3. Beabsichtigt die Staatsregierung auch weiterhin an den Plänen zum Ausbau und Weiterbetrieb der Atomkraftwerke, entgegen dem Moratorium der Bundesregierung festzuhalten …?
Auch hier liegen Berichte vor. Im Landesentwicklungsprogramm gibt es die Option auf ein weiteres Atomkraftwerk, was im Übrigen auch Ergebnis des Energie–Dialogs war. Ich glaube, es ist klar, worum es der Staatsregierung geht und worum es uns geht.
Auch die GRÜNEN haben einen Dringlichkeitsantrag zur Thematik „Sicherheit der bayerischen Atomkraftwerke“ eingereicht, weil wir meinen, dass die Atomenergie ein zu hohes Risiko sei, als dass sie fortgeführt werden dürfte. Auf Bundesebene wurde ein Atomausstiegsgesetz beschlossen, das umgesetzt werden muss. Das Kernkraftwerk Stade wurde letztes Jahr stillgelegt, Obrigheim wird 2005 stillgelegt. Das ist gut so; denn das sind zwei besonders risikoreiche Reaktoren.
Nun sind wir an einem anderen Punkt angelangt. Die Studie der GRS hat aufgezeigt, dass auch Bayerns ältester Reaktor einen fraglichen Sicherheitsstandard aufweist. Er ist laut Bewertung von Sachverständigen im Gegensatz zu den alten Siedewasserreaktoren Brunsbüttel und Philippsburg auf Starfighterabstürze ausgelegt. Ob er aber auf kleine, mittlere und große Verkehrsflugzeuge ausgelegt ist, ist offen. Diese Frage steht im Raum. Dazu brauchen wir anlagespezifische Untersuchungen. Diese wurden bis jetzt nicht durchgeführt.
Die GRÜNEN sind der Meinung, dass es nicht so weitergehen kann; denn der Reaktor liegt in der An– und Abflugschneise eines großen Verkehrsflughafens. Die Atomkraftwerke Isar I und Isar II werden bei Warteschleifen umrundet. Hier besteht besonderer Handlungsbedarf.
Wir gehen davon aus, dass es Atomreaktoren mit schlechteren Sicherheitsstandards gibt, die nicht auf Starfighter ausgelegt sind. Zu Isar I wissen wir aber nicht, ob es gegen den Absturz von kleinen, mittleren und großen Verkehrsflugzeugen ausgelegt ist. Das ist das Problem.
Der Bayerische Landtag stellt fest: Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens ist das Atomkraftwerk Isar I nach der Bewertung von Sachverständigen gegen den zufälligen Absturz des Militärjets Starfighter ausgelegt.
Dazu gab es in der vertraulichen Studie, die öffentlich geworden ist, eine Differenz. Ich hätte mir die differenzierte Darstellung gewünscht. Die Auslegung auf den Starfighter rettet uns nicht.
Es ist bisher nicht nachgewiesen, dass das Atomkraftwerk Isar I trotz dieser Auslegung einem gezielten Angriff weder kleinerer oder mittlerer noch größerer Verkehrsflugzeuge widersteht.
Genau da sind wir an dem Punkt: Wir haben seit dem 11. September 2001 eine völlig andere Sicherheitslage. Wir hätten absichtlich herbeigeführte Abstürze von Verkehrsflugzeugen nie für möglich gehalten. Wenn diese auf Atomkraftwerke gestürzt werden, dann gibt es gigantische Schäden; ich glaube, darin sind wir uns einig.
Darum ist die Frage der baulichen Auslegung gegen Flugzeugabstürze so brisant. Ein Starfighter hat ein Gewicht von knapp 13 Tonnen. Die Verkehrsflugzeuge, die in das World Trade Center gestürzt wurden, hatten ein Gewicht von 150 bis 180 Tonnen. Beim Angriff auf das Pentagon war es eine etwas kleinere Boeing. Wir sehen daran, mit welchen Dimensionen wir es hier zu tun haben. Mit dem Airbus A 340 haben wir ein wesentlich größeres und wuchtigeres Verkehrsflugzeug. Künftig werden noch größere Verkehrsflugzeuge auf den Markt kommen – die werden wahrscheinlich auch in München starten, nehmen wir den Airbus A 380 mit einem Gewicht von 500 bis 600 Tonnen. Voraussichtlich ab 2006 wird dieses Flugzeug im Linienverkehr eingesetzt. Wir müssen uns vorstellen, dass die einwirkenden Kräfte auf Atomkraftwerke bei einem Absturz viel größer sind, als diese baulich ausgelegt sind.
Der Starfighter ist von der technologischen Entwicklung her längst überholt, die Anzahl der regulär von der deutschen Bundeswehr eingesetzten Starfighter liegt bei null, und eine große Anzahl der militärisch und zivilgenutzten Flugzeuge kann zu weit größeren Lastfällen führen.
Ein Starfighter wiegt 13 Tonnen, die Phantom circa 20 Tonnen. Die Militärjets Tornado und Eurofighter gehen noch darüber hinaus. Hierfür haben wir keine Sicherheitsauslegung. Sagen Sie nicht, es passiert nichts. Wir wissen, dass in der Nähe aller bayerischen Atomkraftwerke bereits Abstürze von Militärjets vorgekommen sind, zum Beispiel beim Kernkraftwerk Isar I eine
Mirage am 30. März 1980, bei Gundremmingen mit einem Strahlflugzeug 1981, ein Tornado beim Kernkraftwerk Grafenrheinfeld im Jahr 1984. Im Umkreis von 20 Kilometern um bayerische Atomkraftwerke sind diese Flugzeuge abgestürzt. Dies können Sie einer Anfrage von mir entnehmen, Drucksache 11/7565. Es besteht ein enormes Sicherheitsrisiko.
Deshalb sagen wir GRÜNEN: Es besteht Handlungsbedarf. Ich darf diese drei Punkte, mit denen wir die Staatsregierung zum Handeln auffordern, darstellen:
umgehend vom Betreiber den Nachweis der Sicherheit gegen einen gezielten Angriff durch moderne Verkehrsflugzeuge, Hubschrauber, panzerbrechende Waffen oder Raketen zu verlangen.
Das ist an der Zeit, denn nicht nur absichtlich herbeigeführte Abstürze von Verkehrsflugzeugen sind eine Gefährdung; Angriffe können ebenso vom Boden ausgeführt werden. Hier ist die unterschiedliche Sicherheit der bayerischen Atomkraftwerke zu berücksichtigen.
Wir fordern mit dem zweiten Spiegelstrich unserer Forderungen, insgesamt der fünfte Spiegelstrich des Antrags:
durch die zuständige Aufsichtsbehörde unverzüglich eine eigenständige, anlagenspezifische Analyse des Sicherheitszustands des Atomkraftwerks Isar I im Hinblick auf die oben genannten Angriffsmöglichkeiten durchzuführen.
Dies brauchen wir. Ich bitte darum, dass dies untersucht und in nicht öffentlicher Sitzung diskutiert wird. Aber dann bitte in nicht öffentlicher Sitzung und wirklich mit Inhalt und Detail,
aber nicht in öffentlicher Sitzung das loswerden wollen, was man schon lange gegenüber den GRÜNEN loswerden wollte.
Aus dieser Gefährdungslage heraus fordern wir die Staatsregierung mit dem sechsten Spiegelstrich auf,
den Betrieb des Atomkraftwerkes Isar I vorübergehend zu untersagen, bis der Nachweis der Sicherheit durch den Betreiber und die Aufsichtsbehörde erbracht ist.
Sehr geehrte Damen und Herren, das sind wir der bayerischen Bevölkerung – ich sage auch der Bevölkerung Österreichs und der Nachbarstaaten – schuldig. Diesem sind wir verpflichtet. Das ist eine Forderung. Sie können nicht sagen, es gibt irgendwo noch marodere Atomkraftwerke in osteuropäischen Staaten. Es gibt gefährliche Industrieanlagen; das stimmt. Aber hier besteht Handlungsbedarf. Wenn wir bei einem Atomkraftwerk zu nicht steuerbaren, nicht beherrschbaren Schadensabläufen kommen, dann kommt es nicht nur zu Bränden, nicht nur sofort zu vielen Toten und Verletzten, sondern wir haben die Freisetzung der Radioaktivität, die große Landstriche Bayerns für Jahrzehnte verseuchen wird.
Aus diesem Grund bitte ich Sie, nicht leichtfertig mit dieser Herausforderung, die angesichts der Sicherheitslage neu ist, umzugehen. An die CSU, die sich als Christlich Soziale Union tituliert, will ich appellieren, diese Sicherheitsfrage ernst zu nehmen und nicht auf Nebenschauplätzen abzuhandeln. Glauben Sie auch nicht an dieses Konzept der Vernebelungsstrategie. Es ist völlig unwahrscheinlich, dass die Vernebelungsstrategie funktioniert. In einem großen Umkreis um Atomkraftwerke müssen Sie diese Sprengsätze zur Vernebelung stationieren, überprüfen, kontrollieren. Sie wissen nicht, ob es funktioniert. Das GPS außer Kraft zu setzen, ist keine einfache Sache.
Wir wissen, über welch logistisches und technologisches Know–how Terroristen verfügen. Insofern app e l l i e ren wir ausdrücklich: Nehmen Sie das unsicherste Atomkraftwerk Isar I vom Netz, überprüfen Sie die S icherheitssituation, und entscheiden Sie dann weiter.
Erlauben Sie mir noch eine Bemerkung zum so genannten Vollschutzkonzept. Dabei ist auf verschiedenen Ebenen zu handeln, zum Beispiel bei der Sicherheit am Flughafen, der Sicherheit im Flugzeug und im Cockpit. Hier wird bereits gehandelt, die Bundesregierung hat gehandelt. Jetzt besteht Handlungsbedarf direkt am Atomkraftwerk. Vergessen Sie dies nicht und schieben Sie die Zuständigkeiten nicht weiß Gott wohin. Handeln Sie bitte hier und so effektiv wie möglich. Das bedeutet: Untersuchung der Sicherheitsauslegung und dazu Abschaltung dieses äußerst riskanten Atomkraftwerkes Isar I.
Mir ist von der SPD–Fraktion mitgeteilt worden, dass der Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 15/310 modifiziert wird. In der ersten Zeile wird hinter dem Komma „in den zuständigen Ausschüssen“ eingefügt. In der vierten Zeile wird das Wort „öffentlich“ gestrichen. Auf dieser Grundlage wird der Dringlichkeitsantrag der SPD–Fraktion dann zur Abstimmung gestellt.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Kernkraftwerke sind hochkomplexe Anlagen. Wir sind seit Jahrzehnten – so glaube ich, sagen zu können – bemüht, uns auf höchster Sicherheitsebene um diese Anlagen zu kümmern, und legen größten Wert auf alles, was mit der Sicherheit unserer kerntechnischen Anlagen zu tun.
Liebe, verehrte Frau Kollegin Paulig: Kopfschütteln lösen Sie bei mir routinemäßig aus, das ist nichts Neues. Wenn ich dann sehe, dass man nach einer Blamage in der Öffentlichkeit – anders wird es niemand nennen, „Informationsgau“ hat die „Süddeutsche Zeitung“ getitelt – noch einen Antrag stellt, damit wir das hier noch einmal diskutieren müssen, dann sind höchstens wir auf unserer Seite dankbar, dass wir noch einmal die Gelegenheit haben, Sie der Lächerlichkeit preis zu geben. Wenn Sie das selbst initiieren, na danke schön.
Was ist denn passiert? Die meisten Kolleginnen und Kollegen haben es mitbekommen. Nach allem, was wir und die Mitarbeiter des Hauses wissen, haben wir zum ersten Mal in der Geschichte dieses Hohen Hauses nicht nur in nicht öffentlicher sondern in geheimer Sitzung getagt, nach einer Belehrung, dass uns drei Jahre Gefängnis drohen, wenn wir darüber berichten; danach wurde natürlich eine Pressekonferenz abgehalten. Warum? Weil Informationen weitergegeben wurden und von der „Süddeutschen Zeitung“ mehr oder weniger kritiklos abgedruckt wurden.
Die Vorgeschichte hierzu ist ein solches Possenspiel und ein politisches Ping–Pong zwischen dem Bundesumweltministerium und interessierten Kreisen in Bayern, dass es sich lohnt, das in aller Kürze noch einmal darzustellen. In der „Süddeutschen Zeitung“ wird getitelt: „Wie sicher ist Isar I?“ Das klingt gut, das liest sich gut.
Was ist passiert? Die Gesellschaft für Reaktorsicherheit hat unter dem Eindruck des 11. September eine Studie veranlasst, in der es darum ging, unsere Atomkraftwerke in Bayern auf ihre Sicherheit bundesweit abzuklopfen. Die Studie liegt vor. Wichtig ist jetzt: Dann hat ein Mann einen Stempel „VS“ darauf gemacht und es als entsprechend geheim eingestuft. Das war nicht die Bayerische Staatsregierung, die zu diesem Thema keine Stellung nehmen will, das war auch nicht der Bayerische Landtag, sondern das war Bundesumweltminister Trittin, der dieser Studie in diesem sensibelsten Bereich den entsprechenden Vermerk verpasst hat.
Wir dürfen darüber spekulieren, wie aus dem Hause Trittin diese Studie oder Teile davon letztlich in die
Hände der „Süddeutschen Zeitung“ gelangt sind. Ich unterstelle zunächst einmal gar nichts, aber es gibt in dieser Geschichte eine solche Reihe von Zufällen, dass man an den Weihnachtsmann glauben müsste, wenn man annimmt, dass alles zufällig passiert sei.
(Joachim Werner (SPD): So? Glauben Sie nicht an den Weihnachtsmann? – Weitere Zurufe von den GRÜNEN)