Protocol of the Session on February 19, 2008

Noch ein Wort zur Hauptschule. In verleumderischer Absicht tun Sie immer so, als würden wir die Hauptschule konsequent schlechtreden. Das tun wir nicht. Das Problem besteht nicht darin, dass wir die Hauptschule schlechtreden, sondern darin, dass Sie die Hauptschule am langen Arm verhungern lassen.

(Beifall bei der SPD)

Sie sagen immer, die Hauptschule sei wichtig und man solle sehen, welche guten Berufschancen und Lebenschancen sie eröffne. Das ist alles wahr und richtig. Niemand in diesem Hohen Hause hat jemals die Hauptschule,

die Hauptschüler oder die Hauptschullehrer schlechtgeredet.

(Widerspruch des Abgeordneten Georg Schmid (CSU))

Nein, niemand! Da müssen Sie mir schon einen Beweis bringen.

(Georg Schmid (CSU): Ich war doch schon dabei!)

Ich habe Respekt vor der Leistung der Hauptschule, der Hauptschullehrer und der Hauptschüler. Eine Frage müssen Sie mir aber beantworten: Im Landkreis Starnberg treten 60 % der Kinder aufs Gymnasium über. In einem ländlichen Landkreis irgendwo in Oberfranken

(Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN: Oder in der Oberpfalz und in Niederbayern!)

sind es vielleicht 16 oder 18 %.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): 17 %!)

Was ist der Grund dafür? Sind die Kinder in Oberfranken viermal dümmer als die Kinder in Starnberg? Ist das der Grund? – Nein, das kann nicht der Grund sein. Der Grund ist folgender: Die Wohlhabenden im Land organisieren für ihre Kinder gute Schulabschlüsse und Abitur und sagen den anderen im Land, die weniger wohlhabend sind, die Hauptschule sei doch auch nicht schlecht. Das ist zynisch, meine Damen und Herren, so kann man es nicht machen.

(Beifall bei der SPD)

Sie müssen endlich allen Kindern in Bayern, unabhängig von der sozialen Stellung der Eltern und unabhängig von deren Geldbeutel, gleiche und gerechte Bildungschancen gewähren, vor allem auch den Kindern im ländlichen Raum. Das tun Sie genau nicht.

(Beifall bei der SPD)

Ich komme zu einigen wenigen sozialpolitischen Themen. Sie haben die Hausärzte angesprochen. Sie wissen ganz genau, dass die SPD in allen Diskussionen über die Gesundheitspolitik die Stellung der Hausärzte innerhalb des Gesundheitssystems verbessern und stärken und zu einer Lotsenfunktion ausbauen will.

(Widerspruch der Abgeordneten Barbara Stamm (CSU))

Das ist unbestreitbar, Frau Stamm. Das wissen Sie.

(Barbara Stamm (CSU): Und was ist dann mit Frau Schmidt? – Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Die hat sich gegen die schwarze Mehrheit leider nicht durchsetzen können!)

Zu den Hausärzten nur ein Satz: Herr Dr. Beckstein, Ihre Aufgabe wäre es, die Hausärzte mit den Krankenversi

cherungen in Bayern zusammenzubringen. Das wäre Ihre Aufgabe. Gab es dazu eine Initiative?

(Ministerpräsident Dr. Günther Beckstein: Morgen!)

Ach morgen! Wie lange geht denn die Diskussion schon? Zu Ihnen und zu uns kommen schon seit Jahren die Hausärzte und warnen vor einer Verschlechterung der hausärztlichen Versorgung in Bayern, vor allem im ländlichen Raum.

(Georg Winter (CSU): Was haben Sie dann in den letzten Jahren gemacht?)

Sie müssen erst einen Volksaufstand machen, vor dem Sie Angst haben, weil er für die Kommunalwahlen und für die Landtagswahl schädlich sein könnte. Erst dann kommen Sie mit den Hausärzten zu einem Gespräch zusammen. Sie hätten sich schon längst um die hausärztliche Versorgung im Freistaat Bayern kümmern müssen. Das haben Sie aber nicht getan.

(Beifall bei der SPD – Joachim Unterländer (CSU): Objektiv falsch!)

Das ist objektiv richtig.

Jetzt zum Thema Gesundheitsfonds. Was wird Bayern durch den Gesundheitsfonds, der kommen wird, an Belastungen verkraften müssen? Die Belastungen sind auf 100 Millionen Euro begrenzt worden. Dazu sind zwei Anmerkungen zu machen.

Vor zwei Jahren haben wir davor gewarnt, dass mit dem Gesundheitsfonds im Ausgleich mit anderen Ländern auf den Freistaat Bayern erhebliche Belastungen zukommen würden. Das hat das Sozialministerium bestritten.

Wir haben uns Ihre Pressemeldung aufgehoben. Die ist nämlich bei Ihnen – auf der Homepage des Ministeriums – nicht mehr zu fi nden gewesen. Sie war aber noch auf Ihrer Abgeordneten-Homepage.

(Heiterkeit bei der SPD)

In dieser Pressemeldung wurde das bestritten. Sie haben gesagt, es stimme gar nicht, dass es zu Belastungen für Bayern kommen werde. Wir sind der Meinung, es darf keine solchen Belastungen geben!

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Wir wollen das nicht!)

Auch keine 100 Millionen Euro!

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Null!)

Das wäre uns lieber. Und wie, Herr Dr. Beckstein, gelänge das? Wie könnte das gelingen? – Es gibt einen

Weg: Gehen Sie endlich von Ihrem Irrweg mit der Kopfpauschale in der Krankenversicherung und in der Pfl egeversicherung ab.

(Beifall bei der SPD)

Solange Sie die Kopfpauschale im Gesundheitswesen, in der Krankenversicherung fordern – eine der unsozialsten Forderungen, die es in den letzten Jahren in der deutschen Sozialpolitik überhaupt gegeben hat –, solange Sie auf diesem Holzweg bleiben, kann es in Berlin leider keine Übereinkunft in Richtung Bürgerversicherung geben.

(Beifall bei der SPD)

Aber nur mit einer Bürgerversicherung vermeiden wir Belastungen des Freistaats Bayern, wie sie jetzt kommen sollen. Nur dadurch! – Deshalb mache ich Ihnen folgendes Angebot: Geben Sie die Kopfpauschale bei der Finanzierung der Pfl egeversicherung auf. Frau Stewens, Herr Seehofer sagt immer, „Mit mir gibt es keine Kopfpauschale“. Sie wollen sie jedoch unbedingt. – Nicht mehr?

(Lachen bei der SPD)

Vielleicht klären Sie das einmal. Mein Angebot, Herr Dr. Beckstein, ist folgendes: Gehen Sie von Ihrem Irrweg der Kopfpauschale im Gesundheitswesen ab, dann fi nden wir eine gemeinsame Lösung, den Gesundheitsfonds abzuwenden und uns in Richtung auf eine Bürgerversicherung zu bewegen, die sozial gerechter wäre. Das wäre der Ausweg aus dieser Situation.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Ich könnte noch viel zur Krankenpfl ege, zur Förderung der stationären und der häuslichen Pfl ege sagen, ich spare mir das aber. Ich möchte noch eine Bemerkung zum Thema „Mindestlohn“ machen, einem anderen, sehr wichtigen sozialpolitischen Thema. Wir haben dazu heute die Aktuelle Stunde, und zwar aus gutem Grund. Ihre Kommunalpolitiker haben eine Resolution verabschiedet, in der diese mehr Erkenntnis und Einsicht als Sie zeigen.

(Beifall bei der SPD)

Ihre Kommunalpolitiker sagen, aus kommunaler Sicht sei die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns das Gebot der Stunde. Hören Sie wenigstens an dieser Stelle einmal auf Ihre Kommunalpolitiker.

Zum Abschluss noch zum ländlichen Raum. Da Sie in den Städten nichts zu melden haben, sagen Sie: „Wir kümmern uns um den ländlichen Raum.“ Was macht man, wenn man nicht weiter weiß? – Man gründet einen Arbeitskreis. Genau das haben Sie getan, Sie haben einen Arbeitskreis gegründet. Den nennen Sie hochtrabend: „Staatssekretärsausschuss für den ländlichen Raum“. So etwas macht man doch nur, wenn man Probleme und Defi zite zu verantworten hat, die zu lösen wären. Es wäre

gut, wenn das die Einsicht wäre, denn Sie haben in der Tat Defi zite im ländlichen Raum zu verantworten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich nenne einige Beispiele, die Ihnen auch Ihr Parteifreund Dr. Brandl diktiert hat. Er sagt: „Bei der Schulpolitik entscheidet immer weniger das Schulministerium am Salvatorplatz. Die Finanzer am Odeonsplatz geben vielmehr den Ton an.“ – Respekt, Herr Huber. Wenn das aber so ausgeht wie bei der Landesbank, dann ist das schon schlecht für die bayerische Schulpolitik.