Protocol of the Session on May 28, 2008

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Welnhofer, bitte schön.

Liebe Frau Kollegin Ackermann, mir scheint eher, dass Sie gewisse Verständnisschwierigkeiten beim Zuhören haben.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Oder Sie!)

Vielleicht habe ich zu schnell geredet.

Meine Damen und Herren, für uns steht fest: Ausländische Kinder, die in Deutschland ein Aufenthalts- oder ein Duldungsrecht haben, werden genauso behandelt wie deutsche Kinder. Aber zusätzliche Rechte zum Aufenthalt über die UN-Kinderrechtskonvention wird es mit uns in der Tat nicht geben, meine sehr verehrten Damen und Herren, und dabei bleibt es.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Bis September!)

Im Übrigen scheint Ihnen nicht bekannt zu sein, dass die gleiche Position von einer ganzen Reihe sozialdemokratisch regierter Länder in der Bundesrepublik Deutschland vertreten wird – ich will sie nicht vorlesen.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU – Franz Schindler (SPD): Auch eine Schande!)

Ich darf noch einmal darauf aufmerksam machen, dass der Dringlichkeitsantrag 15/10690 aus Geschäftsordnungsgründen vonseiten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN zurückgezogen werden musste und dass dieser zurückgezogene Dringlichkeitsantrag jetzt nicht in erster Linie im Mittelpunkt dieser Debatte steht, sondern der Dringlichkeitsantrag 15/10676 der Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion.

Bitte schön, Frau Staatsministerin.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, wenn man sich den Dringlichkeitsantrag der SPDFraktion genau anschaut, kommt man zu dem Schluss, dass sich die SPD-Fraktion über Ziel und Inhalt ihrer gewünschten Verfassungsänderung ausschweigt. Man gewinnt den Eindruck, ein Stück weit ist der Hintergrund: Wir wollen schnell einmal ein so wichtiges Thema wie die Kinderrechte ins Grundgesetz schreiben.

Weg gebracht. Allein in meinem Haushalt, Einzelplan 10, geben wir für Familien und Kinder 897 Millionen Euro im Jahr aus. Daran sehen Sie schon, wie sehr uns die Qualität der Kindererziehung und die Förderung und Stärkung der Familien am Herzen liegt.

Ich denke, gerade beim Kinderschutz nehmen wir in Bayern deutschlandweit eine Vorreiterrolle ein mit unserem Gesamtkonzept zum Kinderschutz. Ich möchte Ihnen nur einige Stichpunkte nennen, die Sie mit Sicherheit alle kennen.

Das ist das am 16. Mai in Kraft getretene Kinderschutzgesetz mit der Verpfl ichtung der Eltern, ihre Kinder zu den Vorsorgeuntersuchungen zu bringen, mit der Verpfl ichtung der Ärzte, der Hebammen, der niedergelassenen Hausärzte und Kinderärzte dann, wenn sie Vernachlässigung wahrnehmen, diese sofort den Jugendämtern mitzuteilen. Das sind die Kinderschutzkonferenzen, die wir zurzeit landesweit durchführen. Das ist unsere Handreichung „Kinderschutz braucht starke Netze“, und das ist der Aufbau sozialer Frühwarnsysteme: Auf der Grundlage des Modellprojekts „Guter Start ins Kinderleben“ wollen wir bayernweit sogenannte koordinierte Kinderschutzstellen implementieren. Wir unternehmen viele Anstrengungen, um Kinder stärker und besser zu schützen. Gleichwohl sollten wir uns nicht vormachen, dass wir jedwede Vernachlässigung oder jeden Missbrauch verhindern können. Auch das möchte ich hier und heute klar sagen.

Sie können ganz sicher sein, dass wir in Bayern alles tun, um die Netze für den Kinderschutz noch ein Stück weit enger zu knüpfen.

(Beifall bei der CSU)

Ich darf noch einmal Frau Kollegin Ackermann zu dem vorliegenden Dringlichkeitsantrag das Wort erteilen.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich meine, zu einem Antrag kann man das sagen, was einem richtig erscheint. Ich lasse mir von Ihnen nicht sagen, ich hätte das Falsche zum falschen Thema gesagt; denn das gehört untrennbar zusammen. Auch wenn Ihnen das politisch nicht in den Kram passt, so ist es doch wichtig, dies hier anzusprechen.

Frau Ministerin, ich gebe Ihnen recht, dass die Verankerung der Kinderrechte in der Verfassung Maßnahmen erfordert. Ich muss Ihnen aber gleichzeitig sagen: Treffen Sie doch die Maßnahmen. Sie haben die Mehrheit. Wenn Ihnen lediglich fehlt, dass die Maßnahmen nicht getroffen sind, wäre es ein Leichtes, das zu ändern. Wir können das BayKiBiG verändern. Wir können das Bildungssystem verändern. Wir können darauf achten, dass Familien nicht in Armut fallen. Das alles ist möglich. Damit wäre das, was Sie wünschen, nämlich dass das

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Es war ein Urteil notwendig, um das festzustellen! Wenn es im Grundgesetz stünde, wäre das nicht notwendig!)

Das hat Herr Kollege Welnhofer mit seinen eigenen Worten ein Stück weit wiedergegeben. Aber es ist wichtig, dass man sich dies noch einmal klar und präzise vor Augen führt.

Kinder sind somit bereits aufgrund der bestehenden Verfassung nicht, wie die Antragsteller suggerieren, Anhängsel oder Eigentum ihrer Eltern. Ich denke schon, das ist ein Stück weit leichtfertig als Begründung des Antrags aufgenommen worden.

Ich bin durchaus der Ansicht, dass man diskutieren muss. Aber was soll denn mit einer Verfassungsänderung erreicht werden? Eine seriöse Diskussion um die Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz setzt doch erst einmal voraus, dass Klarheit geschaffen wird, was über eine solche Verfassungsänderung über die bestehende Verfassungslage hinaus tatsächlich erreicht werden soll. Eine Verfassungsänderung als bloße Signalfunktion, wie es der SPD-Antrag vorsieht, ist, so denke ich, rundweg abzulehnen. Das ist populistisch und ist ein Schaufensterantrag.

(Alexander König (CSU): Das ist „showstellerisch“!)

Wer eine Verfassungsänderung will, der muss sich dann auch wirklich zum Gehalt seiner Änderungswünsche äußern. Zu dem, was ich hier als Änderungswünsche gehört habe, sowohl von Frau Kollegin Ackermann als auch von Frau Kollegin Werner-Muggendorfer, muss ich wirklich sagen: Gute Nacht, Deutschland!

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Meine Güte! Jetzt reicht’s aber!)

Es tut mir furchtbar leid. Aber das sind alles Dinge, über die man natürlich diskutieren kann, keine Frage! Aber vom Grundsatz her brauchen Sie dazu keine Verfassungsänderung.

Sie wissen ganz genau, dass ich einer Änderung gegenüber durchaus aufgeschlossen bin. Ich lasse mit mir darüber durchaus diskutieren. Aber dann müssen wir über den Gehalt reden. Das kann man nicht so oberfl ächlich machen, wie Sie es hier und heute gemacht haben.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Unverschämt!)

Uns liegt der Kinderschutz wirklich sehr am Herzen, der Staatsregierung, aber auch der CSU-Landtagsfraktion. Das kann ich Ihnen zusichern. Deshalb haben wir auch sehr viel zur Verbesserung des Kinderschutzes auf den

Nun muss ich versuchen, Ihnen noch einmal die Thematik nahezubringen. Wir haben in die Begründung, die Sie kritisieren, geschrieben:

Es ist Zeit, dass Staat und Gesellschaft ein Signal setzen, dass sie das Wohlergehen der Kinder als Kernaufgabe sehen.

Angesichts der Wirklichkeit in unserem Lande Bayern, wonach 150 000 bis 160 000 Kinder in Armut oder an der Armutsgrenze leben, in der es auch in diesem Land jeden Tag wieder vorkommt, dass Kinder vernachlässigt werden, oder, was noch viel schlimmer ist, misshandelt werden in einer Zeit, in der im Bundestag und im Bundeskabinett nicht zuletzt dank des Widerstandes Ihrer Partei darüber gestritten wird, ob Kindern das Recht auf einen Kindertagesplatz in einem Gesetz zugebilligt wird, angesichts der Tatsache, dass Sie sich jahrelang gewehrt haben, im Zuge der Abtreibungsproblematik in Bayern ein solches Recht zu statuieren und angesichts der Tatsache, dass Sie de facto – was Sie heute selbst einräumen – Familien und Kindern einen angemessenen Anspruch auf eine Kinderbetreuung in Kinderkrippen, Kindergärten und Kinderhorten verweigert haben und wir heute noch weit davon entfernt sind, den Bedarf zu decken, ist es notwendig, dass Kinder eigene Rechte einfordern können. Wo sie es selbst nicht können, müssen es andere für sie tun können.

(Beifall bei der SPD)

Es gibt noch einen anderen Grund, Frau Staatsministerin Stewens. Wir werden morgen im Ausschuss für Sozial-, Gesundheits- und Familienpolitik – es wäre schön, wenn Sie kämen – über das eigene Recht der Menschen mit Behinderung und die Verlängerung des Gesetzes sprechen. Sie selbst werden wohl einräumen, dass es wichtig war und ein Zeichen gesetzt hat, Rechte von Menschen mit Behinderung in die Verfassung aufzunehmen, weil das die Menschen in ihren Rechten vorangebracht hat. Es sind nicht nur die Menschen mit Behinderungen, sondern es sind die Frauen und – wenn man das übergreifend sagen kann – vor allem Menschen, die nicht immer die Möglichkeit haben, wie etwa Pfl egebedürftige oder Kranke, ihre Rechte selbst einzufordern, die wichtige Fürsprecher brauchen.

Wer, wenn nicht wir als Parlamentarier, ist dazu aufgerufen, diese Rechte nicht nur zu verteidigen, sondern sie auch im Grundgesetz und in der Bayerischen Verfassung zu verankern?

(Beifall bei der SPD)

Frau Staatsministerin Stewens hat noch einmal um das Wort gebeten. Bitte schön.

Grundgesetz ausgestaltet wird, erreicht. Tun wir es doch einfach.

Im Übrigen bewundere ich Sie dafür, dass Sie jetzt, nachdem Sie sich im Kabinett mit Ihrer Meinung, Grundrechte für Kinder ins Grundgesetz aufzunehmen, nicht durchsetzen konnten, im Plenum plötzlich eine andere Meinung vertreten können. Ich kann das nicht. Wenn ich eine Meinung getroffen habe, bleibe ich dabei und behaupte nicht plötzlich das Gegenteil. Es ist bewundernswert, wie gut Sie gegen Ihre Überzeugung reden können.

Im Übrigen ist es auch bewundernswert, wie es die CSU schafft, sich die Wirklichkeit immer so zurechtzubiegen, wie sie sie im Moment gerade braucht. Zum Beispiel wollten Sie im Versammlungsgesetz Gerichtsurteile ausformuliert verankern, während es bei der Verankerung im Grundgesetz anscheinend reicht, auf ein Gesetz hinzuweisen.

(Georg Schmid (CSU): Das passt nicht hierher; der Vergleich hinkt!)

Immer so, wie es Ihnen passt, wird es gemacht, ob es mit der Wirklichkeit übereinstimmt oder nicht, ob es richtig ist oder nicht. Es werden plötzlich ausländische Kinder nicht mehr berücksichtigt, obwohl vorher das Hohe Lied der Kinder gesungen wurde. Wie gesagt: Sie machen es, wie es Ihnen passt. Richtig ist etwas anderes.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Jetzt hat Herr Kollege Wahnschaffe um das Wort gebeten. Bitte schön.

Herr Kollege König, ich wundere mich schon sehr, dass Ihnen das Thema so wenig am Herzen liegt.

(Alexander König (CSU): Es ist schon alles gesagt, aber noch nicht von jedem! – Gegenruf der Abgeordneten Maria Scharfenberg (GRÜNE): Aber Sie haben es noch nicht begriffen!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe mich deswegen zu Wort gemeldet, weil ich zunächst den Eindruck hatte, dass dieses Thema von allen Fraktionen dieses Hauses ernst genommen wird.

(Beifall bei der SPD)

Nach dem Beitrag der dafür zuständigen Sozialministerin habe ich diesen Eindruck nicht mehr. Frau Staatsministerin, Sie fragen nicht zu Unrecht, was ein solches Recht in der Verfassung bewirken soll. Da Sie außerhalb dieses Hauses als Verfechterin aufgetreten sind, hätten Sie sich die Antwort eigentlich selbst geben können.