Ich gebe zu, jedem würde die Wahl schwerfallen, wenn er nur unter dieser Zweidrittelmehrheit auswählen dürfte.
Das ist kein Zufall – das liegt an dem altmodischen, patriarchalischen Führungsstil, der die ganze CSU von Grund auf durchzieht, von der kommunalen Ebene bis hinauf in die Spitze. Es ist wie in den bürokratischen deutschen Großunternehmen mit den großen Namen, die sich auch nicht modernisiert haben. Auch dort herrscht im Management Fachkräftemangel. Auch dort kommen Frauen nicht zum Zug, und wie bei der CSU ist Personalentwicklung ein Fremdwort.
In modernen Unternehmen sieht dies völlig anders aus. Viele kleine Unternehmen sind gegen die großen Dinosaurier gerade deshalb erfolgreich, weil sie flexibel und auch in der Spitze teamfähig sind. Sie öffnen sich nach außen und holen gezielt Seiteneinsteiger. Aber für die CSU-Fraktion ist es schon zu viel, wenn die eine oder der andere aus der Bundestagsfraktion oder aus der EuropaFraktion kommen soll.
Mit dem anderen hat übrigens das Bayerische Fernsehen schon ein Interview darüber geführt, wie er sich denn als Minister so fühle. Das kommt jetzt beim BR auf Wiedervorlage. Auch der eine oder andere hier herinnen hat sich schon als Minister gefühlt. Da fällt mir ein: Die CSU-Fraktion bekommt jetzt einen neuen Vorsitzenden, und das hat sie im Radio gehört. Ich habe mir sagen lassen, sie weiß noch nicht, wann sie wählen darf, aber sie weiß schon, wen.
Ex-Kollege Herrmann hat den „Nürnberger Nachrichten“ vor Monaten gesagt, nach 14 Jahren Stoiber sei Nachdenken erlaubt.
Aber Ex-Kollege Herrmann hat damals noch weitergeredet. Er hat sich damals für die selbstbewusste CSUFraktion selbstbewusst hingestellt und verkündet: „Wir wollen den Übergang auf Beckstein nicht nur staunend zur Kenntnis nehmen, sondern eigene Akzente setzen.“ Jetzt ist Herrmann weg, die Akzente sind noch nicht aufgetaucht, aber dafür macht sich Staunen breit.
Herr Kollege Kupka, es gibt viel zu staunen. Wir staunen nicht darüber, wie schwach die heutige CSU ist. Wir staunen auch nicht darüber, wie wenig mächtig die stärkste Fraktion aller Zeiten ist. Aber wir alle staunen darüber, wie wenig Sie das stört, wenn es alle sehen.
Die Kabinettsbildung ist eine Art indirekte Regierungserklärung: Man kann Schwerpunkte sichtbar machen und Zeichen setzen, oder eben auch nicht. Alois Glück hat einmal gesagt: „Jede Programmatik muss über Personen sichtbar gemacht werden. Es kommt darauf an, dass man eine entsprechende Mannschaft zusammenstellt.“ Welche Programmatik wird in dieser Mannschaft sichtbar? – Sichtbar wird, dass Ihnen – der Staatsregierung und der CSU – jede Programmatik fehlt.
Sie wissen nicht, wohin Sie wollen, und deswegen treten Sie auf der Stelle. Dieses Kabinett verkörpert Stillstand und Stagnation. Es verkörpert die personelle und programmatische Schwäche der CSU.
Die Menschen in Bayern interessiert nicht, was diese Zweidrittelmehrheit seit Monaten in Atem hält. Die Men
schen interessiert nicht, wer im Kabinett was wird, wer warum nichts geworden ist, wer noch etwas werden kann oder auch nicht. Was die Menschen in Bayern wirklich beschäftigt, ist: Wie sieht unsere Zukunft aus? Wann wird die Staatsregierung endlich die gröbsten Probleme beseitigen und lösen? Wann handelt sie endlich?
Vor drei Wochen wurden die Wählerinnen und Wähler in Bayern gefragt, was Beckstein als neuer Ministerpräsident dringend machen muss. 80 % antworteten, er müsse dafür sorgen, dass die Schulen mehr Lehrer und mehr Geld bekommen. 61 % sagten, er müsse mehr für die Umwelt und das Klima tun. Mehr als die Hälfte der Wählerinnen und Wähler fordert, dass Sie, Herr Ministerpräsident, mehr für Kinder und deren Eltern tun.
Sie haben uns in der letzten Woche zu einem Wettbewerb um die besten Lösungen für Bayern aufgefordert. Da kommen Sie uns GRÜNEN gerade recht. Das passt uns genau in den Kram. Dafür arbeiten wir in diesem Hohen Haus nämlich schon seit über 20 Jahren.
Heute ist die Zeit reif für unsere Konzepte. Heute werden unsere Lösungen wahrgenommen. Erstmals erkennt die große Mehrheit der Menschen in Bayern, dass in unserem Land die Probleme gelöst werden müssen, auf die wir GRÜNE seit Jahren hinweisen.
Wenn es nach uns ginge, bekommen alle Kinder eine Chance. Nur dann kann unser Land auch in Zukunft im Wettbewerb bestehen.
Wir müssen uns vor noch schlimmeren Stürmen und Hochwassern schützen. Deshalb müssen wir unser Wirtschaftssystem klimafreundlich umgestalten. Nur mit einer ökologisch konsequenten, einer grünen Politik schaffen wir zukunftsfähige Arbeitsplätze.
Drittens. Die Menschen in Bayern fordern mehr soziale Gerechtigkeit und Sicherheit. Wir müssen dafür sorgen, dass unsere Gesellschaft nicht noch weiter auseinanderfällt. Wir GRÜNE wollen die sozialen Hilfen weiter ausbauen und nicht wie Sie zusammenstreichen.
Herr Ministerpräsident, Sie haben letzte Woche erklärt, es sei unsere Aufgabe als Opposition, die Qualität der Entscheidungen für Bayern zu stärken, indem wir unsere Erfahrungen einbringen. Das tun wir gerne, denn Sie brauchen unsere Erfahrungen dringendst.
Bayern braucht unsere Konzepte für mehr Klimaschutz, für mehr Arbeitsplätze, für mehr Bildungsgerechtigkeit und für mehr Leistungsfähigkeit.
Herr Ministerpräsident, Sie haben einen neuen Stil versprochen. Dass Sie den Regierungsstil ändern, nützt den Menschen in Bayern nichts, wenn Sie nicht gleichzeitig die Politik ändern. Den Menschen hilft es nichts, wenn der Schaffner wechselt, der Zug aber nicht fährt.