Protocol of the Session on October 24, 2002

Wir befinden uns noch mitten in der fachlichen Auseinandersetzung. Wie wollen Sie eigentlich die ökologischen Grundlagen, zum Beispiel den Boden, im Rahmen des Hochwasserschutzprogramms sichern, wenn gleichzeitig in diesem Land 4000 km Autobahnen bzw. Bundesfernstraßen gebaut werden sollen? Sie geben auch den Einkaufszentren auf der grünen Wiese grünes Licht.

(Hofmann (CSU): Aber doch nicht im Hochwassergebiet!)

Herr Kollege Hofmann, Sie planen sogar eine Autobahn durch das Isental. Dieses Gebiet wird dringend benötigt, um den Wasserrückhalt zu sichern. Wir wissen doch spätestens seit dem August-Hochwasser, dass jede Region mit ihren Tälern als wichtiges Wasserrückhaltereservoir zu schützen ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir müssen leider feststellen, dass es nicht ausreicht, den guten Willen für die Nachhaltigkeit ins LEP zu schreiben, Nachhaltigkeitspolitik in Überschriften zu verankern oder zaghafte Klimaschutzprogramme zu verabschieden, die ohnehin nicht kontrolliert werden, ist zu wenig. Wichtig ist die Umsetzung, gerade im Rahmen der Wirtschaftspolitik und der Verkehrspolitik. Erst wenn die Nachhaltigkeit dort beachtet wird, haben Sie dieses Prinzip verbindlich gemacht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Erst dann sichern Sie die Lebensgrundlagen für künftige Generationen. Genau hier besteht jedoch im Haushalt des bayerischen Umweltministeriums und generell in der bayerischen Politik ein Defizit. Klar ist, jeder Euro kann nur einmal ausgegeben werden. Jeder Euro, den Sie für den Straßenbau ausgeben, fehlt uns für den öffentlichen Verkehr. Jeder Quadratmeter, der versiegelt wird, kann nur schwer als funktionsfähiger Boden zurückgewonnen

werden. Jeder Kubikmeter an Treibhausgasen, der in die Luft entlassen wird, ist von dort nicht mehr rückholbar.

Wir brauchen eine konsequente Politik der vielen Schritte, bei der Bayerischen Staatsregierung und natürlich auch in den Kommunen, um die Nachhaltigkeit umzusetzen. Herr Umweltminister Dr. Schnappauf, Sie haben bei der letzten Debatte des Umweltausschusses über das Hochwasser vehement und mit Nachdruck die Kommunen zum Mitmachen aufgefordert. Das war richtig. Die Kommunen müssen mitmachen. Ich darf aber darauf hinweisen, dass es über Jahre hinweg geradezu ein Volkssport in den Kommunen war, grüne Anträge abzulehnen, obwohl diese ganz wesentlich zu einer Verbesserung der ökologischen Bilanz Bayerns beigetragen hätten.

(Kaul (CSU): Warum werden Sie dann in den Kommunen nicht gewählt?)

Werfen wir einmal einen Blick auf die ökologische Bilanz Bayerns. Dabei verblassen einige der großartigen Lobesreden, die von der CSU und der Staatsregierung gehalten wurden. Bis zum Jahr 2000 sollte laut der Regierungserklärung von Herrn Dr. Stoiber der Anteil der erneuerbaren Energien auf 13% steigen. Im Jahr 2000 betrug der Anteil gerade einmal 6,8%. Damit ist die Staatsregierung deutlich gescheitert. Beim Ausbau der Windenergie ist das Flächenland Bayern – abgesehen vom Saarland – bundesweit Schlusslicht. Sie haben Windkraftanlagen mit einer Leistung von 111 Megawatt installiert. In Sachsen-Anhalt, einem kleinen Bundesland mit einem kleineren Anteil an Mittelgebirgsstandorten, wurde die zehnfache Windenergieleistung geschaffen.

Die CO2-Emissionen in Bayern sind deutlich gestiegen, während im Bund in den letzten vier Jahren eine Reduktion um 4% auf nunmehr 19% erreicht wurde. Das geschah wegen der aktiven Klimaschutzpolitik. Das hat der Sachverständigenrat für Umweltfragen erklärt. Die Steigerung der CO2-Emissionen in Bayern ist auf den Pkw-und den Lkw-Verkehr zurückzuführen, dem Sie in Bayern keinerlei Schranken auferlegen wollen. Beispiele sind die Fichtelgebirgsautobahn, der A-99-Südring um München, die A-94 oder die Westumgehung in Würzburg. Diese Reihe ließe sich beliebig fortsetzen. Sie wagen es nicht, in der Verkehrspolitik Konsequenzen zu ziehen, um die Nachhaltigkeit verbindlich zu machen.

(Zuruf von der CSU: Da planen aber auch Bundes- behörden mit!)

Natürlich wird der Bund die Anträge Bayerns für Bundesverkehrswegeprojekte kritisch prüfen und dabei auch eine Umweltrisikoprüfung durchführen. Ihre Vorschläge lassen sich in 100 Jahren nicht finanzieren. Sie würden aber, wenn sie auch nur ansatzweise umgesetzt würden, einen wesentlichen Beitrag zur Verschlechterung der ökologischen Bilanz Bayerns leisten.

(Zuruf von der CSU: Auf die kritische Prüfung sind wir gespannt!)

Sehen wir uns einmal die Politik des ehemaligen Kanzlerkandidaten Stoiber an. Er hat vehement 100 Millionen

Euro pro Jahr für die Gebäudesanierung und die Wärmedämmung gefordert. Ich kann nur sagen: Guten Morgen, Herr Stoiber. Die Bundesregierung hat dafür in den letzten vier Jahren eine Milliarde Euro investiert. Diese Finanzierung wird weiter ausgebaut. Bayern hat ein ausgesprochen schlankes Modernisierungsprogramm mit einem Umfang von 17,5 Millionen Euro aufgelegt, das jetzt im Haushalt nochmals um zwei Millionen Euro gekürzt werden soll. So werden Sie den notwendigen Beitrag zur Energieeinsparung durch Wärmedämmung nicht umsetzen können.

Herr Umweltminister Dr. Schnappauf, Sie haben die Steuersenkungen angesprochen, die der Bund bei Gebäudeinvestitionen gewähren soll. Ich warte auf Ihre diesbezüglichen Initiativen im Bundesrat. Dann werden wir sehen, wer Sie unterstützt und wer Ihnen die Gefolgschaft verweigert.

(Kaul (CSU): Diese Initiativen werden kommen!)

Sie sollten in den Bundesrat keine Initiativen wie die vom 21. Juni 2002 einbringen, als Sie gefordert haben, den Ausbau der Solarenergie zu deckeln. Kein Bundesland ist diesem bayerischen Antrag gefolgt.

(Kaul (CSU): Der ist doch längst vom Tisch!)

Er ist vom Tisch, weil er von den anderen Bundesländern nicht unterstützt wurde. Gleichzeitig war Herr Ministerpräsident Dr. Stoiber aber bei der Eröffnung der erweiterten Solarzellenproduktion in Alzenau anwesend. Herr Kollege Kaul, Sie waren sicherlich auch dabei.

(Kaul (CSU): Natürlich!)

Sie wissen ganz genau, dass die Erweiterung dieser Produktionsanlage zu Europas größter Solarenergieanlage nicht möglich gewesen wäre, wenn der bayerische Antrag im Bundesrat durchgegangen wäre. Das ist ein scheinheiliges Doppelspiel.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie sind bei der Eröffnung von Windrädern anwesend, gleichzeitig boykottieren und torpedieren Sie die Politik, mit der der Ausbau der erneuerbaren Energien vorangebracht werden soll. Erinnert sei nur an Ihre Abstimmung zum EEG und anderen Gesetzen.

Nun wieder zur ökologischen Bilanz Bayerns: 65% des bayerischen Stroms stammen aus der Atomenergie. Damit ist Bayern das Bundesland mit dem höchsten Atomstromanteil.

(Kaul (CSU): Der Atomenergieanteil in SchleswigHolstein ist höher! – Hofmann (CSU): SchleswigHolstein hat einen Anteil von 65%!)

Trotz aller Sicherheitsrisiken – zum Beispiel auch durch terroristische Angriffe – setzt Bayern weiterhin auf den Ausbau. Im Landesentwicklungsprogramm haben Sie sich die Option für den Bau neuer Atomkraftwerke offen gehalten. Gehen Sie mit dieser Forderung nach einem Ausbau der Atomenergie bitte an die Öffentlich

keit. Sie führen immer wieder das Argument an, Bayern stünde in der Co2-Bilanz pro Kopf nur deshalb so günstig da, weil es in Bayern Atomstrom gebe. Spätestens seit der Enquete-Kommission des Bundestages wissen wir, dass es nicht möglich ist, mit der Atomenergie das Klima zu schützen. In diesem Fall bräuchten wir 50 bis 70 neue Atomkraftwerke in der Bundesrepublik. Wir bräuchten allein 15 AKWs in Bayern. Die werden Sie nie kriegen. Seit dem Bericht der Enquete-Kommission vom Juli 2002 wissen wir, dass wir mit einer Einsparung, einer verstärkten Effizienz und erneuerbaren Energien die notwendige Reduktion der Treibhausgase um 80% bis zum Jahr 2050 erreichen können. Wenn Sie dieses Ziel verfolgen würden, wäre das nachhaltige Umweltpolitik. Sie weigern sich aber.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich halte es für überfällig, den Titel für die Internationale Länderkommission „Kerntechnik“ im Haushalt zu streichen. Wir haben einen entsprechenden Haushaltsantrag eingebracht. Was hat diese Kommission gebracht? – Die Sicherheit der bayerischen Atomkraftwerke wurde dadurch jedenfalls nicht erhöht.

Ich möchte ein Fazit zur Klimapolitik ziehen: Die Klimapolitik ist in Bayern ausgesprochen dürftig. Wir brauchen eine entschiedene Klima– und Energiewende. Das Kyoto-Protokoll muss auch in Bayern umgesetzt werden. Im Rahmen des Bayerischen Klimaschutzprogramms haben Sie gerade einmal ein halbes Kyoto-Programm verabschiedet. Warum wollen Sie das Ziel der Reduktion um 21% bis zum Jahr 2010 nicht entschieden anpacken? Das wäre eine konsequente Politik. Dazu wäre es aber notwendig, diese Punkte sektoral umzusetzen.

Als Beispiele nenne ich: Verdoppelung der Energieerzeugung aus Kraft-Wärme-Kopplung, Verdoppelung des Anteils der Biomasse an der Primärenergieerzeugung, mindestens Verdoppelung des Anteils der erneuerbaren Energien. Diese Liste ließe sich fortsetzen. Sie sind nicht bereit, konsequent Ziele zu setzen. Das haben wir in der Debatte im Umweltausschuss immer wieder erlebt, zuletzt zum LEP.

Wir fordern auch, dass hierzu ein Klimabeirat eingerichtet wird, der das Erreichen der Klimaschutzziele kritisch verfolgt, auch die Maßnahmen bewertet und sagt, mit welchen Schritten wir das erreichen können.

(Kaul (CSU): Was Sie da machen, ist Ignoranz!)

Was ich durchaus lobend erwähnen möchte: Herr Dr. Schnappauf hat heute gesagt, Sie würden sich für die Einführung der Steuer auf Flugbenzin einsetzen. Wunderbar! Setzen Sie sich auch für die Einführung der vollen Umsatzsteuer hier ein; dann wäre das konsequent.

Sie sprechen die Besteuerung von Erdgas an. Da gebe ich Ihnen Recht. Das ist eine Besteuerung von fossilen Energien, die wir sehr kritisch sehen. Da gab es Hemmnisse in der Koalition. Herr Schnappauf, wenn Sie konsequent sein wollen, müssen aber alle fossilen Energieträger besteuert werden. Dazu gehört auch die Kohle.

Da sind wir auf vehementen Widerstand von verschiedenen Ländern gestoßen. Ich sehe auch von Bayern keine Bereitschaft, eine konsequente Steuerpolitik in diesem Bereich zu unterstützen.

(Kaul (CSU): Nordrhein-Westfalen!)

Herr Kaul, wie wäre es denn mit einer Besteuerung von Uran? Das wäre eine konsequente Steuerpolitik für Energien.

(Zurufe von der CSU)

Nun zum Ausbau der Wasserstoffwirtschaft.

(Zahlreiche Zurufe von der CSU)

Mein Gott, Sie dürfen doch nachher alle reden. Seien Sie jetzt doch eine Weile ruhig.

(Hofmann (CSU): Alle nicht!)

Herr Kaul, denken Sie an die benediktinische Regel. – Sie haben heute die Unterstützung der Wasserstoffprojekte angesprochen. Warum wurde unser Antrag, endlich Pilotprojekte im öffentlichen Verkehr für Wasserstoffbusse in Bayern einzurichten, abgelehnt? Das wäre ein guter Beitrag zum Umweltschutz, wenn in den Städten Wasserstoffpilotprojekte im öffentlichen Verkehr durchgeführt würden. Unser Antrag dazu wurde aber abgelehnt.

Der Ausbau der Geothermie ist richtig und wichtig. Sie birgt ein hohes Potential unter den erneuerbaren Energien. Damit könnten wir Strom erzeugen, und damit würden weitere Atomkraftwerke mit ihrer Grundlast überflüssig. Hierzu möchte ich gerne Ihre Initiativen sehen.

Hochwasserschutz in Bayern, Flächenverbrauch, Bodenschutz: Die negative ökologische Bilanz Bayerns lässt sich noch weiter fortsetzen. Wir haben den höchsten Flächenverbrauch unter den Bundesländern. 40 Fußballfelder täglich – das ist eine stattliche staatliche Bilanz. Dennoch versiegeln Sie munter weiter. Wir brauchen uns nur anzusehen, was alles im LEP verankert ist. Bei der Debatte darüber, welche Reduktion Sie beim Bodenverbrauch anstreben und wie Sie den Bedarf an Gewerbeflächen überprüfen wollen, kamen von der CSU keine konkreten Fakten und Zahlen. – Da sind auch Herr Kaul und Herr Hofmann im Moment ruhig. Da schleicht sich die CSU davon wie ein geprügelter Hund.

(Hofmann (CSU): Wollen Sie es anders?)

Sagen Sie in Ihrem nachfolgenden Redebeitrag, Herr Hofmann, wie Sie den Bodenverbrauch in Bayern reduzieren wollen. Gemäß der Nachhaltigkeitsstrategie des Bundes wäre unsere Vorstellung, den Verbrauch bis 2020 auf ein Viertel zu senken. Das würde für Bayern 7 Hektar pro Tag bedeuten. Das ist nach meiner Einschätzung zwar immer noch zuviel, aber wir wären ja schon glücklich, wenn Sie sich auf dieses Ziel einlassen würden. Dann brauchen wir geeignete Kontrollinstrumente. Sie haben die Bedarfsprüfung für Gewerbeflächen durch