtschaft, die in der Verantwortung steht und diese weitestgehend auch wahrnimmt, Schule, Elternschaft, die das Bewusstsein prägt, dass ihre Kinder den Ausbildungsplatz für ihre Zukunftssicherung annehmen müssen, weil es sonst keine Zukunft für sie gibt, die Jugendsozialarbeit – Sie haben die Familienpolitik genannt – –
– Ich glaube schon, dass ich ein Stück weit mehr als Sie gesagt habe, Herr Wahnschaffe. Sie haben nur mit blumigen Sätzen den Landessozialbericht eingefordert. Ich glaube, dass es darum geht, dass unsere Gesellschaft – und das sind wir alle, jeder Einzelne von uns – aufgefordert ist, ein Stück weit ein Bewusstsein für die zu bilden, die aus eigenen Kräften den Sprung ins Berufsleben nicht schaffen. Dazu sind wir – –
Nein. Es tut mir leid. Sie sind 1 Minute und 34 Sekunden über Ihrer Redezeit. Ich war schon sehr tolerant.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Was ist von den Versprechungen der Bayerischen Staatsregierung zu halten und ganz speziell von Ihnen, Frau Staatsministerin? – Ich empfi nde es als Armutszeugnis für die Staatsregierung,
Das muss ich hier wirklich einmal sagen. Sie haben hier in einer Rede 2002 gesagt – die möchte ich zitieren, weil es sehr bemerkenswert ist, was Sie gesagt haben, alles ist nicht schlecht, was Sie sagen, das behaupte ich gar nicht –:
Die Bayerische Staatsregierung wird auch in der nächsten Legislaturperiode wieder einen Bericht zur sozialen Lage in Bayern abgeben.
Das ist nicht nur wegen der Beschlüsse des Bayerischen Landtags von ‚96 eine Selbstverständlichkeit.
Ein zweiter Bayerischer Sozialbericht entspricht auch den ureigensten Interessen der Staatsregierung.
Respekt, kann ich da nur sagen. Ich denke, genau das sollte Ihre Leitlinie sein. Wir haben uns vorgestellt und gewünscht, dass daraus Realität wird.
Was ist denn aus der Aussage geworden? Haben sich die Interessen der Staatsregierung plötzlich verändert, oder steht nicht das Richtige drin? – Diese Frage muss schon erlaubt sein. Wenn das in dieser Legislaturperiode noch passieren soll, Herr Unterländer, dann muss ich sagen: Dann wird es aber Zeit, diese Legislaturperiode dauert wirklich nicht mehr lange.