Protocol of the Session on April 16, 2008

Wir brauchen mehr Ausbildungsplätze. Dann, Herr Unterländer, wird auch das Ja zum Kind wieder leichter. Wir brauchen auch eine attraktive Familienpolitik, sodass die soziale Schere geringer wird.

All diese Probleme wurden lange Zeit vernachlässigt. Es wurde eine Politik der sozialen Kälte betrieben, und man war auch noch stolz darauf. Jetzt versucht man Löcher zu stopfen, aber das wirkt einigermaßen hilflos. Nur in einer sozialen Gesellschaft mit einer Bürgerversicherung und einem Mindestlohn wird sichergestellt, dass es kein soziales Desaster gibt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Allerdings muss man einschränkend auch feststellen, dass die Lage nicht so dramatisch ist, wie sie oft dargestellt wird. So war beispielsweise in den Sechzigerjahren das Verhältnis berufstätiger Menschen zu nichtberufstätigen Menschen geringer als heute. Damals war das Verhältnis 47 : 53. Heute ist es halbe halbe. Allerdings war es damals so, dass ein alleinverdienender Familienvater Frau und zwei bis drei Kinder unterhalten konnte. Dadurch kam dieses Verhältnis zustande.

Das heißt, die Solidarität wurde damals innerhalb der Familie geübt. Heute ist es abstrakter. Es müsste die Solidarität innerhalb der Gesellschaft geübt werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ein Mensch, der verdient, muss alte Menschen, die er gar nicht kennt, mit unterhalten. Das fällt natürlich schwerer. Es ist eigentlich ein intellektueller Prozess, nicht ein wirklich finanzieller Prozess, der da abläuft.

Wir müssen alte Menschen in diese Gesellschaft einbeziehen. Wir dürfen sie nicht ausgrenzen und diffamieren. Wir können ihre Potenziale nutzen. Es gibt – darauf wurde auch schon hingewiesen – sehr viele aktive alte Menschen, die noch viel weitergeben können von dem, was sie können und wissen. Diese Potenziale muss man nutzen. Man muss die Menschen ehrenamtlich oder auch unter Bezahlung in diese Gesellschaft einbeziehen. Das

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben heute ein Thema, bei dem sich Sozialpolitiker quer durch alle Parteien – ich sage extra Sozialpolitiker – einig sein können. Vielleicht könnte sich der gesamte Landtag einig sein, sitzt doch Roman Herzog, der von einer Ausplünderung der jungen Generation und von Rentnerdemokratie spricht, nicht im Bayerischen Landtag. Da ist er leider nicht allein. Auch junge Mitglieder der CDU haben sich schon eindeutig in diese Richtung geäußert und damit eine Front gegen ältere Menschen aufgebaut.

Nun kostet diese Rentenerhöhung auf der einen Seite zwar viel Geld, aber auf der anderen Seite kommt vergleichsweise wenig bei den Rentnern an. Durchschnittlich sind es 13 Euro pro Person. Das ist nicht viel. Daher ist schon zu fragen, ob es richtig war, eine Rentenpolitik nach Gutsherrenart zu machen, an der Rentenformel zu schrauben und zu versuchen, mit dem Thema Wahlkampf zu machen. Das ist im Grunde eine sehr gefährliche Geschichte; es ist bereits zweimal probiert worden und auch schon zweimal schiefgegangen.

Hinzu kommt, dass die Probleme, die dazu führen, dass die Rentner teilweise zu wenig Geld haben, hausgemacht sind. Gerade die Mehrwertsteuer trägt nicht dazu bei, dass ältere Menschen mehr Geld in der Tasche haben. Auch die Erhöhung des Beitragssatzes zur Rentenversicherung von 19,5 auf 19,9 % mindert die Rentenanpassung im Jahre 2008. Die Rentenerhöhung ist deutlich geringer als der Inflationsausgleich. Auch das zeigt, dass real die Renten im Grunde eher sinken steigen.

Sie haben gerade die Konjunktur angesprochen, Herr Unterländer. Das ist eine falsche Hoffnung. Die Konjunktur löst nicht alle rentenpolitischen Probleme. Wie es im Übrigen mit dem Bankenkrach weitergeht und ob die Konjunktur weiter so boomt wie bisher, sei dahingestellt. Es wäre viel besser, den Schutz vor Armut in der gesetzlichen Rentenversicherung zu verbessern. Dazu gehört auch, dass die Löhne stabil werden und ein weiteres Auseinanderklaffen der Löhne verhindert wird. Es gibt in diesem Land astronomisch hohe Löhne und ganz geringe Löhne. Das ist kein Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit und auch kein Beitrag zu einer soliden Alterssicherung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es ist ganz wichtig, dass der Mindestlohn eingeführt wird. Auch das ist ein Beitrag dazu, dass in Zukunft die alten Menschen mit einem Mindestmaß an Rente rechnen können.

Ich möchte an dieser Stelle einmal in den Raum stellen, dass es nicht nur die Rentner gibt, die ihren Lebensabend auf Mallorca verbringen, sondern jetzt schon sehr, sehr arme Menschen gibt. Insbesondere Frauen, die Kinder aufgezogen haben und jetzt mit einer ganz, ganz kleinen Rente leben müssen, gibt es heute schon zuhauf. Für diese Menschen etwas zu tun, ist absolut richtig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Beitrag des früheren Bundespräsidenten ist für mich ein Beleg dafür, dass gescheite, brillante Menschen, kluge Köpfe, auch immer wieder richtig danebenlangen können.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN – Prof. Dr. Peter Paul Gantzer (SPD): Und „Grundrecht auf Dummheit“ hat er selber gesagt! – Gegenruf des Abgeordneten Engelbert Kupka (CSU): Das gilt auch für Autoren! – Prof. Dr. Peter Paul Gantzer: Sie haben mein Buch gar nicht gelesen!)

Das gestehe ich jedem zu, aber abhängig vom Rang, in dem jemand in der Gesellschaft steht, wird er natürlich schärfer beobachtet und deswegen auch kritischer analysiert. Die Frage, inwieweit Herzog zu einer Klischeebildung beigetragen hat, mögen in den nächsten Wochen die sachgerechten Auseinandersetzungen und Diskussionen dazu belegen.

Ich selbst habe ganz andere Erfahrungen – das wollte ich Ihnen sagen. Ich selbst ziehe diese Schlüsse und Analysen auch aus Umfragen, die bekannt sind. Eine davon möchte ich repräsentativ benennen. Das ist die vorletzte Shell-Studie. Wenn Sie darin lesen – ganz weit weg von den Klischees –, dann haben Sie beide Seiten der Medaille. Natürlich gibt es Jugendliche, und natürlich gibt es Ältere, die in der Auseinandersetzung, was denken wir, was denke ich über Alter und Zukunft, Klischeevorstellungen der Gesellschaft aufnehmen. Aber das ist nicht die Mehrheit. Das ist nicht repräsentativ. Die ganz große Mehrheit – das spüre ich – geht verantwortungsvoll und sensibel damit um.

Es gibt immer den Zusammenhang dort, wo ich diese Erfahrungen mache. Ich sage einmal ganz Nürnbergerisch: Wenn ich die Leute in meinem eigenen Umfeld dumm daherreden höre, dann bin ich – das ist auch eine Frage von Sozialisation und Bildung – eher bereit, solche Klischees aufzunehmen. Bin ich geprägt von eigener guter Erfahrung – ich kenne jede Menge Leute, jede Menge Beispiele in meiner Stadt –, dann gehe ich vorsichtig, verantwortungsvoll und differenziert mit diesen Fragen um.

(Hans Spitzner (CSU): Richtig!)

Der Shell-Studie entnehme ich, um die Diskussion über die Rente noch einmal aufzugreifen, dass in der Regel die allermeisten Jugendlichen, nämlich mehr als die Hälfte sagen: Ich habe Respekt, nicht nur vor dieser Aufbauleistung. Ich habe Respekt vor diesem verdienten Altersruhegeld, sodass ich nicht bereit bin, im Sinne von einem Gegeneinander zu diskutieren, sondern für ein solidarisches Miteinander der Generationen eintrete.

Das ist meine Erfahrung. Natürlich haben junge Menschen auch große Sorgen, wenn sie die Zukunftsfragen für sich selbst beurteilen. Natürlich wissen sie, dass ihnen viel abverlangt wird, auch viel an persönlicher Einschränkung. Kolleginnen und Kollegen, wir müssen schon aufrichtig sein, wir müssen die jungen Menschen schon wissen lassen, dass sie genauso wie die ältere Generation auch

würde ein Auseinanderklaffen verhindern und das Verständnis füreinander fördern.

Wenn wir das nicht tun, begeben wir uns in eine verhängnisvolle Entwicklung; denn ich frage mich: Wo ist dann die Grenze. Wenn wir jetzt sagen, alte Menschen sind ein Kostenfaktor und plündern uns aus, wann sagen wir dann Stopp, sie dürfen uns nicht mehr ausplündern? Wann sagen wir, wir geben zum Beispiel für Operationen und für bestimmte lebensnotwendige Dinge für diese alten Menschen nichts mehr aus? Wann sind wir so weit, dass wir fragen, ob alte Menschen überhaupt so alt werden müssen? Daran möchte ich noch gar nicht denken. Es ist gefährlich, diesen Anfang zu machen und abzuwägen, ob ein Mensch, der älter ist, weniger Zuwendung, weniger Fürsorge verdient oder nicht. So etwas darf in einer sozialen, in einer solidarischen Gesellschaft überhaupt nicht gedacht werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir müssen Solidarität leben. Wir müssen versuchen, Jung und Alt zu fördern durch eine vernünftige Politik für Familien und Kinder, aber auch genauso durch eine menschenwürdige Politik für alte Menschen, weil wir ansonsten ganz und gar in einer Ellenbogengesellschaft landen werden.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN)

Nächster Redner ist der Herr Kollege Imhof. Auf dem Weg zum Rednerpult darf ich ihm herzlich gratulieren zu seinem heutigen Geburtstag und ihm alles Gute wünschen.

(Allgemeiner Beifall – Joachim Wahnschaffe (SPD): Dann haben Sie heute Nachmittag frei! – Prof. Dr. Peter Paul Gantzer (SPD): Auch schon 60? – Zuruf von den GRÜNEN: Wir werden alle älter!)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es fällt mir heute ganz leicht, zu Ihnen zu sprechen, denn ich bin einer, Herr Professor Gantzer, der zwischendrin steht und das Verhältnis der Generationen auch aus eigener Erfahrung beurteilen kann

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Sie sind ein Sandwich-Mann!)

ja, ich bin ein Sandwich-Mann –, weil ich als 55-Jähriger

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): So jung?)

vielleicht anders als die ganz Jungen oder die ganz Alten, auch weg von verschiedenen Brillen, das Verhältnis zwischen den Generationen tagtäglich erlebe und erfahre, sowohl hier vor Ort in der eigenen Familie in Nürnberg als auch aufgrund meiner vielfältigen Engagements in Netzwerken.

Das Wort hat Frau Staatsministerin Stewens. Das darf jetzt bei den anderen keine Schule machen; denn das war ein Geburtstagszuschlag.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem heute jeder sein Alter offenbart: Ich bin 62 Jahre alt und habe damit überhaupt keine Probleme; denn mein ältester Sohn ist 42 Jahre alt, und meine älteste Enkelin wird in diesen Tagen 14 Jahre alt.

(Zuruf von der CSU: Ein Mehrgenerationenhaus!)

Ich bin sozusagen ein Mehrgenerationenhaus in meiner Person, aber ich stehe selbstverständlich auch in den Generationen, ich lebe in den Generationen.

Herr Kollege Gantzer, ich denke, man sollte sich die Bemerkung von Roman Herzog doch sehr genau ansehen. Diese Bemerkung hat sehr viel Unfrieden gestiftet. Ich habe mir überlegt, warum schlägt sie so negativ aus. Ich denke, es geht um das Wort „Ausbeutung“. Hier gibt es zwei Ebenen, über die wir diskutieren müssen. Zwischen den individuellen Generationen – also von Großeltern zu Kindern und Enkelkindern – haben wir in Deutschland eine große Solidarität und Hilfsbereitschaft. 30 % der Großeltern bringen sich nicht nur hin und wieder, sondern regelmäßig in die Kinderbetreuung ein. In aller Regel – soweit sie sich das finanziell leisten können – unterstützen Großeltern ihre Kinder und Enkelkinder auch finanziell, und zwar durchaus mit ansehnlichen Beträgen. Das haben wissenschaftliche Untersuchungen gezeigt. 70 % der Kinder pflegen ihre Eltern zu Hause – eine großartige Leistung, die hier erbracht wird. Wir haben also eine große Solidarität zwischen den Generationen.

Genau diese Großeltern fühlen sich von dem Ausdruck „Ausbeutung“ getroffen; das merke ich in allen öffentlichen Diskussionen. Letztlich sagen sie: Da finde ich meine individuelle Lebenssituation überhaupt nicht wieder; ich beute nicht aus. Genau hier befinden wir uns mitten in dem Problem. Ich denke auch nicht, dass Roman Herzog dieses thematisieren wollte, sondern Roman Herzog wollte auf die Generationengerechtigkeit hinweisen. Roman Herzog wollte letztendlich – deshalb hat er hier einen falschen Ausdruck gewählt – darauf hinweisen, dass man der heutigen Generation – mein Blick geht nach oben zu der Jugend auf der Besuchertribüne – nicht eine höhere Belastung zumuten darf, als sie jetzige Generationen zu tragen haben, insbesondere bei den Sozialversicherungsbeiträgen und im Haushalt.

Der Freistaat Bayern hat sich als erstes Land auf den Weg gemacht, einen Haushalt ohne Nettoneuverschuldung zu verabschieden. Es geht darum, der jungen Generation zu sagen, wir engen uns ein Stück weit ein und stellen unsere Ausgaben auf den Prüfstand. Das halte ich für richtig; denn letztlich würden wir unseren Kindern und Enkeln ein Stück weit die Zukunft verplanen, wenn wir weiter so leben, wie wir bislang gelebt haben. Ich denke, dass Roman Herzog den Fokus auf diese Generationengerechtigkeit gerichtet hat und gleichzeitig gesagt hat, wir brauchen die Solidarität zwischen den Generationen.

ihren Beitrag zu bringen haben im Sinne von Vorsorge. Dann müssen wir den Jungen allerdings auch die notwendigen Spielräume schaffen.

Wenn ich einer Familie mit kleinem Einkommen – 1200 oder 1300 Euro Nettoverdienst – sage, legt noch gut 100 Euro im Monat für die Zukunft an, und zwar 40 Jahre lang, dann sagen natürlich die jungen Leute den Politikern und allen anderen Akteuren: Wie soll ich das denn tun, wenn ich gleichzeitig eine Frau und vielleicht ein Kind zu versorgen habe?

Wir müssen auch den älteren Menschen ganz aufrichtig sagen, dass die Ressourcen begrenzt sind. Beim bestehenden System, das wir nun haben und das wir – die Kollegen haben es vorhin benannt – nicht madig machen dürfen, müssen wir sagen, dass die ältere Generation mit Sicherheit – das hat sie getan, das sage ich ganz eindeutig – bereit ist, Einschränkungen zu tragen. Allein die letzten Jahre beweisen ja, dass die ältere Generation diese Sicht und diese Perspektive weitgehend für sich verinnerlicht hat. Sie verzichten auch weiterhin.

Deshalb ist dieses Gegeneinander wenig fruchtbar. Von unserem Umfeld her gesehen haben wir die Aufgabe und die Verantwortung, jungen Leuten und älteren Leuten zu sagen: Auf euren eigenen Beitrag kommt es an. Aus unserer Großstadt Nürnberg könnte ich Ihnen jetzt – dafür reicht die Redezeit nicht – Dutzende von Beispielen sagen, wo ein bürgerschaftliches, ehrenamtliches Engagement älterer Menschen mit ihrem Know-how, ihrer Weisheit, ihrem Rat, ihrer Hilfsbereitschaft von der Krippe oder vom Kindergarten an in den Hort und in die Schule hinein ganz maßgeblich dazu beiträgt, diese Vorurteile abzubauen – nicht erst aufkommen zu lassen, wäre zu viel gesagt, aber Vorurteile abzubauen.

(Hans Spitzner (CSU): So ist es!)

Herr Kollege Imhof, Sie sind schon einschließlich eines Geburtstagszuschlags über der Redezeit.

Ja Wahnsinn. – Herr Präsident, dann beschränke ich mich darauf, dass es umgekehrt ganz genauso ist. Die ältere Generation und die mittlere oder die dazwischenliegende – da spreche ich mich genauso an –, jüngere und jung gebliebene Menschen bringen ihr Engagement in dieser Gesellschaft mit ein und verhindern somit präventiv Spaltung. In dem Sinne, weil meine Redezeit zu Ende ist, bedanke ich mich für die Aufmerksamkeit. Habe ich eigentlich nur fünf Minuten?

(Prof. Dr. Peter Paul Gantzer (SPD): So ist es!)