Herr Kollege Schmid, kaum jemand – außer Ihnen vielleicht – glaubt noch, dass solche glänzenden Großprojekte, solche technologischen Wunder von vorgestern mehr Arbeitsplätze und mehr Lebensqualität schaffen und unser Land wirklich voranbringen können. Stoppen Sie endlich den Transrapid. Kommen Sie heraus aus Ihrer ideologischen Sackgasse, sonst werden Sie Ihr blaues Wunder erleben.
Beispiel Regionalentwicklung nach oberösterreichischem Vorbild. Die alten Konzepte – das müssen Sie wirklich langsam einsehen – haben nichts gebracht. Sie geben jetzt wieder ein bisschen Geld für den Straßenbau und die Dorferneuerung aus, aber das sind nichts als Beschwichtigungsversuche. Sie helfen gar nichts.
Wir GRÜNEN haben ein Impulsprogramm für den ländlichen Raum vorgelegt. Wir setzen auf Selbstbestimmung, auf die Selbsterneuerungskraft, auf die großen Stärken des ländlichen Raums. Diese Stärken sind von Region zu Region unterschiedlich. Auch das ist ein Grund, warum die alten zentralistischen Rezepte nicht mehr funktionieren.
Zu den großen Stärken fast all dieser Regionen zählen unter anderem die weitgehend intakte Natur, eine starke Heimatverbundenheit und ein großes bürgerschaftliches Engagement. Wir GRÜNEN unterstützen die Regionen dabei, diese Stärken zu entwickeln, nicht nur beim Ausbau der Kinderbetreuung, bei den weichen Standortfaktoren. Wir setzen auf die Versorgung und Vernetzung in der Fläche. Wir schaffen neue regionale Arbeitsplätze durch erneuerbare Energien, Klimaschutz und Gebäudesanierung, Regionalvermarktung und Bioanbau, Breitbandanschluss und regionales Management. Wer wissen will, wie eine erfolgreiche Regionalentwicklung für Arbeitsplätze in der Region aussieht, der muss nur einen Blick ins grün regierte Oberösterreich werfen.
Herr Ministerpräsident, Sie sagen jetzt wieder, Bildung sei die wichtigste Wirtschafts- und Sozialpolitik der Gegenwart. Aber Sie ziehen erneut keinerlei Konsequenzen daraus.
Sie reden so daher, aber ziehen keine Konsequenzen, steuern nicht um, setzen keine Profi lschwerpunkte. Wo sind die entsprechenden Schwerpunkte? – Es gibt keine. Sie wurschteln einfach weiter. Aber die Kommunen haben nur eine Zukunft, wenn man nicht gezwungen ist, seine Heimat zu verlassen, und wenn man frei entscheiden kann, ob man gehen oder bleiben will. Das fängt für uns bei den Kindern an. Deshalb fordern wir: Lassen Sie die Schule im Dorf!
Wir fordern die selbstständige Schule in kommunaler Verantwortung. – Damit komme ich zum letzten Beispiel. Überall im Land schließen Sie die Schulen, und ein Ende ist nicht abzusehen. Sie, Herr Ministerpräsident, haben
in der schriftlichen Fassung Ihrer Rede, die Sie mündlich kürzen mussten, weil Sie sich „verplappert“ haben, erklärt, von den rund 1050 Hauptschulen in Bayern seien rund 700 zwei- und mehrzügig. Diese seien derzeit gesichert.
„Diese“ und „derzeit“. Das heißt, dass Sie nach dem Tod der zwei- und mehrzügigen Hauptschulen auch noch die einzügigen Hauptschulen sterben lassen wollen.
Das heißt auch, dass Sie für die anderen keine Bestandsgarantie übernehmen. Das bedeutet, dass künftig jedes zweite Dorf seine Hauptschule verloren haben wird.
Sie stellen sich immer hierhin und reden von der Bedeutung der Hauptschule. Aber Sie schaffen sie ab. Sie schaffen die Schulen im Dorf ab. Sie sind das!
Jetzt ist er so schlau, mit der Kinderzahl daherzukommen! Ich weiß nicht, worüber wir hier eigentlich reden. Das ist Wahnsinn. Wenn die Schulen das Dorf verlassen, dann verlieren die Kommunen einen wichtigen Standortfaktor. Sie werden sozial und kulturell entkernt.
Außerdem ist die zersplitterte Zuständigkeit, dass die Kommunen für die Gebäude zuständig sind und der Staat für den Rest zuständig ist, schon lange nicht mehr zeitgemäß.
Wie viele Gemeinden haben schon Schulen gebaut oder saniert, und Sie haben sie dann kurz darauf geschlossen?
Außerdem übernehmen vernünftige Kommunen – ich habe vorhin die Gemeinde Puchheim zitiert – heute schon freiwillig Aufgaben, die Sie und Ihre Regierung vernachlässigen, etwa bei der Schulsozialarbeit, bei der Nachmittagsbetreuung und bei der Hausaufgabenbetreuung. Besonders schädlich für die Zukunft unseres Landes aber ist, dass das bayerische Schulsystem extrem ungerecht ist.
In keinem anderen Land, das bei Pisa teilgenommen hat – Herr Ministerpräsident, Sie müssen einmal die gesamte Studie lesen –, hängen die Chancen der Kinder so sehr von ihrer Herkunft ab, und zwar von ihrer sozialen Herkunft und von ihrer regionalen Herkunft.
Erstens: Je ärmer die Eltern, desto geringer die Chancen der Kinder. Das ist ein skandalöser Zustand in Bayern. Zweitens: Je weiter auf dem Land, desto niedriger die Bildungsabschlüsse. Auch das ist skandalös. Wo sind denn die Abgeordneten vom Land? Diese müssen sich doch einmal rühren!
Alle unsere Kinder brauchen beste Bildungschancen. Wir GRÜNEN wollen nicht länger warten, sondern wir wollen jetzt die Voraussetzungen schaffen für besseren Unterricht in allen Landesteilen. Deshalb setzen wir auf Bewegung von unten. Wir fordern die selbstständige Schule. Die Schulen müssen die Freiheit bekommen, Neues zu wagen. Es gibt viele positive Erfahrungen mit Modellprojekten wie zum Beispiel „Modus 21“. Da zeigen Schulen, was sie können, wenn sie endlich dürfen.
Diese positive Erfahrung haben auch andere Länder gemacht. Die Verlagerung der Verantwortung auf die Schulen selber führt zu einem Innovationsschub und deshalb allein schon zu besserer Bildung.
Wir fordern, das Schulforum, also Eltern, Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler und die Kommune, soll zukünftig selber über Personal, Budget und Profi l der Schule entscheiden. Wir sagen, Kinder brauchen mehr Zeit für Lernprozesse. Deshalb fordern wir fl ächendeckend Ganztagsschulen. Wir fordern, alle Kinder länger gemeinsam zu unterrichten.
Wir wollen, dass sich die Bildungswege der Kinder erst nach neun Jahren trennen. Das ist heute internationaler Standard.
Aber ich fürchte, Herr Ministerpräsident, Sie haben noch nicht einmal verstanden, was wir GRÜNEN eigentlich wollen. Sie haben noch nicht einmal die Idee verstanden, sonst würden Sie nicht immer alles in einen Topf werfen. Wir wollen nicht lediglich die Haupt- und Realschule zusammenlegen. Kapieren Sie das endlich: wir wollen eine Schule für alle. Das ist das, was wir wollen.
Nur so, mit einer Schule für alle, wird das möglich, Herr Ministerpräsident, wovon Sie heute auch wieder gesprochen haben, nämlich individuelle Förderung, Differenzierung, Vielfalt. Das wird nur dann möglich, wenn man die Kinder eben nicht über drei Leisten schert, sondern wenn man allen eine Chance gibt.
Aber unsere Kinder und unsere Kommunen können leider nicht warten, bis Sie das verstanden haben, Herr Ministerpräsident. Deshalb fordern wir jetzt sofort die Öffnungsklausel. Die Kommunen müssen sofort die Möglichkeit bekommen, die Schulstrukturen ihren Verhältnissen anzupassen.
Die Kommunen sollen entscheiden können, ob sie, anstatt die Schulen zu schließen, ihre Kinder nicht lieber länger in gemeinsamer Schulzeit unterrichten wollen. Denn wir meinen, die Schulen müssen sich den Kindern anpassen, nicht umgekehrt.