Protocol of the Session on July 17, 2002

(Abstimmungsliste siehe Anlage 5)

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 22

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Maget, Werner-Muggendorfer und Fraktion (SPD)

Verjährung für Hochwassergeschädigte vom Hochwasser 1999 aussetzen (Drucksache 14/9455)

Ich eröffne die Aussprache. Die Redezeit beträgt 15 Minuten pro Fraktion. Ich wäre dankbar, wenn sich die Fraktionen kürzer fassen könnten. Dann könnten wir noch abstimmen. Denn wir wollen um halb sieben Uhr die Sitzung schließen.

Die erste Wortmeldung kommt von Frau Kollegin Werner-Muggendorfer.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich den Antrag gar nicht gestellt und wir müssten jetzt nicht noch dableiben. Der Antrag wäre nicht notwendig gewesen, wenn aufseiten der Staatsregierung schon im Vorfeld so entschieden worden wäre, wie wir heute hoffentlich einstimmig entscheiden werden.

Ich will Ihnen ganz kurz sagen, worum es geht. Ich habe auf brieflichem Wege versucht, für die durch die Hochwasserkatastrophe von 1999 Betroffenen zu erreichen, dass auf die Einrede der Verjährung verzichtet wird. Ich bin leider wie der Buchbinder Wanninger von einem Ministerium an das andere verwiesen worden, weil niemand diese Entscheidung treffen wollte. Da war ich sozusagen gezwungen, einen Antrag zu stellen, um Sie mitentscheiden zu lassen, wie wir uns dazu verhalten sollten.

Natürlich ist inzwischen Zeit vergangen. Das wurde den Betroffenen ein bisschen zum Vorwurf gemacht. Man hat gefragt, weshalb sie so lange mit der Einreichung der Klage gewartet haben.

Das Hochwasser 1999 will ich jetzt nicht Revue passieren lassen. Es ist bei uns an der Donau, wo wir am stärksten betroffen waren, immer noch ein sehr großes Thema. Die Auswirkungen sind bei weitem noch nicht beseitigt, und die Leute haben das Hochwasser finanziell noch nicht verkraftet.

Noch immer wird die Schuldfrage diskutiert. Es wird darüber geredet: Irgendjemand muss doch schuld daran sein, dass diese Katastrophe damals passiert ist. Es war ja der Damm gebrochen; das sage ich zur Erinnerung. Die Schuldfrage beschäftigt die Leute also.

Außerdem geht es um die Frage des Schadenersatzes, was logisch ist, wenn man finanzielle Probleme bekommt, weil man sehr viel renovieren musste. Es sind schon Klagen eingereicht worden, und es gibt Leute, die Klage einreichen wollen. Aber am 24. Mai endete die Frist für die Einreichung von Klagen. Da kam der Gedanke auf, dass auf die Einrede der Verjährung verzichtet werden sollte.

Dies ist auch der Inhalt meines Antrags gewesen. Erfreulicherweise haben sich die Kolleginnen und Kollegen im Verfassungsausschuss – ich möchte mich ausdrücklich bei allen herzlichst bedanken – sehr bemüht und geschunden, zu einer vernünftigen Lösung zu kommen. Es gab auch Hilfsanträge. Ich möchte mich bei den Kollegen Dr. Hahnzog, Leeb und Dr. Merkl bedanken, dass sie versucht haben, eine Lösung für alle zu finden. Die gefundene Lösung ist keine für mich, sondern eine für die Betroffenen.

Ich möchte feststellen, dass es für die Betroffenen eine große finanzielle Belastung wäre, wenn sie das Prozessrisiko auf sich nähmen. Denn der Durchschnitt des Streitwerts liegt bei 100000 Euro. Das läuft darauf hinaus, dass der Einzelne etwa 12000 Euro zu tragen hätte. Dieses Geld hat fast niemand, hinter dem keine Rechtsschutzversicherung steht. Deshalb ist es wichtig, über einige Präzedenzfälle zu entscheiden. Danach kann man entscheiden, ob man noch einmal klagt. Diese Lösung wurde mit Hilfe des erarbeiteten Beschlussvorschlags erreicht. Ich darf ihn einmal vorlesen, weil er jetzt anders lautet, als es ursprünglich in dem Antrag formuliert war:

Die Staatsregierung wird aufgefordert, unter bestimmten Voraussetzungen die Verjährungseinrede gegen Ansprüche von Geschädigten der Hochwasserkatastrophe 1999 im Donaugebiet nicht ohne weiteres geltend zu machen.

Danach werden die Voraussetzungen beschrieben. Wenn also ein schuldhaftes Verhalten des Freistaats in einem der Prozesse festgestellt würde, wären auch die anderen in der Lage, eine Klage einzureichen, und auf die Einrede der Verjährung sollte dann verzichtet werden. So steht es auch in der Formulierung.

Ich bedanke mich noch einmal, dass diese Lösung gefunden wurde. Sie ist für alle eine Hilfe. Sie ist besser als nichts. Ich muss allerdings sagen: Es ist eine Hilfskonstruktion. Immerhin freue ich mich persönlich darüber, dass es möglich war, diese Lösung zu finden. Ich hoffe, dass wir diese Lösung jetzt einstimmig annehmen. Danke schön.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön, Frau Kollegin WernerMuggendorfer.

Der nächste Redner ist Herr Kollege Leeb.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der federführende Ausschuss hat am 16. Mai diesen Antrag behandelt, also wenige Tage vor dem 23. Mai, an dem Schadensersatzansprüche Geschädigter gegen den Freistaat Bayern eventuell verjährt wären. Wir hatten eine wenig gesicherte Beratungsgrundlage. Denn einerseits war am Vortag der Fragestunde seitens des Staatsministers Schnappauf mitgeteilt worden, nach rechtlicher und fachlicher Prüfung

gehe sein Haus davon aus, dass Schadensersatzansprüche gegen den Freistaat Bayern nicht gegeben seien. In den Beratungen des Ausschusses wurde allerdings aus Kollegenkreisen vorgetragen, man wisse, dass einzelne Geschädigte zwischenzeitlich Klage erhoben hätten unter Hinweis auf ein gegenteiliges Privatgutachten. Wir waren natürlich im Unklaren darüber: Gibt es Schadensersatzansprüche gegenüber dem Staat oder nicht? Wir konnten letztlich nicht gesichert entscheiden.

Wir sind allerdings der Auffassung gewesen, dass eine Entscheidung entsprechend dem ursprünglichen Antrag wohl nicht möglich sein würde, und zwar deshalb, weil, wenn es um Schadensersatzforderungen an den Staat geht, sich der Staat und der Bürger gleichgeordnet gegenüberstehen und es von vornherein nicht als unanständig gelten kann, dass sich auch der Staat aus Gründen des Rechtsfriedens auf die Einrede der Verjährung beruft, zumal höchstwahrscheinlich auch haushaltsrechtliche Grundsätze gegen einen ausdrücklichen und generellen Verjährungsverzicht sprechen würden.

Auf der anderen Seite wussten wir natürlich auch, dass in zeitlichem Zusammenhang mit der Unwetterkatastrophe die Staatsregierung den Betroffenen zugesichert hatte, sie wolle nach Möglichkeit schnell und unbürokratisch helfen. Wir sind dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass, wenn tatsächlich ein vorwerfbares schuldhaftes Verhalten von Bediensteten des Staates vorliegen würde und damit die rechtlichen Voraussetzungen für einen Amtshaftungsanspruch gegeben wären, es unbillig sein könnte, dass diejenigen, die fristgerecht Klage erhoben haben oder einen Prozesskostenhilfeantrag gestellt haben, zur Befriedigung ihres Anspruchs kommen könnten, während diejenigen, die aus welchen Gründen auch immer keine Klage eingereicht haben, unter Umständen leer ausgehen würden.

Deswegen haben wir eine Formulierung gefunden, die abweichend vom Ausschussbeschluss zur Abstimmung gestellt werden soll. Sie geht davon aus – Frau Kollegin Werner-Muggendorfer hat es teilweise zitiert –, dass die Staatsregierung aufgefordert wird, unter bestimmten Voraussetzungen die Verjährungseinrede nicht ohne weiteres geltend zu machen.

Diese Voraussetzungen sind:

Erstens. In den anhängigen Verfahren wird rechtskräftig ein schuldhaftes, vom Freistaat Bayern zu vertretendes und für den jeweiligen Schaden ursächliches Fehlverhalten von Gewicht festgestellt.

Zweitens. Es besteht eindeutige Vergleichbarkeit hinsichtlich der Sach- und Rechtslage.

Drittens. Die Frage des Verzichts auf die Verjährungseinrede wird in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände sachlich geprüft.

Das bedeutet im Klartext nicht von vornherein einen automatischen Verzicht für jedermann, der hier Ansprüche geltend macht, sondern ein eventueller Verzicht auf die Einrede der Verjährung kommt dann in Betracht, wenn zuvor eine Amtspflichtverletzung von Bediensteten

des Freistaats Bayern festgestellt wurde, wenn die Ansprüche, um die es im Einzelfall geht, vergleichbar sind mit den gerichtlich entschiedenen Ansprüchen und wenn auch sonst die besonderen Umstände dafür sprechen, dass der Staat sich nicht auf die Verjährung beruft.

Wir gehen davon aus, dass so verfahren werden kann und bitten, im Sinne dieser so gefundenen Kompromissformel abzustimmen.

(Beifall bei der CSU)

Jetzt hat Frau Kollegin Paulig das Wort.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Paulig (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Sie verzichtet. Dann kommen wir zur Abstimmung. Es lagen unterschiedliche Voten der Ausschüsse vor. Die Fraktionen haben sich auf die neue Formulierung geeinigt. Der Vorspann lautet: Die Staatsregierung wird aufgefordert, unter bestimmten Voraussetzungen die Verjährungseinrede gegen Ansprüche von Geschädigten der Hochwasserkatastrophe 1999 im Donaugebiet nicht ohne weiteres gelten zu lassen. Diese Voraussetzungen sind... – das hat Herr Kollege Leeb soeben vorgetragen; Sie kennen also den Text.

Wer dem Dringlichkeitsantrag in dieser Neufassung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Das ist die Fraktion der CSU, die Kollegin Grabmair, die Fraktion der SPD sowie die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gibt es Gegenstimmen? – Ich sehe keine. Stimmenthaltungen? – Auch keine. Dann ist das so beschlossen.

Jetzt gebe ich Ihnen noch das Ergebnis der Abstimmung zum Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Maget, Prof. Dr. Gantzer und Fraktion betreffend Kommunalwahl in Dachau auf Drucksache 14/10054 bekannt. Ja-Stimmen 69, Nein-Stimmen 82, keine Enthaltungen. Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 6)

Außerhalb der Tagesordnung gebe ich bekannt, dass eine Reihe von Anträgen für erledigt erklärt wurde. Im Einzelnen verweise ich auf die Ihnen vorliegende Aufstellung. Das Hohe Haus nimmt davon zustimmend Kenntnis.

(Aufstellung siehe Anlage 8)

Ich schließe für heute die Sitzung.

(Schluss: 18.23 Uhr)