Protocol of the Session on October 9, 2002

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Erarbeitung des Berichtes hat in der Tat erhebliche Zeit in Anspruch genommen. Hintergrund war zunächst, dass wir erst die Berichte aus den anderen Ländern erhalten mussten. Das hat erhebliche Zeit gedauert. Bei einzelnen Ländern mussten wir auch mehrfach nachfragen. Als im August der Bericht fertig war, musste ich weitere Gespräche führen und mich dann auch selber zu einem Vorschlag durchringen. Das hat zu einer weiteren Verzögerung geführt. Das will ich hier ausdrücklich einräumen.

Kollege Memmel, es ist nicht so, dass in dem Bericht eindeutig festgestellt wird, dass es aufgrund des Wegfalls der Sperrzeit mit Ausnahme der Putzstunde nicht zu Beschwerden gekommen sei. Es ist auffällig, allerdings für mich nicht völlig überraschend, dass die Wahrnehmung in den einzelnen Ländern in Abhängigkeit von den jeweiligen Absendern der Stellungnahme unterschiedlich ist. Während die Innenministerien von Hessen, Nordrhein-Westfalen und des Saarlandes beispielsweise mitteilen, dass es keine Beschwerden gebe, teilen die kommunalen Spitzenverbände aus denselben Ländern mit, dass es massive Beschwerden gebe.

Ich selber bin nicht in der Lage festzustellen, wie diese Unterschiedlichkeit zu erklären ist; ist weiß allerdings – wir hatten ja auch unterschiedliche Erörterungen –, dass wir es letztlich damit zu tun haben, dass natürlich von den Wirten, jedenfalls von einem Teil der Wirte, eine möglichst weitgehende Freigabe verlangt wird, unabhängig davon, ob diese Möglichkeit dann wahrgenommen wird. Der Gaststättenverband hat als wichtiges Argument in den Besprechungen in meinem Hause immer wieder hervorgehoben, dass diese Möglichkeit in aller Regel sowieso nicht wahrgenommen würde, weil insbesondere die Beschäftigten der Gaststätten ganz froh seien, dass früher geschlossen werden könne. Gewerkschaften haben in anderen Bereichen – Stichwort Ladenschluss – auch immer darauf hingewirkt, dass bestimmte Öffnungszeiten eingehalten werden. Umge

kehrt sprechen die kommunalen Spitzenverbände davon, dass Fragen der Lärmbeschwerden eine massive Bedeutung hätten.

Für mich war immer der wichtigste Gesichtspunkt, dass wir eine Regelung haben, die es den Kommunen vor Ort ermöglicht, selber nach ihren örtlichen Gegebenheiten die Entscheidungen zu treffen.

Deswegen habe ich eigentlich – ich sage das ganz offen, das habe ich auch dem Hotel- und Gaststättenverband immer gesagt – nicht verstanden, warum wir jetzt eine landesweit gültige, breit anwendbare Regelung ändern sollen, wenn es möglich ist, nach den örtlichen Gegebenheiten eine zweckmäßige Regelung zu treffen. Man hätte beispielsweise in Nürnberg oder München über Jahre hinweg die Möglichkeit gehabt, eine Rechtsverordnung zu schaffen, die die tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten in der gesamten Stadt oder in Stadtteilen – Letzteres hielte ich für noch sehr viel vernünftiger –, in Gewerbegebieten oder in bestimmten Stadtteilen, die normalerweise „das Vergnügungsviertel“ sind, berücksichtigt, und für Stadtteile andere Regelungen schafft als beispielsweise für Wohngebiete. Dort kommen ja nicht nur Beschwerden aus der Nachbarschaft, sondern darüber hinaus auch Beschwerden wegen des Autoverkehrs insgesamt in dem Stadtviertel.

Deswegen war ich auch nicht überrascht, nachdem der Hotel- und Gaststättenverband im Sommer Rundfunkwerbung für den Wegfall der Sperrzeiten gemacht hatte, dass ich sehr viel mehr Schreiben bekommen habe von Leuten, die sagen: Wir brauchen eine Verlängerung der Sperrzeiten, es ist zu viel Lärm da. Solche Äußerungen habe ich sehr viel mehr bekommen als zur Unterstützung dessen, was mit der Rundfunkwerbung des Hotelund Gaststättenverbandes gewollt war.

Ich meine, es ist das eigentlich Zweckmäßige, wenn die Kommunen vor Ort eine Regelung treffen, die den örtlichen Gegebenheiten entspricht. Ich halte es nur für die zweitbeste Lösung, dass man sagt: Wir treffen vor Ort keine Regelung, wir wollen eine zentrale Regelung, die für ganz Bayern gilt. Deswegen wäre es das Richtige, wenn alle Parteien und alle Abgeordneten sagten: Liebe Bürgermeister, liebe Stadt- und Gemeinderäte, nehmt eure Möglichkeiten vor Ort ernst und trefft Regelungen, die den örtlichen Gegebenheiten entsprechen!

(Beifall bei der CSU und bei Abgeordneten der SPD)

Baden-Württemberg beispielsweise hat für Kurorte eine Sperrzeit eingeführt, die um 24 Uhr beginnt, weil man sagt, dort sind vor allem Gäste, die Ruhe wollen. Das sollen die Orte selber regeln. Ich kann heute nur als die wichtigste Botschaft sagen: Das ist aus meiner Sicht viel wichtiger als eine Antwort auf die Frage, wie wir das landesweit regeln. Die kommunalen Vertretungen, die Bürgermeister, die Gemeinde- und Stadträte sollen ihre Verantwortung wahrnehmen. Dabei kann man auch die unterschiedlichen Situationen in den einzelnen Stadtteilen berücksichtigen, was durch eine landesweite Regelung nicht möglich ist.

Die zweite Alternative, die Putzstundenregelung mit der Möglichkeit, dass die Gemeinden durch Verordnung oder im Einzelfall die Sperrzeit verlängern, ist mit vielen Schwierigkeiten und mit prozessträchtigen Gutachten verbunden. Darum war es die ganz übereinstimmende Bitte der kommunalen Spitzenverbände, die Last nicht einseitig auf die Kommunen zu verlagern, die dann zwar die Möglichkeit haben, im Einzelfall eine Verlängerung der Sperrzeit anzuordnen, was aber häufig zu Nachbarschaftskonflikten führt und von den Gaststätten angegriffen wird. Die Kommune hat dann im Einzelfall auch die Beweispflicht, dass es das Ruhebedürfnis gibt, Beschwerden und Ähnliches. Dafür sind im Prozess in aller Regel Gutachten vorzulegen. Deshalb ist das meines Erachtens eben nur die zweitbeste Lösung. Aber die Regelung über Verordnungen kann von den Kommunen getroffen werden; das scheint mir wichtig.

Wie ist es nun mit den landesweiten Regelungen? – Da meine ich – noch einmal unter Hinweis darauf, dass jede Stadt die Möglichkeit hat, den örtlichen Gegebenheiten entsprechende allgemeine Regelungen durch Rechtsverordnung zu erlassen –, dass wir landesweit die Sperrzeit unter der Woche um eine Stunde und am Wochenende, von Freitag auf Samstag und vom Samstag auf Sonntag, um zwei Stunden verkürzen, trotz der Bedenken der kommunalen Spitzenverbände und – das will ich hinzufügen – auch trotz der Bedenken aller Polizeipräsidien, die darauf hingewiesen haben, dass Fahrten unter Alkohol- und Drogeneinfluss in den späten Nachtstunden deutlich zunehmen.

Es handelt sich in der Tat um ein Anzeichen für die Veränderungen in den Lebensgewohnheiten junger Leute. Ich sage aber auch ganz offen, dass ich es nicht unbedingt für sehr erstrebenswert halte, dass meine Kinder, die in dem Alter sind, etwa zu den Zeiten heimkommen, wo ich wegfahre, und aus dem Haus gehen, wenn ich heimkomme. Es gibt zwar veränderte Lebensgewohnheiten, denen ein Stück entgegenzukommen vielleicht geplant ist, aber ob das unbedingt der sinnvollste Weg ist, will ich zumindest in Frage stellen.

(Zurufe von der CSU)

Aber noch einmal: Die Gemeinden können das in ihrer Liberalität so ändern, wie sie wollen.

Wir haben auch vor, eine weitere Regelung zu treffen, nämlich die so genannte Eilgenehmigung durch die Polizei. Bei kleinen Gemeinden gibt es da praktisch keine Schwierigkeiten, weil der Bürgermeister in der Regel bei den Feiern dabei ist. Wenn beispielsweise eine große Hochzeit ist, ist jeder Bürgermeister dabei, und es wird sehr schnell in informeller Weise die Sperrzeit verkürzt.

Ein Landtagsabgeordneter hat beschrieben, dass es früher in kleineren Polizeidienststellen so gehandhabt worden ist, dass man, wenn die Polizei vorbei gekommen ist, um die Sperrzeit zu kontrollieren, den Polizisten zu der Brotzeit mit eingeladen hat, die dann so lange verzehrt worden ist, bis die Feier zu Ende war.

(Zurufe von der CSU)

Das ist natürlich nicht der Sinn der Sache, sondern die nach dem geltenden Recht bereits dem Grunde nach vorhandene Möglichkeit soll flexibler gehandhabt werden, dass man, wenn sich eine Feier verzögert oder verlängert, meinetwegen eine Geburtstagsfeier in einer Gaststätte, eine Eilgenehmigung beantragen kann. Die Polizei wird sie erst dann verweigern, wenn ohnehin schon Beschwerden aus der Nachbarschaft wegen des Lärms vorliegen; die Polizei wird sie auch dann verweigern, wenn sich herausstellt, dass irgendein Schlamper die Sperrzeitverkürzung eben nicht regulär beantragt hat und den anscheinend günstigeren Weg über den schnellen Telefonanruf bei der Polizeidienststelle wählt. Aber sie wird dann genehmigt werden, wenn es sich um eine überraschend erforderlich werdende Verlängerung der Öffnungszeit handelt. Damit können meines Erachtens auch Möglichkeiten geschaffen werden, die erhebliche Anzahl von Bußgeldbescheiden im Zusammenhang mit der Überschreitung der Sperrzeit zu verringern.

Die Gebühren sind im CSU-Antrag angesprochen worden. Wir werden eine Lösung möglichst ohne Änderung der gesetzlichen Grundlagen auf der Basis des geltenden Rechts suchen. Zwar wird sich, nachdem der Verwaltungsaufwand geringer ist, die wirtschaftliche Bedeutung etwas erhöhen, aber man kann damit zu degressiven Gebühren kommen.

Eine abschließende Bemerkung, meine lieben Kolleginnen und Kollegen: Ich verstehe ehrlich gesagt die Emotionen nicht, die wir hier auf der Landesebene zu diesem Thema haben; denn das Richtigste wäre – ich kann es nur immer wiederholen –, dass man vor Ort die Möglichkeiten wahrnimmt. Während von Herrn Kollegen Dr. Runge dargestellt worden ist, dass häufig die Feigheit vor Ort siegen würde, glaube ich das nicht, sondern meine, dass unter Umständen vor Ort eben die bisherige Form der Handhabung als angemessen angesehen worden ist.

Was man vielleicht stärker bekannt machen müsste, ist, dass innerhalb eines Ortes für bestimmte Teilgebiete unterschiedliche Regelungen eingeführt werden können, zum Beispiel für Gewerbegebiete. Denken Sie an Autohöfe nahe der Autobahn, bei denen es selbstverständlich, ja sogar vorgeschrieben ist, um in die entsprechenden Verzeichnisse aufgenommen zu werden, dass man rund um die Uhr Speisen anbietet. Derartige unterschiedliche Regelungen können auch für andere Bereiche getroffen werden.

Das ist der entscheidende Gesichtspunkt. Die hohen Emotionen auf Landesebene verstehe ich demgegenüber nicht, aber wir wollen hier einen vernünftigen Kompromiss zwischen unterschiedlichen Interessen herbeiführen. Dass auch das Ruhebedürfnis der Bürger ein wichtiges Interesse ist, sieht man übrigens an der Reaktion in den Leserbriefspalten der Zeitungen. Dort ist überwiegend nicht positiv kommentiert worden, was hierüber aus der Tagung der CSU-Fraktion in Banz berichtet worden ist, sondern in den Leserbriefen hat man sich hierzu eher kritisch geäußert. Ich meine, das ist eben auch nur ein Ausdruck dessen, dass sich vor allem diejenigen zum Schreiben aufraffen, die leid- und ärgerge

prüft sind, während möglicherweise eine schweigende Mehrheit sagt: Die werden das schon richtig machen!

Im Übrigen werden die Kommunalpolitiker von den Möglichkeiten der Justierung vor Ort Gebrauch machen. Ich meine, dass deswegen der Dringlichkeitsantrag der CSU richtig ist, während ich den Dringlichkeitsantrag der GRÜNEN für falsch halte, weil er dem Bedürfnis nach Lärmschutz nicht genügend Rechnung trägt. Herr Kollege Memmel, ich füge an – dies ist allerdings lediglich meine persönliche Meinung –: Wenn man am Werktag schon bis vier Uhr gehen will, verstehe ich nicht, warum man nicht gleich bis fünf Uhr geht. Dass man für die Zeit zwischen vier und fünf Uhr noch eine Genehmigung braucht, ist für mich reiner Bürokratismus. Sie hätten da schon ein bisschen mehr Mut haben und gleich sagen sollen, dass der Antrag der GRÜNEN besser ist als Ihrer von der SPD. Dies wäre, wenigstens aus meiner Sicht, eine konsequente Haltung gewesen.

(Beifall bei der CSU)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Dazu werden die Anträge wieder getrennt.

Wer dem Dringlichkeitsantrag auf der Drucksache 14/10207 – das ist der Antrag der SPD-Fraktion – seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Das sind die Fraktion der CSU, Kollege Hartenstein, Kollege Hahnzog und Kollege Brandl. Stimmenthaltungen? – Kollege Niedermeier. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Wer dem Dringlichkeitsantrag auf der Drucksache 14/10235 – das ist der Antrag der CSU-Fraktion – seine Zustimmung geben will, den bitte ich ebenfalls um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion der CSU. Gegenstimmen? – Das sind die Fraktion der SPD und Kollege Hartenstein. Stimmenthaltungen? – Das sind die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, Kollege Niedermeier, Frau Dodell und Kollege Welnhofer. Damit ist der Dringlichkeitsantrag angenommen.

Wer dem Dringlichkeitsantrag auf der Drucksache 14/10243 – das ist der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die SPD-Fraktion und die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Das sind die CSU-Fraktion, Kollege Hahnzog, Kollege Brandl, Kollege Hartenstein und Frau Grabmair. Stimmenthaltungen? – Frau Kollegin Dodell. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Ich darf jetzt Kollegen Hahnzog bitten, seine Erklärung zum Abstimmungsverhalten abzugeben.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe

gegen alle drei Anträge gestimmt. Ich habe neun Jahre lang das schwierige Geschäft des Kreisverwaltungsreferenten und Leiters der Gaststättenabteilung in München praktiziert. Dort geht es um einen ungeheuer schwierigen Abwägungsprozess zwischen dem Bedürfnis, Gaststätten aufzusuchen, und dem Ruhebedürfnis der Anwohner. Es kann nicht sein, dass die Beweislast bei den Anwohnern liegt. Es kommt auch nicht nur auf den Lärm der Gaststätte an, der durch bauliche Maßnahmen vielleicht nicht genügend abgeschirmt ist, sondern das Entscheidende ist, dass die Leute, wenn sie die Gaststätte verlassen, vor der Gaststätte ratschen, bis die Anwohner etwas herunterschmeißen, dass Autos gestartet werden und mit Vollgas wegfahren. Dies sind die Probleme. Außerdem ist für mich sehr wichtig, dass die örtlich verantwortlichen Vertretungsorgane – in München sind das die Bezirksausschüsse – eine wesentlich stärkere Rolle bei der Beurteilung im Rahmen dieses Abwägungsprozesses spielen.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktionen sind übereingekommen, dass alle übrigen Dringlichkeitsanträge in die zuständigen Ausschüsse verwiesen werden.

Zum Schluss der Tagesordnung darf ich noch die Abstimmungsergebnisse der vorhergehenden namentlichen Abstimmungen mitteilen.

Dringlichkeitsantrag der CSU-Fraktion betreffend „Stärkung der finanziellen Situation der Kommunen“, Drucksache 14/10206. Mit Ja haben 96 Abgeordnete gestimmt, mit Nein 68, Stimmenthaltungen: keine. Damit ist dieser Dringlichkeitsantrag angenommen.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 5)

Dringlichkeitsantrag der SPD-Fraktion betreffend „Verantwortung für Bayerns Kommunen wahrnehmen“, Drucksache 14/10238. Mit Ja haben 57 Abgeordnete gestimmt, mit Nein 94, Stimmenthaltungen: 12. Damit ist dieser Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 6)

Dringlichkeitsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend „Finanzsituation der Kommunen verbessern“, Drucksache 14/10242. Mit Ja haben 67 Abgeordnete gestimmt, mit Nein 94, Stimmenthaltungen: keine. Damit ist dieser Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 7)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich schließe die Sitzung und wünsche Ihnen noch einen angenehmen Abend.

(Schluss: 17.57 Uhr)