Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Sackmann, ich finde es durchaus angebracht, dass wir uns bisweilen im Landtag auch über Bundespolitik oder Europapolitik unterhalten. Aber dass Sie heute den ganzen Tag schon bei jedem zweiten Satz mit dem Finger nach Berlin zeigen, zeigt mir doch – –
Ach Herr Sackmann, jetzt tun Sie doch nicht so! – Dies zeigt mir doch, dass Sie einfach nicht fähig sind, sich mit einer verlorenen Wahl abzufinden. Ich sage Ihnen, ich empfinde es geradezu als eine Schande, wenn die CSU als große Partei nichts anderes zu bieten hat als ständig mit dem Finger nach Berlin zu zeigen.
Ich möchte und wünsche mir, dass wir hier über Lösungsvorschläge diskutieren und nicht Schwarze-Peter-Spiele aufführen.
Herr Sackmann, es ist fast schon lächerlich, wie Sie das gestalten; zuerst wird mit dem Finger nach Berlin gezeigt, dann wird das Weihrauchfass über Bayern geschwungen, dann wird wieder eine Zeile lang zum Sachverhalt geredet, und dann beginnt das Ganze von vorne.
Ich meine, das ist wirklich schon arg dick aufgetragen. Wir sind hier gut beraten, wenn wir uns beim Einzelplan 06 mit den Gegebenheiten in Bayern befassen und sehen, was da zu tun ist.
Der Finanzminister hat ja selbst zugegeben, dass mehr Stellenhebungen nötig gewesen wären; er hat eben andere Prioritäten gesetzt. Darauf läuft es nämlich hinaus. Wenn Sie nur eine bestimmte Summe Geld zur Verfügung haben, dann können Sie entweder A oder B tun.
Jetzt sieht es eben für die Finanzbeamtinnen und -beamten so aus, dass sie sozusagen nicht die Priorität ihres zuständigen Ministers genießen.
Gerechtigkeit und Transparenz müssen die Grundlage jeglicher Steuerpolitik sein. Sie, Herr Finanzminister, haben die Aufgabe, die Finanzverwaltung in die Lage zu versetzen, dies auch durchsetzen zu können.
Normalerweise – Sie sind ja schon der dritte Finanzminister, den ich hier im Landtag erlebe – ist es so, dass sich gerade der Finanzminister für die Beamtinnen und Beamten in seinem Hause verantwortlich fühlt. Bei Ihnen muss ich feststellen, dass Sie Ihren Beamtinnen und Beamten eine stiefväterliche Behandlung angedeihen lassen. Es wird ja niemand verlangen, dass Sie die Beamtinnen und Beamten in Ihrem eigenen Hause hätscheln oder gar vorziehen, aber ich meine schon, Sie sollten sie anständig behandeln.
Das haben Sie ja auch an der Umfrage im öffentlichen Dienst gesehen, die diese Woche vorgestellt wurde. Die Steuerzahlerinnen und –zahler sind mit der Finanzverwaltung zufrieden. Es wurden gute und beste Noten für sie abgegeben. Allein die Stimmung in den Finanzämtern ist zwei Stock tief im Keller.
Ich möchte auf die Personalsituation schon deshalb eingehen, weil auffällig ist, dass Sie hier in einer Art Kreislaufwirtschaft das Personal immer von einer Lücke zur anderen schieben. Zuerst Steuerfahndung und Betriebsprüfung. Nach langjährigem Anmahnen durch uns hier im Haus haben Sie dort die Stellen Gott sei Dank aufgestockt.
Dann hat der Oberste Rechnungshof beanstandet, dass Erbschaft- und Schenkungsteuer nicht rechtzeitig, nicht zeitnah bearbeitet werden und dadurch dem Staat beträchtliche Einnahmen in dreistelliger Millionenhöhe
verloren gehen. Dann haben Sie an diese Stelle Beamtinnen und Beamte geschoben, haben aber gleichzeitig den Innendienst vernachlässigt.
Ich zitiere auch hier noch einmal, weil die Kolleginnen und Kollegen, die noch hier sind, ja im Haushaltsausschuss nicht dabei waren, dass der Oberste Rechnungshof, der ja sonst immer davor warnt, zu viel Personal einzustellen, und hier auf die Bremse tritt, genau hier zum Personalhaushalt der Finanzverwaltung gesagt hat – ich zitiere –: Solange das derzeit praktizierte maschinelle Auswahlverfahren dies nicht sicherstellt, sollte eine weitere Personalumschichtung aus dem Veranlagungsbereich nicht vorgenommen werden, sondern eher an Personalmaßnahmen zugunsten besonders belasteter Veranlagungsbereiche gedacht werden.
Es ist doch so, mit der EDV gibt es ja schon seit mehreren Jahren große Schwierigkeiten. Zuerst waren die Programmierer nicht da. Sie haben sich dann – das erkenne ich durchaus an – bemüht, hier durch eine Öffnungsklausel mehr Fachpersonal zu bekommen. Aber leider ist das Problem immer noch nicht gelöst. Das kann man nicht auf dem Rücken der normalen Steuerbeamtinnen und -beamten austragen.
Ich bin auch der Auffassung, dass die Steuerzahlerinnen und -zahler ein Recht auf eine ordnungsgemäße Prüfung der Steuererklärung haben.
Ich weiß, die Finanzbeamtinnen und -beamten tun ihr Möglichstes und ihr Bestes. Das steht außer Frage. Aber Sie müssen doch berücksichtigen, dass es immer schwierigere und kompliziertere Steuerfälle gerade im Körperschaftsteuerbereich gibt oder auch bei den Steuerbetrugsverfahren. Wenn man auf die großen Finanzämter in München schaut, sind doch viele Steuerbetrugsverfahren zu bearbeiten.
Ich erinnere nur an den Kirch-Fall oder – wenn ich nach Nürnberg gehe – an den Fall Diehl, bei dem Sie letztlich mit der Finanzbeamtin noch nicht geklärt haben, wie die Sachlage zu beurteilen ist.
Und als sich beim Steuerverfahren Kirch der Steuerfahnder keine andere Hilfe mehr wusste, als einen Aktenvermerk zu dem zu schreiben, was er hier festgestellt hat – der wurde ja gar nicht mehr angehört, als die Vernehmung bei der Staatsanwaltschaft stattfand; deshalb hat er Ihnen einen Aktenvermerk ins Haus geschickt –, war dies das letzte Mittel, hier auf eine Tat aufmerksam zu machen, die nicht rechtmäßig abgelaufen ist. Wir wissen ja alle, dass das Verfassen von Aktenvermerken oft das letzte Mittel von Beamtinnen und Beamten ist.
Sie zeigen uns ja den Vermerk nicht. Ich habe sie dazu mehrfach aufgefordert. So könnten Sie ja aufklären, wie genau der Sachverhalt gewesen ist.
Nun zur Motivation der Beschäftigten! Gerade weil die Lage seit Jahren so ist, wie sie ist, wird den Beamtinnen und Beamten Besserung versprochen, wird ihnen sozusagen eine Wurst hingehalten, indem gesagt wird: Wenn es uns denn einmal besser gehen wird, dann werdet ihr alle befördert, und wenn es uns dann einmal besser geht, dann gibt es auch mehr Stellen.
Aber dieses Bessergehen kommt nie. Es hätte in den guten Steuerjahren auch die Gelegenheit gegeben, einmal einen Schwerpunkt auf die Verbesserung der Stellensituation in der Finanzverwaltung zu legen. Aber Sie haben das nicht getan.
Es ist schon auffällig, dass gerade die Finanzbeamtinnen und -beamten, die ja sonst ohne nennenswerte Klagen die Mehrarbeit schultern und auf sich nehmen, jetzt vermehrt öffentlich auftreten. Ich sage das vor dem Hintergrund der entsprechenden Petitionen. Wenn ich mir einmal ansehe, von wem alles Petitionen von Beamtinnen und Beamten des Finanzamtes Passau eingegangen sind – das Finanzamt Passau ist ja nicht gerade dafür bekannt, dass von dort Revolutionen losgetreten werden –, dann mag das, wenn 106 Beamtinnen und Beamte – ich habe es durchgezählt – unterschreiben und auf die Situation aufmerksam machen, schon etwas heißen. Dann sollten Sie das nicht mit einem Lächeln wegstecken, sondern sollten sich in der Tat, wenn Sie schon oft in die Finanzämter hinausfahren und sich dort umsehen, einmal mit den Beamtinnen und Beamten vor Ort unterhalten. Wenn Sie das tun, werden Sie dort nicht nur Lobendes hören. Das kann ich Ihnen versprechen.
Insgesamt – so muss ich sagen – kommen Sie den Anforderungen, die es in diesem Haushalt 06 gibt, nicht nach. Es bleibt eine Mangelverwaltung, und zwar leider schon seit langem. Dass die Finanzverwaltung bei uns noch funktioniert, haben wir in der Tat den übermotivierten, korrekten Beamtinnen und Beamten zu danken. Das kann man hier gar nicht oft genug wiederholen.
Ich kann auch nur allen Kolleginnen und Kollegen empfehlen, sich das einmal anzusehen; denn – wie gesagt – unter vielen anderen Einzelthemen und anderen Einzelhaushalten geht die Situation, die die seit Jahren vor Ort in den Finanzämtern ertragen müssen, gern unter. Es kann nicht so sein, dass diejenigen, die sich ruhig verhalten und meinen, sozusagen durch Mehrarbeit das kompensieren zu können, immer diejenigen sind, die übersehen werden und die bei Beförderungen und auch bei Stellenvermehrungen nicht bedacht werden.
Es erfordert allein schon die Gerechtigkeit, dass Sie sich hier mehr Ihrer Verwaltung annehmen. Natürlich darf es Ihnen als Finanzminister nicht Wurscht sein, wie viel Mehrerlöse wir durch eine intensivere Arbeit erzielen könnten. Ja, es muss Ihnen als Finanzminister geradezu ein Anliegen sein, dass die Steuereinnahmen, die dem Staat zustehen, auch erhoben werden.
Hier gibt es große Herausforderungen. Ich werde nicht nachlassen, die Umsatzsteuerkriminalität immer wieder anzusprechen. Hier muss etwas getan werden.
23 Milliarden Euro bundesweit – das werden Sie wohl nicht alles einnehmen können. Aber allein ein Bruchteil dieser 23 Milliarden Euro würde Sie vieler Sorgen in diesem Haushalt entheben. Dann könnte das eine oder andere unter der Rubrik „aus finanzwirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht machbar“ doch geleistet werden. Beim Blick hier in die Runde der Kolleginnen und Kollegen und der Ausschussvorsitzenden, sehe ich schon, wie etwa Sie, Herr Dr. Wilhelm, dieses Geld im Hochschulbereich notwendig brauchen könnten. Aber auch im Umwelt- und im Bildungsbereich wäre noch sehr viel Geld nötig. Herr Staatsminister, aus diesem Grunde bitten wir Sie – ich muss davon ausgehen, leider wieder vergeblich –, auf diesem Gebiet für Verbesserungen zu sorgen. Sie haben gesagt, Sie wollten unserer Bitte in unseren Anträgen nicht nachkommen. Deshalb werden wir diesen Haushalt ablehnen.
Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Zu einer zusammenfassenden Stellungnahme hat der Staatsminister der Finanzen das Wort, bitte schön.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Berichterstatter Sackmann hat sich beim Finanzminister mit guten Wünschen für mehr Steuereinnahmen bedankt. Das ist der beste Wunsch, den man als Finanzminister gegenwärtig entgegennehmen kann. Deshalb gebe ich diesen Dank gerne zurück; denn, Frau Kellner, das ist kein notorisch langweilig wiederholter Vorwurf oder Fingerzeig nach Berlin, dass dort eine Politik gemacht werde, die zu geringeren Steuereinnahmen führe, sondern der Hinweis auf den notwendigen Gesamtzusammenhang.
Ich komme gerade – deshalb war ich bei der Finanzdebatte über die Kommunen nicht dabei – von der Finanzministerkonferenz und einer nach der Konferenz stattgefundenen engen Runde ohne die Beamten, aber mit allen vollzählig anwesenden Finanzministern. Die Auffassungen und Klagen aller Finanzminister sind so massiv, dass man selbst in Kenntnis der eigenen Zahlen beeindruckt ist. Kaum ein Land wird nach der Steuerschätzung im November einen verfassungsmäßigen Haushalt vorlegen. Bayern hat gleichwohl trotzdem einen verfassungsmäßigen Haushalt. Es gibt keinen Minister, der nicht darauf hinweist, dass das das unmittelbare Ergebnis nicht vorhandenen Wachstums ist. Man darf doch in diesem Haus immer wieder die Frage stellen: Wer ist für Wachstum und Beschäftigung zuständig? Doch nicht wir hier. Das Problem ist vielmehr im Gesamtzusammenhang zu sehen. Dieser ist nicht auf die Weltwirtschaft zu schieben, sondern liegt in nationaler Verantwortung. Deshalb ist es kein billiger Hinweis, sondern ein Hinweis auf den Gesamtzusammenhang unserer gemeinsamen Not.
Herr Kollege Schieder, wir haben aktuelle Ergebnisse einer Kundenbefragung in der Steuerverwaltung durch unsere Bürger und Steuerzahler. Das Ergebnis: Die Durchschnittsnote 1,8 auf einer Schulnotenskala von 1
bis 6. Das ist definitiv ein Qualitätsnachweis, wie er früher so präzise nicht geführt werden konnte. Wir können stolz darauf sein, dass die Benotung durch die Bürger gegenüber der Finanzverwaltung so gut ist.
Eine zweite Kennziffer. Wir haben bei den Steuerrückständen die besten Zahlen. Auch das ist, wie jedermann weiß, der sich ein wenig sachkundig macht, ein Qualitätsbeweis. Ein Vergleich der Statistiken aller bundesdeutschen Oberfinanzdirektionen zeigt, dass die beiden Oberfinanzdirektionen München und Nürnberg mit die wenigsten Rückstände haben und nur von Stuttgart übertroffen werden. Alle anderen Oberfinanzdirektionen in Deutschland sind schlechter. Ist das ein Ausweis für mangelnde Qualität der Steuerverwaltung? – Weiß Gott nicht.
Wir haben in Bayern als drittes Kennzeichen der Qualität zusammen mit Hessen die höchste Steuerdeckungsquote im Haushalt. Bayern plant 2003 eine Steuerdeckungsquote von 77,1%, Niedersachsen dagegen 67%, also 10% weniger. Schaut das nach schlechter Steuerverwaltung aus? Sie bauen hier eine Schimäre auf, die ich zum Schutze meiner Mitarbeiter in der Steuerverwaltung mit Entrüstung und Empörung zurückweisen muss.
Nordrhein-Westfalens hat in der Steuerverwaltung 4400 Stellen abgebaut: Nordrhein-Westfalen reduziert zusätzlich 2002 unter anderem Folgendes: die Familien- und Kinderhilfe um 10 Millionen e, den Landesjugendplan um 12,2 Millionen e, die Frauenförderung um 2,1 Millionen e und die regionale Wirtschaftsförderung um 20,4 Millionen e. Wenn Sie noch einmal den Mut haben, Nordrhein-Westfalen als haushaltsmäßiges Beispiel anzuführen, werde ich Ihnen einen halbstündigen Vortrag über die Kürzungen in diesem Land halten. Seien Sie froh darüber, dass Sie in Bayern leben.
Ein wesentlicher Faktor der Belastung unserer Steuerverwaltung ist ohne Zweifel die Steuergesetzgebung. Bei der Vereinfachung waren auch die unionsregierten Länder nicht immer Weltmeister. Mea culpa, kann ich meinerseits nur sagen. Nur: So schnelle und hektische Änderungen im Steuerrecht wie gegenwärtig hatten wir noch nie. Ich erinnere an den berühmten Paragrafen 2 Absatz 3 des Einkommenssteuerrechts, der als erster Steuerparagraf die Ehre hatte, auf Seite 1 der „Bildzeitung“ abgebildet zu werden, um der bundesrepublikanischen Bevölkerung vorzuführen, den Paragrafen könne man zwanzig Mal durchlesen, aber niemand werde ihn verstehen. Ich habe ihn gelesen, aber auch noch nie verstanden, sondern mir seinen Inhalt erklären lassen müssen. Dass solch ein Unsinn natürlich auch administrative Unmöglichkeiten der Umsetzung nach sich zieht, ist klar. Oder nehmen Sie die – von mir in der Bundesrepublik Deutschland am schärfsten gegeißelte – Änderung der Körperschaftssteuersystematik. Wir nehmen heute nicht nur keine Körperschaftssteuer mehr ein, das war auch eine Verkomplizierung und eine Belastung unserer Verwaltung. Oder nehmen Sie das, was gegenwärtig diskutiert wird. Ich bekam am 16. Oktober einen Brief des
Bundesvorsitzenden der Deutschen Steuergewerkschaft, Ondracek, der zu uns nicht immer nett ist. Er schreibt Folgendes:
Mit Sorge erfüllt uns allerdings die Diskussion um die Wiederbelebung der Vermögenssteuer. Die Wiedereinführung der Vermögenssteuer bedeutet für die Steuerverwaltung massive Mehrarbeit. Nach unserer Berechnung sind für die flächendeckende Bewertung und die Bearbeitung einer Vermögenssteuer wenigstens 6000 neue Planstellen erforderlich.
Meine Kollegen von der Opposition, das heißt, wenn Sie hier 400 mehr Steuerbeamte fordern, die wir nicht gewähren können, weil wir in diesem Doppelhaushalt an keiner Stelle der bayerischen Verwaltung eine einzige zusätzliche Stelle gewähren, um stabil und solide zu bleiben, dann können Sie diese 400 Stellen gleich für die neue Vermögenssteuer verwenden. Aber das reicht immer noch nicht, sondern Sie müssen nochmals 200 Stellen drauflegen, um auf diese Weise den ideologischen Unsinn zu administrieren.