Protocol of the Session on October 8, 2002

Die Steuerreform ist bereits erfolgt mit einer Senkung des Spitzensteuersatzes der Einkommensteuer von 53% auf 42% und mit einer Senkung des Eingangssteuersatzes von 25,7% bis auf jetzt schon unter 20%. Der Eingangssteuersatz soll auf 15% zurückgehen.

Der Mittelstand braucht erstens Aufträge. In Bayern wurde eine große Chance vertan. Die High-Tech-Offensive, in die Milliarden von Mark hineingeflossen sind, ist am Mittelstand mehr oder weniger vorbeigegangen. Von der High-Tech-Offensive hat der Mittelstand in Bayern so gut wie nichts profitiert. Damit wurde eine Chance für den von Ihnen und auch von uns hochgelobten Mittelstand vertan.

Ich komme zur zweiten Forderung, der Forderung nach einer vernünftigen Finanzierung.

(Willi Müller (CSU): Bei der SPD ist der Mittelstand nicht gut angesehen!)

Die Bundesregierung hat hier mit ihrem Einsatz bei den Baseler Beschlüssen einen großen Erfolg erzielt. Die Beschlüsse, welche die Bundesregierung erfolgreich erzielt hat, müssen auch im Freistaat Bayern mit den Banken, Sparkassen und Raiffeisenbanken realisiert werden. Hier ist noch eine Menge zu tun. Mit unseren Anträgen wollen wir erreichen, dass Bayern handelt und sich nicht herausredet.

Die dritte Forderung waren qualifizierte Mitarbeiter für den Mittelstand. Wir sind uns sicher darin einig, dass das Handwerk den größten Teil des Mittelstands ausmacht. Die Handwerkskammern in Bayern verweisen darauf, dass die Absolventen unserer Hauptschulen zum Teil nicht mehr die Voraussetzungen erfüllen, die notwendig sind, um eine Lehre zu absolvieren. In Nürnberg hat die Handwerkskammer das so deutlich formuliert, dass die „Abendzeitung“ geschrieben hat“ SOS, das Handwerk sagt, Hauptschüler sind zu dumm für die Lehre“. Das ist gewiss überspitzt formuliert, aber es zeigt, wo die Gefahren liegen. Da muss auch in Bayern gehandelt werden.

Wir hatten ein ganzes Paket von Mittelstandsanträgen vorgelegt, wovon nur einige in veränderter Form angenommen wurden. Der Hauptteil wurde leider nicht angenommen.

Die CSU kündigt seit dem letzten November an, dass sie nach Gesprächen mit den verschiedenen Mittelstandsverbänden und -organisationen ein eigenes Mittelstandsprogramm vorlegen wird. Das ist bis heute nicht geschehen. Ein paar kleinere Ankündigungen hat es gegeben, aber man kann sagen: Der Berg kreißte und gebar ein Mäuslein.

(Zurufe von Abgeordneten der CSU: Ha, ha!)

Als einziges wurde eine Liste mit Forderung der Staatsregierung vorgelegt, die sie als Mittelstandspolitik ausgab. Diese Forderungen gipfelten dann darin, Arbeitnehmerrechte an allen Ecken und Enden zu kürzen. Ich sage nur ein Beispiel: die Kürzung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Das alles sind Dinge, die dem Mittelstand bei seinen Hauptproblemen nicht weiterhelfen, sondern nur Randthemen betreffen. Wenn man hingegen anschaut, wie sich die CSU – insbesondere aber Ministerpräsident Stoiber – bei praktischen Entscheidungen verhält, muss man sagen, dass der Mittelstand verraten und verkauft wird. Hierzu nenne ich zwei Beispiele. Erstens: die Factory-Outlet-Center. Der Druck amerikanerischer Firmen und Organisationen hat ausgereicht umzufallen. Das zweite Beispiel ist das Dosenpfand.

(Beifall der Frau Abgeordneten Werner-Muggendor- fer (SPD))

Ich komme jetzt zu unseren Anträgen. Was ist in Bayern zu tun? – Es geht nicht darum, auf andere zu verweisen, sondern das zu tun, was man vor der eigenen Haustür tun kann. Wir haben in einem Antragspaket zusammengestellt, was man tun kann. Heute stehen hier zu endgültigen Abstimmung folgende vier Anträge: „Finanzierung

aus einer Hand für Kreditsuchende“, „Meisterbrief für Eigenkapitalhilfe“, „Mitarbeiter als Eigentümer bei Handwerk und Mittelstand“ und „Meisterbrief als Zulassungsvoraussetzung für Fachhochschulstudium anerkennen“. Diese Forderungen, meine Damen und Herren und liebe Kolleginnen und Kollegen, sind mit dem Bayerischen Handwerk abgestimmt. Herr Kollege Traublinger ist im Moment nicht mehr da, ich habe ihn zuvor aber gefragt. Wir haben diese Anträge nach einer längeren Diskussion mit den Verbänden und den Innungen gestellt. Das hätten Sie auch machen sollen. Das Paket hat zwei Schwerpunkte: die Finanzierung und qualifizierte Mitarbeiter.

Zu den einzelnen Anträgen. Die Finanzierung aus einer Hand für Kreditsuchende wurde von allen gefordert und gewünscht. Ich gebe zu, hier ist es auch wichtig, wie sich das Ganze organisatorisch auf Bundesebene darstellt. Wichtig aber ist, dass wir in Bayern bereit sein müssen, mit den Bundesorganisationen KfW und DtA eine gemeinsame Plattform zu finden, damit dem jeweiligen Mittelständler ein einziger Ansprechpartner gegenüber steht.

Nun zum zweiten Antrag, bei dem es um den Meisterbrief für Eigenkapitalhilfe geht. Wir fordern die Staatsregierung darin auf, über die LfA als Förderbank ein Programm vorzulegen, damit der Meisterbrief bei der Gründung oder Übernahme von Betrieben als Basis der Eigenkapitalhilfe eingesetzt werden kann. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, häufig kostet eine Meisterausbildung im Handwerk zwischen 10000 und 20000 e, manchmal sogar noch mehr. Das ist sehr viel Geld, das berufsbegleitend aufgebracht werden muss. Hier besteht eine Ungleichstellung gegenüber dem Hochschulstudium. Auf der anderen Seite aber ist der Meisterbrief ein guter Garant dafür, dass die Firma auch vernünftig geführt wird. Deshalb gibt es auch die hohen Anforderungen bei der Ablegung des Meisterbriefes. Wir sagen nun, man sollte dem jeweiligen Übernehmer einer Firma diese 10000 bis 20000 e als Eigenkapital zur Verfügung stellen. Wenn der Betrieb dann Konkurs anmelden muss, ist die LfA dafür verantwortlich und nicht der Firmengründer. Das ist durch die LfA auch finanzierbar und liquidierbar.

Nun zum nächsten Antrag. Bei großen Unternehmen nutzt man die Möglichkeit, dass eigene Unternehmen zu finanzieren, indem man die Mitarbeiter als Miteigentümer einsetzt. Diese Möglichkeit sollte auch für kleinere Betriebe bestehen.

Der letzte Antrag enthält die langjährige Forderung des Handwerks, den Meisterbrief als Zulassungsvoraussetzung für das Hochschulstudium anzuerkennen. Wir beantragen für diesen Antrag namentliche Abstimmung, wir wollen namentlich festgehalten wissen, wie Sie zu dieser Forderungen des Handwerks stehen.

(Beifall der Frau Abgeordneten Werner-Muggendor- fer (SPD))

Wir fordern, dass jeder, der eine abgeschlossene Meisterausbildung hat, an den Fachhochschulen zum Studium zugelassen wird. Andere Bundesländer sind uns

hier voraus, sie haben diese Möglichkeit bereits. Eine ausführliche Begründung dieser Forderung finden Sie in den jeweiligen Stellungnahmen der Handwerkskammern. Die Arbeitsgemeinschaft der Handwerkskammern und der Bayerische Handwerkstag haben zu diesem Antrag Folgendes geschrieben:

Die SPD-Landtagsfraktion greift hier eine Forderung auf, die vom Handwerk bereits seit längerem erhoben wird. Ausschlagend für die Berechtigung dieser Forderung ist nicht zuletzt die Untersuchung der Universität Oldenburg, in der festgestellt wird, dass Personen mit Meisterqualifikation studierfähig sind und die Forderungen des Hochschulstudiums ohne größere Probleme bewältigen können.

Nun können Sie natürlich sagen, dass sich diese Untersuchung auf Oldenburg bezieht, und das liegt in Niedersachsen. Herr Traublinger ist wieder da. Ich bedanke mich dafür und hoffe, dass Sie in diesem Punkt vernünftig abstimmen werden.

Das also schreibt der Bayerische Handwerkstag und die Arbeitsgemeinschaft der Bayerischen Handwerkskammern. Meine Damen und Herren, ich bitte Sie um Zustimmung zu unseren Anträgen, insbesondere aber zu unserer Forderung, die Meister an die Fachhochschulen zu lassen.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Pschierer.

Herr Präsident, Hohes Haus! Lieber Kollege Scholz, eigentlich wollte ich ganz konkret auf die von Ihnen vorgelegten Anträge eingehen, die Sie dem Hohen Haus als „Offensive Handwerk und Mittelstand“ verkaufen wollten. Ich sehe mich jetzt aber doch gezwungen, auf einige Ihrer Eingangsbemerkungen einzugehen. Sie haben die Frage gestellt: Was braucht der Mittelstand? Diese Frage, Herr Scholz, lässt sich ganz einfach beantworten: Der Mittelstand braucht andere Rahmenbedingungen, und zwar nicht vom Freistaat Bayern, sondern von Berlin.

(Beifall bei der CSU)

Wenn Sie hier so tun, als ob in den letzten Jahren im Freistaat Bayern keine Mittelstandspolitik gemacht worden wäre, dann ist das Täuschung. Das ist eine Täuschung der Mittelständler und der Wähler in Bayern.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dosenpfand!)

Ich sage Ihnen ein paar Beispiele. Was mich am meisten bei Ihnen, Herr Kollege Scholz, geärgert hat, das ist, was Sie zum Thema Hightech-Offensive sagten. Sie haben sich hierher gestellt und erklärt, das Thema sei am bayerischen Mittelstand vorbeigegangen. Gehen Sie doch hinaus in das Land. Ob in Franken, in Schwaben, in Oberbayern, in Niederbayern oder in der Oberpfalz – in jedem Regierungsbezirk gibt es inzwischen regionale

Existenzgründerzentren. Sie wurden alle aus Mitteln der Hightech-Offensive gefördert, und dies auch zum Nutzen des bayerischen Mittelstandes.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Scholz (SPD))

Nun zum zweiten Thema, der Finanzierung. Sie sprechen dabei von Basel II. Basel II ist für viele Mittelständler und auch für viele Banken kein Thema mehr. Ob es Ihnen passt oder nicht, die Banken haben das schon lange vorweggenommen. Was unseren Mittelständlern das Leben schwer macht, das ist die miserable Eigenkapitalausstattung. Gehen Sie doch in die Betriebe hinein und sehen Sie sich dort die Eigenkapitalausstattung beim Handwerk, beim Handel, ganz allgemein beim Mittelstand an. Die Eigenkapitalquote ist miserabel. Ich sage Ihnen auch, Herr Scholz, warum sie so miserabel ist. Sie ist dies, weil Sie in Berlin eine miserable Steuerpolitik gemacht haben und dies nach wie vor tun.

(Beifall bei der CSU – Zurufe von Abgeordneten der SPD)

Auch wenn Sie es nicht gern hören, meine Damen und Herren von der Opposition: Wir werden Sie daran messen, was Sie den Leuten bis zum 22. September 2002 erzählt haben. Sie haben erzählt, was Sie angeblich alles Gutes für den Mittelstand getan haben und was Sie noch Gutes tun wollen. Tatsache ist: Im Jahr 2001 haben Sie – –

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Scholz (SPD))

Herr Scholz, hören Sie zu, hier können Sie etwas lernen.

Im Jahr 2001 haben Sie die Kapitalgesellschaften der Bundesrepublik Deutschland um sage und schreibe 6 Milliarden Euro entlastet; die Personengesellschaften – den kleinen Handwerker, den Einzelhändler – um 0,7 Milliarden Euro.

(Dr. Scholz (SPD): Um 21 Milliarden Euro!)

Das ist eine eklatante Ungleichbehandlung.

(Frau Radermacher (SPD): Das stimmt doch überhaupt nicht!)

Sie haben die Abschreibungsbedingungen verschlechtert, Sie haben die Ökosteuer, die unsere mittelständischen Betriebe ebenfalls belastet, erhöht, Sie haben das Betriebsverfassungsgesetz novelliert. Haben Sie sich jemals die Frage gestellt, was es für einen Mittelständler bedeutet, das umzusetzen, was Firmen wie Siemens und BMW umsetzen müssen: Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit, Kündigungsschutz und vieles andere? Das sind alles wohl gemeinte Dinge, das ist zum Teil aber mittelstandsfeindlich. Herr Dr. Scholz, diese Dinge haben nicht dazu gedient, dass der Mittelstand in den letzten Jahren Arbeitsplätze und Ausbildungsplätze geschaffen hat. An das Thema der 630-DM-Beschäftigungsverhältnisse will ich hier gar nicht mehr erinnern. Tatsache ist und bleibt: Die rot-grüne Bundesregierung

hat in der Nachkriegszeit mit die ungerechteste Steuerpolitik für den Mittelstand gemacht.

(Beifall bei der CSU – Frau Biedefeld (SPD): Deshalb haben wir die Wahl gewonnen!)

Ich habe Zweifel daran, ob es Ihnen gelingt, etwas zu ändern. Davon war heute schon in der Aktuellen Stunde die Rede. Da hat man gemeint, Sie könnten vor Kraft nicht mehr laufen. Bei dem Einfluss, den Sie in Berlin haben, habe ich Zweifel. Es ist völlig egal, wer in Berlin regiert: rot-grün oder die Union. Sie werden in Berlin nicht gefragt und nicht gehört.

(Gartzke (SPD): Aber Ihr auch nicht!)

Ich bitte Sie: Machen Sie wenigstens Ihren Einfluss geltend, damit das Bundesland, das die meisten Mittelständler hat, das die meisten Existenzgründer hat und das die höchste Selbstständigenquote hat eine andere Steuerpolitik und andere Rahmenbedingungen bekommt. Herr Kollege Dr. Scholz, ich würde es begrüßen, wenn Sie sich nicht darauf beschränkten, auf ein paar Anträge die Worte „Offensive Handwerk“ – draufzuschreiben. Das ist nichts anderes als ein Etikettenschwindel.

(Beifall bei der CSU – Dr. Scholz (SPD): Was haben Sie denn?)

Schauen Sie sich die Anträge einmal an. Damit retten Sie im Freistaat Bayern keinen einzigen Betrieb und schaffen keinen einzigen Arbeitsplatz.

Ich will jetzt ganz konkret auf die drei Anträge eingehen. Auf den vierten Antrag wird Kollege Prof. Dr. Stockinger eingehen. Der erste Antrag auf Drucksache 14/9087 fordert die Staatsregierung auf, für Existenzgründer in Bayern die Fördermöglichkeiten der LfA-Förderbank, der Kreditanstalt für Wiederaufbau und der Deutschen Ausgleichsbank zu bündeln und den Kreditnehmern gemeinsam anzubieten. Fragen Sie einmal jemanden, der in der Beratungspraxis tätig ist. Fragen Sie einmal die Verantwortlichen im Handwerk. Das ist im Freistaat Bayern längst Praxis. Die LfA berät und bietet gemeinsam mit anderen Instituten diese Finanzierungsinstrumente an. Wir hatten allein im letzten Jahr 2400 Förderfälle im Bereich des Mittelstandskreditprogramms. Diese wurden hervorragend abgewickelt. Es bedarf keines Antrages von Ihnen, Herr Dr. Scholz, um die Abgrenzung von Deutscher Ausgleichsbank, Kreditanstalt für Wiederaufbau und LfA zu konkretisieren. Was Sie fordern, Herr Dr. Scholz, läuft längst.