Protocol of the Session on March 16, 2004

Besonders unverständlich ist für mich, dass die Sozialpolitiker der CSU-Fraktion, die all diese Zusammenhänge bestens kennen, teilweise in ihren Wahlkreisen auch Versprechungen gemacht haben, die sie jetzt nicht halten können, bei diesen Beschlüssen mitstimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Schlimmer noch: Sie stimmen gegen ihr Gewissen, wenn sie diesen Sozialabbau befürworten.

(Zuruf von den GRÜNEN: Vielleicht haben sie gar keines!)

Es ist bewundernswert, wie Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, noch ruhig schlafen

können, während Sie Hunderte von Briefen aus der Bevölkerung erreichen, in denen Sie gebeten werden, die hirnlosen Kürzungen abzulehnen. Sie werden mit Ihren Beschlüssen leben und Ihren Wählern entgegentreten müssen. Viel Erfolg!

Vor dem Hintergrund all dieser sozialen Grausamkeiten kann ich die Menschen, die heute auf dem Marienplatz für ihre rudimentären Rechte, ihre Existenz und Würde demonstriert haben, nur unterstützen und werde für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN alles tun, um diesen Sozialabbau durch die Mehrheitsfraktion aufzuhalten, anzuprangern und Vorschläge für lebenswerte Alternativen einzubringen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Ackermann. In der Diplomatenloge darf ich begrüßen: Herrn Fritz Schösser, Vorsitzender des DGB Bayern und Herrn Josef Falbisoner, Vorsitzender von Verdi Bayern, die sich beide auf Einladung der SPD-Fraktion hier aufhalten. Herzlich willkommen zur Diskussion.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich gehe weiter in der Tagesordnung und erteile Herrn Ettengruber das Wort.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ich darf zu den Kommunalfinanzen zurückkehren, so wie es eigentlich zwischen den Fraktionen vereinbart ist.

Meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen; Frau Schmitt-Bussinger, Sie haben ja bei Ihren Ausführungen sehr tief in die Harfe gegriffen; Sie haben von Rücksichtslosigkeit und von Melkkühen der Staatsregierung, von oben herab, von kommunalfeindlich usw. gesprochen. Frau Kollegin, eine alte Lebenserfahrung ist: Wenn die Argumentation dünn ist, greift man zu starken Worten.

(Zurufe von der SPD)

Es kommt noch schlimmer. Sie sagen, wir hätten die Gemeindefinanzreform zunichte gemacht. Damit sind Sie ganz tief in die Abteilung Kalauer geraten. Ihre Bundesregierung hat eine teure Kommission eingesetzt; sie hat sich nach einem Jahr Beratung am Schluss nicht einigen können. Es ist schon ein starkes Stück, dass Sie sagen, das wir das zunichte gemacht hätten.

(Franz Maget (SPD): Sie haben doch im Vermittlungsausschuss gegen das Modell der Kommunen gestimmt!)

Sie haben das doch gar nicht umgesetzt.

(Franz Maget (SPD): Ja freilich!)

Sie haben gesagt, wir wollten die Gewerbesteuer abschaffen. Für ganz viele Kommunen haben Sie die Gewerbesteuer bereits abgeschafft. Fragen Sie doch Herrn Ude, wie viel Gewerbesteuer er noch einnimmt.

(Franz Maget (SPD): Wie hoch ist das Aufkommen?)

Indem Sie den Multis und den Global Players erlaubt haben, Gewinne und Verluste miteinander zu verrechnen, fällt de facto doch keine Gewerbesteuer mehr an.

(Franz Maget (SPD): Ihr Gesetz! Das ist gelogen!)

Für viele Städte haben Sie die Gewerbesteuer doch faktisch bereits abgeschafft.

(Beifall bei der CSU – Franz Maget (SPD): Wie hoch ist das Aufkommen? 25 Milliarden Euro! – Zuruf des Abgeordneten Rainer Volkmann (SPD))

Herr Kollege Volkmann, Sie zitieren hier wieder Herrn Waigel. Ich muss Ihnen dazu eines sagen: Sie haben jetzt fünf Jahre Zeit gehabt. Finanzminister Waigel hat die deutsche Einigung bewältigen müssen.

(Beifall bei der CSU)

Sie haben fünf Jahre Zeit gehabt. In diesen fünf Jahren haben Sie die Schulden noch vermehrt. Sie wollten doch alles besser machen. Sie haben die Schulden aber noch vermehrt. Jetzt kommen Sie daher und reden sich immer wieder auf Herrn Waigel hinaus. Das ist doch die Methode „haltet den Dieb“.

(Karin Radermacher (SPD) meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Ich lasse jetzt keine Zwischenfrage zu. Kommen Sie in den Innenausschuss; dort werden wir darüber wieder diskutieren.

Meine Damen und Herren, ich habe mir angehört, was Sie zum Thema Haushalt und auch zum Thema Kommunalfinanzen vorgetragen haben. Ich muss dazu sagen: Ich habe vieles gehört. Wir haben von Ihnen ein ganzes Bündel von Anträgen bekommen; vieles kann ich unterschreiben.

Aber, meine Damen und Herren, Sie müssen auch einmal an die Gesamtverantwortung denken. Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Stellen Sie sich ein

mal vor, Sie würden in Bayern regieren. Das ist sehr schwer; denn Sie schaffen es nicht einmal, sich in Berlin vorzustellen, dass Sie regieren. Man hat immer den Eindruck, dass Sie das Regieren erst versuchen. Wenn Sie jedoch Verantwortung tragen, müssen Sie sich zwei Dinge überlegen: Erstens. Gibt es für diese Vorschläge eine Deckung? Zweitens. Gibt es Alternativen? Dazu habe ich bisher überhaupt nichts gehört. Welche Alternative haben Sie, wenn Sie 2,5 Milliarden Euro weniger zur Verfügung haben? Dann müssen Sie einsparen.

In Berlin praktizieren Sie eine andere Alternative: Sie machen mehr Schulden. Das kann man natürlich tun. Das ist aber die einfachste Lösung. Wenn man das nicht machen will, muss man eben einsparen.

Sie haben heute immer wieder behauptet, der Freistaat Bayern würde sich auf Kosten der Kommunen sanieren. Das ist eine falsche Behauptung, die durch ständige Wiederholungen nicht richtiger wird. Der Finanzausgleich ist eine gemeinsame Kraftanstrengung aller Beteiligten, die sicherlich Investitionswünsche offen lässt. Am wichtigsten sind jedoch die Schlüsselzuweisungen. Inzwischen gibt es einige Kommunen, die ihre Verwaltungshaushalte nicht mehr ausgleichen können. Bei den Schlüsselzuweisungen haben wir den bisherigen Stand gehalten. Die Schlüsselzuweisungen sind gleich geblieben.

Sie haben gesagt, wir hätten nur 11,4 % für die Schlüsselzuweisungen im Haushalt. Ich kann Ihnen dazu nur sagen, dass wir das Gesamtsystem des kommunalen Finanzausgleichs sehen müssen. Ich gebe zu, dabei handelt es sich um ein sehr schwieriges Geflecht von Vorschriften. Für eine Änderung dieses Systems in der Zukunft spricht einiges. Wir werden bestimmt noch darüber diskutieren, ob man den Finanzausgleich strukturell in der Zukunft ändern sollte. Nach der gegebenen Rechtslage und in der konkreten Situation waren die Maßnahmen, die beim kommunalen Finanzausgleich getroffen worden sind, richtig. Wir befinden uns damit immer noch an dritter Stelle aller Bundesländer. Das möchte ich noch einmal deutlich sagen.

Meine Damen und Herren, Sie schreiben in Ihrem Antrag, dass das Vermittlungsergebnis vom 16. Dezember 2003 den Kommunen 350 Millionen Euro mehr bringen würde. Diese Zahl stimmt nicht. Sie müssen dagegen rechnen, dass durch die Änderungen im Einkommensteuertarif Mindereinnahmen zu erwarten sind. Die Entlastung liegt bei etwa 240 Millionen Euro. Das ist nur ein Teil der Mittel, die die Kommunen bräuchten und die die Gemeindefinanzreform hätte erbringen müssen.

Meine Damen und Herren, Tatsache ist, dass 90 % der Belastungen der Kommunen vom Bund kommen. Die Belastungen der Kommunen durch Bun

desgesetze belaufen sich auf 90 %. Der Freistaat Bayern kann darauf nur über den Bundesrat Einfluss nehmen. Wir tun das in vielen Fällen, während Sie in der Regel dagegen stimmen, weil Sie sich nicht trauen, gegen Berlin vorzugehen.

Herr Kollege Maget, deshalb war ich erfreut, als ich gelesen habe, dass Sie die bayerische SPD selbstständig machen wollen. Sie müssten aber zuerst den bayerischen Bürgerinnen und Bürgern begreiflich machen, dass Sie wirklich für Bayern etwas tun wollen.

(Franz Maget (SPD): Wollen Sie mitmachen?)

Ich bin schon in einer besseren Partei. Herr Kollege Maget, eine so gute Partei können Sie gar nicht gründen. Sie müssten den bayerischen Bürgern begreiflich machen, dass Sie wirklich bereit sind, gegen die Berliner Politik anzugehen. Sie müssten einmal den bayerischen Löwen spielen und etwas, was aus Berlin kommt, nicht richtig finden. Das habe ich jedoch bisher noch nicht erlebt. Das gilt auch für die GRÜNEN. Sie betreiben in Berlin eine Wendepolitik und verbiegen sich. Dagegen sind chinesische Staatsartisten Holzlatten.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Wer muss sich denn verbiegen?)

Jetzt verkaufen Sie sogar die Plutoniumanlage. Das ist doch schlimm.

Meine Damen und Herren, Hartz IV betrifft zwar nicht diesen Haushalt, es wird uns aber im nächsten Jahr betreffen. Dieses Konzept sollte zunächst eine Entlastung für die Kommunen bringen. Ich habe mir das ausrechnen lassen. Für meine Heimatstadt bedeutet das Kosten in Höhe von 2,8 Millionen Euro. Wenn hier nichts passiert, werden Sie im nächsten Jahr die Kommunen wieder erheblich belasten.

(Franz Maget (SPD): Sie wissen schon, dass das im Vermittlungsausschuss so festgelegt worden ist?)

Der Grund waren Ihre falschen Berechnungen. Ihr Finanzminister war nicht einmal in der Lage, richtige Zahlen vorzulegen. Darüber brauchen wir jetzt wirklich nicht zu reden.

(Franz Maget (SPD): Wer hat die Berechnung vorgenommen?)

Es ist absolut unstrittig, dass Ihr Finanzministerium in Berlin falsche Zahlen vorgelegt hat.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Herr Ettengruber, das stimmt nicht! – Franz Maget (SPD): Das ist auch gelogen. Sie reden einfach daher!)

Meine Damen und Herren, das können Sie in der Zeitung nachlesen. Auch Sie haben die Schreiben von den kommunalen Spitzenverbänden bekommen. Der Bayerische Landkreistag fordert vom Bund zum Beispiel dringend die Zusage einer umfassenden Reform der Kommunalfinanzen mit dem Ziel einer verstetigten Einnahmeverbesserung.