Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich glaube, dass es gut ist, wenn in diese Debatte auch die Position der Staatsregierung eingebracht wird. Ich kann Ihnen sagen, dass die Bayerische Staatsregierung und auch ich als Minister unter anderem für Gesundheit klar und eindeutig an dem Entwurf festhalten, den wir dem Bayerischen Landtag zugeleitet haben.
Natürlich sind wir für Überlegungen zu einem noch weitergehenden Nichtraucherschutz offen. Allen ist klar – das ergeben neue Studien immer wieder –, dass Passivrauchen gefährlich ist. In Deutschland sterben daran 3300 Menschen jährlich. 8,4 Millionen Kinder bis zu 17 Jahren müssen in Haushalten mit einem Raucher leben und sind entsprechend gefährdet. Das ist ein wichtiger Aspekt für den Nichtraucherschutz. In diesem Jahr wurde an unserem Landesamt für Umwelt eine eigene Untersuchung zu diesem Thema durchgeführt, bei der sich herausgestellt hat, dass in einer Gaststätte 15 Mikrogramm Nikotin pro Kubikmeter unterwegs sind. Der WHO-Grenzwert zur Gesundheitsgefährdung liegt bei 10 Mikrogramm. Im Rauch befinden sich viele Substanzen, die in hohem Maße krebserregend sind. Die Feinstaubwerte liegen in einer Größenordnung, bei denen wir in der freien Natur oder in der Stadt Luftreinhaltepläne entwickeln müssen. Die Lebenserwartung wird verkürzt.
Bei den Untersuchungen, die mehr und mehr gemacht werden, zeigt sich, dass der Nichtraucherschutz einen sehr schnellen Effekt hat. Es gibt signifikante Erfolge beispielsweise bei der Reduzierung von Herzinfarkten. Wir wollen und müssen deshalb einen wirksamen Nichtraucherschutz in Bayern verwirklichen. 70 % der Bevölkerung sind Nichtraucher. Herr Kollege Dr. Zimmermann hat die Umfrage bereits zitiert: Zwei Drittel der Bevölkerung wollen rauchfreie Gaststätten.
Sie wissen, dass die Bayerische Staatsregierung und der damalige Ministerpräsident maßgeblich daran beteiligt waren, dass sich die Ministerpräsidenten auf Eckwerte verständigt haben. Es hat danach noch Diskussionen in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen gegeben. Daran will ich hier nur einmal erinnern.
Und dann haben wir 130 Verbände an dieser Diskussion beteiligt; das ist eben auch notwendig. So etwas dauert seine Zeit.
Wir haben dann mit den kommunalen Spitzenverbänden gesprochen, weil es einen Vollzugseffekt gibt und weil auch die Frage der Kosten im Raum steht. Es kann also keine Rede davon sein, dass wir nicht konsequent gehandelt hätten oder dass wir irgendetwas verzögern wollten.
Der Gesetzentwurf ist das Ergebnis intensiver Diskussionen. Auch die Verbandsanhörung hat gezeigt, dass wir mit dem Gesetzentwurf auf dem richtigen Weg sind. Ich sage, wir sollten auf keinen Fall unter das Schutzniveau gehen, welches der Gesetzentwurf vorsieht. Dafür gäbe es in der Bevölkerung nämlich keinerlei Verständnis, auch nicht in der veröffentlichten Meinung, und in den beteiligten Fachkreisen ohnehin nicht.
Der Gesetzentwurf, den wir vorgelegt haben, entspricht den Eckpunkten, die wir damals gemeinsam vereinbart haben. Er stellt auch sicher, dass es bundeseinheitliche Regelungen gibt. Es wurde immer befürchtet, dass es einen Flickenteppich gäbe, wenn die Zuständigkeit bei den Ländern liegt und diese davon Gebrauch machen.
Es erweist sich auch immer mehr, dass es keine Umsatzeinbußen und keinen Verlust an Arbeitsplätzen gibt. Man gewinnt nämlich immer mehr Gewissheit, weil in immer mehr Ländern solche Gesetze in Kraft sind. Ich habe schon darauf hingewiesen, dass die Schutzwirkung völlig unbestritten ist. In den USA gibt es folgendes Beispiel: Eine Stadt in Montana wurde als Feldversuch herangezogen. Dort hat man den Nichtraucherschutz eingeführt und festgestellt, dass die Zahl der Herzinfarkte massiv zurückgegangen ist. Anschließend hat man das Rauchen wieder zugelassen, und dann wurde ein Anstieg der Herzinfarkte festgestellt. All das spricht dafür, dass wir hier in Bayern einen konsequenten Nichtraucherschutz verwirklichen.
Damit, verehrte Kolleginnen und Kollegen, ist die Aktuelle Stunde beendet. Wir fahren also in der Tagesordnung fort.
Interpellation der Abg. Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Maria Scharfenberg u. a. u. Frakt. (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Drogen, Sucht, Suchthilfe und Prävention in Bayern (Drs. 15/8376)
Ich eröffne die Aussprache. Im Ältestenrat wurden 20 Minuten pro Fraktion vereinbart. Als Erstem darf ich Herrn Kollegen Mütze das Wort erteilen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wieso kann man in Bayern auf die Idee kommen, eine große Anfrage zur Drogenpolitik dieses Landes zu stellen? – Die Frage kann ich Ihnen schnell beantworten: Weil hier in Bayern vieles schiefläuft in der Drogenpolitik. Man ist geradezu gezwungen, auf die Probleme hinzuweisen und diese anzusprechen, denn die Staatsregierung – das hat auch die vorherige Debatte gezeigt –, ist entweder ideologisch in ihren Positionen verbohrt oder –, und das werden wir Ihnen heute darlegen –, die Staatsregierung sieht die Probleme, die es in Bayern gibt, gar nicht.
Das ist in der Interpellation und in der Antwort der Staatsregierung darauf deutlich geworden. In der Drogenpolitik in Bayern geht es aber um eine erkleckliche Summe, und zwar um eine erkleckliche Summe an Menschen. Es geht um etwa eine Million Menschen, die in Bayern von Sucht betroffen sind, wenn man den Statistiken glauben darf. Es mag sein, Herr Minister, das haben Sie heute in einer Pressemitteilung gesagt, die illegalen Drogen – man könnte sagen: Ihre Lieblingsdrogen – sind rückläufig. Dafür aber steigt der Konsum der anderen Drogen wie Nikotin, Alkohol und Medikamente in Bayern an. Das bedeutet, liebe Kolleginnen und Kollegen, eine Million Menschen in Bayern, also jeder zwölfte in Bayern hat mit einer Sucht zu kämpfen.
Für diese Menschen stellt die Staatsregierung gerade einmal 5,6 Millionen Euro zur Verfügung. Wenn man das durchrechnet, dann bedeutet das, pro Person und Jahr stehen zur Drogenprävention gerade einmal 5 Euro zur Verfügung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte zwei Problembereiche ansprechen, die uns ins Auge gefallen sind. Meine Kolleginnen und Kollegen werden das nachher noch ergänzen. Da ist zum Ersten die von Ihnen verweigerte kontrollierte medizinische Behandlung von Heroinabhängigen. Ein beispielloses Erfolgsmodell in der Drogenpolitik in Deutschland: Alle großen Städte in Deutschland haben inzwischen dieses Modell, auch hier in München funktioniert es. CDU-geführte, konservativ geführte Bundesländer sind davon überzeugt. Die Bundesärztekammer hat sich für die kontrollierte Vergabe von Diacetylmorphinen ausgesprochen, weil diese Therapie für die Abhängigen besser ist als die bekannte und von Ihnen durchgeführte Methadon-Therapie. Was aber tun Sie? – Erstens. Sie verweigern die finanzielle Unterstützung. Das wäre an sich schon schlimm genug. Zweitens. Sie setzen noch eins drauf und diffamieren diese kontrollierte medizinische Behandlung als Pseudoüberlebenshilfe, die unnötig den Verbrauch von finanziellen Ressourcen bedeute. Man könnte es kaum glauben, wenn es hier nicht schwarz auf weiß stünde.
Aber es geht ja nur um Heroinabhängige. Es geht ja nur um Menschen, von deren Existenz Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, nie etwas wissen wollten. Und dann, Herr Minister, und das schlägt dem Fass den Boden aus, kommen Sie mit Ihrer Pressemitteilung: „Heroin auf Krankenschein ist grüner Irrweg“. Herr Minister, ich frage Sie: Haben Sie unsere Pressemitteilung gelesen? Waren Sie bei unserer Pressekonferenz? Wer im Ministerium, welcher Hardliner, hat Ihnen das aufgeschrieben? Von uns ist es jedenfalls nicht!
Das ist aber genau das, was ich vorhin angesprochen habe: Betonpolitik. Sie kommen einfach nicht aus Ihren Gräben heraus, die Sie sich in der Drogenpolitik irgendwann einmal gegraben haben. Sie sind nicht flexibel. Wir fordern: Unterstützen Sie die Heroin-Ambulanzen, geben Sie Ihre Betonpolitik auf, helfen Sie den Menschen! Auch Heroinabhängige sind Menschen!
Unterstützen Sie Anträge im Bundestag und im Bundesrat, zusammen mit Ihren CDU-Kollegen. Finanzieren Sie diese Heroin-Ambulanzen endlich auch.
Der zweite Problemkreis, der sich durch die Interpellation erschließt, ist der der externen Suchtberatung in den Justizvollzugsanstalten in Bayern. Für alle bayerischen Justizvollzugsanstalten stehen gerade einmal 42,9 Planstellen zur Verfügung. Die empfohlene Relation von Beratern und Beraterinnen zum Klientel liegt bei 1 zu 200. Ich lese Ihnen beispielhaft ein paar Schlüssel in Gefängnissen in Bayern vor: Bamberg: 1 zu 406; Niederschönenfeld: 1 zu 568; Hof: 1 zu 580. – Wie soll dort Suchtberatung gelingen?
In den Richtlinien heißt es, jeder Gefangene, jede Gefangene soll in den ersten zwei Monaten ein Gespräch bei der Drogenberatung bekommen. Sie geben an, es bestünden einige Wochen Wartezeit. Das ist bei den Relationen, die ich genannt habe, unglaubwürdig. Sie können doch nicht glauben, dass Drogenberatung durchgeführt werden kann, wenn beispielsweise in Niederschönenfeld gerade mal eine Drittelstelle zur Verfügung steht.
Die Drogenberatung dort ist doch gerade einmal in der Lage, die Post zu öffnen oder fällige Telefongespräche zu führen. Es muss deshalb Ihr Ziel sein, diese Relation bayernweit zu verbessern. Dafür haben Sie bei den kommenden Haushaltsberatungen die Möglichkeit. Eine Begründung dafür könnte sein – und das ist nur die rein monetäre Begründung –, dass diese Beratung bares Geld bringt. Folgende Argumentation sei mir erlaubt: Eine Suchtberaterin erwirtschaftet ihr Gehalt, wenn drei Drogenabhängige – drei! – in eine medizinische Rehabilitation vermittelt werden. Insgesamt werden die Erspar
nisse, so nenne ich das einmal, durch die externe Drogenberatung, durch vermiedene Hafttage und durch eingesparte Haftplätze auf insgesamt 17 Millionen Euro pro Jahr geschätzt. Es müsste also wirklich in Ihrem Interesse sein, aufzustocken.
Zu den großen weißen Flecken in der bayerischen Drogenpolitik werden meine beiden Kolleginnen nachher noch sprechen. Ich möchte noch auf eine aktuelle Debatte eingehen, und zwar auf die Debatte um die Testkäufe von Alkohol durch Jugendliche. Ich könnte mir nämlich wirklich gut vorstellen, dass es Ihnen gut gefällt, Jugendliche darauf abzurichten, Testkäufe zu tätigen und Minderjährige zu Helfershelfern zu machen. Unsere Position ist eine andere: Es kann doch nicht sein, dass wir Jugendliche zu Agents provocateurs machen. Das heißt, wir können doch nicht jemanden, der eventuell Alkohol an Minderjährige verkauft hat, durch ebendiese Jugendlichen zu einer Straftat auffordern oder zu einer Straftat provozieren. Das ist doch verboten für den Staat. Das kann nicht das Ziel sein.
Es könnte sehr wohl anders gelingen. Eine funktionierende Gewerbeaufsicht könnte sehr wohl in der Lage sein, den Jugendschutz allein durch ihre Präsenz durchzusetzen. Allerdings, liebe Kolleginnen und Kollegen der CSU, darf ich Sie darauf hinweisen, dass Sie vor nicht allzu langer Zeit die Gewerbeaufsichten massiv gekürzt und in ihrer Arbeit behindert haben und dies damit unmöglich gemacht haben.
Auch darüber sollten Sie bei den kommenden Haushaltsberatungen nachdenken. Die Interpellation hat uns jedenfalls viele Hinweise auf Handlungsfelder in den nächsten Monaten beschert. Wir hoffen auf Ihre Motivation und Ihre Einsicht, in einigen von diesen Bereichen – auf alle möchte ich schon gar nicht hoffen – mehr tätig zu werden als bisher.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Am 12. Juni dieses Jahres hat die Bayerische Staatsregierung ihre neuen Grundsätze für Drogen- und Suchtfragen beschlossen, die das alte Programm „Suchtpolitik“ aus dem Jahr 1994 abgelöst haben. Herr Dr. Schnappauf, mein Vorgänger, hat diese Grundsätze zwar im Ausschuss ausführlich vorgestellt, aber ich möchte heute die Debatte anlässlich der Interpellation nutzen, um dazu einige Bemerkungen zu machen und die Grundsätze darzustellen.
Bayern hat sich mit den drei Säulen „Prävention, Repression, Hilfe für Betroffene“ ein solides und tragfähiges dro
genpolitisches Fundament geschaffen. Ich glaube, das muss man bestätigen, wenn man die Antworten in der Interpellation liest.
Die Zahl der Drogentoten hat 2006 mit 191 den niedrigen Stand des Vorjahres – da waren es 197 – nochmals unterschritten. Immer weniger Menschen in Bayern – auch das muss man einmal sagen – erliegen der Verführung illegaler Drogen. Hatten wir 2004 noch 5000 Erstkonsumenten, waren es 2006 nur noch rund 3200. Von 2005 bis 2006 ist der Erstkonsum bei Heroin um 10,5 % geschrumpft, bei Ecstasy sogar um rund 34 %.
Auch bei der Rauschgiftkriminalität sehen wir eine erfreuliche Entwicklung. 2006 ist die Rauschgiftkriminalität in Bayern gegenüber 2005 immerhin um 13,6 % zurückgegangen. Insbesondere die allgemeinen Verstöße mit Cannabis haben mit 20 % stark abgenommen. Die Beschaffungskriminalität ist in den letzten zehn Jahren um fast ein Drittel weniger geworden.
In der Suchtprävention und -hilfe in Bayern ist die Zusammenarbeit und Vernetzung enger geworden. Dies verdanken wir auch dem Landesarbeitskreis Suchtprävention in Bayern. Ihn hatte schon früher das Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz angestoßen.
Kolleginnen und Kollegen, mit dem Dreiklang „Prävention, Repression, Hilfe“ war und ist Bayern erfolgreich. Wir werden diesen bewährten Weg konsequent weitergehen, aber wir stehen immer auch vor neuen Herausforderungen, neuen gesellschaftlichen Entwicklungen und neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Gerade die legalen Suchtmittel wie Tabak und Alkohol rücken zunehmend in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Immer jüngere Raucher und bis zur Bewusstlosigkeit trinkende Kinder machen neue Antworten nötig. Deshalb haben wir die bayerischen Grundsätze zu Drogen- und Suchtfragen weiterentwickelt und neu justiert. Dabei haben uns die Suchthilfeorganisationen, allen voran die Koordinierungsstelle der Bayerischen Suchthilfe, tatkräftig unterstützt. Ich möchte allen, die sich daran beteiligt haben, ganz herzlich danken.