Protocol of the Session on March 16, 2004

Die Berufsschulen haben wegen des Lehrermangels viele Lehrkräfte mit Aushilfsverträgen eingestellt. Ich muss davon ausgehen, dass Ihnen die Problematik an den Berufsschulen bekannt ist. Deshalb ist es umso unverständlicher, dass Sie den Berufsschulen diesen Crashkurs noch einmal zumuten mit der Kürzung der Aushilfstätigkeiten.

Sie blenden gerne schöne Modelle in den Vordergrund. Nur – lassen Sie sich das noch einmal gesagt sein – die Wirklichkeit in den Schulen, und zwar an allen Schularten, sieht inzwischen ganz anders aus.

Bayern ist nicht so arm, als dass es sich die Bücher nicht leisten könnte. Bayern ist auch nicht so arm, als dass es sich die Lehrer nicht mehr leisten könnte. Würden wir die Bildungsinvestitionen an unserem Bruttoinlandsprodukt orientieren, und würden wir für die Einzelpläne 05 und 15 magere drei Prozent des Bruttoinlandprodukts für die schulische Bildung ausgeben, lägen wir noch weit unter dem OECD-Durchschnitt und weit unter der Bundesmarke von 5,3 Prozent. Diese Orientierungsmarken sollten wir uns für den Haushalt setzen. Ihre Haushaltspolitik schadet den Interessen von Kindern und Jugendlichen und nützt auch unseren Enkeln nichts.

(Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner hat Herr Kollege Pfaffmann das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte über den Haushalt Bildungspolitik und die Auswirkungen auf die Kommunen einige Sätze verlieren. Gestatten Sie mir, dass ich wieder aus der Regierungserklärung des Herrn aus Wolfratshausen zitiere. Es ist wichtig.

(Manfred Ach (CSU): Das ist der Ministerpräsident! Soviel Zeit muss sein!)

Er hat im November 2003– also vor ein paar Wochen – gesagt, wenn wir die EU-Defizitgrenze einhalten wollten, müssten wir die kommunalen Finanzen auf eine solide Grundlage stellen. Wir bräuchten leistungsfähige und starke Kommunen. Das hat der Herr Ministerpräsident gesagt. Wenige Wochen nach der Regierungserklärung stellen wir fest, dass diese Worte nichts, aber auch gar nichts wert sind.

(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie mich noch etwas scherzhaft sagen. Wäre der Herr Ministerpräsident bei dieser Regierungserklärung an einen Lügendetektor angeschlossen worden, wäre dieser explodiert – so wahr ich hier stehe.

(Beifall bei der SPD – Staatsminister Dr. Kurt Faltlhauser (Finanzministerium): Das ist unglaublich! – Joachim Herrmann (CSU): Das hat mit einer parlamentarischen Debatte nichts mehr zu tun!)

Meine Damen und Herren, die Umsetzung dieser Unterstützung für die Kommunen sieht so aus, dass Sie da, wo Sie in Bayern zuständig sind und nicht mit dem Finger auf Berlin zeigen können, den Kommunen ungeniert in die Kasse greifen und es noch so darstellen, als sei dies die größte bildungspolitische Innovation. Das ist die größte Heuchelei, die ich jemals erlebt habe.

(Beifall bei der SPD)

Das ist keine christlich-soziale Politik. Es ist christlich-soziale Unverschämtheit, was den Kommunen zugemutet wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zur Schulfinanzierung. Man kann darüber diskutieren, ob die jetzige Regelung reformbedürftig ist. Aber jetzt ist geregelt, dass für die Sachausstattung der Schulen die Kommunen zuständig sind. Das kostet die Kommunen 100 Millionen Euro jährlich. Das ist bereits heute eine riesige Belastung für die Städte und Gemeinden. Würden diese Kosten von den

Kommunen nicht bezahlt werden, wäre Ihr hoch gelobtes bayerisches Bildungswesen schon lange nicht mehr finanzierbar. Sie müssten den Kommunen dankbar sein, anstatt sie weiter zu knechten und zu knebeln; denn schließlich kompensieren sie Ihre Versäumnisse.

Von Seiten der Mehrheitsfraktion wird gerne argumentiert, die Schulen der Kommunen seien eine freiwillige Leistung, die auch von den Kommunen bezahlt werden müsse. Diese Argumentation ist zynisch, weil sie die historische Entwicklung der kommunalen Schulen nicht beachtet. Die Kommunen haben in einer Zeit, in der der Freistaat Bayern nicht in der Lage war, ein vernünftiges Schulwesen aufzubauen, mitgeholfen, das Schulwesen zu errichten. Also haben auch die Kommunen ihren Beitrag dazu geleistet, dass es das bayerische Schulwesen gibt, indem sie kommunale Schulen gegründet haben. Das war ein Glück für Bayern. Das darf man beim historischen Rückblick nicht vergessen. Was ist der Dank? – Der Dank ist die „historische Entscheidung„ der Bayerischen Staatsregierung vor einigen Monaten. Die Zuschüsse für die Lehrpersonalkosten wurden von 60 Prozent auf 61 Prozent erhöht. Ich gratuliere Ihnen zu dieser „starken finanziellen Leistung“. Respekt, kann ich da nur sagen.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben das oft hin und her diskutiert. Die CSU, Herr Schneider, weigert sich bis heute, auch nur im Ansatz darüber zu diskutieren, den Kommunen die Lehrpersonalkostenzuschüsse zu bezahlen, so wie sie es bei den Privatschulen auch tut.

Das kostet alleine die bayerischen kommunalen Schulträger bis zu 200 Millionen Euro jährlich. Das ist Ihnen völlig wurscht, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU.

(Manfred Ach (CSU): Falsch!)

Dann stellen Sie sich hier hin und predigen das bayerische Schulwesen. Ohne die Städte könnten Sie das alles gar nicht leisten. Gleichzeitig zeigen Sie mit dem Finger auf Berlin. Der Ministerpräsident wirft der Bundesregierung vor, sie würde die Kommunen von gesetzlichen Leistungen nicht entlasten. Machen Sie doch hier Ihre Hausaufgaben, Herr Ach.

(Beifall bei der SPD)

Bevor Sie sich weiter aufregen,

(Sebastian Freiherr von Rotenhan (CSU): Sie regen sich doch auf!)

sage ich Ihnen: Durch diese Weigerung haben Sie in den letzten Jahren jährlich Lehrpersonalkosten in Höhe von 200 Millionen Euro gespart. Das ging zula

sten der Kommunen. Sie nützen sie nicht nur aus, sondern Sie sparen sich auch noch Geld zulasten der Kommunen. Was ist der Dank? Das sehen wir bei diesem Haushalt. Immer mehr Kosten werden auf die Schulstädten abgewälzt. Ich nenne ein Beispiel von vielen: die Einführung des achtjährigen Gymnasiums. Erst belügen Sie die Schüler, die Eltern und die Verbände

(Thomas Kreuzer (CSU): Vorsicht!)

und danach versuchen Sie auch noch, die Kosten dieser Wahllüge auf die Kommunen abzuwälzen. Auch das ist doch eine Heuchelei, die ihresgleichen sucht.

(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie mich noch einen Satz dazu sagen, wie Sie Ihre Politik vertreten. Ihr Reden und Ihr Tun sind zwei verschiedene Stiefel.

(Beifall der Abgeordneten Heidi Lück (SPD))

Ich darf zitieren, was Herr Kollege Thätter – Herr Thätter, es tut mir leid, aber es muss sein - in einem langen Interview in der „Süddeutschen Zeitung“ vor einigen Monaten gesagt hat. Die Frage des SZJournalisten lautete: „Wie bringen Sie im Landtag Ihre Position als Kommunalpolitiker ein?“ Die Antwort von Herrn Thätter war: „Da wollen wir Anträge formulieren. Wir werden zum Beispiel beantragen, dass der Freistaat die Mehrausgaben für zusätzliche Schülerbeförderung übernimmt, und zwar nicht nur prozentual, sondern komplett.“

So reden Sie vor Ort, aber hier machen Sie etwas ganz anderes. Das ist mittlerweile die Tradition der CSU-Politik in diesem Hause.

(Beifall bei der SPD)

Es geht noch weiter. Ich zitiere die Frage der „Süddeutschen Zeitung“: „Soll der Staat die Umbaukosten an den Gymnasien bezahlen?“

Herr Thätter antwortet: „Wir haben eine klare Linie. Alles, was neu kommt, ist eigentlich in der Konnexität. Da muss meiner Meinung nach der Staat die Kosten übernehmen.“

(Beifall bei der SPD – Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD): Respekt, Herr Thätter!)

Recht hat er, der Thätter.

(Walter Nadler (CSU): Herr Thätter!)

Leider gehört auch der sehr geschätzte Kollege Thätter zu denjenigen unter Ihnen, die in ihrem Stimmkreis anders reden, als sie hier handeln. Das ist eine Sauerei, wenn ich das einmal so sagen darf.

(Beifall bei der SPD – Widerspruch bei der CSU)

Ein weiteres Beispiel Ihrer „grandiosen“ Unterstützung für die Kommunen ist die Ausstattung der Schulen.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Wörner.

Herr Kollege Pfaffmann, können wir nach Ihren Äußerungen davon ausgehen bzw. schätzen Sie es genauso ein wie ich, dass der Kollege Thätter heute beim Haushalt mit uns stimmt?

(Beifall bei der SPD)

Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD) : Herr Kollege Wörner,

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ludwig Spaenle (CSU))

Wir werden eine namentliche Abstimmung haben. Ihr könnt versichert sein, dass wir jedem Journalisten, der solche Interviews führt, das Abstimmungsverhalten mitteilen werden. Ich bin sehr gespannt, was die Menschen im Landkreis Dachau, die diese Zeitung gelesen haben, dazu zu sagen haben, dass vor Ort anders geredet als hier im Hause gehandelt wird. Da bin ich sehr gespannt. Herr Kollege Thätter, der jetzt als Beispiel herhalten muss, ist da nicht alleine. Es gibt noch mehr, die vor Ort anders reden, als sie hier handeln.

Ich komme jetzt zu zwei Punkten, die auch noch eine Rolle spielen, wenn es um die Auswirkungen des Bildungshaushaltes auf die Kommunen geht. Es handelt sich um die Medienausstattung der Schulen. Ich nenne Ihnen jetzt eine Zahl, Frau Ministerin. Sie haben selbst dem Herrn Ministerpräsidenten vor etwa einem Jahr einen Brief geschrieben, den man hier zitieren könnte. Darin haben Sie geschrieben, wir könnten die Kommunen bei der Medienausstattung nicht im Stich lassen. Das haben Sie intern geschrieben, aber Sie haben sich nicht getraut, das öffentlich zu sagen. Die Medienausstattung kostet die Kommunen in einem Zeitraum von sieben Jahren, der bei der Technik anzusetzen ist, nahezu eine halbe Milliarde Euro. Wissen Sie, Kolleginnen und Kollegen, wie hoch der Beitrag des Freistaates zu dieser Riesenbelastung der Kommunen ist? 24,5 Millionen Euro. Ich gratuliere Ihnen von der CSU zu dieser wahnsinnigen „Leistung“. Sie werden es sicher verstehen, auch diese „Leistung“ als große Tat zur Unterstützung der Kommunalkassen zu verkaufen. Das wird Ihnen sicher auch noch gelingen.