Protocol of the Session on June 10, 2008

Übrigens möchte ich auch noch einmal darauf hinweisen, dass die bayerische SPD noch im Februar 2008 die Erhöhung des Kindergeldes vehement abgelehnt hat. Die bayerische SPD plädierte auch für die Abschaffung des Landeserziehungsgeldes. Ich kann Ihnen nur sagen, die Familien in Bayern wären die Verlierer, wenn Ihre Vorstellungen tatsächlich verwirklicht würden.

(Beifall bei der CSU)

Die Aktuelle Stunde ist damit beendet.

Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 4 auf:

Bericht der Vertreterin im Ausschuss der Regionen, Frau

Die Besonderheiten dieses Ausschusses: Der AdR ist die jüngste europäische Institution. Seine Entwicklung erfolgte nur schrittweise. Man musste sehr lange um die Finanzautonomie und die Haushaltsautonomie kämpfen. Wir teilen momentan noch die Sprachdienste mit dem Wirtschafts- und Sozialausschuss. Interessant ist, dass seine Stellung zu den anderen Gremien nicht genau geregelt ist. Von daher kommt es immer darauf an: Wie behauptet man sich, wie bringt man sich ein? Netzwerke sind inzwischen recht gut aufgebaut, sodass man von einem guten Standing sprechen kann.

Das Subsidiaritätsprinzip ist das Markenzeichen des Ausschusses für die Regionen. Anders als alle anderen Institutionen schaut der Ausschuss der Regionen nicht mit der europäischen Brille auf Vorlagen, sondern aus der Sicht der Regionen und Gemeinden. Das ist für uns ganz, ganz entscheidend und ganz wichtig; denn die Sicht der Regionen und Gemeinden ist die Sicht der Bürger. Damit ist auch die Bodenhaftung etwas stärker, als dies bei anderen Gremien der Fall ist.

Ich möchte aber doch etwas Wasser in den Wein gießen. Man ist sich natürlich in der Bedeutung des Subsidiaritätsprinzips grundsätzlich einig, aber im Einzelfall wird es immer äußerst problematisch; da hakt es. Die Gründe liegen in der Heterogenität des Ausschusses der Regionen. Es gibt nur wenige starke Regionen, wenige einfl ussreiche Mitglieder aus Regionen mit Gesetzgebungsbefugnis. Unserer Situation ist noch am ehesten vergleichbar die Situation in Österreich, in Belgien, zum Teil in Spanien und Italien. Gerade diese Mitglieder sind natürlich sehr aktiv im Ausschuss der Regionen. Viele Mitglieder versuchen aber, ihre schwache innerstaatliche Stellung durch Forderungen an die EU auszugleichen. Brüssel soll ihre innerstaatlichen, zum Teil auch hausgemachten Probleme lösen, vor allen Dingen dann, wenn damit Finanzmittel verbunden sind. Da vergisst man dann sofort das Subsidiaritätsprinzip. Das kennen wir zwar auch im Verhältnis von Bayern zum Bund, jedenfalls manchmal, aber in Brüssel ist dies an der Tagesordnung.

Im Ausschuss sind sehr, sehr viele Mitglieder aus kommunalen Parlamenten oder kommunale Vertreter. Der Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten hat vor kurzem einen Bürgermeister aus einer Kommune in Estland besucht, die 8000 Bewohner hat. Dieser Bürgermeister hat das gleiche Stimmrecht wie ich, die, wie ich mit Stolz sagen kann, zwölf Millionen Einwohner Bayerns vertritt.

Da ist halt schon ein Ungleichgewicht in diesem Bereich, und man merkt das. Aber es ist kein spezielles AdR-Problem, dass man die Subsidiarität vergisst, wenn es ums Geld geht und wenn es sich um Brüsseler Mittel handelt.

Lassen Sie mich einige wenige Beispiele herausgreifen, um deutlich zu machen, dass man durchaus etwas erreichen kann. Wir beklagen doch immer: Brüssel schlägt

der Fall. Ich möchte das jedenfalls schon einmal vorsorglich in die Diskussion einbringen.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Lassen Sie mich einige wenige Worte zur Zusammensetzung des Ausschusses der Regionen sagen. Er hat gegenwärtig 344 Mitglieder. Deutschland stellt nur 24 Mitglieder – 21 aus den Ländern und drei aus den kommunalen Spitzenverbänden. Im Wesentlichen geschieht die Arbeit in Fachkommissionen, daneben in Plenarversammlungen, die fünfmal jährlich stattfi nden. Die Themen, die der Ausschuss der Regionen behandelt, sind durchaus Themen, die unmittelbar die Gesetzgebungszuständigkeiten des Bayerischen Landtags betreffen. Nur einige wenige seien hier genannt: Beschäftigung, Bildung – obwohl Bildung keine Europafrage ist, kümmert sich Europa natürlich sehr stark um dieses Thema –, Energie, Umwelt, Gesundheit, demografi scher Wandel, Daseinsvorsorge, auch der Sport ist davon betroffen. Daher ist es sicher ganz gut, dass wir in diesem Ausschuss vertreten sind.

Eine der Hauptaufgaben des Ausschusses ist die Verabschiedung von Stellungnahmen zu Kommissionsvorschlägen. Er bezieht aber nicht nur Stellung, wenn Vorschläge schon vorliegen, sondern er verfasst durchaus auch Initiativberichte. Ein Großteil der AdR-Stellungnahmen betreffen vorbereitende Konsultationsdokumente der Kommission. Wir wissen alle, dass in diesen Papieren die wesentlichen Weichenstellungen schon vorgenommen werden. Unser Anliegen ist es, möglichst frühzeitig Einfl uss auf die Arbeit zu nehmen; denn nur dann kommen unsere Vorstellungen auch zum Zuge. Wenn ein Kommissionsbericht vorliegt, ist es nur noch sehr schwer, etwas Essenzielles zu verändern.

Für uns als Bayern ist es besonders wichtig, bei den Stellungnahmen darauf zu achten, dass das Subsidiaritätsprinzip nicht verletzt wird. Wir stellen regelmäßig die Frage nach der EU-Zuständigkeit. Viele Berichterstattungen werden von uns wahrgenommen. Kollege Döhler hatte eine Berichterstattung übernommen, auch die jeweiligen Minister. Überhaupt ist Deutschland insgesamt in der Arbeit sehr aktiv. Wir stellen zwar nur 7 % der Mitglieder, aber haben bereits 15 % aller Berichte vorgelegt. Das zeigt, dass das Subsidiaritätsprinzip für uns etwas Wesentliches ist.

Zu kurz kommt auch nicht die Debatte und der Austausch mit Politikern anderer europäischer Institutionen. Zunächst einmal ist der Ausschuss etwas von den Parlamentariern belächelt worden. Inzwischen gibt es regelmäßige Konsultationen. Sie nehmen auch an unseren Sitzungen teil, natürlich auch die jeweiligen Kommissare und Ratsvertreter. Man stellt eigentlich fest, dass der AdR im Laufe der Jahre immer ernster genommen wird.

Lobbyisten hier gemacht werden, und auch in diesem Bereich konnten wir einen Erfolg verzeichnen.

Wichtig ist die Vernetzung innerhalb des AdR zu den verschiedensten Gruppierungen. Wir haben eine interregionale Gruppe „Regionen mit Gesetzgebungsbefugnissen“, weil sich unsere Aufgaben, unsere Probleme sehr deutlich unterscheiden von denen der Kommunen, und wir brauchen ein eigenes Koordinierungsgremium; das ist jetzt eingerichtet worden. Es hinkt noch ein bisschen, fährt noch ein bisschen arg langsam, dieses Vehikel, aber ich denke, dass wir hier wie auch in den anderen Bereichen entsprechende Erfolge haben werden.

Wie sieht die Zukunft des AdR aus? Der AdR erhält durch den EU-Reformvertrag, der, so hoffe ich, jetzt auch von den Irländern akzeptiert wird, Klagerechte, vor allen Dingen dann, wenn er nicht oder nicht ordnungsgemäß an der Rechtsetzung beteiligt wurde oder wenn ein EURechtsakt das Subsidiaritätsprinzip verletzt.

Der AdR wird damit quasi zum Mitgesetzgeber, und für die anderen europäischen Institutionen wird damit die Meinung des AdR auch an Bedeutung zunehmen.

Für uns ist zu überlegen, wie diese neuen Rechte des AdR tatsächlich in die Tat umgesetzt werden können, wie sie am besten genutzt werden können.

Lassen Sie mich ein Fazit ziehen. Das Subsidiaritätsprinzip ist an sich in der EU etabliert und wird durch den Reformvertrag weiter gestärkt. Es muss immer wieder eingefordert werden. Instrumente dazu sind der Ausschuss der Regionen, aber auch das Frühwarnsystem nach dem EU-Reformvertrag und die informellen Wege in den bestehenden und neu entstehenden Netzwerken.

Wichtig ist, möglichst frühzeitig tätig zu werden, und sich klarzumachen, dass die Regionen und deren Parlamente erst recht nach dem EU-Reformvertrag nicht wie jedermann zu behandeln sind, wenn sie gegenüber EU-Vorhaben Stellung nehmen, sondern eine privilegierte Stellung haben. Sie haben eigene Gesetzgebungsbefugnisse, sind demokratisch legitimiert und besonders geeignet, die Anliegen der Bürger nach Europa zu vermitteln und Europa den Bürgern begreifbar zu machen.

Ich hoffe, ich habe Ihnen, die Sie mir so aufmerksam zugehört haben, auch jetzt die Arbeit des AdR näher bringen und begreifbar machen können.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Hoderlein, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vielen

uns etwas vor und auf der unteren Ebene hat man dann Schwierigkeiten. Ich sehe Martin Fink, der gegenwärtig wegen der EU-Führerscheine und der Bestimmungen bezüglich der Feuerwehren so stark kämpft. Das scheint ein kleines Problem zu sein, aber es ist ein großes Problem für die Leute vor Ort. Deswegen greife ich jetzt einige Beispiele heraus, die genau in dieser Qualität sind.

Es gab vor Kurzem einen Richtlinienvorschlag der Kommission zur Förderung saubererer Straßenfahrzeuge. Nach diesem Vorschlag sollten die Regionen, und zwar einseitig die Regionen und Kommunen, zur Beschaffung von neuen Straßenfahrzeugen verpfl ichtet werden. Da fragt man sich wirklich: Was geht das die EU an? Das führt eindeutig zu Wettbewerbsnachteilen; die Privaten sind da ausgenommen. Und, und, und.

Lassen Sie mich ein anderes Beispiel bringen. Das haben wir erfolgreich verhindert: Es geht um das Grünbuch Städtischer Verkehr. Schon der Titel wirft die Frage auf, weshalb sich die EU mit Themen wie Begrünung, City-Maut, Verkehrsleitsystemen und Videoüberwachung öffentlicher Räume befassen soll. Durch Unterstützung zahlreicher unserer Änderungsanträge ist dieses Grünbuch noch einmal in den Fachausschuss zurückverwiesen worden, und die endgültige Fassung der Stellungnahme des Ausschusses der Regionen zeigt zumindest Zurückhaltung bei einheitlichen Lösungen.

Die Bodenschutzrichtlinie ist ebenfalls ein Beispiel, auch die Migrationspolitik.

Lassen Sie mich herausgreifen das Grünbuch Anwendung der Satellitennavigation. Mittels eines Änderungsantrages haben wir zumindest die Forderung verhindert, dass die Galileo-Aufsichtsbehörde in einem neuen EUMitgliedstaat angesiedelt werden soll. Für uns in Bayern wäre es sehr wichtig, dass diese nach München kommt.

Ich könnte noch viele andere Beispiele hier aufzählen, an denen deutlich wird: Es ist wichtig, dabei zu sein, Änderungsanträge zu stellen und andere Regionen, andere Kommunen einfach dafür zu sensibilisieren, was es heißt, wenn Brüssel etwas einheitlich regelt, was das für die Umsetzung „unten“ in den Ländern, bei uns den Bundesländern, heißt oder auch, was das für die Kommunen bedeutet.

Wichtig für unsere Arbeit war auch die europäische Transparenzinitiative. Die Kommission – Sie wissen es – will Lobbyarbeit in Brüssel transparenter machen. Wir haben deutlich gemacht – und Bayern hat dies auch auf allen anderen Ebenen getan-, dass die Arbeit der deutschen Länder und ihrer Vertretungen in Brüssel keine Lobbyarbeit ist, dass wir, die Länder und Regionen, als Gliederungen der jeweiligen Mitgliedstaaten Träger des Allgemeinwohls und Teil der europäischen Verwaltungsstruktur sind. Wichtig ist, dass diese Unterschiede zu

Funktion meiner Meinung nach bis dato nicht befriedigend oder nicht ausreichend befriedigend erfüllt.

Trotzdem fällt mir nichts Besseres ein. Man muss sich das jedoch klarmachen und darf nicht drumherum reden. Wenn er diese Aufgabe besser erfüllen will, müsste meiner Meinung nach eine stärkere Rückkopplung seiner Vertreter und der Ebenen, die sie jeweils vertreten, erfolgen. Konkret: Frau Kollegin Männle, ich freue mich, dass Sie uns nach zwei Jahren diesen Bericht gegeben haben. Uns wäre es jedoch lieber, wenn Sie uns mit einer gewissen Regelmäßigkeit – zum Beispiel halbjährlich oder jährlich – im Ausschuss berichten würden. Dann könnten Sie nämlich auch unsere Wünsche aufnehmen.

(Beifall bei der SPD)

Manchmal werden vom Städtetag oder vom Landkreistag Anliegen an mich herangetragen, die durchaus im AdR vorgebracht werden könnten. Deshalb wäre es gut, wenn wir es institutionalisierten, damit Sie Empfehlungen, Aufträge und Willensbekundungen des Parlaments mitnehmen. In der Praxis wäre das dann so etwas wie die Funktion einer zweiten Kammer in einem Parlamentssystem.

Sie haben die Verteilung angesprochen. Demnächst wird die Zahl der Sitze um etwas mehr auf 350 steigen. Diese Sitze verteilen sich jedoch auf die neuen Beitrittsstaaten insgesamt, sodass für die bisherigen Mitgliedstaaten dabei nicht mehr herüberkommt. Umso mehr müssen wir darauf achten, wen wir in diesen Ausschuss schicken. Ich möchte Sie dabei – nicht ohne einen gewissen Stolz – korrigieren: Ich glaube, mich zu erinnern, dass es der Abgeordnete Hoderlein war, der im Jahre 1993 gesagt und beantragt hat, dass es immer dann, wenn der AdR mit zwei Vertretern besetzt wird, logisch wäre, dass ein Vertreter von der Exekutive und einer von der Legislative stammt. Wenn die Exekutive von der A-Partei besetzt wird, müsste der Vertreter im Parlament logischerweise von der B-Partei sein. Diesem Wunsch wurde jedoch in Bayern nicht entsprochen. In allen mir sonst bekannten Ländern wurde diesem Wunsch zumindest zur Hälfte Rechnung getragen.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das kann sich alles ändern!)

Richtig, das kann sich alles ändern.

Frau Kollegin Männle, Sie haben einen neuen Aspekt angesprochen, auf den ich auch noch einmal eingehen will. Mit dem Verfassungsvertrag haben wir eine Dimensionserweiterung in Richtung Anerkennung der kommunalen Selbstverwaltung. Das ist – genau wie die Subsidiarität – ein deutsches Prinzip, das nicht allen in der EU sofort zugänglich und eingängig ist. Die kommunale Selbstverwaltung – anerkannt im System – kann auch in den AdR eine neue Qualität bringen. Ich meine damit nicht, dass dort auch Vertreter des Städtetages oder Oberbürger

Dank, Frau Kollegin Männle, für diesen Bericht. Sie haben mit der Bemerkung geschlossen, dass Sie sich für die Aufmerksamkeit bedanken. In der Tat waren die Kolleginnen und Kollegen außergewöhnlich ruhig. Aber erfahrene Pädagogen wissen, dass das nicht unbedingt mit Aufmerksamkeit gleichzusetzen ist.

(Prof. Ursula Männle (CSU) Habe ich mir auch gedacht!)

Wir müssen uns schon darüber klar werden, dass wir für die Sache Europa im Allgemeinen sowohl in der Politik wie in der Bevölkerung noch sehr viel Überzeugungsarbeit leisten müssen und vor allen Dingen auch Interesse an der Sache wecken müssen.

Die Materie ist nun einmal nicht so, dass sie von Haus aus Begeisterung auslöst, und deshalb braucht es immer wieder neue Vehikel. Aber Sie haben sich bemüht und ich möchte Ihnen danken für den Bericht, aber auch für die Arbeit, die Sie dort geleistet haben.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Ich habe gerade die Kollegin Männle von der CSU gelobt für die Arbeit, meine Damen und Herren. Es ist eigentlich schade, wenn das nur die Opposition beklatscht.

(Karin Radermacher (SPD): Er hat Frau Männle gedankt, da hätte auch die CSU klatschen können! – Prof. Ursula Männle (CSU): Die zugehört haben, haben es getan!)

1993, 1994 mit dem Maastricht-Vertrag ist dieser Ausschuss der Regionen eingerichtet worden. Streibl und Bayern insgesamt waren sicherlich ein Motor; ob er der alleinige „Genspender“ für das Subsidiaritätsprinzip war, lasse ich einmal dahingestellt sein. Aber es war sicherlich ein Motor, wie gesagt.