Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, gerade weil wir den Nachtragshaushalt 2004 und insbesondere auch die von der Opposition gestellten Änderungsanträge im Haushaltsausschuss ausführlich beraten haben, sehen wir keinen Grund, unsere Auffassung zu ändern und werden den Anträgen, obwohl sie zur namentlichen Abstimmung gestellt werden, auch heute nicht zustimmen.
Dem jetzt vorliegenden Haushaltsgesetz und dem Nachtragshaushalt, einschließlich den damit verbundenen Gesetzesänderungen in anderen Bereichen, stimmt die CSU-Fraktion aus ihrer Gesamtverantwortung für Bayern vollinhaltlich zu. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich erteile Herrn Kollegen Mütze das Wort für die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen. Bitte schön, Herr Kollege.
Nun ist es also geschafft. Nach Monaten der Verhandlungen, der Proteste und schließlich der Beratungen und Abstimmungen im Haushaltsausschuss in den letzten Wochen steht der Nachtragshaushalt 2004 zur Endberatung an:
ein Nachtrag, den es in dieser Form noch nicht gegeben hat, mit Ergebnissen, die zu immensen Verwerfungen und Veränderungen in Bayern führen werden, die das Bayern, das Sie und ich kannten, an die Wand fahren lassen. Herr Ach, aus diesem Grunde – wo ist er? – draußen – erklärt sich die hohe Anzahl unserer Änderungsanträge. Ich gebe zu, wir haben 68 Änderungsanträge geschrieben. Wir haben auch allen Grund dazu gehabt, denn die Politik, die Sie mit diesem Nachtragshaushalt betreiben, können wir so nicht mittragen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Ministerpräsident ist im Oktober 2003 angetreten mit „Sparen, Reformieren, Investieren“. So hieß das Konsolidierungsprogramm, mit dem er Bayern vor dem bösen Schicksal der anderen Bundesländer retten wollte, mit dem er die „Bayern AG“ in der „Champions League“ halten wollte. Alles sollte einfacher werden, schneller gehen und natürlich weniger kosten. Gehandelt wurde aber nach einer anderen Devise. Kollege Dr. Kaiser hat es vorhin in veränderter Form dargestellt. Ich habe das gleiche Beispiel gewählt. Herr Kollege Kaiser, wir hatten dieselbe Idee: Statt Sparen Kaputtsparen, statt Reformieren Deformieren und statt Investieren Frustrieren.
Das ist die Devise, nach der Sie in diesem Nachtragshaushalt vorgehen. Der Ministerpräsident ging sogar so weit, kirchliche Zitate zu bringen. Er sprach von der Sünde gegenüber den kommenden Generationen, denen wir die Zukunft stehlen würden mit der Politik, die von uns getragen wird.
Der Ministerpräsident und die Staatsregierung versündigen sich an den Bürgerinnen und Bürgern, die heute in Bayern leben und die heute ein lebenswertes Umfeld vorfinden möchten. Sie haben genauso das Recht darauf, wie die zukünftigen, von denen der Ministerpräsident sprach.
Lassen Sie mich die drei Begriffe, die der Ministerpräsident gewählt hat, näher analysieren: Es geht um das Sparen. Ich denke, wir sind uns alle einig, dass die Steuerausfälle in der bekannten Höhe von 1,8 Milliarden Euro zum Handeln gezwungen haben. Allerdings sind wir uns nicht einig über den Weg, Schuldenvermeidung zu betreiben. Es ist genau hinzusehen, in welcher Reihenfolge, mit welcher Begründung und in welchem Umfang gespart wird. Die Reihenfolge ist hierbei sehr wichtig; denn erst kam der Beschluss, 2006 einen ausgeglichenen Haushalt zu präsentieren, und danach kamen die Steuerausfälle. Sie hätten also jederzeit sagen können: Wir
verzichten unter den veränderten Umständen auf das Ziel 2006. Wir strecken das Ziel. Wir gehen auf 2008, 2010, weil wir unser Ziel nicht erreichen können, ohne die kommunale, die soziale, sportliche und naturschützerische Infrastruktur zu schwächen oder zu zerstören.
Lieber Herr Ach, Sie hätten schon früher – in Ihrer Rede haben Sie Cicero erwähnt – auf Cicero hören sollen, denn es ist schon sehr lange her, dass er dies gesagt hat. Trotzdem arbeiten Sie schon über fünfzig Jahre lang so, dass wir zu dem jetzigen Stand gekommen sind und deshalb Ihrer Meinung nach so handeln müssen, wie Sie das jetzt tun.
Ich bin sogar in Würzburg geboren. Das wird Sie wundern. Ich bin nicht nur hierher gezogen. Ich weiß nicht, ob Kollege Dr. Eyckmann das begeistern wird, dass ich aus Würzburg komme. Das macht aber nichts.
Sie weigern sich, Schulden zu machen, müssen aber trotzdem welche aufnehmen, nämlich insgesamt 521 Millionen Euro mehr als geplant. Das sind „gute Schulden“, das sind Ihre Schulden.
Unser Ansatz dagegen, Schwerpunkte zu setzen und Kahlschläge in sensiblen Bereichen zu verhindern, nennen Sie „böse Politik“; denn er erhielte das, was Ihnen seit Jahren ein Dorn im Auge ist: funktionierende Umweltschutzverbände, soziale Infrastruktur, die dieses Wort auch verdiente, eine vorbildliche Jugendarbeit und ein ehrenamtliches Engagement, das beispielhaft für Deutschland – das will ich nicht verhehlen – war. Meine Kolleginnen und Kollegen werden dazu noch genauere Ausführungen machen.
Dies hätte auch die Bürgerinnen und Bürger auf einen längerfristigen Konsolidierungskurs mitnehmen können. Jeder in Deutschland und in Bayern weiß, dass es mit der Verschuldung nicht so wie bisher weitergehen kann. Das muss den Menschen aber vermittelt werden. Sie schlagen motivierte und engagierte Leute vor den Kopf und strafen sie für etwas ab, wofür sie keine Verantwortung tragen.
Sie werden jetzt wahrscheinlich wieder sagen: Die Politik von Rot-Grün zwingt uns dazu. Wir haben das heute schon oft gehört. Wahrscheinlich ist die Regierungszeit der CDU/CSU-Bundesregierung schon wieder so lange her, dass Sie sich an Ihren Murks nicht mehr erinnern. Ihre Vergesslichkeit und
die Halbwertszeit Ihrer Aussagen und Versprechungen ist uns mit der Landtagswahl 2003 vor Augen geführt worden.
Wer spart denn in Wirklichkeit? Ich möchte das Sparen beim ÖPNV als Beispiel nehmen. Sie haben die ÖPNV-Zuweisungen kritisiert. Wer spart? Der Freistaat. Er kürzt die Mittel für die kommunalen Spitzenverbände von 75 Millionen Euro auf 47 Millionen Euro. Bei der Schülerbeförderung werden die Kürzungsvorschläge der Ministerpräsidenten Koch und Steinbrück umgesetzt. Bei der Schülerbeförderung spart der Freistaat. Was macht der Bund? Festzuhalten ist, dass die rot-grüne Bundesregierung die Regionalisierungsmittel allein für Bayern um 100 Millionen Euro gegenüber der zuletzt von der Regierung Kohl/Waigel gezahlten Summe erhöht hat.
Der Staatsregierung und der CSU ist der Vorwurf zu machen, dass Bayerns Verkehrsminister Wiesheu einen erheblichen Teil dieser Mittel, die primär zum Einkauf von Zugkilometern im Schienenpersonennahverkehr vorgesehen sind und daneben zur Bezuschussung investiver Maßnahmen im ÖPNV bestimmt wären, für Bahnhochgeschwindigkeitsstrecken wie Neu-Ulm 21 oder zur Kompensation von Kürzungen der Landesmittel wie bei der Schülerbeförderung verwendet. Reden Sie also nicht davon, der Bund würde uns vor vollendete Tatsachen stellen.
Sie kürzen natürlich im Landeshaushalt, aber auf wessen Kosten? Als erstes sind die Bezirke, Städte und Gemeinden zu nennen. Kommen Sie uns nicht mit der Einigung beim Finanzausgleich. Sie, Herr Finanzminister, haben genau gewusst, dass der Finanzausgleich zur Folge haben wird, dass die Bezirke die Bezirksumlage erhöhen werden. Das mussten fünf von sieben Bezirken machen, damit Sie überhaupt mit Ihren Sozialhaushalten klar kamen. Was ist das Ergebnis? Das viel gerühmte Land Bayern, das so stolz ist, spart auf Kosten seiner Kommunen. Ich kenne zwei Kommunen in Bayern, die schuldenfrei sind. Rednitzhembach ist eine davon. Wir haben aber gleichzeitig Bezirke, in denen ein Großteil der Städte und Gemeinden keine ausgeglichenen Haushalte mehr aufstellen kann. Ich nenne Oberfranken. Diesen Städten und Gemeinden wird jetzt noch einmal eines übergebraten. Die müssen die Kürzungen im sozialen Bereich schlucken und die kommunalen Initiativen und Vereine im Regen stehen lassen. Denn sie können einfach nicht mehr nachlegen.
Das Sparmodell G 8 wird auf dem Rücken der Kommunen eingeführt. Es ist doch ein Sparmodell, und Sie haben auch noch die Frechheit, die Kommunen auf ein Bundesprogramm zu verweisen, wenn es um
Sie können froh sein, wenn Ihnen Frau Bundesministerin Schmidt bei diesem Ansinnen entgegenkommt. Das Konnexitätsprinzip, das erst vor einem halben Jahr von uns allen gemeinsam eingeführt worden ist, ist jetzt schon tot, Herr Finanzminister. Das steht schon einmal fest.
Es ist so, wie wir befürchtet haben: Sie kümmern sich einen feuchten Kehricht um die Kommunen. Sie sollen offenbar sehen, wie sie zurechtkommen. Wichtig ist Ihr Ziel, die eigenen Schulden zurückzuführen und im Jahr 2006 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, egal, was kommt.
Wir dachten, Sie sparen nicht auf Kosten der Kinder und Kindeskinder. Aber wohnen die nicht in den Kommunen Bayerns? Sind die von diesen Sparmaßnahmen nicht betroffen? Gleichzeitig planen Sie, die Gewerbesteuer abzuschaffen. Dies würde der kommunalen Selbstverwaltung endgültig den Todesstoß versetzen. Diesen Satz habe ich mir nicht aus meinen Rippen geleiert, sondern das ist ein Zitat des Aschaffenburger Landrats der CSU. Er hat gesagt, wenn die Pläne der CSU kämen, sei das das Ende der kommunalen Selbstverwaltung. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen.
Ihre planlose Art des Sparens wurde mit diesem Nachtragshaushalt sehr deutlich. Ich möchte das am Beispiel der Insolvenzberatung zeigen. Zunächst gab es im letzten Jahr eine Einigung mit den Verbänden, die die Insolvenzberatung betreiben, über ein Kostenmodell und die Finanzierungsmodalitäten. Jetzt wurden die Mittel für die Insolvenzberatung um 75 % gekürzt und dann im Nachtragshaushalt 800 000 Euro nachgeschoben. Ob diese 800 000 Euro es ermöglichen, das Netz der Insolvenzberatung aufrechtzuerhalten oder nicht, ist unklar. Woher kommt diese Summe? Hätten vielleicht 400 000 Euro gereicht? Warum haben Sie zuerst gekürzt? Allein dieses Beispiel zeigt, dass Ihre Art zu sparen planlos und nicht nachhaltig ist. Ihr Sparen hat keinen Sinn und kein Ziel. Plötzlich erkennen Sie, dass Sie sich verschätzt und verrannt haben und stecken schnell noch etwas Geld aus dem laufenden Haushalt hinein. Das kann es nicht sein.
Ich habe schon erwähnt, dass der Haushalt im Jahr 2006 ausgeglichen sein soll. Der Ministerpräsident hat das Ziel, als Sparkommissar im Jahr 2006 zum Bundeskanzler gewählt zu werden. Vielleicht sollte
der Ministerpräsident auf den Bundespräsidentenkandidaten hören. Herr Horst Köhler hat letzte Woche gesagt, seine Favoritin für die Kanzlerschaft sei klar. Ich meine, es sollte ein für allemal Schluss damit sein, dass wir regionale bayerische Größen in Berlin bei Autorennen oder wo auch immer herumfahren sehen. Schluss damit. Die bayerischen Wählerinnen und Wähler wollen Sie hier in der Verantwortung sehen. Sie wollen, dass Sie sich hier für die bayerischen Bürgerinnen und Bürger einsetzen, anstatt in Berlin große Politik zu machen, von der Sie anscheinend nichts verstehen.
Das will ich begründen. Sie mahnen eine Steuerentlastung für die Besserverdienenden an, die eine höhere Neuverschuldung des Bundes bedeuten würde, weil sie nicht gegenfinanziert ist. Wenn das geschieht, dann: Gute Nacht, liebes Deutschland.
Wir haben schon festgestellt, dass der Finanzminister weniger spart, als er eigentlich vorgehabt hat. Wir haben auch festgestellt, dass er sich dabei solcher Gelder bedient, die vom Bund kommen, wie zum Beispiel die geplanten Einnahmen in Höhe von 370 Millionen Euro aus dem Steueramnestiegesetz, die - vorsichtig ausgedrückt - bis jetzt noch als fiktive Einnahmen einzuordnen sind. Wir haben auch festgestellt, dass dem Finanzminister die 3,2 %, die er einspart, reichen, um die Infrastruktur, die in über 50 Jahren aufgebaut wurde, zu zerstören.
Gespart wird zuerst und vor allem auf dem Rücken der Beschäftigten. Allein 160 Millionen Euro kommen mit solchen Ihrer Meinung nach kleineren Einschnitten zusammen. So werden die meisten Kürzungen, vor allem im Schulbereich, über die Arbeitszeitverlängerung auf Kosten der Lehrerinnen und Lehrer wieder aufgefangen. Was ist denn jetzt mit den Ansparmodellen und der Rückzahlung von angesparten Stunden nach der Ansparphase? Ihnen glaubt doch kein Mensch mehr. Diese Kolleginnen und Kollegen haben kein Vertrauen mehr zu Ihnen.
Ich nenne weiterhin die Verlängerung der Wiederbesetzungssperre auf jetzt 12 Monate. Jeder Rektor, der eine Sekretärin hat, wird viel „Spaß“ in den nächsten 12 Monaten haben, wenn diese ausfällt. Das kann ich Ihnen sagen. Die chronisch unterbesetzten Finanzverwaltungen werden sich ebenfalls bedanken. Die innere Verwaltung wird noch mehr ausgedünnt. Auch Gerichte und Staatsanwaltschaften können weitere Belastungen nicht verkraften.
Welche Perspektive eröffnen Sie Berufsanfängern, wenn diese auf Dauer keine Einstellungschancen haben? Von der Universität Würzburg weiß ich, dass man dort Studienanfänger für das Lehramt an der Hauptschule mit der Lupe suchen kann. Nennen Sie mir einen Grund, warum man in Bayern Haupt
schullehrer werden sollte, wenn den Hauptschullehrern und ihrem Berufsstand keinerlei Respekt und keinerlei Dank entgegengebracht wird? Dank bedeutet in diesem Zusammenhang auch eine anständige Entlohnung.
Sie denken darüber nach, Lehrer in Zukunft nicht mehr zu verbeamten. Ich würde die Finger davon lassen. Wenn Sie angestellte Lehrer haben, dann werden diese streiken, dass es nur so raucht. Denn gescheite Arbeitsbedingungen fehlen in Bayern an allen Orten. Wenn die Lehrer nicht mehr verbeamtet werden, werden sie gute Arbeitsbedingungen einfordern. Das kann ich Ihnen versprechen. Heute protestieren in München Tausende von Angestellten, Lehrern und Schülern für eine Perspektive und für Respekt im Umgang mit ihnen. Sie wollen sich nicht mehr abbügeln lassen.
Kommen wir zu Ihrer zweiten Attitüde: Reformieren. Was sind Reformen wert, die nicht auf Verlässlichkeit und Vertrauen gründen? Ich beantworte die Frage gerne selbst: Sie sind nichts wert. Geben Sie es doch zu. Alle Ihre beschwichtigenden Äußerungen, die Herr Kollege Kaiser vorhin zitiert hat, ob sie nun die Forstverwaltung, das Bayerische Oberste Landesgericht oder die Gymnasien betreffen, stammen aus den Jahren des Überflusses. Sie stammen aus der Zeit, als Sie das Geld noch mit vollen Händen verteilt haben. Jetzt sind wir auf einmal im Reformzeitalter. Es ist doch nicht so, dass die CSU auf einmal aus besserer Einsicht zur Reformpartei geworden wäre. Nein, die CSU ist dazu gezwungen worden und hat dann Tabula rasa gemacht. Das ist der Punkt. Sie hat keine Reformfähigkeit oder Reformfreudigkeit, deren sie sich immer rühmt.